Urteil vom Landgericht Tübingen - 4 O 374/17

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.558,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.117,56 EUR ab dem 31.12.2017 und aus 1.440,78 EUR ab dem 24.07.2018 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 98 % und die Beklagte 2 % zu tragen.

Von den durch die Nebenintervention entstandenen Kosten tragen die Klägerin 98 % und die Nebenintervenientin 2 %.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags und für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 110.801,86 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Umlage für das Jahr 2013 nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012 (EEG 2012). Streit besteht zwischen den Parteien insbesondere über die Voraussetzungen einer privilegierten Eigenversorgung nach § 37 Abs. 3 Nr. 2 EEG 2012 (nach der PV-Novelle: § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012).
Die Klägerin betreibt das eine Regelzone bildende Übertragungsnetz [...]. Als solche ist sie nach § 37 Abs. 2 EEG 2012 berechtigt und verpflichtet, Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Letztverbraucher mit Strom beliefern, für die Zahlung der EEG-Umlage in Bezug auf die an Letztverbraucher gelieferten Strommengen in Anspruch zu nehmen.
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform eines Eigenbetriebs die Stadtwerke [...]. Zu den Zwecken des Eigenbetriebs der Beklagten gehört ausweislich ihrer Betriebssatzung die Versorgung der Bevölkerung mit Strom und Wasser, die Versorgung einzelner Baugebiete bzw. Einrichtungen mit Wärme sowie die Bereitstellung des Hallenbades und Freibades für die Benutzung durch die Bevölkerung (vgl. Anlage K 1). Bei der Beklagten handelt es sich daher um ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen i.S.d. EEG 2012.
Die Stadtwerke betreiben acht Blockheizkraftwerke (BHKW), die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung Strom und Wärme erzeugen (vgl. Anlage K 2), wobei der dort erzeugte Strom teilweise in eigenen Verbrauchseinrichtungen der Beklagten verbraucht wird. Außerdem betreiben die Stadtwerke das Nieder- und Mittelspannungsnetz in [...].
Die EEG-Umlage für das Jahr 2013 betrug 5,277 ct/kWh (vgl. Anlage K 3).
Am 23.05.2014 übermittelten die Stadtwerke der Klägerin eine Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers über die Angaben nach § 49 EEG 2012 für das Kalenderjahr 2013 vom 20.05.2014 (nachfolgend: 1. WP-Testat). Diesem 1. WP-Testat ist eine EEG-umlagepflichtige Liefermenge der Stadtwerke an Letztverbraucher i.H.v. 40.577.775 kWh zu entnehmen (Anlage K 4). Zugleich enthält das 1. WP-Testat folgenden Hinweis:
„Ohne unsere Beurteilung einzuschränken, weisen wir darauf hin, dass die Ermittlung des durch Eigenstrom gedeckten Eigenverbrauchs nicht bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall vorgenommen wurde."
Daraufhin teilte die Klägerin den Stadtwerken am 17.06.2014 mit, dass sie dieses 1. WP-Testat nicht akzeptieren könne, da die Ermittlung des durch Eigenstrom gedeckten Eigenverbrauchs nicht bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall vorgenommen worden sei. Zugleich wies die Klägerin die Stadtwerke darauf hin, dass nach ihrer Ansicht eine viertelstundenscharfe Betrachtung bei der Ermittlung des durch Eigenstrom gedeckten Eigenverbrauchs erforderlich sei und der Eigenverbrauch nur dann von der EEG-Umlage befreit sein könne, wenn Erzeugung und Verbrauch nachweislich zeitgleich erfolgen (sog. Gleichzeitigkeitsprinzip). Weiter bat die Klägerin die Stadtwerke um die testierende Prüfung des entsprechenden Nachweises, dass Erzeugung und Verbrauch zeitgleich erfolgten bzw. um die Übersendung eines korrigierten WP-Testats (E-Mail vom 17.06.2014 als Anlagenkonvolut K 5).
Am 31.07.2014 übermittelte die Klägerin den Stadtwerken die Endabrechnung für die EEG-Umlage des Kalenderjahres 2013. Da der Klägerin bis zum 31.07.2014 seitens der Stadtwerke kein korrigiertes WP-Testat übermittelt wurde, aus dem hervorgeht, dass die Ermittlung des durch Eigenstrom gedeckten Eigenverbrauchs seitens der Stadtwerke bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall vorgenommen wurde, erstellte die Klägerin die Jahresabrechnung 2013 auf Grundlage der im 1. WP-Testat mitgeteilten Letztverbrauchermenge i.H.v. 40.577.775 kWh. Dementsprechend weist die Jahresabrechnung 2013 einen EEG-Umlagebetrag i.H.v. 2.141.289,19 EUR aus (40.577.775 kWh x 0,05277 EUR). Da die Stadtwerke unterjährig bereits Abschläge auf die zu entrichtende EEG-Umlage i.H.v. 2.110.800,00 EUR geleistet hatten, sieht die Jahresabrechnung 2013 nur noch einen ausstehenden Betrag von 30.489,19 EUR vor (Anlage K 6). Unstreitig wurde dieser Betrag von der Beklagten in der weiteren Folge beglichen, somit für 2013 insgesamt eine EEG-Umlage i.H.v. 2.141.289,19 EUR.
10 
Am 04.08.2014 ging bei der Klägerin ein auf den 25.07.2014 datiertes Schreiben der Stadtwerke ein, das eine ergänzende Bescheinigung des Wirtschaftsprüfers gem. § 50 EEG über die Angaben nach § 49 EEG 2012 für das Kalenderjahr 2013 enthielt (nachfolgend: 2. WP-Testat). In diesem 2. WP-Testat heißt es u.a. (vgl. Anlage K 7):
11 
„...
Diese ergänzende Bescheinigung basiert auf den Daten der ursprünglichen Bescheinigung für den Zeitraum 2. Januar bis 31. Dezember 2013 von [...] mit Bescheinigungsdatum vom 20. Mai 2014. Diese ergänzende Bescheinigung ist einzig dahingehend abweichend, dass aufgrund der erneuten Beauftragung durch den Eigenbetrieb Stadtwerke [...] die Ermittlung des durch Eigenstrom gedeckten Eigenverbrauchs seitens der Stadtwerke [...] nun bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall vorgenommen wurde. Durch die 15-Minuten-Intervall-Betrachtung ergibt sich ein geringerer „begünstigter“ Eigenverbrauch in Höhe von 2.072.410 kWh.
