1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 27.10.2011 (Az. 3 C 1763/11) wird
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung des Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, es sei denn, dass der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
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| | Die Klägerin, geschiedene Ehefrau des Beklagten, begehrt von diesem die Unterlassung einer Äußerung. |
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| | Seit dem Jahr 2006 leben die Eheleute getrennt. Während der Trennungszeit der Eheleute verkaufte der Beklagte im Jahr 2008 ein ihm gehörendes Grundstück in Frankreich. Der Kauferlös floss auf das Konto des Beklagten bei der C-Bank in Frankreich. Der Beklagte überwies sodann eine Summe von 40.000 Euro auf ein Konto in Deutschland bei der S-Bank. Von diesem Konto nahm die Klägerin am 06.06.2008 eine Verfügung über einen Betrag in Höhe von 40.672,43 Euro vor. |
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| | Im Rahmen der familienrechtlichen Vermögensauseinandersetzung wurde dieser Betrag später zu Lasten der Klägerin berücksichtigt. |
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| | Die Klägerin trägt vor, sie sei zum Zeitpunkt der von ihr vorgenommenen Verfügung alleinige Kontoinhaberin des Kontos bei der S-Bank und der Beklagte sei lediglich verfügungsberechtigt gewesen. Des weiteren behauptet die Klägerin, der Beklagte bezichtige sie gegenüber Dritten, beispielsweise gegenüber ihrer Arbeitgeberin, gegenüber der S-Bank, gegenüber dem Amtsgericht Böblingen und gegenüber dem Notar A. der Unterschlagung. Mit Schreiben vom 21.04.2011 forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. |
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| | Mit Schriftsatz vom 12.05.2011 erhob die Klägerin Klage beim Landgericht Stuttgart und legte einen Streitwert von 10.000 Euro zugrunde. Mit Beschluss vom 19.05.2011 setzte das Landgericht den Streitwert auf 2.000 Euro fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin vom 18.06.2011 verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 28.07.2011 als unzulässig. Auf den Verweisungsantrag der Klägerin vom 04.08.2011 verwies das Landgericht das Verfahren an das Amtsgericht Böblingen. |
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| | Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt, |
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| | den Beklagten zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes von jeweils bis zu 10.000 Euro zu unterlassen, folgende Behauptung aufzustellen: Die Klägerin habe ihm einen Betrag in Höhe von 40.000 Euro gestohlen oder unterschlagen. |
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| | Die Klägerin hat weiter beantragt, |
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| | die Beklagte zur Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 891,31 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28.04.2011 zu verurteilen. |
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| | Der Beklagte hat im ersten Rechtszug Klagabweisung beantragt. |
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| | Er bestreitet, dass es sich beim Konto bei der S-Bank um ein Konto der Klägerin gehandelt habe. Er trägt vor, das Konto sei ursprünglich von den Eheleuten gemeinsam, nach der Trennung vom Beklagten allein genutzt worden. Des weiteren behauptet der Beklagte, er habe die streitgegenständliche Äußerung in erster Linie gegenüber der Klägerin selbst und nicht gegenüber Dritten getroffen. |
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| | Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin das gem. § 15 a EGZPO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Schlichtungsgesetz Baden-Württemberg erforderliche Schlichtungsverfahren vor Klageerhebung nicht durchgeführt habe. |
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| | Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil des Amtsgerichts Böblingen mit der Behauptung, auf den vorliegenden Fall sei § 1 Abs. 1 Nr. 3 Schlichtungsgesetz BW nicht anwendbar, da sie gerade nicht vor dem Amtsgericht sondern vor dem Landgericht Klage erhoben habe. Die Klägerin führt weiter aus, ein Fall des missbräuchlichen Umgehungsversuchs des Schlichtungserfordernisses liege nicht vor; es fehle an entsprechenden Anhaltspunkten für die Absicht der Klägerin. |
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| | Deshalb beantragt die Klägerin, |
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| | das Urteil des Amtsgerichts Böblingen aufzuheben und stellt erneut die Anträge aus erster Instanz. |
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| | die Berufung zurückzuweisen. |
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| | Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Wegen des Berufungsvorbringens wird auf die vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2012 (Bl.111 ff d. A.) Bezug genommen. |
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| | Der form- und fristgerecht eingelegten und mit einer Begründung versehenen Berufung der Klägerin bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Das Amtsgericht hat die Klage zurecht als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin hätte gem. § 15 a Abs. 1 Nr. 3 EGZPO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchlG BW zunächst versuchen müssen, die Streitigkeit vor einer nach § 2 SchlG BW eingerichteten Gütestelle einvernehmlich beizulegen. |
