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| Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Beklagte hat schuldhaft fehlerhaft beraten und dadurch den Verlust des klägerischen Anlagekapitals herbeigeführt und billigend in Kauf genommen. Die Kläger trifft an diesem Verlust jedoch ein Mitverschulden. Verjährung ist nicht eingetreten. |
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| Zwischen den Parteien kam ein Anlageberatungsvertrag zustande, in dessen Rahmen die Zeugin Z für die Beklagte am 17. März 2006 eine Beratung vorgenommen hat. |
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| Im Rahmen der Beratung wurde nicht anlegergerecht beraten, indem sie, aufbauend auf unzureichendem Wissenstand und fehlender Erfahrung der Kläger, ohne ausreichende Belehrung und Information eine Kaufempfehlung für sogenannte COBOLD-Papiere ausgesprochen wurde, die aufgrund ihres intransparenten, unübersichtlichen, spekulativen und mit erhöhtem Anlegerrisiko versehenen Charakters die Anlageinteressen der Kläger nicht angemessen berücksichtigt hat. |
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| Die Beklagte ist seit Jahren Hausbank der Kläger. Der Beklagten und der Zeugin war bekannt, dass die Kläger bisher regelmäßig konservativ ihr Geld angelegt hatten. Das Depot war – bis auf einen kleinen Bestand einer kurz zuvor aus privater Entscheidung erworbenen norwegischen Aktie – leer. Erfahrung mit Rentenwerten, Anleihen oder gar strukturierten Papieren bestand nicht; dies dokumentierte auch die Zeugin am 1. Februar 2006 so und ließ diese Dokumentation auch – trotz des nur relativ geringen Aktienwerts – sorgfaltsbewußt von der Klägerin unterschreiben. Über ein Totalverlustrisiko bei Renten hat die Zeugin ausweislich dieser Dokumentation nicht belehrt. |
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| Der Beklagten war, wie die Zeugin einräumte, auch bekannt, dass die Kläger den Geldbetrag von 160.000,- EUR „relativ sicher“ anlegen wollten. |
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| Bereits dieser Vorgabe wurde die mit einer Empfehlung für die COBOLD-Papiere schließende Beratung nicht ansatzweise gerecht. |
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| Das Gericht stützt sich in Bezug auf Inhalt und Umfang der Beratung im Wesentlichen auf die als Anlage B3 vorliegende Produktbeschreibung. Soweit die Zeugin ausführt, dass sie – über den nachfolgend noch im Detail darzustellenden Inhalt der Anlage hinausgehend – den Umfang der Risiken dargestellt hat, kann ihr nicht geglaubt werden. Grund hierfür ist, dass sich die Zeugin bei ihren diesbezüglichen Angaben regelmäßig nicht an die konkrete Beratung erinnert hat, sondern ihre Ausführungen darauf stützte, was sie regelmäßig erklärt haben will. Zu sehen war darüber hinaus, dass die Zeugin wirtschaftlich von der Beklagten abhängig ist. Dass sie in dieser Stellung Produkte der der Beklagten übergeordneten DZ-Bank negativer darstellt als in deren eigener Produktbeschreibung, ist unglaubwürdig. Dies auch deshalb, weil die Zeugin erklärt hat, dass sie sich gerade auf die Produktvorauswahl der DZ-Bank verlässt und speziell Produkte aus deren Warenkorb den Kunden anbietet. Soweit sie das Risiko eines Kapitalverlusts an ein Ereignis wie einen „dritten Weltkrieg“ geknüpft hat, stellt dies keine adäquate und ordnungsgemäße Risikoaufklärung dar, da hierdurch reale wirtschaftliche Risiken, die sich tagtäglich in Insolvenzen - auch von inländischen Banken selbst in wirtschaftlich guten Zeiten – (vgl. auch LG Hamburg, 322 O 134/09, Urteil vom 23.09.2009) realisieren, verharmlost und fast ins Lächerliche und Undenkbare zieht. |