..."
12 
Dementsprechend weist das 2. WP-Testat für das Kalenderjahr 2013 eine um diese Strommenge von 2.072.410 kWh erhöhte EEG-umlagepflichtige Strommenge der Stadtwerke i.H.v. 42.650.185 kWh aus. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlage K 7 verwiesen.
13 
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte zunächst auf Zahlung einer zusätzlichen EEG-Umlage i.H.v. 109.361,08 EUR in Anspruch genommen. Dieser Betrag beruht auf der im 2. WP-Testat übermittelten, weiteren Strommenge i.H.v. 2.072.410 kWh, bei der nach der Auffassung der Klägerin bei der gebotenen viertelstundenscharfen Betrachtung die Voraussetzungen für eine privilegierte Eigenversorgung nicht erfüllt seien mit der Folge, dass sie der EEG-Umlage unterfalle (2.072.410 kWh x 0,05277 EUR = 109.361,08 EUR).
II.
14 
Die Klägerin trägt vor, der im 1. WP-Testat enthaltene Hinweis des Wirtschaftsprüfers dokumentiere, dass die Strommenge, die von den Stadtwerken selbst erzeugt und selbst verbraucht und nicht als EEG-umlagepflichtige Letztverbrauchermenge ausgewiesen worden sei, nicht vollständig viertelstundenscharf habe ermittelt werden können. Daraus folge, dass im Rahmen der Ermittlung des Eigenverbrauchs nicht berücksichtigt worden sei, ob der von den Stadtwerken erzeugte Strom zeitgleich (d.h. bei einer Zuordnung in 15-Minuten-Intervallen) erzeugt und verbraucht worden sei. Es fehle somit die Gleichzeitigkeit der Erzeugung und des Verbrauchs von Strom im Rahmen der Ermittlung des Eigenverbrauchs der Stadtwerke.
15 
Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der EEG-Umlage für das Kalenderjahr 2013 i.H.v. 109.361,08 EUR ergebe sich aus § 37 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 EEG 2012. Denn bei den Stadtwerken handele es sich um einen Letztverbraucher, der im Kalenderjahr 2013 Strom verbraucht habe, der nicht von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen geliefert worden sei. Nach dem 2. WP-Testat hätten die Stadtwerke die Strommenge im Umfang von 2.072.410 kWh selbst erzeugt. Die Stadtwerke seien daher gegenüber der Klägerin unmittelbar zur Zahlung der EEG-Umlage verpflichtet.
16 
Eine Befreiung von der grundsätzlichen EEG-Umlagepflicht des vom Letztverbraucher selbst erzeugten Stroms komme nur in bestimmten Fallkonstellationen in Betracht. Betreibe der Letztverbraucher die Stromerzeugungsanlage als Eigenerzeuger und verbrauche den erzeugten Strom selbst, so entfalle ausnahmsweise gem. § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 für diesen Strom der Anspruch des Übertragungsnetzbetreibers auf Zahlung der EEG- Umlage, sofern der Strom (1.) nicht durch ein Netz durchgeleitet werde oder (2.) im räumlichen Zusammenhang zu der Stromerzeugungsanlage verbraucht werde. Vorliegend könne die Beklagte sich nicht auf das sog. Eigenstromprivileg nach § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 berufen, da die Voraussetzungen einer privilegierten Eigenversorgung nicht erfüllt seien. Für die Annahme einer privilegierten Eigenversorgung nach § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 sei insbesondere erforderlich, dass die Erzeugung und der Verbrauch des Stroms zeitlich zusammenfallen. Die Gleichzeitigkeit von Erzeugung von Verbrauch sei notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer privilegierten Eigenversorgung (vgl. dazu Klemm, REE 2013, 1, 10; Strauch/Wustlich, RdE 2012, 409, 415). Der Grundsatz der Gleichzeitigkeit sei inzwischen im Sinne einer Klarstellung ausdrücklich in § 61 Abs. 7 S. 1 EEG 2014 normiert worden. Denn er sei bereits unter der Geltung des EEG 2012 anerkannt und vom Gesetzgeber gewollt gewesen (vgl. BT-Drs. 18/1304, S. 156 zu § 58 Abs. 8 EEG 2014-Entwurf vgl. Anlage K 8). Dabei sei Gleichzeitigkeit nur gegeben, wenn der selbst erzeugte und verbrauchte Strom im 15-Minuten-Intervall ermittelt werde. Es finde keine reine Bilanzierung bzw. Saldierung von Mengen statt, sodass das bloße Einspeisen einer bestimmten Menge in ein Netz und die spätere Entnahme der gleichen Strommenge im selben Jahr nicht unter die privilegierte Eigenversorgung zu fassen seien.
17 
Bei der im 2. WP-Testat aufgeführten Strommenge in Höhe von 2.072.410 kWh sei überdies nicht nachvollziehbar, ob sie von den Stadtwerken selbst erzeugt worden sei. Auch deshalb unterliege sie nicht der privilegierten Eigenversorgung nach § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012.
18 
Mit Schriftsatz vom 16.07.2018 hat die Klägerin die Klage um 1.440,78 EUR erweitert. Aus der von der Beklagten im Prozess vorgelegten Berechnungsdatei (Anlage B 10) ergebe sich unter Beachtung des ¼-h-Intervalls, dass eine weitere Strommenge von 27.303 kWh fälschlicherweise dem privilegierten Eigenverbrauch zugeordnet worden sei. Daher habe das 2. WP-Testat einen zu hohen zeitgleichen Eigenverbrauch von 1.510.796 kWh ausgewiesen. Unter Beachtung des 15-Minuten-Intervalls habe die Beklagte im Jahr 2013 tatsächlich nur 1.483.483 kWh selbst erzeugt und verbraucht. Somit betrage die EEG-umlagepflichtige Strommenge insgesamt 2.099.713 kWh, von der jeweils die EEG-Umlage in Höhe von 0,05277 EUR zu entrichten sei.
19 
Die Klägerin beantragt zuletzt:
20 
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 110.361,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 109.361,08 EUR seit Rechtshängigkeit und aus 1.440,78 EUR seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
21 
Die Beklagte stellt den Antrag,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Sie trägt im Wesentlichen vor, der Anspruch auf Zahlung der EEG-Umlage für das Kalenderjahr 2013 sei durch Erfüllung bereits vollständig erloschen.