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| | 1. Der Anwendungsbereich der §§ 15 a Abs. 1 Nr. 3 EGZPO, 1 Abs. 1 Nr. 3 SchlG BW ist eröffnet. Erfasst werden von § 1 SchlG BW Klagen, die vor dem Amtsgericht erhoben werden. Nach Auffassung der Kammer erstreckt sich der Anwendungsbereich auch auf solche Klagen, die richtigerweise vor dem Amtsgericht hätten erhoben werden müssen und allein aufgrund einer Höherbewertung des Streitwerts durch die Klägerin vor dem Landgericht erhoben wurden. |
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| | So liegt der Fall hier: Nachdem die Klägerin zunächst von einem Streitwert von 10.000 Euro ausging, hat das Landgericht durch rechtskräftigen Beschluss vom 18.06.2011 den Streitwert gem. § 63 Abs. 1 GKG lediglich auf 2.000 Euro festgesetzt. |
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| | Nur wenn man dieses Verständnis der Norm zugrunde legt, wird der Zielsetzung des § 15 a EGZPO genügt. Angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten sind nämlich solche Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger bereinigen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15 a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zur Schlichtungsstelle beschreiten müssen (BGH, Urteil vom 19.10.2010, VI ZR 11/09). |
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| | Nach Auffassung der Kammer entspricht die hier zur Beurteilung stehende Sachverhaltskonstellation den Fällen einer subjektiven bzw. objektiven Klagehäufung. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.10.2010 - VI ZR 11/09 bzw. BGH NJW-RR 2009, 1239) jeweils unter Hinweis auf die Zielsetzung von § 15 a EGZPO die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens für erforderlich gehalten. |
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| | Ließe man ein Schlichtungsverfahren in den Fällen entbehrlich werden, in denen die Klage tatsächlich vor dem Landgericht erhoben wurde, obwohl sie richtigerweise vor dem Amtsgericht hätte erhoben werden müssen, würde eine Möglichkeit der einfachen Umgehung des Einigungsversuches eröffnet (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2009, 1239 Rz.11). Insoweit ist eine generalisierende Betrachtungsweise vorzunehmen. In jedem Einzelfall zu prüfen, ob missbräuchlich ein zu hoher Streitwert angenommen wurde, um die Klage vor dem Landgericht erheben zu können, entspräche nicht dem Wortlaut und der Zielrichtung der gesetzlichen Regelung und würde zu einer nicht wünschenswerten prozessualen Rechtsunklarheit führen (BGH, aaO, Rz. 13). |
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| | Die hier vertretene Ansicht widerspricht nach Auffassung der Kammer auch nicht der Prozessökonomie. Denn prozessökonomische Überlegungen dürfen sich nicht nur auf den Einzelfall beziehen, sondern müssen die vom Gesetzgeber angestrebte Neuregelung des Verfahrensgangs unter Einschluss des obligatorischen Schlichtungsverfahren berücksichtigen (LG Kiel, Urteil vom 27.04.2006, Az. 1 S 278/05, SchlHA 2006, 359 ff. - zitiert nach juris, unter Hinweis auf BGH NJW 2005, 437, 439). |
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| | 2. Soweit die Klägerin geltend macht, dass in Fällen, in denen das Gericht eines Landes ohne obligatorische Schlichtungsverfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit an ein Gericht eines Landes mit obligatorischen Schlichtungsverfahren verweist, die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens entbehrlich sei (so auch Heßler in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 15 a EGZPO, Rn. 18 und § 281 Rn. 15 a), kann letztlich dahingestellt bleiben, ob dieser Meinung gefolgt werden kann (s. hierzu Unberath JR 2001, 355, 357), da nach Auffassung der Kammer eine nicht vergleichbare Sachverhaltskonstellation vorliegt. Im Hinblick auf rechtsmissbräuchliches Verhalten, ist es leicht möglich - gerade bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre- , einen überhöhten Streitwert anzunehmen und so zur Zuständigkeit des Landgerichts und mithin zur Entbehrlichkeit des Schlichtungsverfahrens zu gelangen. Hiermit nicht vergleichbar ist es, die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes eines Landes ohne obligatorisches Schlichtungsverfahren zu begründen. |
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| | Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. |
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| | Weil es sich bei der entscheidungserheblichen Frage, ob in Fallkonstellationen wie der vorliegenden für die Zulässigkeit der Klage die erfolglose Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gem. § 15 a EGZPO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchlG BW erforderlich ist, um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung handelt, die zudem eine Fortbildung des Rechts durch einheitliche Rechtsprechung erfordert, wird gem. § 543 ZPO die Revision zugelassen. |
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