Urteil vom Landgericht Stuttgart - 27 O 228/02

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.

3. Wegen der Kosten ist das Urteil zu Gunsten der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Einsichtnahme in die Buchhaltung und in sämtliche Abrechnungsunterlagen der Beklagten, die den Zeitraum vom 01.10.1999 bis 30.09.2002 betreffen.
Der Kläger praktizierte als Zahnarzt und als Arzt für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie ab 01.10. 1999 - so die Darstellung des Klägers- bzw. nach Behauptung der Beklagten - ab 01.11.1999 bis 30.09.2002 in der zahnärztlichen und kiefer- und gesichtschirurgischen Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 1-3. Ein weiterer Arzt, Herr Dr. Schneider, schied im 2. Quartal 2000 aus der Gemeinschaftspraxis aus.
Ein schriftlicher bzw. notariell beglaubigter Gemeinschaftspraxisvertrag existiert nicht.
Auch eine mündliche Vereinbarung über die Ausgestaltung der Gemeinschaftspraxis im einzelnen wurde zwischen den Parteien nicht getroffen.
Der Zulassungsausschuss für Zahnärzte genehmigte durch Beschluss vom 24.9.1999 den Formularantrag des Klägers (Blatt 44/46) auf Ausübung einer Gemeinschaftspraxis mit den Beklagten ab 1.10.1999 (Blatt 7/8), ein entsprechender Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte erging am 25.8.1999 (Blatt 9/10). Beschlüsse über die Beendigung der Gemeinschaftspraxis per 30.9.2002 ergingen am 21.8. bzw. 13.9.2002 (Blatt 11/14).
Am Vermögen der Gemeinschaftspraxis war der Kläger nicht beteiligt.
Er wurde auch nicht in die Verträge der Praxis, wie z. B. in den Mietvertrag, mit aufgenommen. Weder auf dem Praxisschild noch auf dem Briefpapier fand der Name des Klägers Erwähnung, geführt wurde er nur auf dem Abrechnungsstempel der KZV bzw. KV.
Der Kläger hatte keine Verfügungsbefugnis über die Praxiskonten, an der Geschäftsführung bzw. Vertretung der Gemeinschaftspraxis war er nicht beteiligt. An Mitarbeiterbesprechungen hat er niemals teilgenommen, mit organisatorischen, finanziellen, abrechnungstechnischen Fragen oder dergleichen war er nicht befasst.
Völlig selbstständig war er allerdings im Hinblick auf seine ärztliche bzw. zahnärztliche Tätigkeit.
10 
Der Kläger erhielt für seine Tätigkeit - 35 Stunden pro Woche - eine feste monatliche Vergütung von 12.000 DM, ab 1.1.2002 den entsprechenden Betrag von 6.135,50 EUR. Im Jahre 2001 bat der Kläger um eine Erhöhung der Bezüge auf 16.000 DM pro Monat, die Beklagten waren damit jedoch nicht einverstanden, weshalb es bei der ursprünglichen Vergütung verblieb.
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Dieser Betrag wurde unter dem Konto "Personalkosten“ als Betriebsausgaben verbucht. Der Kläger hat seine Einkünfte als " Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit " versteuert.
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Eine darüber hinausgehende Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Gewinnbeteiligung wurde weder schriftlich noch mündlich getroffen.
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Der Kläger beendete seine Tätigkeit bei den Beklagten auf eigenen Wunsch durch mündliche Kündigung zum 30.9.2002.
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Erstmals nach dem Ausscheiden aus der Praxis begehrte der Kläger durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2002 (Bl.76) Einsicht in die Buchhaltung bzw. in die Abrechnungsunterlagen. Die Beklagten lehnten die Einsichtnahme in ihre Unterlagen strikt ab. Der Kläger beanspruchte die Einsicht um restliche Gewinnansprüche bzw. Abfindungsansprüche der Höhe nach beziffern zu können.
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Der Kläger behauptet, die Parteien hätten sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden, der er als gleichberechtigter Gesellschafter bis zu seinem Ausscheiden angehört habe. Anders als in der Form der Partnerschaftsgesellschaft oder BGB-Gesellschaft sei der Betrieb einer Gemeinschaftspraxis nicht zulässig. In Praxisführung und Berufsausübung, insbesondere in Bezug auf den zahnärztlichen und ärztlichen Tätigkeitsbereich seien die Gesellschafter gleichberechtigt bei der Erfüllung ihres medizinischen Auftrages tätig gewesen. Unerheblich sei, dass laut Beschluss des Zulassungsausschusses der Nachweis der gleichberechtigten Teilhaberschaft nicht erbracht worden sei, dieser Umstand beruhe allein darauf, dass kein schriftlicher Vertrag vorgelegt worden sei.
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Nach seinem Ausscheiden befinde sich die Gesellschaft nun in der Auseinandersetzung.
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Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die gemeinsam erzielten Einnahmen seien gem. § 722 Abs.1 BGB in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung unter den Gesellschaftern zu verteilen, ihnen stünden gleiche Anteile am Gewinn und Verlust zu.
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Die Darstellung der Beklagten sei unzutreffend, sie wollten den Kläger faktisch wie einen Arbeitnehmer behandeln. In diesem Falle wären nämlich nach Auffassung des Klägers sämtliche Honorarabrechnungen für den Zeitraum der Gemeinschaftspraxis unrichtig und es hätten außerdem Sozialabgaben für den Kläger von der Gemeinschaftspraxis abgeführt werden müssen.
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Um die ihm zustehenden, restlichen Gewinn- und Abfindungsansprüche geltend machen zu können und gegebenenfalls um Kontrollrechte aus § 716 BGB ausüben zu können, benötige er Einsicht in die Buchführungs- und Vertragsunterlagen der Gemeinschaftspraxis. Der Umstand, dass er diese Rechte während der kurzen Zeit der Gemeinschaftspraxis nicht wahrgenommen habe, weil er sich auf die ordnungsgemäße Geschäftsführung durch den Beklagten Ziff. 1 verlassen habe, sei ohne Belang.
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Für die zurückliegenden Jahre gebe es noch keine Gewinnverteilung, eine einheitliche Gewinn- und Verlustfeststellung der Gemeinschaftspraxis sei ihm bis heute nicht vorgelegt worden.
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Unerheblich sei auch der Umstand, dass der Kläger am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt gewesen sei. Eine Kapitalbeteiligung sei nicht nötig um eine Gesellschafterstellung zu begründen.