24 
Da sie, die Beklagte, nicht über genügend Stromerzeugungskapazitäten verfüge, um all ihre Kunden mit Strom zu beliefern, habe sie im streitgegenständlichen Zeitraum Strom von der Südwestdeutschen Stromhandels GmbH, der Streithelferin, zugekauft. Die für ihre acht Blockheizkraftwerke (BHKW) maßgeblichen technischen Daten sowie die einzelnen Inbetriebnahmezeitpunkte seien aus der Anlage B 1 ersichtlich. Der Strom, der in diesen BHKW von der Beklagten erzeugt werde, sei von den Beklagten unter Nutzung des örtlichen Stromnetzes in verschiedenen Einrichtungen im Gemeindegebiet selber verbraucht worden, wobei die Einspeisung der vorbenannten BHKW über verschiedene Einspeisezählpunkte erfasst worden sei (vgl. dazu die Anlage B 2). Die Entfernungen zwischen dem Ort der Stromerzeugung (Standorte der einzelnen BHKW) und den Orten des Stromverbrauchs durch die Beklagte in allen denkbaren Konstellationen betrage weniger als 4,5 Kilometer. Die in dem BHKW erzeugten und örtlich in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeisten Strommengen hätten eindeutig dem jeweiligen BHKW zugeordnet werden können. Die Stadtwerke hätten alle wirtschaftlichen Risiken m Zusammenhang mit dem Betrieb der BHKW zu tragen, sie könnten die Fahrweise der BHKW frei bestimmen und übten die unmittelbare Sachherrschaft über die BHKW aus.
25 
Streitig sei allein, ob ein Stromverbrauch der Beklagten in Höhe von 2.072.410 kWh den vorbezeichneten BHKW zugeordnet werden könne bei Anwendung des „1/4-h-Maßstabes" oder als „sonstiger Letztverbrauch" oder Stromlieferung eines Dritten an die Beklagte zu verstehen sei und insoweit der regulären EEG-Umlage unterliege.
26 
Die Aufnahme des von der Klägerin zitierten Hinweises im 1. WP-Testat beruhe auf einer Empfehlung des Institutes der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) nach der Veröffentlichung eines Kurzgutachtens einer Rechtsanwaltskanzlei mit dem Titel „Juristische Prüfung der Befreiung der Eigenerzeugung von der EEG-Umlage nach 37 Absatz und 3 EEG" im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, wonach die Stromabnahme im 15-Minuten-Intervall dem Anteil an der Erzeugungsanlage entsprechen müsse (vgl. dazu die Anlagen B 3 und B 4). Aus dem Hinweis lasse sich eine Verpflichtung zur Einhaltung des „1/4-h-Maßstabes" in Bezug auf die privilegierte Eigenversorgung vor dem 01.08.2014 jedoch nicht ableiten.
27 
Richtig sei, dass das 2. WP-Testat eine größere EEG-umlagepflichtige Liefermenge ausgewiesen habe im Umfang von 42.650.185 kWh. In finanzieller Hinsicht stelle die klageweise geltend gemachte Forderung die Differenz bei der EEG-Umlage zwischen den Inhalten des ersten und des zweiten Testates dar, wobei das zweite Testat den von der Klägerin geforderten „1/4-h-Maßstab" berücksichtigt habe.
28 
In Bezug auf die Ermittlung der privilegierten Eigenversorgung im Jahr 2013 komme es auf die Einhaltung eines ¼-h-Intervalls zwischen Erzeugung und Verbrauch aber nicht an. Weder aus dem Gesetz noch aus den einschlägigen Gesetzgebungsmaterialien könnten weitere Einschränkungen für die privilegierte Eigenversorgung entnommen werden, insbesondere nicht in Bezug auf eine Gleichzeitigkeit zwischen Erzeugung und Verbrauch. Unter diesen Umständen sei die von ihr, der Beklagten, angewendete „Jahressaldierung" zulässig gewesen.
29 
Die Anwendung des von der Klägerin benannten „1/4-h-Maßstabes" im Rahmen der privilegierten Eigenversorgung sei erstmals mit der EEG-Novelle zum 01.08.2014 und somit nach dem EEG 2012 eingeführt worden durch § 61 Abs. 7 EEG 2014. Damit habe der Gesetzgeber erstmalig zum Ausdruck gebracht, dass die Anwendung einer „Jahressaldierung" grundsätzlich unzulässig sei. Für das EEG 2012 sei in Kenntnis der Problematik um die Gleichzeitigkeit die privilegierte Eigenversorgung lediglich in räumlicher Hinsicht eingeschränkt worden. Für eine Zulässigkeit einer „Jahressaldierung“ von selbst erzeugtem und selbst verbrauchtem Strom unter der Geltung des EEG 2012 hätte sich die Literatur mehrfach ausgesprochen. Von einer Klarstellung durch den Gesetzgeber zum Erfordernis der Einhaltung eines ¼-h-Intervalls bei der privilegierten Eigenversorgung könne demnach keine Rede sein.
30 
Eine andere Betrachtung hätte eine echte Rückwirkung zur Folge, die mit dem deutschen Verfassungsrecht nicht in Einklang zu bringen sei. Denn die Anwendung eines ¼-h-Intervalls würde zu einem nachträglichen Eingriff in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt führen.