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| Schließlich konnte der Beklagten auch die „Dokumentation“ mit Datum 17. März 2006 nicht helfen. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass diese Dokumentation zeitnah erstellt wurde und den Beratungsinhalt korrekt wiedergibt. Dabei spielte zunächst eine Rolle, dass diese Dokumentation, bei der es um eine erheblich größere Investition ging, anders als die vorangegangene Dokumentation nicht von den Kunden unterschrieben wurde. Damit fällt es schon deshalb der Beklagten schwer, ihrer subsidiären Darlegungslast in Bezug auf den Beratungsinhalt nachzukommen. Der größte Zweifel an der Korrektheit der Dokumentation beruht jedoch darauf, dass hier das Totalverlustrisiko angekreuzt wurde, obwohl dieser Punkt in der Produktinformation über die COBOLDE, die die Zeugin bei der Beratung nutzte (- und auch übergeben haben will -) nicht auftaucht. Dass die Zeugin, die ausweislich ihrer Aussage ersichtlich bemüht war, Produkte des eigenen Hauses bzw. der mit diesem verbundenen DZ-Bank zu vertreiben, ein solches Produkt riskanter darstellt als die von der DZ-Bank erstellte und von der Beklagten und der Zeugin verwendete Produktinformation, war nicht nachvollziehbar und nicht glaubwürdig. |
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| Die Produktbeschreibung ( Anlage B 3 ) enthält eine irreführende, die wahren Risiken verschleiernde, für Laien unverständliche Beschreibung des Produkts. Die Verschleierung ergibt sich auch aus einem Vergleich dieser Produktbeschreibung mit den umfassenden Basis- bzw. Verkaufsprospekten der DZ-Bank für ihre COBOLD-Produkte, wie sie im Internet auf deren Seite allgemein zugänglich und damit gerichtsbekannt sind ( Bl. 147 ff d. A. ). Auch auf der Seite der Beklagten findet sich ein Link zur DZ-Bank als Zentralbank der Volksbanken. Nachdem die Produktbeschreibung ( Anlage B 3 ) von einem Diplom-Betriebswirt (BA) der DZ-Bank erstellt worden war, bei dem ausreichendes Wissen und Kenntnis des Inhalts des eigentlichen Verkaufsprospekts als vorhanden unterstellt werden kann, muss zugleich davon ausgegangen werden, dass die Irreführung und Risikenverharmlosung zumindest mit billigendem Inkaufnehmen einer Anlegerschädigung, d.h. bedingtem Schädigungsvorsatz vorgenommen wurde. Die Beklagte, die diese Beschreibung ihrerseits zum Gegenstand der Beratung gemacht hat, muss sich als fachkundige Bank diese Schuld zurechnen lassen. |
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| Um die Irreführung und die Risikoverschleierung zu verdeutlichen, ist zunächst auf den tatsächlichen Charakter der Papiere einzugehen, sodann im Einzelnen auf die – vom eigentlichen Prospekt abweichenden – Beschreibungen in der Produktbeschreibung. |
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| Es handelt sich der äußeren Form nach um eine Anleihe bzw. Inhaberschuldverschreibungen. Hierauf hat auch die Zeugin in ihrer Vernehmung wiederholt abgestellt. Während im Regelfall die Rückzahlung von der Zahlungsfähigkeit der Emittentin (DZ-Bank), die die Anleihe aufnimmt bzw. die Schuldverschreibung ausgibt, abhängt, wird bei den COBOLD-Papieren die Rückzahlung zusätzlich auch noch davon abhängig gemacht, dass bei weiteren 5 Unternehmen, hier 4 amerikanischen und 1 deutschen Bank, während der Laufzeit kein „Kreditereignis“ eintritt. Ein Kreditereignis soll danach die Insolvenz einer dieser 5 Banken sein oder auch weitere, nicht näher umschriebene negative Entwicklungen einer dieser 5 Banken. Die emittierende DZ-Bank ist aber keineswegs verpflichtet, das angenommene Geld auch einer dieser 5 Banken ihrerseits weiterzuverleihen. Die zusätzliche, zum Bonitätsrisiko der Emittentin geschaffene Abhängigkeit vom Nichteintritt bestimmter wirtschaftlicher Ereignisse bei diesen weiteren 5 Banken, somit insgesamt 6 Banken, wird - für den Laien begrifflich nicht ohne weiteres nachvollziehbar – mit dem Begriff „strukturierte Anleihe“ umschrieben. Zugleich werden diese Anleihen als sogenannte „Credit Linked Notes“ bezeichnet. Für ähnliche COBOLD-Anleihen hält die DZ-Bank heute im Internet eine Produktinformation bereit, die über 200 (!) DIN-A-4 Seiten umfasst ( z. B. „Basisprospekt vom 15. Mai 2009 – COBOLD-BALINO-YUMP Credit Linked Emissionsprogramm, Bl. 150 - 152 d. A. bzw. Link auf der DZ-Bank-Seite Bl. 153 d. A. ). Die „Credit Linked Teilschuldverschreibungen“ werden dort ( S. 12 des Prospekts = Bl. 151 d. A. ) als „Anleihen mit integriertem Kreditderivat“ beschrieben. Weiter wird ausgeführt, dass „aufgrund der Kombination von Anleihe und derivativem Instrument eine Credit Linked Anleihe auch als strukturiertes Produkt bezeichnet werden kann“. |
