1. Die Beschwerden der Beschwerdeführerin G und des Beschwerdeführers Dr. S gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 30. November 2017 werden als unbegründet
2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
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| 1. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führt gegen die Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des mittäterschaftlichen Betrugs bzw. Betrugs in mittelbarer Täterschaft in mehreren tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit verbotener Werbung (§ 263 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2, § 52 StGB, § 16 Abs. 1 UWG). Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Beschwerden gegen die Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht von Gegenständen, die in von den Beschwerdeführern genutzten Räumlichkeiten aufgefunden worden sind. |
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| Die Beschwerdeführerin ist eine Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Limited Liability Partnership und wurde von der X AG beauftragt, sie in Bezug auf „die Q-Problematik“ zu beraten und in diesem Zusammenhang interne Untersuchungen zum Zwecke einer Zusammenarbeit mit dem US-Justizministerium durchzuführen. Für diese internen Untersuchungen hat sie mit der X AG einen Mietvertrag über zwei Büroräume in deren Bürogebäuden in Stuttgart-Y geschlossen. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und Partner bei der Beschwerdeführerin und war mit der Bearbeitung des Mandats beauftragt. |
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| Gegen die Beschuldigten, die Mitarbeiter der X AG sind, besteht der Verdacht, dass ... |
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| 2. Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom ...2017 (26 Gs 3357/17) die Durchsuchung des gesamten Werksgeländes, insbesondere der Geschäftsräume mit Nebenräumen der X AG unter anderem an der Geschäftsanschrift Z-Straße in Stuttgart-Y angeordnet. |
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| Ziel der Durchsuchung waren das Auffinden sämtlicher Gegenstände, insbesondere von Dokumenten, die Aufschluss geben über die Implementierung einer Software für die betroffenen Motoren auf dem europäischen und US-amerikanischen Markt. Auf Seite 6 des Durchsuchungsbeschlusses sind unter Ziffer II.1 insbesondere genannt: „Dokumente, die von der Kanzlei G. oder durch von ihr beauftragte Dienstleister oder durch sonstige Kanzleien oder Dienstleister im Zusammenhang mit den durch die X AG beauftragten Untersuchungen in Bezug auf den Sachverhalt zusammengetragen bzw. erstellt wurden und der X AG zugänglich gemacht worden sind, insbesondere Interviews mit Mitarbeitern, Korrespondenz und Präsentationen und gegebenenfalls vorläufige oder abschließende Zwischen- oder Abschlussberichte.“ |
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| Die Durchsuchung wurde am ...2017 vollzogen. Im Rahmen der Durchsuchung des Standorts Y. wurden in Haus Nr. 5, Raum 226, und in Haus Nr. 6, Raum 442, zahlreiche Akten, Schriftstücke und andere Gegenstände vorläufig sichergestellt (Sicherstellungsverzeichnisse 2.5.226 und 2.6.442). Der anwesende Beschwerdeführer hat gegen die Durchsuchung protestiert und der Beschlagnahme widersprochen. |
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| 3. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat am ...2017 beantragt, die vorläufige Beschlagnahme zur weiteren Sichtung richterlich zu bestätigen. Die mittlerweile anwaltlich beratenen Beschwerdeführer haben am ...2017 beantragt, den Antrag der Staatsanwaltschaft abzulehnen sowie die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung festzustellen und die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände anzuordnen. Für die weiteren Einzelheiten und jeweiligen Begründungen, die sich im Wesentlichen mit den im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründen decken, wird auf die Antragsschriften und Stellungnahmen verwiesen. Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 30. November 2017 (26 Gs 4866/17) die vorläufige Sicherstellung zur Durchsicht der Gegenstände, die in den im dortigen Tenor aufgeführten Sicherstellungsverzeichnissen genannt sind, bestätigt und die weitergehenden Anträge der Beschwerdeführer zurückgewiesen. |
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| 4. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren am 13. Dezember 2017 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerden, soweit in dieser Entscheidung die vorläufige Sicherstellung bestätigt worden ist. Soweit die Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 19. Januar 2018 auf S. 9 ausgeführt haben, es sei festzustellen, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, wertet dies die Kammer als Rechtsausführungen, jedoch nicht als Erweiterung des Beschwerdegegenstands. In der Beschwerdeschrift sowie im Schriftsatz vom 19. Januar 2018 haben sie ihre Rechtsmittel unter Hinweis auf die einstweiligen Anordnungen des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2017 (2 BvR 1287/17; 2 BvR 1583/17) wie folgt begründet: |