31 
Ferner seien Ansprüche der Klägerin verwirkt. Obgleich die Beklagte zur Erstellung des zweiten Testats aufgefordert worden sei, habe die Klägerin am 31.07.2014 dennoch auf Basis des ersten Testats abgerechnet (Anlage K 6). Der Rechnungsbetrag sei vollständig überwiesen worden. Da die Klägerin weder weitere Korrekturen gefordert noch eine geänderte Rechnung übersandt habe und keinerlei konkreten Vorbehalte mehr erklärt worden seien, habe sie, die Beklage, diese Rechnung der Klägerin nur als „Schlussrechnung" verstehen können, wonach die Klägerin von ihrer ursprünglichen Rechtsauffassung Abstand genommen habe. Dieses bei der Beklagten begründete Vertrauen in die Endgültigkeit der Jahresabrechnung für das Kalenderjahr 2013 sei zusätzlich dadurch bestärkt worden, dass es seit Rechnungstellung der Klägerin und vollständiger Zahlung der Beklagten bis Ende 2017 zu keiner weiteren Korrespondenz der Parteien in dieser konkreten Angelegenheit mehr gekommen sei. Erst Ende des Kalenderjahres 2017 habe sich die Klägerin betreffend das Kalenderjahr 2013 an die Beklagte gewandt und mit E-Mail vom 30.11.2017 (Anlage K 5) um die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Tagen gebeten, was abgelehnt worden sei. Das entsprechende Vertrauen der Beklagten, das es bei der Jahresabrechnung für das Kalenderjahr 2013 verbleibe, habe sich u.a. darin geäußert, dass die Beklagte eine zunächst gebildete Rückstellung aufgelöst habe. Im Zuge der Ablehnung des ersten Testates und der entsprechenden Korrespondenz mit der Klägerin sei zunächst in Anbetracht der unterschiedlichen Rechtsauffassungen und der Möglichkeit einer prozessualen Auseinandersetzung eine Rückstellung in Höhe von 110.000,00 EUR gebildet worden, die im Anschluss an die Rechnungstellung vom 31.07.2014 wieder aufgelöst worden sei. Die Klägerin habe demnach an dem „1/4-h-Maßstab" zur Ermittlung des privilegierten Eigenverbrauchs nicht mehr festhalten und dadurch eine unkommentierte „Kehrtwende" vorgenommen, die auf Seiten der Beklagten nicht anders als eine endgültige Aufgabe der ursprünglichen Rechtsauffassung habe interpretiert werden können.
32 
Hilfsweise wird von der Beklagten eine Schuldnerstellung für die geforderte EEG-Umlage in Abrede gestellt. § 37 Abs. 2 Satz 1 EEG 2012 normiere die Pflicht eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens, die EEG-Umlage für gelieferte Strommengen abzuführen. Unmittelbarer Adressat der Pflicht zur Abführung der EEG-Umlage seien Letztverbraucher grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz habe lediglich im Falle eines „sonstigen Letztverbrauchs“ bestanden. Ein solcher „sonstiger Letztverbrauch" durch die Beklagte im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 EEG 2012 liege hier aber nicht vor, was sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung zu § 37 Abs. 6 EEG 2009 ergebe, der § 37 Abs. 3 Satz 1 EEG 2012 entspreche (vgl. BT-Drs. 16/8148, S. 63). Demnach dienten die Vorgaben zum „sonstigen Letztverbrauch" einzig dazu, die Umgehung einer EEG-umlageauslösenden Stromlieferung zu vermeiden, z. B. bei Strombezug aus dem Ausland oder von der Strombörse. Bei der Belieferung durch ein inländisches Elektrizitätsversorgungsunternehmen könne ein entsprechender Umgehungsfall nicht vorliegen.
33 
Bei unterstellter Geltung des „1/4-h-Maßstabs" vor dem 01.08.2014 könnten vielmehr diejenigen Strommengen, die nicht nachweislich „viertelstundenscharf` ermittelt worden seien, nicht im Rahmen der Eigenversorgung berücksichtigt werden. Die durch die Beklagte selbst verbrauchten Strommengen könnten demnach nicht aus den BHKW der Beklagten stammen, vielmehr sei eine „Zeitgleichheit" zwischen Erzeugung und Verbrauch gerade nicht anzunehmen. Der erforderliche Strom müsse somit aus einer anderen Quelle stammen (vgl. dazu die Ausführungen der Bundesnetzagentur in ihrem „Leitfaden zur Eigenversorgung“, Stand: 11.07.2016, dort S. 37). Eine mangels Nachweises der viertelstündlichen Zeitgleichheit nicht privilegierte Eigenversorgung führe nicht dazu, dass der Letztverbraucher gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 EEG 2012 einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen gleichzustellen wäre.
34 
Die Streithelferin hat sich den Rechtsausführungen der Beklagten angeschlossen.
III.
35 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen verwiesen.
36 
Die Klägerin hat der [...] mit Schriftsatz vom 21.12.2017 den Streit verkündet, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist.
37 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2018 (Bl. 361/369 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
38 
Die zulässige Klage hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 EEG 2012 weitere 2.558,34 EUR nebst Zinsen, da unstreitig bei der Schlussrechnung vom 31.07.2014 (Anlage K 6) zusätzliche Strommengen im Umfang von 27.303 kWh und in Höhe von 21.178 kWh nicht berücksichtigt worden sind, die der EEG-Umlage unterfallen. Im Übrigen hat die Beklagte alle Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer EEG-Umlage für das Kalenderjahr 2013 bereits erfüllt (§ 362 BGB) mit der Folge, dass darüber hinaus gehende Forderungen der Klägerin nicht bestehen.
1.
39 
Wie im Prozess unstreitig geworden ist, unterliegen neben den 40.577.775 kWh, für die die Beklagte die EEG-Umlage bereits entrichtet hat, weitere 48.481 kWh der Umlagepflicht aus § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 für das Kalenderjahr 2013.
a)
40 
Im 1. WP-Testat vom 20.05.2014 (Anlage K 4) wurden von der Beklagten gem. § 49 EEG 2012 EEG-umlagepflichtige Strommengen an Letztverbraucher in der Regelzone der Klägerin im Umfang von 40.577.775 kWh mitgeteilt. Das 2. WP-Testat vom 27.06.2014 (Anlage K 7) weist - bei Heranziehung einer viertelstundengenauen Saldierung zwischen Erzeugung und Verbrauch - EEG-umlagepflichtige Stromlieferungen an Letztverbraucher in Höhe von 42.650.185 kWh aus.
41 
Diese Strommenge ist, wie eine Überprüfung durch die Beklagte im Prozess ergeben hat, nicht zutreffend. Auf die gerichtliche Aufforderung vom 30.05.2018 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.06.2018 vortragen lassen, dass die Gesamtstromerzeugung im Kalenderjahr 2013 4.258.251 kWh betragen habe (Anlage B 7). In diesem Jahr habe sie über verschiedene Entnahmestellen Strom in Höhe von insgesamt 3.583.196 kWh verbraucht (Anlage B 9), nämlich 1.556.741 kWh über eine registrierte Leistungsmessung (RLM) und weitere 2.026.455 kWh über Arbeitszähler. Dabei handele es sich um den Jahresgesamtstromverbrauch, der nicht viertelstundengenau in Bezug auf die Erzeugung ermittelt worden sei. Bei Anwendung der zulässigen Jahressaldierung habe der Jahresgesamtstromverbrauch vollständig durch die Jahresgesamtstromerzeugung aus den Blockheizkraftwerken gedeckt werden können. Im Übrigen sei der Überschussstrom in das vorgelagerte Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist worden mit der Folge, dass keine Letztverbraucher beliefert worden seien und eine EEG-Umlage daher insoweit entfalle. Ein Stromverbrauch in Höhe von 27.303 kWh sei jedoch fälschlicherweise dem privilegierten Stromverbrauch hinzuaddiert worden (vgl. auch S. 2 des Protokolls vom 25.07.2018). Diese Strommenge ist Gegenstand der Klageerweiterung.
