Urteil vom Landgericht Trier (1. Zivilkammer) - 1 S 183/04


Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bitburg vom 02.07.2004 – 5 C 327/2004 – wird zurückgewiesen.

2. Nach teilweise Klagerücknahme wird der Tenor des vorgenannten Urteils wie folgt neu gefasst:

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.377,35,-- Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2003 zu zahlen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 14 %, der Beklagte zu 86 %, wobei der Beklagte vorab die durch die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu tragen hat.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Jagdpächter des Jagdreviers ... von dem Beklagten Schadensersatz für 2 Rehkitze, die der Beklagte beim Mähen getötet haben soll. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bitburg, das den Beklagten antragsgemäß verurteilt hat.

2

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten mit der Begründung, das Amtsgericht hätte nicht von den gegenbeweislich beantragten Sachverständigenbegutachten absehen dürfen, selbst wenn der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers trotz Aufforderung des Gerichts den Kostenvorschuss nicht eingezahlt hat.

3

Zudem bestreitet er erstmals mit Schriftsatz vom 30.05.2005 die Aktivlegitimation des Klägers mit der Begründung, das Jagdausübungsrecht stehe nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 2004, 100 bis 102) der Jagdgenossenschaft zu und nicht dem Kläger.

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Auch bestünde ein Schadensersatzanspruch lediglich in Höhe des Verkehrswertes für erlegtes Reh. Im Übrigen – so erstmals mit Schriftsatz vom 30.05.2005 – sei die Wildhandlung, auf deren Kostenvoranschlag sich der Kläger stützt, nicht aufzufinden. Die dort aufgeführten Preise seien zudem abwegig.

5

Der Kläger hat die Klage in Höhe von 216,-- Euro nebst Zinsen hieraus in der mündlichen Verhandlung am 07.06.2005 zurückgenommen.

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Der Beklagte beantragt,

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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Bitburg vom 02.07.2004 – 5 C 327/03 – die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

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Er ist der Auffassung, das Amtsgericht habe zu Recht von der Einholung der Sachverständigengutachten abgesehen und der Klage stattgegeben.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf die im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

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Die Berufungskammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 11.10.2004 durch Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten der ... vom 07.02.2005 (Blatt 151 bis 165 der Gerichtsakten) und die Stellungnahme des ... vom 04.05.2005 (Blatt 199 bis 199 R. der Gerichtsakten). Von der Einholung eines ausführlichen Sachverständigengutachtens des ... hat die Berufungskammer aus den Gründen der Verfügung vom 10.05.2005 (Blatt 230 bis 231 der Gerichtsakten) abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

14

Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 216,-- Euro nebst Zinsen hieraus (entspricht der Mehrwertsteuer der geltend gemachten Kosten für die Beschaffung von 2 Rehkitzen) ist nur noch über die geltend gemachte Schadensersatzforderung in Höhe von 1.377,35,-- Euro nebst Zinsen hieraus zu entscheiden. Die Klagerücknahme ist auch wirksam, da der Beklagte dieser konkludent in der mündlichen Verhandlung am 07.06.2005 zugestimmt hat.

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Insbesondere ist die noch rechtshängige Klage nicht unzulässig, da der Kläger entgegen der in der Berufungsinstanz vorgetragenen Auffassung des Beklagtenvertreters prozessführungsbefugt ist. Er macht ein eigenes Recht geltend, nämlich Schadensersatz wegen Verletzung seines ihm durch Jagdpachtvertrag übertragenen Jagdausübungs- und Aneignungsrechts, so dass der Einwand der fehlenden Prozessführungsbefugnis nicht nachvollziehbar ist, zumal es genügt, dass der Kläger die Inhaberschaft des geltend gemachten Rechts behauptet. Ob das Recht ihm tatsächlich zusteht, ist eine Frage der Aktivlegitimation und der Begründetheit der Klage. Gründe, warum der Kläger ausnahmsweise nicht berechtigt sein soll, sein von ihm behauptetes Recht geltend zu machen, sind nicht ersichtlich.

16

Die noch rechtshängige Klage ist auch begründet. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen den Beklagten wegen Tötung zweier Rehkitze der noch geltend gemachte Betrag als Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB zusteht.

17

Auch die Berufungskammer geht in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht davon aus, dass der Beklagte zwei Rehkitze beim Mähen getötet hat, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird auf die ausführliche Beweiswürdigung des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil.

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Zwar hat das Amtsgericht zu Unrecht den vom Beklagten gegenbeweislich angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben, was die Berufungskammer nachgeholt hat. Dies ändert jedoch nichts am Ergebnis der Beweiswürdigung, da der Beklagte seine Behauptungen, mit denen er die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen angreifen wollte, nicht beweisen konnte.

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Das Gutachten der Sachverständigen ... konnte nämlich die Behauptung des Beklagten, die Fotos betreffend das zweite getötete Rehkitz seien nicht auf der von ihm am 09.06.2003 gemähten Wiese aufgenommen worden, nicht bestätigen. Eine weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines ausführlichen Gutachtens des Sachverständigen ... kommt nach dessen Stellungnahme vom 04.05.2005 nicht in Betracht, worauf die Berufungskammer bereits mit Verfügung vom 10.05.2005 hingewiesen hat. Im Schreiben des Sachverständigen ... vom 04.05.2005 ist nämlich dargelegt, dass das Erscheinungsbild der durch Kreiselmäher getöteten Rehe sehr unterschiedlich sein kann und dass das von ihm beigefügte Bild Ähnlichkeiten mit den in der Akte befindlichen Fotos hat. Da die Fotos in der Akte nicht dazu geeignet sind, die Behauptung des Beklagten zu bestätigen oder zu widerlegen, ist mangels anderer Anknüpfungspunkte der angebotene Sachverständigenbeweis kein geeignetes Beweismittel für seine Behauptung, die Rehkitze auf den Fotos zeigten nicht das typische Erscheinungsbild von mit einem Kreiselmäher getöteter Tiere.

