Beschluss vom Landgericht Stendal (3. Strafkammer) - 503 Qs (303 Js 14896/13) 1/14, 503 Qs 1/14

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Beschluss des Amtsgerichtes Burg vom 27. Januar 2014 wird als unbegründet verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten.

Gründe

I.

1

Die Anklage vom 13. November 2013 legt dem Angeschuldigten zur Last, als Heranwachsender am 25. Mai 2013 in Magdeburg durch dieselbe Handlung entgegen § 17 a Abs.2 Nr.1 Versammlungsgesetz an einer sonstigen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilgenommen zu haben und tateinheitlich entgegen § 17 a Abs.1 Versammlungsgesetz bei einer sonstigen öffentlichen Veranstaltung unter freiem Himmel Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen danach bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich geführt zu haben und sich dadurch nach § 27 Abs.2 Ziff.1 und Ziff.2 Versammlungsgesetz strafbar gemacht zu haben. Er soll in der MDCC-Arena nach Beendigung des Fußballspieles zwischen dem 1. FC Magdeburg und dem FSV Zwickau in Höhe des Blockes 10 der Arena auf die Innenraumumzäunung gestiegen sein und sich dabei vermummt haben, indem er ein schwarzes so genanntes Ninja-Kappu über den Kopf und hierüber die Kapuze seiner Jacke gezogen haben soll, wobei er durch den hoch geschlossenen Kragen seine Haare, Ohren, Mund und Nase verdeckt haben soll, um nicht erkannt zu werden. Zudem soll er weitere Vermummungsgegenstände wie eine Sturmhaube, Sonnenbrille und ein sogenanntes Ninja-Kappu sowie Gebissschutz bei sich geführt haben, um diese im Bedarfsfall zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen einzusetzen.

2

Das Amtsgericht Burg - Jugendrichterin - hat mit Beschluss vom 27. Januar 2014 die Eröffnung des Hauptverfahrens auf Rechtsgründen abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Versammlungsgesetz des Bundes, auf das die Anklage gestützt sei, sei seit dem Inkrafttreten des Landesversammlungsgesetzes im Dezember 2009 im Land Sachsen-Anhalt nicht mehr anwendbar. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 27. Januar 2014 (Bl. 47-48 d.A.) Bezug genommen.

3

Gegen diesen ihr am 07. Februar 2014 zugestellten Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 11. Februar 2014 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht, gestützt auf ein an das Ministerium für Inneres und Sport gerichtetes Schreiben des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung vom 20. Dezember 2013, geltend, auch nach Inkrafttreten des Landesversammlungsgesetzes gälten §§ 27 Abs.2, 28, 29 Abs.1 Nr.1a des Versammlungsgesetzes des Bundes fort, soweit sie Verbote außerhalb von Versammlungen bei „sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel“ bzw. in der „Öffentlichkeit“ unter Strafe stellten. Wegen der Einzelheiten wird auf das bezeichnete Schreiben des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung (Bl. 31-32 d.A.) Bezug genommen.

II.

4

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 210 Abs.2, 304 Abs.1, 306 Abs.1, 311 Abs.1 und Abs.2 StPO).

5

Die sofortige Beschwerde ist indes nicht begründet. Das Amtsgericht - Jugendrichterin - hat mit zutreffenden Erwägungen die Eröffnung des Hauptverfahrens aus Rechtsgründen abgelehnt. Das (im Folgenden als gegeben unterstellte) Verhalten des Angeschuldigten ist nicht strafbar.

6

§ 15 Abs.1 u. Abs.2 des Landesversammlungsgesetzes (im Folgenden: VersammlG-LSA) bestimmt ein näher ausgestaltetes Bewaffnungs- und Vermummungsverbot „bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder bei Aufzügen oder auf dem Weg dorthin“. § 26 Abs.2 Ziff.1 u. Ziff.2 VersammlG-LSA stellt eine Missachtung dieses Bewaffnungs- und Vermummungsverbotes unter Strafe.

7

Der Angeschuldigte hat sich nach diesen Vorschriften nicht strafbar gemacht, weil sein Verhalten in keinem Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel, einem Aufzug oder dem Weg dorthin steht.