b)
42 
Unabhängig davon hat die Zeugin H. erläutert, dass es sich bei allen Entnahmestellen, die in der Anlage B 9 rot unterlegt sind, nicht um Entnahmestellen der Beklagten handelt (S. 5 des Protokolls). Aus diesem Grund sind weitere 21.178 kWh nicht dem privilegierten Eigenverbrauch zuzurechnen. Diese Strommenge ist Gegenstand der Klage.
c)
43 
Daraus folgt, dass sich die EEG-umlagepflichtige Stromlieferung an Letztverbraucher für 2013 insgesamt auf 40.626.256 kWh beläuft (40.577,775 kWh zuzügl. 48.481 kWh). Da die Beklagte die Umlage auf 40.577.775 kWh (vgl. Rechnung vom 31.07.2014) über insgesamt 2.141.289,19 EUR unstreitig bereits an die Klägerin bezahlt hat, ist noch eine Umlage in Höhe von 2.558,34 EUR offen (48.481 EUR x 0,05277 EUR/kWh), die die Beklagte nachzuentrichten hat (§ 37 Abs. 2 S. 1 EEG 2012).
d)
44 
Nachdem die Klage am 30.12.2017 und die Klageerweiterung der Beklagten am 23.07.2018 zugestellt worden sind, schuldet diese Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe aus 1.117,56 EUR ab dem 31.12.2017 und aus 1.440,78 EUR ab dem 24.07.2018 (§§ 288 Abs. 1, 291 BGB).
2.
45 
Ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 37 Abs. 2 Satz 1 EEG 2012 für das Kalenderjahr 2013 besteht nicht. Vielmehr sind die Voraussetzungen der privilegierten Eigenversorgung auch in Bezug auf die gemäß Ziff. I.1. korrigierte Strommenge erfüllt, die noch streitgegenständlich ist (2.072.410 kWh abzügl. 21.178 kWh = 2.051.232 kWh). Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Ermittlung der privilegierten Eigenversorgung gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 insbesondere nicht auf eine Gleichzeitigkeit zwischen Erzeugung und Verbrauch i.S. eines ¼-h-Intervalles an.
a)
46 
Betreibt die Letztverbraucherin oder der Letztverbraucher die Stromerzeugungsanlage als Eigenerzeuger und verbraucht den erzeugten Strom selbst, so entfällt gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 für diesen Strom der Anspruch der Übertragungsnetzbetreiber auf Zahlung der EEG-Umlage nach Absatz 2 oder Satz 1, sofern der Strom
47 
1. nicht durch ein Netz durchgeleitet wird oder
2. im räumlichen Zusammenhang zu der Stromerzeugungsanlage verbraucht wird.
b)
48 
Gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 EEG 2012 sind die noch streitgegenständlichen 2.051.232 kWh von der EEG-Umlagepflicht befreit.
aa)
49 
Die Beklagte (bzw. deren Eigenbetrieb) haben die Stromerzeugungsanlagen (BHKW) im Jahr 2013 als Eigenerzeuger betrieben. Denn alle 8 BHKW stehen auf dem Grund und Boden der Beklagten, die Eigentümerin dieser Anlagen ist. Die Beklagte trägt das wirtschaftliche Risiko des Betriebs dieser Anlagen, außerdem übt sie die tatsächliche Sachherrschaft über die BHKW aus, wie der Leiter der Stadtwerke als Vertreter der Beklagten im Termin vom 25.07.2018 glaubhaft mitgeteilt hat. Darauf kommt es für die Frage der Eigenerzeugung maßgeblich an (so BGH, Urt. v. 13.02.2008 - VIII ZR 208/05 - RdE 2008, 368 zum Begriff des Anlagenbetreibers in § 3 KWKG 2002; Klemm, REE 2013, 1).
50 
Ferner besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der Jahresgesamtstrommenge, die 2013 durch die BHKW erzeugt worden ist, um selbst von der Beklagten erzeugten Strom gehandelt hat. Dies wurde von der Zeugin H. glaubhaft bestätigt (S. 4 des Protokolls).
bb)
51 
Vorliegend sind die Stadtwerke Letztverbraucher im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 1 EEG 2012 auch im Hinblick auf die im Kalenderjahr 2013 verbrauchte Strommenge i.H.v. 2.051.232 kWh. So geht es aus dem 2. WP-Testat hervor. Dazu war von der Zeugin H. zu erfahren, dass es sich bei der in der Anlage B 9 zusammengestellten Strommenge - mit Ausnahme der vorerwähnten Korrekturen - um den Eigenverbrauch der Beklagten handelt (S. 4 des Protokolls).
52 
Der Betreiber der Stromerzeugungsanlage und der Verbraucher der dort erzeugten Strommengen sind somit identisch.
cc)
53 
Die Beklagte hat ferner belegt, dass hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms im Umfang von 2.051.232 kWh keine Stromlieferung durch ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen erfolgt ist.
54 
Zum nicht von Elektrizitätsversorgungsunternehmen gelieferten Strom gehört insbesondere auch der vom Letztverbraucher selbst erzeugte Strom. Denn dieser selbst erzeugte Strom ist von niemandem geliefert worden (vgl. Schäfermeier in Reshöft/Schäfermeier, EEG, 4. Aufl. 2014, § 37 Rn. 30; Strauch/Wustlich, RdE 2012, 409, 413).
dd)
55 
Der Strom, der von den BHKW der Beklagten 2013 erzeugt worden ist, wurde 2013 im räumlichen Zusammenhang zu den Stromerzeugungsanlagen von der Beklagten selbst verbraucht.
