Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 19 T 165/04

Tatbestand

 
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
Die Beklagte hatte vom Kläger eine Wohnung gemietet. Mit Schreiben vom 3.4.2003 kündigte der Kläger als Vermieter der Beklagten wegen Eigenbedarfs zum 31.10. 2003. Die Mieterin sprach daraufhin ihrerseits die Kündigung des Mietverhältnisses aus, allerdings zum 31.1.2004. Der Kläger erklärte sich mit der Beendigung des Mietverhältnisses zu diesem späteren Termin einverstanden.
Nachdem die Beklagte die Wohnung zum 31.1.2004 nicht geräumt hatte, erhob der Kläger am 3.2.2004 Klage auf Räumung der Wohnung. Mit Schreiben vom 25.2.2004 zeigte die Beklagte durch ihren Vertreter ihre Verteidigungsbereitschaft an. In der Klageerwiderungsschrift vom 16.3.2004 erkannte die Beklagte den Räumungsanspruch des Klägers an, beantragte jedoch zugleich eine angemessene Räumungsfrist, da sie in ihre bereits gefundene Ersatzwohnung aufgrund eines für diese Wohnung geschlossenen Vergleichs nach einem Räumungsprozess erst zum 31.7.2004 einziehen könne.
Der Kläger beantragte den Erlass eines Anerkenntnisurteils und die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung der Räumungsfrist.
Am 6.4.2004 erließ das Amtsgericht Ludwigsburg das beantragte Anerkenntnisurteil und bewilligte der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.7.2004. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt.
Gegen diese Kostenentscheidung legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.4.2004 sofortige Beschwerde ein, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Entscheidungsgründe