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| Die Räume 226 in Haus Nr. 5 und 442 in Haus Nr. 6 seien allein durch die Beschwerdeführer genutzt worden. Im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung habe allein die Beschwerdeführerin die Verfügungsgewalt über die betreffenden Räumlichkeiten gehabt. Allein, dass die X AG aus feuerwehrtechnischen Gründen einen Zweitschlüssel habe, begründe keinen Mitgewahrsam. Die an den Türschildern angebrachten Schilder mit der Aufschrift „Kanzlei G.“ würden neben dem Mietvertrag zeigen, dass die Beschwerdeführerin den Willen zum alleinigen Gewahrsam gehabt habe. Dass die X AG den Mietvertrag jederzeit hätte kündigen können, sei nicht relevant, weil es sich um ein bloß mögliches zukünftiges Ereignis handele. Deshalb sei die Durchsuchung ohne einen legitimierenden Durchsuchungsbeschluss erfolgt; diese sei auch nicht von den Beamten der Staatsanwaltschaft angeordnet worden, zumal keine Gefahr in Verzug gewesen sei. |
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| Des Weiteren läge ein Verstoß gegen §§ 97 Abs. 1, 148 Abs. 1 StPO vor. Für die Beurteilung nach § 97 StPO käme es nicht darauf an, dass gegen die X AG formell kein Ermittlungsverfahren eingeleitet sei. In der Durchsuchung, die sich nach dem Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich auf „Kalkulationsgrundlagen in Bezug auf den Angebotspreis der betreffenden Fahrzeuge“ bezogen habe, manifestiere sich ein Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft gegen die X AG. Diese käme als Betroffene eines Bußgeldverfahrens (§ 30 OWiG) oder als Einziehungsbeteiligte (§ 73b StGB) in Strafverfahren gegen ihre Mitarbeiter (§ 424 StPO) in Betracht. Außerdem seien die Beschwerdeführer von der X AG sowohl im Rahmen einer Untersuchung der Strafabteilung des US-amerikanischen Justizministeriums als auch in dem Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart (260 AR 560/16) von der X AG mit der Beratung und Vertretung beauftragt worden. Damit seien die zu Durchsicht mitgenommenen Gegenstände Verteidigerunterlagen. |
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| Auch außerhalb eines Ermittlungsverfahrens seien im Übrigen die Vorschriften der §§ 97 Abs. 1, 148 Abs. 1 StPO anwendbar. Außerdem sei die Durchsuchung nach § 160a Abs. 1 StPO unzulässig gewesen, weil § 160a Abs. 5 StPO nicht auf die §§ 102 ff. StPO verweise. Die vom Amtsgericht vorgenommene analoge Anwendung des § 97 StPO sei unzulässig, weil sie zulasten eines Grundrechtsträgers gehe und eine Regelungslücke nicht bestehe. Außerdem ginge einer Beschlagnahme nicht zwingend eine Durchsuchung voraus, etwa nach einer freiwilligen Herausgabe (§ 95 Abs. 1 StPO). |
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| Bei den beschlagnahmten Unterlagen handele es sich teils um Duplikate von Unterlagen der X AG, die diese den Beschwerdeführern zur Verfügung gestellt habe, um sie zur Vorbereitung von Mitarbeiterbefragungen auszuwerten. Soweit Urkunden und sonstige Materialien von den Beschwerdeführern zusammengestellt seien, ließen sie Rückschlüsse auf deren Verteidigungskonzept zu. |
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| Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat am 21. Dezember 2017 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. |
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| Zu Recht habe das Amtsgericht den von der Beschwerdeführerin behaupteten Mietvertrag als „bloß formales Konstrukt“ bewertet, das noch keinen Alleingewahrsam vermittele. Die Schließanlage könne nur unberechtigte Mitarbeiter der X AG vom Zutritt ausgeschlossen haben, nicht jedoch den Gewahrsam der X AG selbst, da diese über einen Satz Schlüssel verfügt habe. Auch die Türschilder seien kein Zeichen für Alleingewahrsam, sondern dokumentierten lediglich, wer innerhalb der üblichen Arbeitszeiten in den Räumen anzutreffen sei. Die seit über einem Jahr von der Beschwerdeführerin genutzten Räume seien außerdem nur mit zwei einfachen Papierzetteln gekennzeichnet gewesen, die keinerlei Beschädigungen, Knicke, Abnutzungserscheinungen etc. aufgewiesen hätten. Da diese Schilder mit Klebestreifen auf die festinstallierten Türschilder - im Fall des Raums Nr. 226 ersichtlich schief - geklebt worden seien, sei zudem von einer „gewissen Eile“ beim Anbringen der Schilder auszugehen. |
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| Die Vorschriften der §§ 97, 148 StPO seien nur anwendbar für Unterlagen, die nach Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens erstellt worden sind. Die Durchsuchungsmaßnahmen seien ausschließlich im Hinblick auf eine gegebenenfalls vorhandene Drittbereicherungsabsicht und die (objektive) Schadensberechnung erfolgt, weshalb sich ein konstitutiver Willensakt der Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die X AG selbst dann nicht aus den Durchsuchungsmaßnahmen ableiten lasse, wenn eine förmliche Begründung des Ermittlungsverfahrens für nicht erforderlich gehalten werde. Es handele sich bei den vorläufig sichergestellten Gegenständen zudem nicht um Verteidigerunterlagen. |
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| Auf die vorläufige Sicherstellung nach § 110 StPO seien die Vorschriften der §§ 94 ff. StPO anzuwenden, nicht jedoch § 160a StPO. Es bestehe eine planwidrige Regelungslücke und die vorläufige Sicherstellung habe eine besondere Nähe zur Beschlagnahme. Soweit eine analoge Anwendung der §§ 94 ff. StPO in Betracht käme, sei dies auch nicht vom Schutzbereich der Art. 12 und 13 GG erfasst, denn diese Eingriffsnormen hätten keine berufsregelnde Tendenz und die Beamten hätten die betroffenen Räume bereits verlassen. Die Nichtanwendung des § 160a Abs. 1 StPO gegenüber den §§ 94 ff. StPO verletze nicht den allgemeinen Gesetzesvorbehalt. |
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| Die analog § 98 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 304 StPO zulässigen Beschwerden, über die gemäß § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GVG die Wirtschaftsstrafkammer zu entscheiden hat, haben in der Sache keinen Erfolg. |