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| Bereits diese - inhaltlich nichtssagende („ strukturiertes Produkt “) - Beschreibung zeigt, dass damit ein nicht professioneller oder auf besondere Erfahrungen oder intensivste Beratungen zurückgreifender Anlegetypus, zu dem auch die Kläger gehören, nichts Konkretes anfangen kann. Dies wurde auch bei der Vernehmung der Zeugin plastisch und deutlich, als sie auf Frage nach dem Wesen der Credit Linked Notes (CLN) erklärte, dass sie selbst dies heute auch nicht mehr erklären könne. |
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| Zu den Risiken führt der genannte Basisprospekt von 2009 aus (S. 13), dass der Kauf von CLN wesentliche Risiken berge und nur für Investoren geeignet ist, die über Kenntnisse und Erfahrungen in finanziellen und geschäftlichen Angelegenheiten verfügen, die es ihnen ermöglichen, die Risiken und Vorteile einer Investition in die Credit Linked Teilschuldverschreibungen zu beurteilen. |
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| Dass diese Kenntnisse und Erfahrungen bei den Klägern vor dem 17. März 2006 vorhanden gewesen wären, hat nicht einmal die Beklagte selbst behauptet. Aber auch am 17. März 2006 konnten die entsprechenden Kenntnisse den Klägern nicht vermittelt worden sein, da die Zeugin in ihrer Vernehmung selbst nicht zu einer entsprechenden Erklärung der CLN in der Lage war, obwohl die Beklagte ausweislich ihrer eigenen Internetseite und dem dortigen Link auf DZ-Anleihen auch heute noch COBOLD-Papiere vertreibt. |
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| Der emittierenden DZ-Bank und damit auch der Beklagten war aber auch schon 2006 die Fragwürdigkeit und hohe Risikoträchtigkeit der COBOLD-Papiere bekannt. Der ebenfalls noch auf der Internetseite der DZ-Bank vorhandene „unvollständige Verkaufsprospekt vom 21. April 2005“ (- in dem noch der jeweilige Zinssatz und die laufende COBOLD-Nummer fehlen) zeigt dies eindrucksvoll ( Bl. 154 - 157 d. A .). Dort wird ( Deckblatt = Bl. 154t ) ausgeführt, dass „strukturierte Produkte wie die in diesem unvollständigen Verkaufsprospekt beschriebenen Credit Linked Teilschuldverschreibungen komplexe Finanzinstrumente sind, die ein hohes Risiko in sich tragen und nur für den erfahrenen Investor, der die mit solchen Instrumenten verbundenen Risiken einzuschätzen weiß, zum Kauf geeignet sind“. Auf S. 4 wird dort weiter ausgeführt, dass es bedingungsgemäß „im ungünstigsten Fall zum fast vollständigen Verlust der in diese Teilschuldverschreibung investierten Mittel führen“ kann (Unterstreichungen durch das Gericht) . Schon danach steht fest, dass die Papiere keine – wie selbst die Zeugin den Wunsch der Kläger schildert – „relativ sichere“ Anlage für unerfahrene Verbraucher darstellen. |
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| Die DZ-Bank und die das Produkt für sie vertreibende, mit ihr verbundene Beklagte sind sich danach des hohen Risikos und der erforderlichen umfangreichen Erfahrungen und Kenntnisse bewusst. Die eingesetzte Beraterin war nach eigenen Angaben aber nicht in der Lage, die Kenntnisse zu vermitteln. |