 
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist gem. §§567 Abs. 1 Nr.1, 99 Abs. 2 ZPO statthaftes Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Ludwigsburg.
Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beklagte ist mit den ihr entstandenen Kosten beschwert, die die Mindestbeschwer des §567 Abs. 2 ZPO (a.F.) übersteigen. Auch wäre die Hauptsache berufungsfähig gewesen.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
10 
Vorliegend unberücksichtigt kann bleiben, dass das – als solches nicht angefochtene – Anerkenntnisurteil, dessen Bestandteil die angefochtene Kostenentscheidung ist, insofern verfahrensfehlerhaft ergangen ist, als die Voraussetzungen für eine Entscheidung im schriftlichen Vorverfahren gemäß §307 Abs. 2 ZPO nicht vorlagen, nachdem von der Beklagten Verteidigungsbereitschaft angezeigt worden war.
11 
Die Kosten des Rechtsstreits sind gem. §93 b Abs. 3 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Die Voraussetzungen des § 93 b Abs. 3 ZPO sind erfüllt.
12 
Die Beklagte hat den Räumungsanspruch in der schriftlichen Klageerwiderung sofort anerkannt. Diesem sofortigen Anerkenntnis steht die zunächst erfolgte Verteidigungsanzeige nicht entgegen. Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. §93b Abs. 3 ZPO im schriftlichen Vorverfahren liegt nach überwiegender Rechtsprechung und Literaturansicht auch dann noch vor, wenn der Mieter zunächst seine Verteidigungsbereitschaft gegen die Räumungsklage anzeigt und sodann im Rahmen der fristgerechten Klageerwiderung den Klageanspruch anerkennt (LG Köln WM 1996, 567ff.; LG Freiburg WM 1993, 553; AG Hannover WM 1993, 551; Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., §93b, Rn.7). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an; die abweichende Ansicht, wonach eine Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ein sofortiges Anerkenntnis ausschließe (LG Regensburg WM 1993, 552; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., §93b Rn.11) vermag – jedenfalls für die Konstellation des §93b Abs. 3 und den hier vorliegenden Fall, dass die Verteidigungsanzeige nicht bereits mit der Ankündigung eines Klagabweisungsantrages verknüpft wird – nicht zu überzeugen.
13 
Es kann letztlich vorliegend dahinstehen, ob auch im Falle einer Entscheidung gemäß §93 ZPO die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft einem „sofortigen“ Anerkenntnis und demzufolge einer dem Beklagten günstigen Kostenentscheidung nicht entgegenstünde (in diesem Sinne mit ausführlicher Begründung: OLG Nürnberg NJW 2002, 2254).
14 
Denn jedenfalls steht nach Auffassung der Kammer eine Verteidigungsanzeige in der Sonderkonstellation des §93b Abs. 3 ZPO der Rechtzeitigkeit des in der darauffolgenden Klagerwiderung erklärten Anerkenntnisses nicht entgegen. Eine solche Anzeige erfolgt aufgrund der Belehrung in der Verfügung des Gerichts, in welcher der Beklagte aufgefordert wird, wenn er sich gegen die ihm zugestellte Klage verteidigen will, dies dem Gericht innerhalb der Notfrist anzuzeigen. Eine Differenzierung nach einzelnen Aspekten, bzgl. derer ein Beklagter dem prinzipiell auf uneingeschränkte sofortige Verurteilung gerichteten Klagantrag entgegentreten will, enthält die Aufforderung gemäß §276 Abs. 1 S.1 ZPO nicht. Daher kann es billiger Weise einem Beklagten, der beabsichtigt, sich mit einem Antrag auf Räumungsfrist gewissermaßen in zeitlicher Hinsicht gegen den Antrag auf (sofortige) Räumung zur Wehr zu setzen, nicht kostenrechtlich zum Nachteil gereichen, wenn er zunächst – ohne Klagabweisungsanträge anzukündigen – zunächst Verteidigungsbereitschaft signalisiert.
15 
Das in der Klageerwiderung erklärte Anerkenntnis des Räumungsanspruchs ist somit im Sinne des §93b Abs. 3 ZPO sofort erfolgt.
16 
Auch die übrigen Voraussetzungen des §93b Abs. 3 ZPO sind erfüllt. Mit Schreiben des Mieterbundes vom 14.1.2004 und vom 22.1. 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie in ihre künftige Wohnung nicht wie geplant zum 1.2.2004 einziehen könne und dass in einem Vergleich im Räumungsprozess mit dem Nutzer dieser Wohnung geregelt worden sei, dass dieser spätestens zum 31.7.2004 ausziehe. Sie bat darum, vorerst keine rechtlichen Schritte gegen sie einzuleiten. Ein zwischenzeitlicher Umzug in eine andere Ersatzwohnung sei unzumutbar. Diese Schreiben sind bei verständiger Würdigung so auszulegen, dass die Beklagte aus den genannten Gründen darum bat, entweder das Mietverhältnis (längstens) bis zu diesem Zeitpunkt zu verlängern oder ihr eine entsprechende Räumungsfrist zu bewilligen. Die begehrte Räumungsfrist, die der Beklagten schließlich auch gerichtlich zugesprochen wurde, war zur Vermeidung eines kurzfristigen Zwischenumzuges in Ermangelung einer klägerseits dargelegten Dringlichkeit des Räumungsbegehrens auch angemessen. Indem der Kläger durch seinen Vertreter mit Schreiben vom 26.1.2004 erklären ließ, dass er mit einer Verlängerung des Mietverhältnisses nicht einverstanden sei, brachte er zum Ausdruck, dass er das Begehren der Mieterin, länger in der Wohnung bleiben zu können, verstanden habe aber nicht berücksichtigen wolle. Das Begehren der Klägerin, weiter in der Wohnung bleiben zu können bis ihre neue Wohnung frei würde, blieb somit erfolglos.
17 
Die Kostenfolge im Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §91 ZPO. Wegen der in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantworteten Frage, ob eine Verteidigungsanzeige einem sofortigen Anerkenntnis im Rahmen des §93b Abs. 3 ZPO entgegensteht, lässt die Kammer gemäß §574 Abs. 3 S.1 i.V.m. Abs. 2 Nr.2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zu.