8

Der Begriff der Versammlung einschließlich des Aufzuges als besondere Form der Versammlung erfasst nur solche Zusammenkünfte, bei denen sich Menschen zur gemeinsamen Meinungsbetätigung treffen. Versammlungen sind demnach Zusammenkünfte einer unbestimmten Anzahl von Personen zur Mitwirkung (z.B. Beratung, Aussprache, Kundgebung, Zustimmung) mit einem gemeinsamen Ziel (vgl. Maunz in Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Lief.23, Oktober 1996, Art. 74 Rdnr.92). Vom Versammlungsbegriff nicht erfasst ist demgegenüber der Besuch kultureller oder unterhaltsamer Veranstaltungen, weil es hierbei nicht um eine Meinungsbetätigung zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles geht (vgl. Maunz, a.a.O. Rdnr.94). Indem der Angeschuldigte eine Sportveranstaltung besucht hat, hat er demnach nicht an einer Versammlung teilgenommen.

9

Der Angeschuldigte hat sich auch nicht nach § 27 Abs. 2 Ziff.1 u.Ziff.2 in Verbindung mit § 17 a Abs.1 u. Abs.2 des Versammlungsgesetzes des Bundes (im Folgenden: VersammlG-Bund) strafbar gemacht. § 17 a Abs.1 u. Abs.2 VersammlG-Bund bestimmt ein näher ausgestaltetes Bewaffnungs- und Vermummungsverbot „bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin“ (Hervorhebung durch die Kammer). § 27 Abs.2 Ziff.1 u. Ziff.2 VersammlG-Bund stellt eine Missachtung dieses Verbotes unter Strafe. Mithin ist nach dem VersammlG-Bund, anders als nach dem VersammlG-LSA, auch eine im Gesetz im Einzelnen beschriebene Bewaffnung beziehungsweise Vermummung bei „sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel“, wozu auch öffentliche Sportveranstaltungen wie Fußballspiele zählen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 11.04.2011 - 2 Ss 36/11; LG Dresden, Beschluss v. 28.02.2007 - 3 Qs 20/07; zitiert jeweils nach juris), oder auf dem Weg dorthin verboten und strafbar.

10

Das VersammlG-Bund gilt indes im Land Sachsen-Anhalt seit Inkrafttreten des VersammlG-LSA am 12. Dezember 2009 nicht - auch nicht teilweise - fort. Nachdem sich infolge einer Änderung des Grundgesetzes ab 01. September 2006 die konkurrierende Gesetzgebung nicht mehr auf das Versammlungsrecht erstreckt, galt gemäß Art. 125a Abs.1 Satz 1 GG das VersammlG-Bund zunächst als Bundesrecht fort. Es konnte indes gemäß Art. 125a Abs.1 Satz 2 GG durch Landesrecht ersetzt werden. Von dieser Ersetzungsbefugnis hat der Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er das VersammlG-LSA vom 3. Dezember 2009 verabschiedet hat. Damit ist im Land Sachsen-Anhalt das VersammlG-Bund in seiner Gesamtheit ersetzt worden.

11

Zwar ist, da Art. 125 a Abs.1 Satz 2 GG keine Anforderungen an den Umfang der Ersetzung fortgeltenden Bundesrechtes stellt, grundsätzlich auch eine partielle Ersetzung möglich. Bedingung in diesem Fall ist indes, dass die verbleibende bundesrechtliche Regelung sinnvoll bleibt (vgl. Uhle in Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Lfg.46, März 2006, Art. 125a Rdnr.30). Das Bundesverfassungsgericht spricht im Rahmen der parallelen Fragestellung des Art. 125a Abs.2 Satz 2 GG davon, dass es aufgrund der Ersetzungsbefugnis einem Land gestattet ist, die Materie, gegebenenfalls auch einen „abgrenzbaren Teilbereich“, in eigener Verantwortung zu regeln (BVerfGE 111, 10, 30).

12

Selbst wenn der Landesgesetzgeber bei Erlass des VersammlG-LSA nur eine partielle Ersetzung des VersammlG-Bund und eine Fortgeltung des im VersammlG-Bund normierten strafbewehrten Bewaffnungs- und Vermummungsverbotes bei „sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel“ gewollt hätte, bestünden Bedenken, ob es sich insoweit um einen abgrenzbaren Teilbereich handelt, insbesondere, ob die verbleibende bundesrechtliche Regelung sinnvoll bliebe. Dies kann indes dahinstehen.

13

Denn jedenfalls hatte der Landesgesetzgeber bei Verabschiedung des VersammlG-LSA nicht den Willen, lediglich eine partielle Ersetzung des Bundesrechtes vorzunehmen. Er wollte vielmehr die gesamte im VersammlG-Bund geregelte Materie durch ein eigenes, den Besonderheiten des Landes Sachsen-Anhalt angepasstes, Gesetz regeln.