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| Hieraus ergibt sich eine unzureichende Beratung, wobei - belegt durch das der Beklagten und der DZ-Bank ausweislich deren Unterlagen bekannte, in der Produktbeschreibung so aber nicht wiedergegebene hohe Risiko (Totalverlustrisiko) - ein billigendes Inkaufnehmen einer Schädigung der Anleger gegeben war. |
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| Die Beklagte konnte zudem durch die Zeugin nicht beweisen, dass diese Produktbeschreibung ( Anlage B 3 ) als Mindestinformation den Klägern überlassen worden war. Insoweit konnte die Zeugin nur angeben, dass sie dies regelmäßig tue. Bereits das Nichtüberlassen dieser schriftlichen Information – unabhängig von deren inhaltlichem Wert – macht die Beratung (- insoweit mit geringerer Schuldform -) fehlerhaft (vgl. LG Rottweil, 3 O 345/08, Urteil vom 7.5.2009). |
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| Auf das strittige Überlassen dieser Produktinformation ( Anlage B 3 ) kommt es aber indes nicht entscheidend an. Auch dann, wenn diese Produktbeschreibung überlassen worden wäre, wäre die Beratung fehlerhaft gewesen, da der Inhalt der Produktbeschreibung unzureichend war. Diese Einstufung erfasst aber zugleich auch die mündlich von der Zeugin vorgenommene Beratung, da die Zeugin – insoweit konnte ihr auch mangels Interessenkonflikt mit der Beklagten geglaubt werden – den Inhalt der Produktbeschreibung „ Anlage B 3 “ zum Gegenstand der Beratung gemacht hat. |
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| Der Inhalt der Produktbeschreibung „ Anlage B 3 “ und damit der Inhalt der mündlichen Beratung stehen im krassen Gegensatz zu oben zitiertem Verkaufsprospekt; der Inhalt ist in wesentlichen Teilen (Kreditereignis) nur schwer verständlich, in anderen Teilen (Risiko, d.h. konkret Totalverlustrisiko) unvollständig und verharmlosend. |
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| Die Produktbeschreibung führt zunächst aus, dass direkte Bankanleihen aktuell unter 3 Prozent Zinsen bringen würden, während der COBOLD 62 eine Verzinsung von 3,2 % enthalte, ca. 0,2 – 0,6 % mehr als Bankenanleihen. Die zusätzlich zum üblichen Bonitätsrisiko der Emittentin zu übernehmenden Fremdrisiken von 5 weiteren Banken, die als „Referenzbanken“ bezeichnet werden, tauchen auf Seite 1 zunächst überhaupt nicht auf. Hier wird vielmehr umgekehrt der Eindruck einer Art Risikostreuung zugunsten des Anlegers vermittelt, der sein Geld nicht nur einer Bank leiht, sondern ein Papier erwirbt, bei dem das Risiko auf 5 weitere „Referenzbanken“ verteilt wird. Ob tatsächlich Direktanleihen zum damaligen Zeitpunkt unter 3,2 % rangierten, kann offen bleiben, da – wie auszuführen sein wird – das Risiko der Anlage unzutreffend und im Gegensatz zur Kenntnis der DZ-Bank und der Beklagten dargestellt wird. Immerhin ergab ein Blick auf die noch heute laufenden Anleihen (Internet, Börse Frankfurt/Stuttgart), dass 2006 eine Anleihe der Morgan Stanley Bank (ausgegeben 2003, Laufzeit bis 2010, Zinssatz 4,375 %, WKN 776342) im Handel war und eine Anleihe der Merill Lynch Bank (Oktober 2006 – 2001, 4,2 %, WKN ML0BAN) zur Ausgabe anstand, wobei ggf. noch die jeweiligen Tageskurse vom März 2006 eine renditerelevante Rolle spielen konnten. Auch die nach der Insolvenz der Lehman Bank ersatzweise von der Beklagten in das klägerische Depot eingelegte Anleihe der Lehman Brother (WKN A0ABV8) von 2004 wies eine Verzinsung von 4,75 % auf. Die Verzinsung läge selbst bei kurs- und gebührenbedingten Renditeeinbußen von 1 – 2 Prozentpunkten noch über dem COBOLD-Papier bzw. auf gleichem Niveau trotz nur einem statt 6 übernommenen Unternehmensrisiken (DZ-Bank und 5 Referenzbanken). |
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| Zu den Risiken macht die Produktbeschreibung sodann im Einzelnen unter den angegebenen Positionen folgende Angaben: |
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| „ Rückzahlung: 100 %; im Falle eines Kreditereignisses erfolgt Andienung einer Anleihe der zuerst ausgefallenen Referenzbank.“ |