56 
Die Beklagte hat unwidersprochen behauptet, die maximale Entfernung der Entnahmestellen zu den BHKW betrage nicht mehr als 4,5 km (vgl. Anlage B 13). Damit ist von einer ausreichenden Nähe zwischen den Erzeugungsanlagen und den Verbrauchsstellen auszugehen (vgl. BFH, Urt. v. 20.04.2004 - VII R 44/03 - RdE 2004, 263 zu § 9 Abs. 1 StromStG; Klemm, REE 2013, 1, 9). Die Klägerin hat einen solchen räumlichen Zusammenhang auch nicht in Abrede gestellt.
ee)
57 
Eine Jahressaldierung zwischen selbst erzeugtem und selbst verbrauchtem Strom ist zur Ermittlung der privilegierten Eigenversorgung nach § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 zulässig (LG Darmstadt, Urt. v. 09.02.2018 - 4 O 481/16, Anlage B 5; Salje, Kommentar zum EEG 2014, 7. Aufl. 2015, § 61 Rn. 78; Scholtka/Günther, ER-Sonderheft 1/2014, 9, 12). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dafür nicht notwendig, dass der erzeugte Strom gleichzeitig i.S. eines 15-Minuten-Intervalls verbraucht wird. Ein solches Erfordernis der Zeitgleichheit ist dieser Vorschrift schon nach dem Wortlaut nicht zu entnehmen, es lässt sich auch nicht aus ihrem Sinn und Zweck ableiten und auch nicht aus der Systematik des Gesetzes.
(1)
58 
§ 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 stellt, um von einer privilegierten Eigenversorgung ausgehen zu können, nach seinem Wortlaut in Bezug auf den Verbrauch nur das Erfordernis eines räumlichen Zusammenhangs zu der Stromerzeugungsanlage auf. Weitere Einschränkungen enthält die Bestimmung gerade nicht.
59 
Dadurch unterscheidet sich die Gesetzeslage nach dem EEG 2012 wesentlich von derjenigen nach dem EEG 2014. Denn gemäß § 61 Abs. 7 EEG 2014 darf bei der Berechnung der selbst erzeugten und verbrauchten Strommengen nach den Absätzen 1 bis 6 Strom nur bis zu der Höhe des aggregierten Eigenverbrauchs, bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall (Zeitgleichheit), berücksichtigt werden. Eine Messung der Ist-Einspeisung ist nur erforderlich, wenn nicht schon technisch sichergestellt ist, dass Erzeugung und Verbrauch des Stroms zeitgleich erfolgen. Andere Bestimmungen, die eine Messung der Ist-Einspeisung verlangen, bleiben unberührt. Die neue Einführung des Prinzips der Zeitgleichheit durch das EEG 2014 belegt zusätzlich, dass dieses Prinzip nach der alten Rechtslage ohne jegliche Bedeutung gewesen ist.
(2)
60 
Die Einführung des Grundsatzes der Gleichzeitigkeit bei der privilegierten Eigenversorgung war durch das EEG 2012 auch nicht bezweckt worden. Keine einzige derjenigen Vorschriften des EEG 2012, die im Zusammenhang mit einer Eigenversorgung stehen, enthält einen Hinweis auf die Pflicht zur Einhaltung eines ¼-h-Intervalls. Vielmehr ist aus anderen Regelungen des EEG 2012 abzuleiten, dass dem Grunde nach von einer jährlichen Abrechnungsweise auszugehen ist (vgl. etwa §§ 20 Abs. 2 und Abs. 3, 27 Abs. 4 und Abs. 6, 33 Abs. 5, 33i Abs. 2, 36 Abs. 2 und Abs. 3, 39 Abs. 1 EEG 2012). Die im EEG 2012 grundsätzlich angelegte und vielfach normierte Jahresabrechnung kann daher in Form einer „Jahressaldierung" ohne weiteres auf die Eigenversorgung übertragen werden.
61 
Ein anderer Sinn und Zweck lässt sich aus der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (BT-Drs. 17/6071 vom 06.06.2011) in Bezug auf die privilegierte Eigenversorgung nicht ableiten. Ein Hinweis, dass vom Gesetzgeber insoweit die Anwendung eines ¼-h-Intervalls beabsichtigt war, ist in der Begründung nicht zu finden. Vielmehr wird aus der Gesetzesbegründung deutlich, dass der Gesetzgeber die Eigenversorgung nur in räumlicher Hinsicht einschränken wollte (Sinning/Ringwald, IR 2014, 50).
(3)
62 
Darüber hinaus spricht die systematische Auslegung eindeutig gegen die Geltung des Gleichzeitigkeitsprinzips bei der privilegierten Eigenversorgung nach dem EEG 2012. Denn der Gesetzgeber hat an anderer Stelle im EEG 2012 die Anwendung eines ¼-h-Maßstabes ausdrücklich vorgeschrieben: So enthalten § 33c Abs. 2 Nr. 3 EEG 2012 (Direktvermarktung) sowie § 39 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 EEG 2012 (Grünstromprivileg) Sonderregelungen, die von einer „viertelstündlichen Auflösung“ bzw. von einem „15-Minuten-Interevall“ sprechen und die den Umkehrschluss nahelegen, dass eine ¼-h-Bilanzierung ansonsten gerade nicht verpflichtend war (so zutreffend Böhme in Greb/Boewe, Kommentar zum EEG 2017, § 61h Rn. 7).
(4)
63 
Eine praktische Überlegung belegt zusätzlich, dass es auf die Einhaltung einer viertelstundengenauen Abrechnung von selbst erzeugtem und selbst verbrauchtem Strom unter der Geltung des EEG 2012 bei der privilegierten Eigenversorgung nicht ankommen kann: Eine solche Art der Ermittlung erfordert eine registrierende Leistungsmessung (RLM; vgl. Scholtka/Günther, ER-Sonderheft 1/2014, S. 9, 12), die im Jahr 2013, was den Verbrauch anlangt, in der Praxis vielfach nicht möglich war, weil es zu weiten Teilen lediglich Arbeitsplatzzähler gab, die einer jährlichen Ablesung unterliegen. Dies gilt auch für die Beklagte, wie die Zeugin H. weiter mitgeteilt hat (S. 5 des Protokolls).
(5)
64 
Eine andere Betrachtung ist nicht durch den Inhalt der BT-Drs. 18/1304, S. 156 zum Entwurf von § 58 Abs. 8 EEG 2014 gerechtfertigt.