14

Die Kammer hat die Plenarprotokolle und Ausschussprotokolle zum Gesetzgebungsvorgang des VersammlG-LSA eingesehen, um die Motive des Landesgesetzgebers bei der Formulierung des Gesetzes nachzuvollziehen. Ihnen ist zu entnehmen, dass der erste Entwurf vom 02. Juni 2008 eines VersammlG-LSA (Drs. 5/1301) in § 1 die Fortgeltung des VersammlG-Bund (mit Ausnahme der §§ 15, 16 und 29a) als Landesrecht und in §§ 2 bis 6 weitere Regelungen vorsah. Später wurde statt der ursprünglich vorgesehenen statischen Verweisung auf das VersammlG-Bund ein vollständig ausformuliertes Landesgesetz favorisiert, mit dem das VersammlG-Bund im Wesentlichen übernommen, in einzelnen Punkten nachgebessert und um landesspezifische Regelungen ergänzt werden sollte. Nachdem im Verlauf der mehr als ein Jahr andauernden Beratungen mehrere Verfassungsrechtsexperten, kommunale Spitzenverbände und der Landesbeauftragte für den Datenschutz angehört, Stellungnahmen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages eingeholt und der mitberatende Ausschuss für Recht und Verfassung beteiligt worden waren, lag dem federführenden Innenausschuss in seiner Sitzung am 16. September 2009 schließlich ein überarbeiteter Gesetzentwurf zur Einzelberatung vor.

15

Dieser sah in § 15 Abs.1 ein wie folgt formuliertes Bewaffnungsverbot vor:

16

„Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.“

17

(Hervorhebungen durch die Kammer).

18

In § 15 Abs.2 sah der Entwurf ein Vermummungsverbot für „derartige Veranstaltungen“ oder den Weg dorthin vor.

19

§ 26 Abs.2 Ziff.1 des Entwurfes war wie folgt formuliert:

20

„Wer
1. entgegen § 15 Abs.1 bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich führt, (…) wird (…) bestraft.“

21

(Hervorhebungen durch die Kammer).

22

In § 26 Abs.2 Ziff.2 stellte der Entwurf den Verstoß gegen das Vermummungsverbot des § 15 Abs.2 Ziff.1 bei „derartigen Veranstaltungen“ oder dem Weg dorthin unter Strafe.

23

Die Formulierungen in § 15 Abs.1 u. Abs.2 und § 26 Abs.2 des Entwurfes entsprach genau derjenigen in § 17a Abs.1 u. Abs.2 und § 27 Abs.2 VersammlG-Bund. Im Verlauf der bis zum 16. September 2009 erfolgten Diskussionen, Anhörungen und Beratungen war zu keinem Zeitpunkt erwogen worden, von dieser Formulierung abzuweichen.

24

Dem Innenausschuss lag in seiner Sitzung am 16. September 2009, in der der Gesetzentwurf beraten werden sollte, hierzu ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD vor, der hinsichtlich der hier in Rede stehenden Vorschriften wie folgt lautet:

25

㤠15 Abs.1 wird wie folgt gefasst:
‚(1) Es ist verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder bei Aufzügen oder dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von öffentlich-rechtlichen Befugnissen abzuwehren, mit sich zu führen.’ (…)

26

§ 26 Abs.2 Nr.1 wird wie folgt gefasst:
‚1.

27

entgegen § 15 Abs.1 bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder bei Aufzügen oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von öffentlich-rechtlichen Befugnissen abzuwehren, mit sich führt,’“.

28

Eine Begründung für den Änderungsantrag, demzufolge das strafbewehrte Bewaffnungs- und Vermummungsverbot nicht für „sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel“ gelten sollte, lässt sich dem Protokoll der Ausschusssitzung nicht entnehmen.

29

Der Innenausschuss nahm in seiner Sitzung vom 16. September 2009 den Änderungsantrag, soweit er sich auf §§ 15 und 26 VersammlG-LSA bezog, an und empfahl dem Landtag, den Gesetzentwurf in der geänderten Fassung anzunehmen, was der Landtag in seiner Sitzung vom 08. Oktober 2009 dann auch tat.