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| Hier wird somit eine Rückzahlung von zunächst 100 % in Aussicht gestellt, im Falle eines „Kreditereignisses“ ersatzweise eine Andienung einer anderen Anleihe. Dass dies faktisch den nahezu vollständigen Kapitalverlust bedeuten kann, wird auch – anders als im Verkaufsprospekt (dort: fast „ vollständiger Kapitalverlust “) - nicht ansatzweise dargestellt. Die DZ Bank hat somit offensichtlich in der Produktbeschreibung das Risiko eines nahezu vollständigen Kapitalverlusts - anders als im umfassenden Prospekt – bewusst nicht erwähnt, wobei die Zeugin zugleich erklärt hat, dass sie gerade die Produktbeschreibung bei den Kunden verwendet hat. |
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| Dass konservative Anlageformen wie Spareinlagen oder Festgelder völlig außerhalb der Risikoklassifizierung der Beklagten liegen, hat die Zeugin im Termin erläutert. Eine Darstellung, was „Klasse 3“ bedeutet, enthält die Produktbeschreibung nicht. Die Einstufung erscheint zudem sehr fragwürdig. In einer allgemein zugänglichen Broschüre der Commerzbank „ Kundeninformation zum Wertpapiergeschäft “ ( Bl. 160 - 165 d. A .) werden - analog zur DZ-Bank verschiedene Risikoklassen - A bis F statt 1 bis 5 - aufgeführt. In Klasse B sind Bankanleihen, in Klasse C sind Unternehmensanleihen aufgeführt. In beiden wird zum Ausdruck gebracht, was der Name „Anleihe“ beinhaltet und was der Kunde damit verbindet, dass nämlich die Rückzahlung der Forderung nur von der Bonität des Emittenten abhängt. Papiere wie die COBOLD-Anleihen weichen hiervon strukturell massiv ab, indem die Rückzahlung nicht nur erwartungsgemäß von der Bonität der emittierenden DZ-Bank abhängt, sondern von der kumulativ erforderlichen Bonität fünf weiterer Unternehmen oder Banken während der gesamten Laufzeit . Es handelt sich daher in Wirklichkeit eher um Zertifikate oder gar Finanztermingeschäfte, die in dieser Broschüre in Klasse E mit hohen Verlustrisiken oder gar F mit sehr hohen Verlustrisiken eingestuft sind. |
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| - Attraktiver Renditevorteil von ca. 20 bis 60 Basispunkte über vergleichbaren Bankanleihen“. |
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| Hier wird wiederum Wesentliches verschwiegen. Zunächst wird nicht darüber informiert, dass Bankanleihen überhaupt nicht vergleichbar sind, da bei ihnen der Anleger nur das Risiko der Insolvenz dieser einen emittierenden Bank trägt, beim Produkt COBOLD der Anleger dagegen zusätzlich das Risiko von 5 (fünf) weiteren in- und ausländischen Banken ebenfalls trägt, und zwar in einer Art und Weise, dass bereits bei Insolvenz einer dieser Banken sein gesamtes Kapital, nicht nur 1/5, verloren sein kann. Auch die Relation einer nur geringfügig höheren Verzinsung, nämlich selbst nach der Produktbeschreibung nur ca. 10 – 20 % mehr als bei Bankanleihen, zur schwerwiegenden Übernahme von 5 weiteren Insolvenzrisiken wird nicht deutlich gemacht. |
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| „Risikobetrachtung: Das Risiko dieses Produkts liegt in erster Hinsicht – wie bei einem Direktinvestment in eine Bankanleihe – in der Bonität der zugrunde liegenden Referenzbanken, d.h. in einer möglichen Zahlungsunfähigkeit.“ |
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| Auch hier fehlt wiederum ein deutlicher Hinweis, dass der Kunde nicht nur von einem Bonitätsrisiko („ wie bei Direktinvestment “) abhängt, sondern von 5 weiteren zusätzlichen Risiken. Das Totalverlustrisiko wird wiederum nicht erwähnt. |
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| Auch soweit im weiteren Verlauf von S. 2 der Produktbeschreibung die sogenannten „ Kreditereignisse“ dargestellt werden, fehlt die zu fordernde Klarheit. |
