Beschluss vom Landgericht Stuttgart - 4 S 254/16

Tenor

1. Die Berufungsklägerin wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung ohne mündliche Verhandlung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Sie erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis bis zum 5.12.2016.

Gründe

 
1.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich die Berufungsklägerin/Klägerin (zukünftig nur Klägerin) gegen das angegriffene Urteil, mit welchem ihre Klage, gerichtet auf Zahlung eines restlichen Betrages in Höhe von 3.528,80 Euro aus einem sog. Einrichtungsauftrag als sog. Agio abgewiesen wurde. Sie vertritt die Auffassung, das amtsgerichtliche Urteil leide unter Rechtsfehlern, weil es von der Wirksamkeit der Widerrufserklärung bezüglich des Einrichtungsauftrags ausgegangen sei. Selbst wenn der Widerruf wirksam gewesen wäre, stünde ihr der geltend gemachte Zahlungsanspruch jedenfalls als Wertersatz aus § 346 II BGB zu. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel in vollem Umfang weiter.
Die Beklagte/Berufungsbeklagte (zukünftig nur Beklagte) beantragt Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig. Im Übrigen wiederholt sie ihren bereits erstinstanzlich gehaltenen Vortrag dazu, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zustehe, weil sie auch den mit dem Einrichtungsauftrag im Zusammenhang stehenden fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag wirksam widerrufen habe, weshalb nach § 2 Abs. 3 der "Allgemeinen Bedingungen für den Einrichtungsauftrag" der Anspruch jedenfalls rückwirkend erloschen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils sowie auf den Vortrag der Parteien in beiden Instanzen Bezug genommen.
2.
Die Berufung ist zwar zulässig, sie hat jedoch nach übereinstimmender Auffassung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und da auch die weiteren Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist, ist beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der von der Beklagten erklärte Widerruf ihrer im Zusammenhang mit dem Einrichtungsauftrag erteilten Vertragserklärung wirksam war und sie deshalb nicht zur Zahlung der geltend gemachten Beträge verpflichtet ist. Darauf kommt es deshalb nicht an, weil das Amtsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat.
2.1. Die Klägerin, die nach eigenen Angaben Versicherungsvertreterin ist, hat der Beklagten mit Vertrag vom 26.02.14 eine fondsgebundene Rentenversicherung, ausgestaltet als sog. Nettopolice, vermittelt. Am selben Tag hat sie sich mit der Beklagten bezüglich eines Einrichtungsauftrags geeinigt; darin heißt es "Der Kunde bezahlt für die Vermittlung des oben stehenden Versicherungsvertrages ein einmaliges Agio, das für die eigentliche Vermittlung, die Prüfung des Antrags und die Einrichtung des Versicherungsvertrages anfällt". In den "Allgemeinen Bedingungen für den Einrichtungsauftrag", dort § 2 III, heißt es: Der Anspruch auf das Agio entsteht nicht bzw. erlischt rückwirkend, wenn der vermittelte Versicherungsvertrag rechtmäßig widerrufen ...wird.
Die Beklagte hat sich bezüglich der Gesamtagiokosten in Höhe von 4.536,00 Euro zur Zahlung von 60 monatlichen Raten á 75,60 Euro verpflichtet. Entsprechend ihrem Antrag auf Abschluss der Rentenversicherung erhielt sie am 25.03.2014 eine Versicherungspolice. In der Widerrufsbelehrung zum Rentenversicherungsvertrag findet sich bezüglich der Widerrufsfolgen kein Hinweis auf das rückwirkende Erlöschen der Zahlungspflicht aus dem Einrichtungsauftrag. Die Beklagte hat die monatlichen Raten von April 2014 bis März 2015 bezahlt. Mit Schreiben vom 24.04.2015 hat sie bezüglich der abgeschlossenen Rentenversicherung der P... AG schriftlich mitgeteilt: "Hiermit mache ich von meinem Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG Gebrauch".