65 
Darin heißt es zwar zur Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts der Bundesregierung u.a. (vgl. Anlage K 8):
66 
„Absatz 8 wird neu in das EEG 2014 aufgenommen, um das bereits unter der geltenden Rechtslage anerkannte und von dem Gesetzgeber gewollte Gleichzeitigkeitsprinzip besser zum Ausdruck zu bringen. Diese Klarstellung ist erforderlich, weil einzelne Eigenversorger in der Vergangenheit nicht nachgewiesen haben, dass Erzeugung und Verbrauch tatsächlich zeitgleich erfolgen.“
67 
Jedoch kann im vorliegenden Fall von einer bloßen Klarstellung keine Rede sein. In Anbetracht der gewonnenen semantischen, teleologischen und systematischen Interpretation von § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 handelt es sich bei dem durch das EEG 2014 eingeführten Gleichzeitigkeitsprinzip bei der privilegierten Eigenversorgung vielmehr um die Schaffung einer neuen, zusätzlichen Voraussetzung (so im Ergebnis auch Weiss/Schweizer, EnWZ 2018, S. 19 Sinning/Ringwald, IR 2014, 50; Böhme/Schreiner, Beck-OK EEG, 6. Aufl. Stand 01.04.2016, § 61 Rn. 43; Cosack in: Frenz/Müggenborg/Cosack/Schomerus, Erneuerbare-Energien-Gesetz, 5. Aufl. 2018, § 61h Rn. 9; Ruttloff, NVwZ 2014, S. 1128).
(6)
68 
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann auch die Auffassung von Klemm (REE 2013, S. 10) nicht überzeugen, die Gleichzeitigkeit sei der Eigenerzeugung immanent. Es mag sein, dass der im Dezember selbst verbrauchte Strom (in Ermangelung einer Speichermöglichkeit) nicht derjenige sein kann, der im Januar selbst erzeugt worden ist. Doch auch dieser Gesichtspunkt gebietet eine einschränkende Auslegung der maßgeblichen Vorschrift zur privilegierten Eigenversorgung nach dem EEG 2012 nicht, weil ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Zeitgleichheit - wie bereits näher dargelegt worden ist - nach keiner Interpretationsmethode begründbar ist.
(7)
69 
Somit kann offenbleiben, ob die Ansicht der Klägerin, die privilegierte Eigenerzeugung erfordere eine Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch (Zuordnung in 15-Minuten-Intervallen), dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot widerspricht (vgl. dazu Weiss/Schweizer, EnWZ 2018, 19 ff., sowie Ruttloff, NvWZ 2014, S. 1128 ff. (1132)).
3.
70 
Unter diesen Umständen kann ferner dahinstehen, ob Ansprüche der Klägerin nach § 242 BGB verwirkt sind oder ob der Einwand berechtigt ist, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert.
II.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Gründe

 
I.
38 
Die zulässige Klage hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Beklagte schuldet der Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 EEG 2012 weitere 2.558,34 EUR nebst Zinsen, da unstreitig bei der Schlussrechnung vom 31.07.2014 (Anlage K 6) zusätzliche Strommengen im Umfang von 27.303 kWh und in Höhe von 21.178 kWh nicht berücksichtigt worden sind, die der EEG-Umlage unterfallen. Im Übrigen hat die Beklagte alle Ansprüche der Klägerin auf Zahlung einer EEG-Umlage für das Kalenderjahr 2013 bereits erfüllt (§ 362 BGB) mit der Folge, dass darüber hinaus gehende Forderungen der Klägerin nicht bestehen.
1.
39 
Wie im Prozess unstreitig geworden ist, unterliegen neben den 40.577.775 kWh, für die die Beklagte die EEG-Umlage bereits entrichtet hat, weitere 48.481 kWh der Umlagepflicht aus § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 für das Kalenderjahr 2013.
a)
40 
Im 1. WP-Testat vom 20.05.2014 (Anlage K 4) wurden von der Beklagten gem. § 49 EEG 2012 EEG-umlagepflichtige Strommengen an Letztverbraucher in der Regelzone der Klägerin im Umfang von 40.577.775 kWh mitgeteilt. Das 2. WP-Testat vom 27.06.2014 (Anlage K 7) weist - bei Heranziehung einer viertelstundengenauen Saldierung zwischen Erzeugung und Verbrauch - EEG-umlagepflichtige Stromlieferungen an Letztverbraucher in Höhe von 42.650.185 kWh aus.
41 
Diese Strommenge ist, wie eine Überprüfung durch die Beklagte im Prozess ergeben hat, nicht zutreffend. Auf die gerichtliche Aufforderung vom 30.05.2018 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.06.2018 vortragen lassen, dass die Gesamtstromerzeugung im Kalenderjahr 2013 4.258.251 kWh betragen habe (Anlage B 7). In diesem Jahr habe sie über verschiedene Entnahmestellen Strom in Höhe von insgesamt 3.583.196 kWh verbraucht (Anlage B 9), nämlich 1.556.741 kWh über eine registrierte Leistungsmessung (RLM) und weitere 2.026.455 kWh über Arbeitszähler. Dabei handele es sich um den Jahresgesamtstromverbrauch, der nicht viertelstundengenau in Bezug auf die Erzeugung ermittelt worden sei. Bei Anwendung der zulässigen Jahressaldierung habe der Jahresgesamtstromverbrauch vollständig durch die Jahresgesamtstromerzeugung aus den Blockheizkraftwerken gedeckt werden können. Im Übrigen sei der Überschussstrom in das vorgelagerte Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist worden mit der Folge, dass keine Letztverbraucher beliefert worden seien und eine EEG-Umlage daher insoweit entfalle. Ein Stromverbrauch in Höhe von 27.303 kWh sei jedoch fälschlicherweise dem privilegierten Stromverbrauch hinzuaddiert worden (vgl. auch S. 2 des Protokolls vom 25.07.2018). Diese Strommenge ist Gegenstand der Klageerweiterung.
b)
42 
Unabhängig davon hat die Zeugin H. erläutert, dass es sich bei allen Entnahmestellen, die in der Anlage B 9 rot unterlegt sind, nicht um Entnahmestellen der Beklagten handelt (S. 5 des Protokolls). Aus diesem Grund sind weitere 21.178 kWh nicht dem privilegierten Eigenverbrauch zuzurechnen. Diese Strommenge ist Gegenstand der Klage.
c)
43 
Daraus folgt, dass sich die EEG-umlagepflichtige Stromlieferung an Letztverbraucher für 2013 insgesamt auf 40.626.256 kWh beläuft (40.577,775 kWh zuzügl. 48.481 kWh). Da die Beklagte die Umlage auf 40.577.775 kWh (vgl. Rechnung vom 31.07.2014) über insgesamt 2.141.289,19 EUR unstreitig bereits an die Klägerin bezahlt hat, ist noch eine Umlage in Höhe von 2.558,34 EUR offen (48.481 EUR x 0,05277 EUR/kWh), die die Beklagte nachzuentrichten hat (§ 37 Abs. 2 S. 1 EEG 2012).
d)
44 
Nachdem die Klage am 30.12.2017 und die Klageerweiterung der Beklagten am 23.07.2018 zugestellt worden sind, schuldet diese Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe aus 1.117,56 EUR ab dem 31.12.2017 und aus 1.440,78 EUR ab dem 24.07.2018 (§§ 288 Abs. 1, 291 BGB).