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| 1. Gegen die Beschuldigten besteht der Anfangsverdacht einer Straftat, was auch durch die Beschwerden nicht angegriffen wird. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom ...2017 (26 Gs 3357/17) wird insoweit Bezug genommen. |
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| 2. Anders als bei der Bestätigung der Beschlagnahme nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht nach § 110 Abs. 2 S. 2 StPO nicht maßgeblich darauf an, ob die vorläufig sichergestellten Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen tatsächlich beschlagnahmt werden können. Zweck der Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien im Sinne von § 110 StPO ist es gerade, herauszufinden, ob die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme überhaupt vorliegen (OLG Jena, Beschluss vom 20. November 2000 - 1 Ws 313/00, Rn. 33, juris; Löwe-Rosenberg/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., § 110 Rn. 1). Dabei hat die Staatsanwaltschaft insbesondere zu prüfen, ob die durchgesehenen Papiere als Beweismittel für die Untersuchung für Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO) und ob das jeweilige Papier aus Rechtsgründen der Beweiserhebung oder der Beweisverwertung entzogen ist. Allein die - wenn auch sehr wahrscheinliche - Möglichkeit, dass sich unter den durchzusehenden Papieren und elektronischen Speichermedien auch beschlagnahmefreie Gegenstände befinden, macht die Durchsicht der Unterlagen sowie die hierzu erforderliche vorläufige Sicherstellung nicht rechtswidrig (RGSt 47, 195; Schmitt in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 110 Rn. 2; aA Löwe-Rosenberg/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., § 110 Rn. 28; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl., § 110 Rn. 28). Ein anderes Ergebnis wäre auch deshalb untragbar, weil es dann der Beschuldigte und sein Verteidiger in der Hand hätten, Beweismittel durch Vermischung mit beschlagnahmefreien Gegenständen der Beschlagnahme zu entziehen. |
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| Gleichwohl ist die Anordnung der vorläufigen Sicherstellung von Papieren und elektronischen Speichermedien zur Durchsicht nicht frei von Voraussetzungen. Vielmehr muss es Anhaltspunkte dafür geben, dass unter den durchzusehenden Papieren solche Beweismittel sind, die im späteren Verfahren auch als Beweismittel Verwendung finden können. Folglich ist die Anordnung der vorläufigen Sicherstellung nur dann rechtswidrig, wenn die vorläufig sichergestellten Papiere offensichtlich beschlagnahmefrei sind (LG Saarbrücken, Beschluss vom 14. Juli 2016 - 2 Qs 16/16, NStZ 2016, 751; LG Bonn, Beschluss vom 10. Januar 2011 - 27 Qs 33/10, Rn. 25, juris; BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 2248/00) oder sonst schon im Voraus feststeht, dass die Papiere im späteren Verfahren als Beweismittel nicht verwertet werden dürfen. |
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| a) Unter den vorläufig sichergestellten Papieren und elektronischen Speichermedien sind aller Voraussicht nach Gegenstände, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Nach dem Verzeichnis der sichergestellten Gegenstände befinden sich darunter Stehordner mit den Beschriftungen „Interview“, ... Die potentielle Beweisbedeutung dieser und der weiteren Unterlagen ist offensichtlich. |
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| b) Die vorläufig sichergestellten Papiere und elektronischen Speichermedien unterliegen auch nicht offensichtlich einem Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. |
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| § 97 StPO entzieht zum einen schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger, zum anderen auch bestimmte Aufzeichnungen des Verteidigers sowie andere Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO erstreckt, der Beschlagnahme. Dieses Beschlagnahmeverbot gilt grundsätzlich nur, wenn sich die Gegenstände im Gewahrsam des zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten befinden (§ 97 Abs. 2 S. 1 StPO). Befinden sich die Gegenstände im Mitgewahrsam des Beschuldigten, so entfällt die Beschlagnahmefreiheit (BGH, Beschluss vom 4. August 1964 - 3 StB 12/63, BGHSt 19, 374, Rn. 26; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 97 Rn. 12; Löwe-Rosenberg/Menges, StPO, 26. Aufl., § 97 Rn. 30.). Das gilt erst Recht, wenn der Mandant deshalb nicht Beschuldigter ist, weil es an einem förmlichen Ermittlungsverfahren mangelt, denn der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen der zur Zeugnisverweigerung berechtigten Person und dem Beschuldigten (Tatverdächtigem) kann außerhalb oder vor dem Ermittlungsverfahren nicht weiter reichen als nach dessen Einleitung. |
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| aa) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 97 StPO, der bisher von der wohl herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum auf das Verhältnis von Beschuldigtem und Verteidiger beschränkt wurde (vgl. nur Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 97 Rn. 36 m.w.N.), vor dem Hintergrund des § 160a StPO neuer Fassung nunmehr dahin auszulegen ist, dass auch andere Mandatsverhältnisse und mandatsähnliche Vertrauensbeziehungen erfasst werden (vgl. hierzu LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 618 m.w.N.; Buchert/Buchert, StV 2017, 204, 207). |