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| Wiederum wird zunächst nicht deutlich genug ausgeführt, dass bereits ein Ereignis bei einer einzigen Bank der fünf weiteren Banken irgendwann während der gesamten Laufzeit zum Verlust des gesamten Kapitals führen kann. |
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| Bereits der Begriff „Kreditereignis“ ist zudem schwammig und nicht geeignet, Risiken darzustellen. Während das Kreditereignis „Insolvenz“ auch für einen Laien noch verständlich sein mag, ist beispielweise das weitere Ereignis „Nichtzahlung“ inhaltlich kaum bestimmt und für den Kunden nicht transparent. Dies gilt noch mehr für das dritte aufgeführte Ereignis, die „Schuldenrestrukturierung“. Selbst die Zeugin konnte im Termin nur vage und ohne jegliche Einzelheiten zu erläutern versuchen, was denn damit gemeint sein könnte. Sie sprach von einem „abstrakten Begriff, unter dem man sich nicht deutlich etwas vorstellen kann“. Auch die Frage, ob die Kläger nach dem Eindruck der Zeugin deren Beratung zum Thema Kreditereignis (Schuldenrestrukturierung) verstanden hätte, konnte die Zeugin nicht bejahen, obwohl selbst der umfangreiche – den Klägern nicht vorgelegte – Prospekt der DZ Bank positive Kenntnisse voraussetzte. Sie konnte sich nur dahingehen einlassen, das sie nicht den Eindruck hatte, dass die Kläger es nicht verstanden hätten. |
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| Die Produktbeschreibung und die sich daran orientierende Beratung durch die Zeugin waren danach im Hinblick auf die Risiken unvollständig und verharmlosend. Die Bedeutung und Funktionsweise des Papiers wird nicht deutlich dargestellt. Da sich die Zeugin bei ihrer Beratung am Inhalt der Produktbeschreibung nach eigenen Angaben orientiert haben will, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob dieses Papier den Klägern vorgelegen hat oder – wie sie vortragen – nicht. Selbst wenn es vorgelegen hätte, wäre damit keine sachgerechte und anlegergerechte Beratung erbracht worden. |
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| Schließlich ist auch der ganze Sinn des Papiers nicht ohne weiteres verständlich. Hätte der Anleger im März 2006 in eine Anleihe der mit der schlechtesten Bonität ausgestatteten Referenzbank oder direkt in die später ihm angediente Lehman-Anleihe mit deutlich höheren 4,75 % Zinsen investiert, wäre er bei Insolvenz der Lehman-Bank oder auch einer der anderen Referenzbanken nicht schlechter gestanden, bei Nichtinsolvenz sogar deutlich besser. Ein Grund für eine Empfehlung des DZ-Cobold-Papiers – außer der Verbundenheit der Beklagten mit der DZ-Bank – ist nicht ohne weiteres erkennbar. |
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| Der Charakter des Papiers bleibt auch – gerade für den Verbraucher – insoweit unklar (wie LG Tübingen, 5 O 117/09, Urteil vom 6.10.2009 betr. COBOLD 62), als nicht deutlich wird, wofür er letztlich sein Geld gibt. Er leiht es faktisch der DZ-Bank und schließt mit dieser gleichzeitig eine Wette dahingehend ab, dass er nur bei Nichtinsolvenz von 5 anderen Banken während der Laufzeit sein Geld zurückerhält. |
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| Offensichtlich ist sich auch die DZ-Bank selbst danach des wahren Charakters ihres Papiers nicht sicher, wenn sie in der Produktbeschreibung ausführt, dass es sich nur nach „unverbindlicher Einschätzung“ bei den COBOLD-Anleihen „nicht um Finanztermingeschäfte“ handelt. Die DZ-Bank hält danach selbst eine solche Einstufung zumindest für nicht fernliegend und denkbar, ohne aber in der Beratung, Aufklärung und Risikoeinstufung die entsprechende Konsequenz zu ziehen. |