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Eine Einigung über eine Gewinnverteilung sei zwischen den Parteien nicht zustandegekommen. Es sei auch nicht vereinbart worden, dass der Kläger im Falle seines Ausscheidens keine Abfindung erhalte und dass er keinerlei Rechte auf Einsicht in die Bücher, Kontozugriff, Vertretung etc. habe. Gerade weil man sich über maßgebliche Punkte nicht habe einigen können, sei die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten beendet worden.
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Außerdem befürchte er nach seinem Ausscheiden haftungsrechtliche Konsequenzen. Es sei nicht auszuschließen, dass die gegenüber dem Finanzamt abgegebenen Erklärungen unzutreffend seien, es könnten Ansprüche des Finanzamts oder auch von anderen Gläubigern auf ihn zukommen. Er habe daher die Gesellschafter mehrfach aufgefordert, ihm Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen und die Buchführung zu gewähren, dies sei ihm jedoch verweigert worden.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
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I. dem Kläger Einsichtnahme in die Buchführungsunterlagen und Vertragsunterlagen der Gemeinschaftspraxis Dr. Dr. S., Dr. S.-G., B., Dr. S. für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis 30.09.2002 zu gewähren, insbesondere in die:
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1. Konten der Buchhaltung
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2. Bankauszüge des Gemeinschaftspraxiskontos bei der Volksbank AG im Kreis Böblingen, Konto-Nr. 203 302 028, BLZ 603 900 00
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3. Honorarabrechnungen mit der KZV Stuttgart für die Quartale 4/99 bis 3/02 einschließlich der Leistungsübersichten, Nachweise für Abschlagszahlungen und Schlusszahlungen sowie Honorarabrechnungsbescheide, Degressionsbescheide, Honorarrückforderungsbescheide und Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheide
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4. Honorarabrechnungen mit der KV Nord-Württemberg für die Quartale 4/99 bis 3/02, einschließlich der Leistungsübersichten, Nachweise für Abschlagszahlungen und Schlusszahlungen sowie Honorarabrechnungsbescheide, Fallzahlzuwachsbegrenzungsbescheide, Honorarrückforderungsbescheide und Wirtschaftlichkeitsprüfungsbescheide
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5. Abrechnungen mit Privatpatienten
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6. Unterlagen und Verträge zu Abrechnungen der ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen mit dem Krankenhaus Sindelfingen aus Konsiliartätigkeit
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7. Unterlagen und Zahlungsbelege zur Abrechnung der belegärztlichen Tätigkeit mit dem Verband der Angestellten Krankenkassen
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8. Alle Einnahmen und Ausgabenbelege der Gemeinschaftspraxis, Miet- und Leasingverträge, Arbeitsverträge etc.
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II. Dem Kläger zu gestatten, sich entsprechende Ablichtungen aus den Unterlagen zu I. zu fertigen.
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III. Dem Kläger zu gestatten, die Akteneinsichtnahme durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Buchprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwalt bzw. in dessen Beisein vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
39 
Die Beklagten tragen vor, der Kläger sei lediglich „Mitgesellschafter im Sinne des Kassenarztrechts“ gewesen, dort sei zwischen gleichberechtigten und nicht gleichberechtigten Gesellschaftern zu differenzieren. Der Kläger sei jedenfalls nicht gleichberechtigter Mitgesellschafter gewesen, vielmehr sei seine Position stark der eines Arbeitnehmers angenähert gewesen. Abfindungs- und Gewinnverteilungsansprüche zu Gunsten des Klägers bestünden nicht. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass das vom Kläger zur Begründung seines vermeintlichen Anspruchs angeführte Gesellschaftsrecht §§ 705 ff BGB weitgehend dispositiv sei. Es sei zwar kein schriftlicher Vertrag geschlossen worden, es gäbe aber eine mündliche Vereinbarung. Laut diesem sei - statt einer variablen Ergebnisbeteiligung -eine monatliche feste Vergütung des Klägers vereinbart worden. Der Kläger habe nie deutlich gemacht, dass er diese Vergütung als eine Art Akontozahlung auf seine vermeintlichen Gewinnansprüche betrachte. In dem Zeitraum vom 1.11.1999 bis zu seinem Ausscheiden habe der Kläger monatlich 12.000 DM bzw. den entsprechenden Euro-Betrag erhalten. Eine darüber hinausgehende Beteiligung am Gewinn habe er zu keinem Zeitpunkt beansprucht, vielmehr habe er auf eine feste Vergütung bestanden.
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Die Beklagten vertreten weiterhin die Rechtsansicht, dass der Kläger selbstverständlich ein Recht auf Einsicht in die Unterlagen habe, falls er solche benötige, wenn Haftungsfragen aus Behandlungsfehlern im Raum stünden. Die Geltendmachung von Kontrollrechten sei aber dann gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger nur bezwecke, Geschäftsgeheimnisse auszuspionieren oder Ansprüche geltend mache, wie hier die vermeintlichen Gewinnansprüche, die ihm gar nicht zustünden.
41 
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
42 
I. Die zulässige Klage bleibt im Ergebnis erfolglos.
43 
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart ergibt sich wegen der Höhe des Streitwerts aus §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO, da die Beklagten im Landgerichtsbezirk ansässig sind..
44 
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Buchführungs- und Vertragsunterlagen der Beklagten, da ein wirksamer Gemeinschaftspraxisvertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen worden ist (1), ihm daher zu keinem Zeitpunkt Rechte gem. § 716 BGB, oder eine Beteiligung am materiellen oder immateriellen Wert der Praxis zustand.
45 
Für Ansprüche gemäß §§ 242,810 BGB hat der Kläger kein hinreichendes rechtliches Interesse dargetan (2).