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| bb) Ebenso kann offenbleiben, ob schon die Vertretung der X AG in einem Verfahren vor dem US-amerikanischen Justizministerium eine Verteidigerstellung der Beschwerdeführer begründet. Zum einen fragt sich schon, ob eine interne Untersuchung, die auf eine Zusammenarbeit und damit auf eine umfassende Offenlegung aller mit dem Strafverfahren im Zusammenhang stehenden Umstände gerichtet ist - unabhängig von möglicherweise bestehenden Offenbarungspflichten in diesem Verfahren -, überhaupt vom Schutzbereich des § 97 Abs. 1 StPO umfasst ist. Zum anderen ist in der Rechtsprechung bislang noch nicht gesichert, unter welchen Umständen und Voraussetzungen auch die Verteidigung in Strafverfahren in anderen Rechtsordnungen überhaupt zu einer Verteidigerstellung im Sinne der Strafprozessordnung führt (vgl. zum unüberwachten Umgang eines Untersuchungsgefangenen mit einem in einem ausländischen Strafverfahren tätigen Verteidiger OLG Celle, Beschluss vom 18. November 2002 - 1 Ws 341/02, NStZ 2003, 686). |
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| cc) Ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO scheidet aus, denn die vorläufig sichergestellten Gegenstände befanden sich im Mitgewahrsam der X AG. |
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| (1) Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft, getragen von einem natürlichen Sachherrschaftswillen (vgl. nur: Fischer, StGB, 65. Aufl., § 242 Rn. 11). Anders als der zivilrechtliche Besitz entzieht sich der Gewahrsamsbegriff weitgehend rechtlichen Wertungen und zielt vor allem auf die tatsächlichen Verhältnisse ab, die unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen sind. |
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| Das bedeutet, dass eine rein formale Betrachtungsweise unzulässig ist. Es ist daher nicht maßgeblich, wem aus Rechtsgründen die Sachherrschaft zusteht. Es kommt allein darauf an, wer die Sachherrschaft tatsächlich ausübt. |
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| § 97 StPO ist - wie auch § 160a StPO - von der Strafprozessordnung als fundamentales Verteidigungsrecht ausgestaltet. Der zurecht bestehende umfassende Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten führt jedoch auch zu der Gefahr eines Missbrauchs. So wäre das Strafverfahren lahmgelegt, wenn der Beschuldigte durch formalen Akt selbst bestimmen könnte, welche Beweismittel dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO unterfallen sollen, etwa indem die Bürogebäude, in denen sich die Beweismittel befinden, an seinen Verteidiger übergeben werden (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 620). |
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| Interne Untersuchungen, die nicht nur im US-amerikanischen Strafrecht, sondern auch im deutschen und europäischen Recht im Hinblick auf die vielfältigen Compliance-Pflichten oder den großen Kronzeugenrabatt im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren zunehmend an Bedeutung gewinnen (vgl. zum Überblick Ballo, NZWiSt 2013, 46), stehen dabei grundsätzlich im Spannungsfeld zwischen einer wirksamen rechtlichen Beratung und dem Entzug von Beweismitteln für das Strafverfahren. Das gilt insbesondere, wenn im Rahmen solcher internen Untersuchungen von Rechtsanwälten bestimmte Räume in der Gewahrsamssphäre des Mandanten bezogen oder in Beschlag genommen werden. |
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| Nach Auffassung der Kammer kann in Fällen, in denen eine Rechtsanwaltskanzlei innerhalb der Räumlichkeiten der Mandantin eine interne Untersuchung durchführt, nur dann vom Alleingewahrsam der Rechtsanwälte ausgegangen werden, wenn dies besondere Umstände nahelegen. |
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| (2) Solche Umstände sieht die Kammer hier nicht. Nach der Gesamtwürdigung der Umstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung hält die Kammer einen Alleingewahrsam der Beschwerdeführer für ausgeschlossen. |
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| Einziges, wenngleich gewichtiges Indiz für einen Alleingewahrsam der Beschwerdeführerin ist, dass Mitarbeiter der X AG nach § 10 Nr. 1 des am 17. Oktober 2016 mit Wirkung zum 13. Juni 2016 geschlossenen Mietvertrags (Anl. 13 zur Antragsschrift) kein jederzeitiges Zutrittsrecht zu den Räumen haben. |
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| Allein ein vertragliches Zutrittsrecht der X AG aus feuerwehrtechnischen Gründen sowie die Reinigung der Räumlichkeiten durch Mitarbeiter der X AG, die ausschließlich bei persönlicher Anwesenheit von Mitarbeitern der Beschwerdeführerin erfolgen darf, lassen keinen sicheren Schluss über den Gewahrsam zu. |
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| Indiz für den (Mit-)Gewahrsam der X AG an den betroffenen Räumen ist einerseits, dass die X AG nach § 10 Nr. 1 des Mietvertrags dritten Personen den Zugang zu den Räumlichkeiten untersagen kann. Dass die X AG - auf deren Werksgelände sich die Räumlichkeiten befinden - nicht nur rechtlich, sondern gerade auch faktisch den Zugang dritter Personen zu den Mieträumen unterbinden kann, spricht gegen einen Alleingewahrsam der Beschwerdeführerin. |
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| Faktisch kann auch die Erlaubnis in § 10 Abs. 2 des Mietvertrags, eine Schlüsselanlage anzubringen, keinen Alleingewahrsam begründen. Denn zum einen dürfen nach dieser Vertragsklausel nur solche Schließanlagen verwendet werden, die über die X AG bezogen werden, und zum anderen ist der X AG ein Satz Schlüssel zu überlassen. Damit ist sichergestellt, dass die X AG jederzeit eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auch auf die Räumlichkeiten hat. |