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| Der spekulative Charakter des ganzen Papiers wird auch an folgender Überlegung deutlich: Es ist nach dem Prospekt nicht klar, ob und in welchem Umfang (bezogen auf die emittierten 50 Mio. EUR) die DZ-Bank selbst Geld an die Lehman-Bank verliehen hat. Auch die Zeugin konnte hierzu nichts sagen. Hat nun die DZ-Bank keinen Cent dieser 50 Mio. EUR selbst bei Lehman angelegt, hätte sie – abzüglich eines kleinen Betrags für die anzudienenden, zum Zeitpunkt der Andienung nahezu wertlosen Lehman-Anleihen – durch die Lehman-Insolvenz über Nacht das gesamte Anlegerkapital von 50 Mio. EUR dauerhaft für sich erlangt, vollständig zu Lasten der Anleger. Nur dann, wenn sie ihrerseits die gesamten 50 Mio. EUR an Lehman weitergegeben hätte, hätte sie nicht am Anlegerkapital partizipiert, sondern nur den Anlageverlust an die Endanleger weitergereicht. |
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| Insgesamt handelt es sich um eine Anleihe mit spekulativen, glücksspielartigen Elementen; die DZ Bank kann – über ihre Zinsspanne bei der Nutzung des Anlagekapitals hinaus - , bezogen auf das Emissionsvolumen 50 Mio. EUR, bezogen auf das streitgegenständliche Kapital 78.600,- EUR gewinnen, während der Anleger für seinen „Spieleinsatz“ möglicherweise 0,2 – 0,6 % mehr Zins erhält; umgekehrt kann der Anleger sein gesamtes Kapital verlieren, während die DZ Bank nur gewinnen kann. „Glücksereignis“ für die Bank wäre der Eintritt eines „Kreditereignisses“ bei einer der fünf Referenzbanken. |
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| Die schuldhafte Fehlberatung ist als kausale Ursache für die Anlegerentscheidung zu vermuten, die zum (bisherigen) Totalverlust des Anlagekapitals geführt hat. Die Kausalität wird hier zudem eindrucksvoll dadurch bestätigt, dass die Kläger, nachdem sie nach der Lehman-Pleite den wahren Charakter der COBOLDE erkannt hatten, mit großem Verlust auch den anderen (Industrie)-COBOLD verkauft haben, um nichts mehr mit diesen Papieren zu tun zu haben. |
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| Kein Beratungsfehler unterlief der Beklagten dagegen in Bezug auf das konkrete Einzelbonitätsrisiko der Lehman Brothers. Die Kläger tagen insoweit nicht einmal selbst vor, dass im März 2006 irgendwelche Anhaltspunkte bekannt oder erkennbar waren, die auf ein konkret drohendes Insolvenzereignis bei Lehman Brothers hingedeutet hätten. |
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| Soweit vorliegend der Vorwurf einer unvollständigen Aufklärung über etwaige Innenprovisionen oder Verdienste der Beklagten aus ihrem Verhältnis zur Emittentin (DZ Bank) stützt, kann dem nicht gefolgt werden. Die von der DZ Bank bezahlte Vergütung von 0,8 % ist nicht unüblich hoch; dass die Beklagte, die bei den Klägern keine Gebühren erhoben hat, völlig umsonst tätig wird, konnten die Kläger nicht ernsthaft erwarten. |
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| Verjährung ist, unabhängig vom Zeitpunkt des Beginns etwaiger Verjährung, nicht eingetreten. Zum einen liegt Handeln der Beklagten mit bedingtem Vorsatz vor. Zum andern hat die Beklagte die Kläger schon in der Produktbeschreibung über den Charakter der Papiere im Unklaren gelassen, so dass sie sich auf etwaige Verjährungsvorschriften für Anleihen nicht berufen kann. |
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| Die Beklagte ist danach wegen fehlerhafter Beratung zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatz besteht in der Rückzahlung des investierten Kapitals, Zug um Zug gegen Übereignung der ersatzweise erlangten Lehman-Anleihen. Sofern deren Übertragung aufgrund nationaler oder internationaler Bestimmungen (zeitweilig) ausgeschlossen sein sollte („blocked“), hat die Rückzahlung Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche und Rechte aus dieser Anleihe im Innenverhältnis zwischen den Parteien zu erfolgen. |