30

Aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens ergibt sich, dass gegen die konkrete Formulierung des sich auch auf „sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel“ erstreckenden strafbewehrten Bewaffnungs- und Vermummungsverbotes in §§ 15 und 26 des Entwurfes eines VersammlG-LSA, wie er dem Innenausschuss in seiner Sitzung vom 16. September 2009 zunächst vorlag, im Verlauf der vorangegangenen mehr als ein Jahr andauernden Beratungen zu keinem Zeitpunkt verfassungsrechtliche oder sonstige Bedenken geäußert worden waren. Insbesondere wurde die Kompetenz des Landesgesetzgebers für die Normierung eines sich auch auf „sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel“ erstreckenden Bewaffnungs- und Vermummungsverbotes nicht in Frage gestellt. Die Befugnis des Landes für die Normierung eines derartigen Verbotes ergab sich unzweifelhaft zumindest aus seiner Gesetzgebungskompetenz für das Gefahrenabwehrrecht. Da sich der Landesgesetzgeber aus rechtlichen Gründen nicht gehindert sah, ein Bewaffnungs- und Vermummungsverbot für „sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel“ zu normieren, hatte er bis zur Sitzung des Innenausschusses am 16. September 2009 auch nicht erwogen, insoweit von der im VersammlG-Bund enthaltenen Formulierung abzuweichen.

31

Die Gründe, die den Innenausschuss in seiner Sitzung am 16. September 2009 dazu bewogen haben, dem Änderungsantrag zuzustimmen und in dem Gesetzentwurf das Bewaffnungs- und Vermummungsverbot nicht, wie ursprünglich vorgesehen, auf „sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel“ zu erstrecken, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Das Sitzungsprotokoll gibt hierüber keinen Aufschluss.

32

Dass jedenfalls nach dem Willen des Landesgesetzgebers das VersammlG-Bund insoweit nicht teilweise fortgelten sollte, sondern mit der Verabschiedung des VersammlG-LSA das VersammlG-Bund insgesamt ersetzt werden sollte, lässt sich dem Gang der abschließenden Beratung des Gesetzentwurfes in der öffentlichen Sitzung des Landtages am 8. Oktober 2009 entnehmen. In deren Verlauf sprach der damalige Minister des Innern Hövelmann davon „das alte Bundesgesetz (und nicht nur Teile davon, Anm. d. Kammer) in Landesgesetzen moderner zu gestalten“. Weiter führte er aus: „Vor uns liegt nunmehr der Entwurf eines Gesetzes, der zu einem vollständigen und eigenständigen Landesversammlungsrecht führen soll. Mit diesem Entwurf sind nicht nur die redaktionellen Ungereimtheiten des noch (und damit künftig nicht mehr, auch nicht teilweise, Anm. d. Kammer) geltenden Bundesgesetzes bereinigt worden. Es sind auch verfassungsrechtliche Mängel beseitigt und die hinsichtlich mehrerer Vorschriften angebrachten Präzisierungen und Korrekturen herbeigeführt worden. Zugleich sind im Vergleich zum bisherigen Bundesrecht nicht nur einige verfassungsrechtlich gebotene Entschärfungen vorgesehen worden. …“. Der Abgeordnete BB fasste den Gang des Gesetzgebungsverfahrens wie folgt zusammen: „In den Ausschussberatungen haben wir uns den Wunsch der Opposition zu eigen gemacht, ein Vollgesetz zu verabschieden. Diese Lösung hat den Vorzug, dass man nicht in zwei Gesetzen, einem des Bundes und einem des Landes, suchen muss, um alle die Versammlungen betreffenden Gesetzesregelungen im Blick zu haben. … Wir haben darauf geachtet, von dem guten Bundesgesetz nicht unnötig abzuweichen, haben es dann in einzelnen Punkten eben doch getan.“ Diese Äußerungen belegen eindrucksvoll, dass nach dem Willen des Landesgesetzgebers das VersammlG-Bund insgesamt durch ein Landesgesetz ersetzt werden sollte. Aus keinem der Plenar- und Ausschussprotokolle ergeben sich Anhaltspunkte, dass der Landesgesetzgeber nur eine partielle Ersetzung und damit verbundene teilweise Fortgeltung des VersammlG-Bund gewollt hätte. Im Gegenteil, den Worten des Abgeordneten SPD) ( BB zufolge sollte ein Nebeneinander von Bundesgesetz und Landesgesetz gerade vermieden werden.

33

Im Ergebnis dessen gelten §§ 17a Abs.1 u. Abs.2, 27 Abs.2 Ziff.1 u. Ziff.2 VersammlG-Bund, die ein strafbewehrtes Bewaffnungs- und Vermummungsverbot auch für „sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel“ enthalten, im Land Sachsen-Anhalt seit Inkrafttreten des VersammlG-LSA am 12. Dezember 2009 nicht fort. Das Verhalten des Angeschuldigten ist mithin nicht strafbar.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Satz 1 StPO.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.