20

Daher verbleibt es bei der nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung des Amtsgerichts mit der Anmerkung, dass allein die verwandtschaftliche Verbundenheit der Zeuginnen Müller zu dem Kläger kein Anlass ist, an deren Glaubwürdigkeit und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zu zweifeln.

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Da somit zur Überzeugung der Berufungskammer feststeht, dass der Beklagte 2 Rehkitze getötet hat, hat er dem Kläger auch den hieraus resultierenden Schaden zu ersetzen.

22

Für die Geltendmachung des Schadensersatzes ist der Kläger entgegen der Auffassung des Beklagtenvertreters auch aktivlegitimiert. Durch die Tötung der Rehkitze wurde das Jagdausübungsrecht, insbesondere das hieraus resultierende Aneignungsrecht des Klägers verletzt, das ihm aufgrund des Pachtverhältnisses mit der Jagdgenossenschaft zusteht. Dass der Jagdgenossenschaft ein vom Jagdrecht der Grundstückseigentümer zu unterscheidendes Jagdausübungsrecht zusteht, wie der Beklagte unter Berufung auf den Bundesgerichtshof ausführt, ist zutreffend und liegt auf der Hand. Wenn dem nicht so wäre, hätte sie es ja auch nicht an den Kläger als Jagdpächter verpachten dürfen.

23

Die Verletzung des durch den Jagdpachtvertrag erworbenen Jagdausübungs- und Aneignungsrechts des Klägers durch den Beklagten berechtigt diesen zur Geltendmachung von Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB, denn dieses Jagdausübungsrecht ist als sonstiges Recht vom Schutz des § 823 Abs. 1 BGB erfasst, wie der Beklagtenvertreter zutreffend ausführt.

24

Der Höhe nach steht dem Kläger der vom Amtsgericht zuerkannte Schaden mit Ausnahme der Mehrwertsteuer für 2 Rehkitze in Höhe von je 108,-- Euro zu, mithin ein Gesamtschaden von 1.377,35,-- Euro (= 2 x 680 Euro + 14,96 Euro Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO + 2,39 Euro Mehrwertsteuer hierauf) zu.

25

Der Kläger kann auch den Preis für Lebendtiere als Schadensersatz geltend machen und nicht lediglich den Wildbreterlös. Gemäß § 249 ff. BGB hat der Kläger einen Anspruch auf Naturalrestitution, daher auf Wiedereinräumung des Zustands, der vor der Tötung der Rehkitze bestand. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Zuchtwert der getöteten Tiere eine Rolle spielt oder nicht. Der Kläger wollte das Leben der im Feld befindlichen und durch die Mäharbeiten des Beklagten getöteten Rehkitze retten. Es kam ihm somit ersichtlich auf die Erhaltung des Lebens der Rehkitze und ihren Zuchtwert an, weshalb hier für die Bemessung des Schadens der Zuchtwert und nicht lediglich der Wildbreterlös zugrunde zu legen ist. Der Zuchtwert der Rehkitze entspricht den Kosten für die Beschaffung zweier Lebendtiere, die hier geltend gemacht werden, weshalb ihm diese als Schadensersatz nach §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB zustehen.

26

In diesem Zusammenhang ist auch der Einwand des Beklagten unerheblich, es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nur den geringen Pachtzins von 3.200 Euro jährlich zahle. Welche Gegenleistung er für den zeitweiligen Erwerb des Jagdausübungs- und damit auch des Aneignungsrechts zahlt, ist im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagtem unerheblich. Von Bedeutung ist nur, dass sich das vertraglich erworbene Aneignungsrecht des Klägers auch auf die beiden Rehkitze bezog, die der Beklagte getötet hat.

27

Die Ausführungen des Beklagten zu einem Minderungsrecht des Klägers gegenüber der Jagdgenossenschaft sind unerheblich, da nicht die Jagdgenossenschaft einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Minderungsbetrags geltend macht, sondern der Kläger einen ihm selbst zustehenden Schadensersatz wegen Verletzung seines Aneignungsrechts.

28

Soweit der Beklagte erstmals im Berufungsverfahren die Richtigkeit des Angebots angreift, ist dieses Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Anzumerken ist nur, dass es unerheblich ist, ob der Kostenvoranschlag schon vor dem Schadensereignis datiert. Damit hat der Kläger die Kosten für die Ersatzbeschaffung näher dargelegt. Auf die pauschale Behauptung des Beklagten im Schriftsatz vom 17.12.2003, Rehe könnten auch in der Umgebung von Bitburg günstiger eingekauft werden als dies im Kostenvoranschlag dargelegt ist, hat der Kläger substantiiert vorgetragen, das die Firma, die den Kostenvoranschlag erstellt hat, der bundesweit einzige Anbieter von lebendem Rehwild ist. Dies wurde erstinstanzlich nicht weiter bestritten und damit nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden. Mit den neuen Angriffen gegen die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ist der Beklagte nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

29

Die Zinsansprüche sind aus §§ 286, 288 BGB begründet.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 96, 97, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

31

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.593,35 Euro festgesetzt.

32

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Dieses Urteil widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder sonstiger Gerichte, sondern bezieht sich vielmehr auf diese Rechtsprechung und macht sie sich zu Eigen, wobei selbstverständlich die Besonderheiten des Falls zu berücksichtigen sind.

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