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| § 11 Nr. 1 des Mietvertrags spricht ebenfalls gegen den Alleingewahrsam der Beschwerdeführer. Nach dieser Regelung trägt die Beschwerdeführerin die Verkehrssicherungspflicht nur für die Zeiten, in denen sich ihre Mitarbeiter in den Räumen befinden. Folglich verbleibt es in den übrigen Zeiten bei der Verkehrssicherungspflicht der X AG. Die Klausel ist ein - in Verbindung mit der tatsächlichen Zugriffsmöglichkeit durch Besitz eines Schlüsselsatzes auch gewichtiges - weiteres Indiz für eine tatsächliche Sachherrschaft der X AG. Denn die zur Ausübung der Verkehrssicherungspflicht erforderlichen Maßnahmen setzen eine jederzeitige Sachherrschaft voraus. Dass die rechtlich beratene X AG die Verkehrssicherungspflichten übernimmt, ohne sich zugleich die Ausübung der dazu erforderlichen Sachherrschaft wenigstens vorzubehalten, ist fernliegend. |
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| Daran ändern auch die Türschilder mit der Aufschrift des Kanzleinamens der Beschwerdeführerin nichts. Denn tatsächlich zeigen solche Schilder regelmäßig nur die Zweckbestimmung eines Raumes an und sagen gerade nichts über einen bestehenden Mit- oder Alleingewahrsam aus. Ein für einen möglichen Alleingewahrsam sprechendes Kanzleischild im Sinne der BRAO, wie es für eine Zweigniederlassung im Sinne des § 27 Abs. 2 S. 1 BRAO erforderlich wäre, waren die Türschilder jedenfalls nicht. Dass die Beschwerdeführerin auf ihrer Internetseite oder auf ihrem Briefkopf auf die Kanzleiräumlichkeiten in der Z-Straße in Stuttgart-Y hingewiesen hätte, wird nicht vorgebracht. |
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| Gegen einen Alleingewahrsam spricht letztlich auch der Versuch, diesen mit dem „Mietvertrag“ vom 17. Oktober 2016 begründen zu wollen. Denn dieser zeigt sich als bloß formales Konstrukt, dessen Regelungsgehalt sich ausschließlich in einer Argumentationshilfe für die hier vorliegende Frage der Beschlagnahmefreiheit erschöpft. Die nach § 2 des Mietvertrags jeweils zum dritten Werktag eines Monats von der Beschwerdeführerin an die X AG zu bezahlende Miete in Höhe von 2.585,66 EUR zzgl. USt. ist von der Beschwerdeführerin nach dem Mandatsvertrag erst dann zu bezahlen (Anlage 8, Fußnote 1 der Antragsschrift zum Amtsgericht), wenn die X AG den Betrag zuvor erstattet hat. Das gilt, obwohl Auslagen der Beschwerdeführerin im Übrigen nach dem Mandatsvertrag mit einem pauschalen Zuschlag in Höhe von 3% abgegolten werden. Es fragt sich auch, warum der Mietvertrag erst vier Monate nach der Übergabe der Räumlichkeiten am 13. Juni 2016 geschlossen worden ist. Der Beschwerdeführerin ist die Nutzung der vorgeblichen Mietsache nur im Rahmen des Mandats erlaubt (§ 4 Nr. 1), auch wenn sie in vertragswidriger Weise dort andere Mandate bearbeitet haben will. Schließlich kann die X AG einseitig - jederzeit - bestimmen, welche Räume von der Beschwerdeführerin zu nutzen sind. Damit sind letztlich alle wesentlichen Merkmale eines Mietvertrags gerade ausgeschlossen. |
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| c) Der Verwertung der vorläufig sichergestellten Papiere und elektronischen Speichermedien steht auch nicht die Vorschrift des § 160a StPO entgegen. Es kann offenbleiben, ob sich die Durchsuchung auch im Sinne des § 160a Abs. 1 StPO trotz des fehlenden Alleingewahrsams gegen einen Verteidiger oder Rechtsanwalt gerichtet hat. Denn jedenfalls kommt § 160a StPO für die Beschlagnahme von Beweismitteln und für Durchsuchungsmaßnahmen zu diesem Zwecke nicht zur Anwendung, weil nach § 160a Abs. 5 StPO insoweit § 97 StPO vorrangig ist. |
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| aa) In Rechtsprechung und Literatur wird das Verhältnis von § 160a StPO und § 97 StPO unterschiedlich beurteilt. Einerseits wird angeführt, § 97 StPO sei vorrangig (LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616; LG Hamburg, Beschluss vom 15. Oktober 2010 - 608 Qs 18/10, NJW 2011, 942, 944; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 160a Rn. 17; KK-StPO/Griesbaum, 7. Aufl., § 160a Rn. 4; MK-StPO/Kölbel, 1. Aufl., § 160a Rn. 8; Satzger/Schluckebier/Ziegler, 3. Aufl., § 160a Rn. 1; Buchert/Buchert, StV 2017, 204, 207; Zöller in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, 5. Aufl., § 160a Rn. 20; BeckOK-StPO/Sackreuther, Stand: 1.1.2018; § 160a Rn. 6). Andererseits wird behauptet, § 160a StPO käme neben § 97 StPO zur Anwendung (Gräfin v. Galen, NJW 2011, 945; Schuster, NZWiSt 2012, 26, 29). Als tragendes Argument wird meist vorgebracht, § 97 StPO könne § 160a StPO nicht einschränken, sondern nur ergänzen (von Saucken in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 97 StPO Rn. 10; Schuster und Gräfin von Galen a.a.O.). Teils wird die Durchsuchung ohne Begründung als Ermittlungsmaßnahme im Sinne des § 160a StPO aufgeführt (KK-StPO/Griesbaum 7. Aufl. § 160a Rn. 4; Radtke/Hohmann/Kretschmer, 2011, § 160a Rn. 2) oder vorausgesetzt (BeckOK-StPO/Sackreuther, Stand: 1.1.2018, § 160a Rn. 6). Nur vereinzelt wird angenommen, der Vorrang des § 97 StPO erstrecke sich auch auf die Durchsuchung (Löwe-Rosenberg/Erb, 26. Aufl., § 160a Rn. 62ff.) oder § 160a Abs.1 StPO sei auf die Durchsuchung nur dann anzuwenden, wenn diese den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffe (Siegrist, wistra 2010, 427). In der fachgerichtlichen Rechtsprechung wird § 160a StPO - ohne dass dies ausdrücklich thematisiert wird - auf Durchsuchungsmaßnahmen teils angewendet (LG Saarbrücken, Beschluss vom 12. März 2013 - 2 Qs 15/13, StraFo 2013, 241; LG Bonn, Beschluss vom 10. Januar 2011 - 27 Qs 33/10, juris), teils nicht (LG Bochum, Beschluss vom 16. März 2016 - II-6Qs 1/16, NStZ 2016, 500). Ebenfalls ohne Begründung wendet das Bundesverfassungsgericht § 160a Abs. 1 S. 1 StPO (in der bis 24. Juli 2015 gültigen Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht vom 22. Dezember 2010, BGBl. I, S. 2261) auf eine Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt (die auch am Maßstab des § 97 StPO gemessen wohl ebenfalls unzulässig gewesen wäre) an (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 BvR 2928/10, juris). |