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| Die Kläger haben sich jedoch ein Mitverschulden zuzurechnen lassen, das hinsichtlich der Gewichtung jedoch deutlich geringer ist als das Verschulden der Beklagten. Den Klägern waren „konservative“ Anlagen wie Festgelder und Spareinlagen ihrer Funktionsweise, Sicherheit und Verzinsung nach bekannt; gleiches galt für Aktien mit ihren offen erkennbaren Risiken und Chancen. Ihnen war auch bekannt, dass Zinssätze für derartige Einlagen zum Anlagezeitpunkt unter der COBOLD - Verzinsung von 3,2 % lagen. Sie haben sich dennoch und trotz unzureichender Aufklärung und Beratung für eine unübersichtliche, kaum nachvollziehbare und nur sehr schwer verständliche Anlageform entschieden, - nach eigenem Vortrag sogar sorgfaltswidrig ohne jegliche schriftliche Unterlagen - bei der bereits die schriftliche Produktbeschreibung der Beklagten und die daran anknüpfende Information durch die Zeugin mehr Fragen aufwirft als sie klare Antworten gibt. Mitverschulden trifft sowohl denjenigen, der trotz Erhalt dieser erkennbar unzureichenden Produktbeschreibung sein Geld in dieses Produkt investiert als auch denjenigen, der diese Beschreibung nicht erhalten hat und dem nur in einem Beratungsgespräch ein Produkt vorgestellt wird, das er letztlich nicht durchschaut. Zudem hätte sich die Frage aufgedrängt, warum dieses Papier überhaupt höher verzinslich gewesen sein soll. |
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| Bei Abwägung der Verschuldensbeiträge war einerseits das bedingt vorsätzliche Handelns der Beklagten zu sehen, das schwer wiegt. Auf der anderen Seite steht das Mitverschulden der Kläger, das zwar nur in Sorglosigkeit und Leichtsinn besteht, das aber, da es um eigene wirtschaftliche Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung ging und deshalb besondere Sorgfalt geboten war, nicht völlig unerheblich war. |
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| Insgesamt erscheint bei Berücksichtigung der beiden Beiträge eine Teilung des Schadens im Verhältnis 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten angemessen. |
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| Die Voraussetzungen für die Feststellung des Annahmeverzugs liegen vor. |
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| Es war auch die Feststellung zum Ersatz weiteren Schadens, ebenfalls durch die fehlerhafte Anlageberatung verursacht, auszusprechen. Der Feststellungsantrag seitens der Kläger war zulässig, da sie sich ersparte Einkommensteuerzahlungsverpflichtungen anrechnen lassen wollen, deren Höhe noch nicht bekannt ist. Für den Zeitraum, in dem die Kläger Zinsen aus den COBOLD-Papieren erhalten haben, ist ein solcher Zinsschaden nicht entstanden, den Klägern ist insoweit kein Schaden entstanden. Für die Zeit ab Ende der Verzinsung aus den COBOLD-Papieren (22. September 2007) errechnet sich der festzustellende Schaden wie folgt: |
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| Verzinsung aus einem Betrag von 53.333,33 EUR, der 2/3 des zu verzinsenden Kapitalbetrags entspricht, in Höhe des Zinssatzes von Festgeldanlagen der Beklagten im März 2006 bei 4,5-jähriger Laufzeit, d.h. 2,4 % ( vgl. Anlage B 10, Bl. 129 ), für einen Zeitraum vom 22. September 2007 bis 21. September 2010, abzüglich der in diesem Zeitraum ersparten Einkommensteuer aus fiktiven Zinsen von 3,2 %. Weiter ist abzuziehen der Mehrerlös der COBOLD-Anleihe (3,2 %) im Zeitraum 17. März 2006 bis 21. September 2007 gegenüber der vorstehend beschriebenen Festgeldanlage zu 2,4 %, da dieser Betrag bei korrekter Beratung ebenfalls nicht erlangt worden wäre. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Bei der Höhe der Sicherheitsleistung wurde berücksichtigt, dass nur eine Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgte und nach – nicht verifizierbaren - Angaben der Beklagten die Lehman-Anleihen inzwischen wieder einen geringen Restwert (Insolvenzquote) erlangt hätten. Da die Beklagte dies aber selbst so vorträgt, war ihr Sicherheitsinteresse darauf abzustimmen. |
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