Gründe

 
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist gem. §§567 Abs. 1 Nr.1, 99 Abs. 2 ZPO statthaftes Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Ludwigsburg.
Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beklagte ist mit den ihr entstandenen Kosten beschwert, die die Mindestbeschwer des §567 Abs. 2 ZPO (a.F.) übersteigen. Auch wäre die Hauptsache berufungsfähig gewesen.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
10 
Vorliegend unberücksichtigt kann bleiben, dass das – als solches nicht angefochtene – Anerkenntnisurteil, dessen Bestandteil die angefochtene Kostenentscheidung ist, insofern verfahrensfehlerhaft ergangen ist, als die Voraussetzungen für eine Entscheidung im schriftlichen Vorverfahren gemäß §307 Abs. 2 ZPO nicht vorlagen, nachdem von der Beklagten Verteidigungsbereitschaft angezeigt worden war.
11 
Die Kosten des Rechtsstreits sind gem. §93 b Abs. 3 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Die Voraussetzungen des § 93 b Abs. 3 ZPO sind erfüllt.
12 
Die Beklagte hat den Räumungsanspruch in der schriftlichen Klageerwiderung sofort anerkannt. Diesem sofortigen Anerkenntnis steht die zunächst erfolgte Verteidigungsanzeige nicht entgegen. Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. §93b Abs. 3 ZPO im schriftlichen Vorverfahren liegt nach überwiegender Rechtsprechung und Literaturansicht auch dann noch vor, wenn der Mieter zunächst seine Verteidigungsbereitschaft gegen die Räumungsklage anzeigt und sodann im Rahmen der fristgerechten Klageerwiderung den Klageanspruch anerkennt (LG Köln WM 1996, 567ff.; LG Freiburg WM 1993, 553; AG Hannover WM 1993, 551; Zöller-Herget, ZPO, 24. Aufl., §93b, Rn.7). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an; die abweichende Ansicht, wonach eine Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ein sofortiges Anerkenntnis ausschließe (LG Regensburg WM 1993, 552; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., §93b Rn.11) vermag – jedenfalls für die Konstellation des §93b Abs. 3 und den hier vorliegenden Fall, dass die Verteidigungsanzeige nicht bereits mit der Ankündigung eines Klagabweisungsantrages verknüpft wird – nicht zu überzeugen.
13 
Es kann letztlich vorliegend dahinstehen, ob auch im Falle einer Entscheidung gemäß §93 ZPO die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft einem „sofortigen“ Anerkenntnis und demzufolge einer dem Beklagten günstigen Kostenentscheidung nicht entgegenstünde (in diesem Sinne mit ausführlicher Begründung: OLG Nürnberg NJW 2002, 2254).
14 
Denn jedenfalls steht nach Auffassung der Kammer eine Verteidigungsanzeige in der Sonderkonstellation des §93b Abs. 3 ZPO der Rechtzeitigkeit des in der darauffolgenden Klagerwiderung erklärten Anerkenntnisses nicht entgegen. Eine solche Anzeige erfolgt aufgrund der Belehrung in der Verfügung des Gerichts, in welcher der Beklagte aufgefordert wird, wenn er sich gegen die ihm zugestellte Klage verteidigen will, dies dem Gericht innerhalb der Notfrist anzuzeigen. Eine Differenzierung nach einzelnen Aspekten, bzgl. derer ein Beklagter dem prinzipiell auf uneingeschränkte sofortige Verurteilung gerichteten Klagantrag entgegentreten will, enthält die Aufforderung gemäß §276 Abs. 1 S.1 ZPO nicht. Daher kann es billiger Weise einem Beklagten, der beabsichtigt, sich mit einem Antrag auf Räumungsfrist gewissermaßen in zeitlicher Hinsicht gegen den Antrag auf (sofortige) Räumung zur Wehr zu setzen, nicht kostenrechtlich zum Nachteil gereichen, wenn er zunächst – ohne Klagabweisungsanträge anzukündigen – zunächst Verteidigungsbereitschaft signalisiert.
15 
Das in der Klageerwiderung erklärte Anerkenntnis des Räumungsanspruchs ist somit im Sinne des §93b Abs. 3 ZPO sofort erfolgt.
16 
Auch die übrigen Voraussetzungen des §93b Abs. 3 ZPO sind erfüllt. Mit Schreiben des Mieterbundes vom 14.1.2004 und vom 22.1. 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie in ihre künftige Wohnung nicht wie geplant zum 1.2.2004 einziehen könne und dass in einem Vergleich im Räumungsprozess mit dem Nutzer dieser Wohnung geregelt worden sei, dass dieser spätestens zum 31.7.2004 ausziehe. Sie bat darum, vorerst keine rechtlichen Schritte gegen sie einzuleiten. Ein zwischenzeitlicher Umzug in eine andere Ersatzwohnung sei unzumutbar. Diese Schreiben sind bei verständiger Würdigung so auszulegen, dass die Beklagte aus den genannten Gründen darum bat, entweder das Mietverhältnis (längstens) bis zu diesem Zeitpunkt zu verlängern oder ihr eine entsprechende Räumungsfrist zu bewilligen. Die begehrte Räumungsfrist, die der Beklagten schließlich auch gerichtlich zugesprochen wurde, war zur Vermeidung eines kurzfristigen Zwischenumzuges in Ermangelung einer klägerseits dargelegten Dringlichkeit des Räumungsbegehrens auch angemessen. Indem der Kläger durch seinen Vertreter mit Schreiben vom 26.1.2004 erklären ließ, dass er mit einer Verlängerung des Mietverhältnisses nicht einverstanden sei, brachte er zum Ausdruck, dass er das Begehren der Mieterin, länger in der Wohnung bleiben zu können, verstanden habe aber nicht berücksichtigen wolle. Das Begehren der Klägerin, weiter in der Wohnung bleiben zu können bis ihre neue Wohnung frei würde, blieb somit erfolglos.
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Die Kostenfolge im Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §91 ZPO. Wegen der in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantworteten Frage, ob eine Verteidigungsanzeige einem sofortigen Anerkenntnis im Rahmen des §93b Abs. 3 ZPO entgegensteht, lässt die Kammer gemäß §574 Abs. 3 S.1 i.V.m. Abs. 2 Nr.2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zu.

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