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| bb) Der Wortlaut des § 160a Abs. 1 StPO („Ermittlungsmaßnahmen“) lässt nicht erkennen, ob Beschlagnahme und Durchsuchung von der Vorschrift erfasst sind. § 160a Abs. 5 StPO spricht für einen Vorrang des § 97 StPO, nimmt aber keinen Bezug auf die Vorschriften über die Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO). Vor dem Hintergrund, dass Gegenstände im Gewahrsam des Verteidigers nach § 97 StPO regelmäßig ohnehin nicht beschlagnahmt werden können und die Durchsuchung nach beschlagnahmefreien Gegenständen regelmäßig unzulässig ist, besteht für einen solchen Verweis aber auch grundsätzlich kein Bedarf. Dass die Vorschrift lediglich auf § 97 StPO verweist und nicht zugleich auf §§ 94 ff. StPO, ist noch kein sicheres Zeichen dafür, dass die Beschlagnahme nur unter den Voraussetzungen des § 160a StPO zulässig sein soll (aA Ballo, NZWiSt 2013, 46, 50). |
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| cc) Schon im Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die speziellere Regelung des § 97 StPO vorgehe (BT-Drs. 16/5846, S. 38), ohne aber zugleich zu erläutern, was eine „Ermittlungsmaßnahme“ im Sinne der Vorschrift sei (vgl. BT-Drs. 16/5846, S. 35). |
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| Der Auffassung des Gesetzgebers, dass es sich bei den §§ 97, 148 StPO um die spezielleren Vorschriften handelt, ist zuzustimmen. Käme § 160a StPO als Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot neben den Einschränkungen der §§ 97, 148 StPO zur Anwendung, gäbe es auch keinen Bedarf für den Verweis in § 160a Abs. 5 StPO. |
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| dd) Auch der Zweck des § 160a StPO erfordert eine Anwendung auf die Durchsuchung und Beschlagnahme nicht. § 160a StPO sichert die besondere Vertraulichkeit der Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem ungehinderten Kontakt mit dem Verteidiger für wirksame Verteidigungsrechte und damit für die Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens eine entscheidende Bedeutung zukommt (BT-Drs. 16/5846, S. 35). Dabei soll die Vorschrift insbesondere ein Unterlaufen von Zeugnisverweigerungsrechten durch Maßnahmen zur Ausforschung der geschützten Vertrauensbeziehung vermeiden (Löwe-Rosenberg/Erb, StPO, 26. Aufl., § 160a Rn. 62). § 160a StPO verfolgt damit die gleichen Ziele wie die §§ 97, 148 StPO (vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. August 1973 - StB 34/73, NJW 1973, 2035, 2036 zu § 97 StPO: „Die 'völlig freie Verteidigung' war und ist Anliegen des Gesetzes“), erstreckt diesen Schutz jedoch in sachlicher Hinsicht auf die nicht von §§ 97, 148 StPO abgedeckten Sachverhalte. Deshalb hat sich der Gesetzgeber auch entschieden, der Vorschrift des § 97 StPO Vorrang einzuräumen. Nur soweit die in § 160a Abs. 5 StPO genannten Vorschriften keine Regelungen enthalten, beispielsweise zur Verwertbarkeit rechtswidrig erhobener Beweismittel, soll § 160a StPO zur Anwendung kommen (BT-Drs. 16/5846, S. 38). Damit hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, dem ausdifferenzierten Regelungskonzept der §§ 97, 148 StPO Vorrang einzuräumen. |
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| ee) Auch § 160a Abs. 1 S. 5 StPO spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 160a StPO auf Durchsuchungen. Nach dieser Vorschrift sind Erkenntnisse, die von einer in § 160a Abs. 1 S. 1 genannten Person anlässlich von Ermittlungsmaßnahmen gegen andere erlangt werden, ebenfalls unverwertbar. |
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| Käme § 160a Abs. 1 S. 5 StPO für die Durchsuchung bzw. die Beschlagnahme neben § 97 StPO zur Anwendung, wären gerade auch diejenigen Gegenstände als Beweismittel nicht verwertbar, die nach § 97 Abs. 2 S. 1 StPO ausdrücklich von dem Beschlagnahmeverbot ausgenommen sind, weil sie sich nicht im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden. Denn Gegenstände nach § 97 Abs. 1 Nr. 1 - 3 StPO, die nicht beim Verteidiger beschlagnahmt werden, stammen immer aus einer Ermittlungsmaßnahme, die sich im Sinne des § 160a Abs. 1 S. 5 StPO nicht gegen den Verteidiger richtet. Wenn nun aber § 160a Abs. 5 StPO bestimmt, dass § 97 StPO „unberührt“ bleiben soll, wäre es widersprüchlich, die Vorschrift durch die Regelung in § 160a Abs. 1 S. 5 zugleich vollständig außer Kraft zu setzen. Das gesetzgeberische Ziel, die Beschlagnahme von Gegenständen auch weiterhin nur unter den sich aus den §§ 97, 148 StPO ergebenden Beschränkungen auszuschließen, würde unterlaufen, interpretierte man § 160a Abs. 5 StPO so, dass sich zwar die Beschlagnahme nach §§ 97, 148 StPO richtete, sich aber selbst für die zulässigerweise im Gewahrsam des Beschuldigten (§ 97 Abs. 2 S. 1 StPO) beschlagnahmten Unterlagen ein Verwertungsverbot unmittelbar aus § 160a Abs. 1 S. 5 StPO ergäbe. |