2.2. Nach Auffassung der Kammer ist die Klage unbegründet, weil der Widerruf der Erklärung bezüglich der Rentenversicherung wirksam ist und damit entsprechend § 2 III der AGB des Einrichtungsauftrags die Zahlungspflicht der Beklagten aus diesem Auftrag erloschen ist.
Der Widerruf war nicht verfristet, weil die Beklagte entgegen §§ 8, 9 VVG nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden war, so dass die Widerrufsfrist gem. §§ 8, 152 Abs. 1 VVG zum Zeitpunkt des Widerrufs am 24.04.2015 noch nicht abgelaufen war. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 VVG setzt der Beginn des Laufs der Widerrufsfrist den Zugang einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs, die dem Versicherungsnehmer seine Rechte deutlich machen, voraus.
10 
Zu den Rechtsfolgen des Widerrufs eines Versicherungsvertrages, der als Nettopolice ausgestaltet ist, zählen auch die Auswirkungen auf die mit diesem Vertrag zusammenhängenden Verträge. Dies folgt aus § 9 Abs. 2 VVG i.d.F.v.1.5.2013 (BGH vom 12.03.2014 IV ZR 295/13) , der auf den vorliegenden, erst in 2014 geschlossenen, Rentenversicherungsvertrag Anwendung findet. Bei dem zwischen der Klägerin als Versicherungsvertreter und der Beklagten geschlossenen Einrichtungsauftrag handelt es sich um einen zusammenhängenden Vertrag im Sinne des § 9 Abs. 2 VVG. Ein solcher liegt vor, wenn er einen Bezug zu dem widerrufenen Vertrag aufweist und eine Dienstleistung des Versicherers oder eines Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Versicherer betrifft.
11 
Von einem zusammenhängenden Vertrag im Sinne des § 9 Abs. 2 VVG (bzw. des wortgleichen § 360 BGB) wird ausgegangen, wenn die Vertragsinhalte so miteinander kausal verknüpft sind, dass jeweils der eine Vertrag den anderen bedingt (u.a. Palandt/Grüneberg, BGB-Kommentar, 75. Aufl. 2016, § 360, Rn. 2) bzw. wenn ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden Verträgen besteht (Rixecker in Römer/ Langheid VVG 4. Aufl. 2014 § 9 Rn.25) oder wenn ein konkreter Verweis in den Verträgen den erforderlichen Bezug zueinander herstellt (Wendt/Lorscheid-Kratz Betriebsberater 2013, 2434, 2436). Dies wird insbesondere dann bejaht, wenn nach den Vertragsbestimmungen die Auflösung des einen Vertrages auch zur Beendigung des anderen führt (Wendt/Lorscheid-Kratz a.a.O., 2437). Vorliegend besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Rentenversicherungsvertrag und dem Einrichtungsauftrag, denn eine Vergütungspflicht aus dem Letzteren konnte nur entstehen, wenn der Erstere zustande gekommen war. Zwischen beiden Verträgen besteht auch ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang. Schließlich ergibt sich daraus, dass mit der Vergütung aus dem Einrichtungsauftrag nicht nur die Vermittlung, sondern auch die „Prüfung des Antrags und die Einrichtung des Versicherungsvertrages“ abgegolten wird sowie daraus, dass laut § 2 III der AGB zum Einrichtungsvertrag der Anspruch auf das Agio vom Bestand des Versicherungsvertrages abhängig ist, dass es sich bei beiden Verträgen um zusammenhängende im Sinne des § 9 Abs. 2 VVG handelt (vgl. dazu auch Reiff Versicherungsrecht 2016, 757 ff, 761; Rixecker, a.a.O., § 9 Rn. 29).
12 
Da die Beklagte nicht darüber belehrt wurde, dass Folge eines rechtzeitigen Widerrufs des Versicherungsvertrages auch das rückwirkende Erlöschen des Agioanspruchs war, sie also unvollständig über ihr Widerrufsrecht bezüglich des Versicherungsvertrages belehrt worden war, konnte sie diesen auch noch am 24.4.2015 wirksam widerrufen.
13 
2.3. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Wertersatz zu. Dies folgt unmittelbar aus der Regelung in § 2 III der Einrichtungsauftrag AGBs (vergl. auch BGH IIIZR 440/13 v.25.9.2014, Randnummer 26: ...besteht ein Wertersatzanspruch ... nur dann, wenn der vermittelte Versicherungsvertrag unter Berücksichtigung von § 5a VVG aF wirksam zustande gekommen ist.).

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