Gründe

 
42 
I. Die zulässige Klage bleibt im Ergebnis erfolglos.
43 
Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart ergibt sich wegen der Höhe des Streitwerts aus §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO, da die Beklagten im Landgerichtsbezirk ansässig sind..
44 
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Buchführungs- und Vertragsunterlagen der Beklagten, da ein wirksamer Gemeinschaftspraxisvertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen worden ist (1), ihm daher zu keinem Zeitpunkt Rechte gem. § 716 BGB, oder eine Beteiligung am materiellen oder immateriellen Wert der Praxis zustand.
45 
Für Ansprüche gemäß §§ 242,810 BGB hat der Kläger kein hinreichendes rechtliches Interesse dargetan (2).

Sonstige Literatur

 
109 
Beschluss:
110 
Der Streitwertwert wird auf 62.500 EUR festgesetzt.
111 
Für den Wert einer Auskunftsklage ist maßgebend das Interesse des Klägers an der begehrten Auskunft. Er hat seinen Anspruch maßgeblich begründet mit der Behauptung, er wolle die Höhe seiner restlichen Gewinnbeteiligung bzw. seines Abfindungsanspruches zur Vorbereitung der Geltendmachung dieser Ansprüche in Erfahrung bringen. In diesem Zusammenhang behauptete er, er gehe davon aus, dass ihm für seine dreijährige Tätigkeit noch ein Anspruch in einer Größenordnung von 200.000 bis 300.000 EUR zustehe. Allerdings ist das Interesse an der Auskunft nicht identisch mit der Hauptsache, sondern lediglich mit einem Teilwert gem. § 3 ZPO zu schätzen.
112 
Nachdem dem Kläger bislang jegliche Anhaltspunkte für die Bezifferung seines Anspruches fehlen, ist von einem eher größeren Bruchteil auszugehen, den die Kammer vorliegend mit einem Viertel bewertet.

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Referenzen

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