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| ff) Schließlich sind Durchsuchung und Beschlagnahme untrennbar miteinander verbunden. Die Durchsuchung stellt im System der Ermittlungsmaßnahmen einen Sonderfall dar, weil sie nicht unmittelbar zu einem Beweismittel führt. Erst mit der Festnahme, der Sicherstellung oder Beschlagnahme als weiterem Schritt kann eine Durchsuchung zum Erfolg führen. Gleichermaßen läuft die Möglichkeit der Beschlagnahme regelmäßig ins Leere, wenn die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen nach den zu beschlagnahmenden Gegenständen nicht suchen dürfen. Es wäre daher widersprüchlich, wenn das Gesetz die Beschlagnahme von Gegenständen zulassen, die Suche nach ihnen jedoch verbieten würde. Die Behauptung, § 97 StPO verbliebe auch dann ein Anwendungsbereich, wenn § 160a StPO auf die Durchsuchung und vorläufige Dokumentendurchsicht anwendbar wäre, etwa bei einer Herausgabe nach § 95 StPO, ist nur scheinbar schlüssig. Denn auch bei dem Herausgabeverlangen nach § 95 StPO würde es sich dann um eine Ermittlungsmaßnahme handeln, deren Erkenntnisse - selbst wenn sie sich nicht gegen den Verteidiger richtet - nach § 160a Abs. 1 S. 5 StPO nicht verwertbar wären, soweit sie von einem Verteidiger stammen. |
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| gg) Zu Recht weist das LG Mannheim (Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 619) darauf hin, dass § 160a StPO bei allzu extensiver Auslegung mit den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an eine zuverlässige Sachverhaltsaufklärung in Konflikt gerät. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung hervorgehoben, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367-383, Rn. 21). Auch wäre es ein unhaltbarer Zustand, wenn der Beschuldigte im Strafverfahren durch Übergabe von Beweismitteln an seinen Rechtsanwalt frei bestimmen könnte, welche Beweismittel seiner Verurteilung zugrunde gelegt werden (vgl. oben; LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 620; Buchert/Buchert, StV 2017, 204, 206). Regelmäßig wird es an einer Verstrickung im Sinne des § 160a Abs. 4 StPO fehlen, weil der die Beweismittel entgegennehmende Rechtsanwalt abgesehen von Ausnahmefällen nicht mit dem für § 258 StGB erforderlichen direkten Vorsatz handeln dürfte. |
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| Auch ist zu besorgen, dass bei einer solch extensiven Auslegung die Verteidigungsrechte der im Strafverfahren tatsächlich Beschuldigten in rechtsstaatswidriger Weise beschränkt werden. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn entlastende Beweismittel aufgrund von § 160a Abs. 1 S. 5 nicht verwertet werden könnten. Das gilt insbesondere, wenn Mitarbeiter eines Unternehmens einer Straftat verdächtigt werden, das Unternehmen interne Untersuchungen durchführen lässt und auf diese Weise den Mitarbeiter entlastende Beweismittel „beiseiteschaffen“ könnte. Keinesfalls dürfen die Verteidigungsmöglichkeiten eines Arbeitnehmers aber allein von der Willkür seines regelmäßig finanziell und strukturell überlegenen Arbeitgebers abhängen (umfassend hierzu LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 619). |
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| d) Die Durchsicht der vorläufig sichergestellten Papiere und elektronischen Speichermedien ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil es sich offensichtlich um beschlagnahmefreie Verteidigungsunterlagen handeln würde. Bislang steht überhaupt nicht fest, welche Dokumente sich bei den sichergestellten Gegenständen befinden. |
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| aa) Im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf ein faires Verfahren hat die Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, nach denen sog. Verteidigerunterlagen prinzipiell der Beschlagnahme entzogen sind, und zwar auch dann, wenn sie im (Mit-)Gewahrsam des Beschuldigten sind (vgl. Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 148 Rn. 8; Löwe-Rosenberg/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 148 Rn. 20a). Verteidigerunterlagen sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur solche Unterlagen, die unmittelbar der Verteidigung dienen (BGH, Beschluss vom 13. August 1973 - StB 34/73, NJW 1973, 2035; Klingel/Buchert, NStZ 2016, 383). |
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| Dieses Beschlagnahmeverbot ist Ausdruck des besonderen Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Beschuldigtem, der für eine effektive Verteidigung unerlässlich ist und daher nur unter engen Voraussetzungen, etwa in § 148 Abs. 2 StPO, gesetzlich eingeschränkt wird. § 148 StPO stellt daher sicher, dass der Verteidiger und der Beschuldigte vertraulich miteinander kommunizieren können; dabei spielt es keine Rolle, ob der Beschuldigte inhaftiert ist (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 148 Rn. 2; Löwe-Rosenberg/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 148 Rn. 5). Dieser besondere Beschlagnahmeschutz gilt sogar für Dokumente, die der Beschuldigte selbst erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren anfertigt (BGH, Urteil vom 25. Februar 1998 - 3 StR 490-97, NJW 1998, 1963) und möglicherweise sogar bereits, bevor ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist (so LG Braunschweig, Beschluss vom 21. Juli 2015 - 6 Qs 116/15, NStZ 2016, 308). |
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| Eine sachgerechte Verteidigung schließt das Recht mit ein, den Sachverhalt aufzuklären und hierüber schriftliche Aufzeichnungen anzufertigen (Klengel/Buchert, NStZ 2016, 383, 386). Solche Aufzeichnungen sind deshalb grundsätzlich (nur) nach § 97 StPO und damit gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 StPO im Gewahrsam des Verteidigers von der Beschlagnahme frei. Darüber hinaus besteht ein Schutz vor Beschlagnahme nur dann, wenn die Aufzeichnungen unmittelbar der Verteidigung dienen (s.o.). |
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| bb) Die vorläufig sichergestellten Interviews beinhalten zwar sehr wahrscheinlich neben den sicher beschlagnahmefähigen Antworten der befragten Mitarbeiter untrennbar verbunden auch mandatsbezogenen Inhalt in Form von Fragestellungen, die Rückschlüsse auf die Ermittlungsziele des Verteidigers zulassen (LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 622). Andererseits dienen diese Unterlagen nur mittelbar der Verteidigung, denn sie dienen sehr wahrscheinlich (nur) der Vorbereitung einer Verteidigungsstrategie. Als solche sind sie aber (nur) nach Maßgabe des § 97 StPO vor der Beschlagnahme geschützt (LG Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2012 - 24 Qs 1/12, WM 2013, 616, 622). Anders kann es liegen, wenn die Protokolle selbst etwa zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden sollen oder wenn sie im Rahmen des Strafverfahrens anlässlich einer (gerichtlichen) Befragung eines Zeugen verwendet werden sollen. Dies setzt aber konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass dem auch so ist. Solche sind hier nicht ersichtlich; sie können sich aber - und das wird die Staatsanwaltschaft bei der Durchsicht der Unterlagen zu berücksichtigen haben - auch aus den Unterlagen selbst ergeben. |
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| cc) Soweit „Korrespondenz“ und „Präsentationen“, die möglicherweise unter den vorläufig sichergestellten Papieren und elektronischen Speichermedien zu finden sind, betroffen sind, wären solche Dokumente der Beschlagnahme nicht grundsätzlich entzogen. Hier ist völlig offen, um welche Art von Korrespondenz es sich handelt und was der Inhalt der „Präsentationen“ ist. Auch hier wird die Staatsanwaltschaft bei der Durchsicht der Dokumente ein besonderes Augenmerk darauf zu legen haben, inwieweit es sich um Korrespondenz der X AG mit den Beschwerdeführern als möglichen Verteidigern handeln könnte, weil diese §§ 97 Abs. 1 Nr. 1, 148 StPO unterfallen. Auch soweit es sich um Präsentationen der Beschwerdeführer handelt, wird naheliegen, dass es sich um Verteidigerunterlagen handelt. Haben die Beschwerdeführer dagegen nur Korrespondenz und Präsentationen von Zeugen und Beschuldigten zusammengetragen, ist die Annahme eines Beschlagnahmeverbots nach vorstehenden Grundsätzen fernliegend. Das gilt auch für sonstige Unterlagen der X AG, die diese - wie von den Beschwerdeführern behauptet - den Beschwerdeführern zur bloßen Vorbereitung von Mitarbeiterbefragungen übergeben hatte (vgl. aber auch BVerfG, Beschluss vom 6. November 2014 - 2 BvR 2928/10, wonach bei kommentierten Unterlagen eine Verteidigungsunterlage wohl naheliegt). |
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| dd) Schließlich ist auch im Hinblick auf die gesuchten Abschluss- und Zwischenberichte völlig unklar, ob diese überhaupt vorläufig sichergestellt worden sind und ob sie im Einzelfall als Verteidigungsunterlagen zu qualifizieren sind. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die X AG auch im Hinblick auf Verwaltungs- und Zivilverfahren im Rahmen der „Q-Problematik“ rechtlich beraten wurde und im Rahmen eines solchen Mandats Abschluss- und Zwischenberichte gefertigt wurden. Dabei wird es insbesondere bei Abschluss- und Zwischenberichten aus einem Mandat mit Bezug auf eine strafrechtliche Beratung vor dem Hintergrund eines - möglicherweise - laufenden Ermittlungsverfahrens besonders naheliegen, dass es sich um Verteidigungsunterlagen handelt. Das gilt insbesondere, soweit es sich um umfassende Darstellungen der aus Sicht der Beschwerdeführer relevanten Ergebnisse der Untersuchungen handelt, die geradezu typischerweise Grundlage für die Entwicklung einer Verteidigungsstrategie sind und möglicherweise sogar konkrete Handlungsempfehlungen des - möglichen - Verteidigers enthalten. |
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| 3. Im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung der Vorwürfe, den erheblichen Grad des Tatverdachts und das Interesse der Allgemeinheit und der Beteiligten an einer funktionsfähigen Strafrechtspflege (vgl. oben) ist weder die Beschlagnahme noch die vorläufige Sicherstellung nach § 110 Abs. 2 S. 2 StPO unverhältnismäßig. Die Kammer hält einen Eingriff nicht nur in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG (soweit man die Durchsuchungsmaßnahmen berücksichtigt) in Bezug auf die X AG, sondern auch einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Rechtsanwälte (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht für fernliegend. Dabei ist hier erneut zu bemerken, dass die Durchsuchung nicht bei den Beschwerdeführern, sondern bei der X AG erfolgt ist, weil die Beschwerdeführer gerade keinen Alleingewahrsam an den vorläufig sichergestellten Papieren und elektronischen Speichermedien hatten. Es ist auch nicht der Kernbereich anwaltlicher Vertraulichkeit betroffen. Schließlich ist zu sehen, dass auch die Beschuldigten selbst ein großes Interesse an einer vollständigen Sachverhaltsaufklärung haben. |
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| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO. |
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