2.
45 
Ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 37 Abs. 2 Satz 1 EEG 2012 für das Kalenderjahr 2013 besteht nicht. Vielmehr sind die Voraussetzungen der privilegierten Eigenversorgung auch in Bezug auf die gemäß Ziff. I.1. korrigierte Strommenge erfüllt, die noch streitgegenständlich ist (2.072.410 kWh abzügl. 21.178 kWh = 2.051.232 kWh). Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Ermittlung der privilegierten Eigenversorgung gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 insbesondere nicht auf eine Gleichzeitigkeit zwischen Erzeugung und Verbrauch i.S. eines ¼-h-Intervalles an.
a)
46 
Betreibt die Letztverbraucherin oder der Letztverbraucher die Stromerzeugungsanlage als Eigenerzeuger und verbraucht den erzeugten Strom selbst, so entfällt gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 für diesen Strom der Anspruch der Übertragungsnetzbetreiber auf Zahlung der EEG-Umlage nach Absatz 2 oder Satz 1, sofern der Strom
47 
1. nicht durch ein Netz durchgeleitet wird oder
2. im räumlichen Zusammenhang zu der Stromerzeugungsanlage verbraucht wird.
b)
48 
Gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 EEG 2012 sind die noch streitgegenständlichen 2.051.232 kWh von der EEG-Umlagepflicht befreit.
aa)
49 
Die Beklagte (bzw. deren Eigenbetrieb) haben die Stromerzeugungsanlagen (BHKW) im Jahr 2013 als Eigenerzeuger betrieben. Denn alle 8 BHKW stehen auf dem Grund und Boden der Beklagten, die Eigentümerin dieser Anlagen ist. Die Beklagte trägt das wirtschaftliche Risiko des Betriebs dieser Anlagen, außerdem übt sie die tatsächliche Sachherrschaft über die BHKW aus, wie der Leiter der Stadtwerke als Vertreter der Beklagten im Termin vom 25.07.2018 glaubhaft mitgeteilt hat. Darauf kommt es für die Frage der Eigenerzeugung maßgeblich an (so BGH, Urt. v. 13.02.2008 - VIII ZR 208/05 - RdE 2008, 368 zum Begriff des Anlagenbetreibers in § 3 KWKG 2002; Klemm, REE 2013, 1).
50 
Ferner besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei der Jahresgesamtstrommenge, die 2013 durch die BHKW erzeugt worden ist, um selbst von der Beklagten erzeugten Strom gehandelt hat. Dies wurde von der Zeugin H. glaubhaft bestätigt (S. 4 des Protokolls).
bb)
51 
Vorliegend sind die Stadtwerke Letztverbraucher im Sinne des § 37 Abs. 3 S. 1 EEG 2012 auch im Hinblick auf die im Kalenderjahr 2013 verbrauchte Strommenge i.H.v. 2.051.232 kWh. So geht es aus dem 2. WP-Testat hervor. Dazu war von der Zeugin H. zu erfahren, dass es sich bei der in der Anlage B 9 zusammengestellten Strommenge - mit Ausnahme der vorerwähnten Korrekturen - um den Eigenverbrauch der Beklagten handelt (S. 4 des Protokolls).
52 
Der Betreiber der Stromerzeugungsanlage und der Verbraucher der dort erzeugten Strommengen sind somit identisch.
cc)
53 
Die Beklagte hat ferner belegt, dass hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms im Umfang von 2.051.232 kWh keine Stromlieferung durch ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen erfolgt ist.
54 
Zum nicht von Elektrizitätsversorgungsunternehmen gelieferten Strom gehört insbesondere auch der vom Letztverbraucher selbst erzeugte Strom. Denn dieser selbst erzeugte Strom ist von niemandem geliefert worden (vgl. Schäfermeier in Reshöft/Schäfermeier, EEG, 4. Aufl. 2014, § 37 Rn. 30; Strauch/Wustlich, RdE 2012, 409, 413).
dd)
55 
Der Strom, der von den BHKW der Beklagten 2013 erzeugt worden ist, wurde 2013 im räumlichen Zusammenhang zu den Stromerzeugungsanlagen von der Beklagten selbst verbraucht.
56 
Die Beklagte hat unwidersprochen behauptet, die maximale Entfernung der Entnahmestellen zu den BHKW betrage nicht mehr als 4,5 km (vgl. Anlage B 13). Damit ist von einer ausreichenden Nähe zwischen den Erzeugungsanlagen und den Verbrauchsstellen auszugehen (vgl. BFH, Urt. v. 20.04.2004 - VII R 44/03 - RdE 2004, 263 zu § 9 Abs. 1 StromStG; Klemm, REE 2013, 1, 9). Die Klägerin hat einen solchen räumlichen Zusammenhang auch nicht in Abrede gestellt.
ee)
57 
Eine Jahressaldierung zwischen selbst erzeugtem und selbst verbrauchtem Strom ist zur Ermittlung der privilegierten Eigenversorgung nach § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 zulässig (LG Darmstadt, Urt. v. 09.02.2018 - 4 O 481/16, Anlage B 5; Salje, Kommentar zum EEG 2014, 7. Aufl. 2015, § 61 Rn. 78; Scholtka/Günther, ER-Sonderheft 1/2014, 9, 12). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dafür nicht notwendig, dass der erzeugte Strom gleichzeitig i.S. eines 15-Minuten-Intervalls verbraucht wird. Ein solches Erfordernis der Zeitgleichheit ist dieser Vorschrift schon nach dem Wortlaut nicht zu entnehmen, es lässt sich auch nicht aus ihrem Sinn und Zweck ableiten und auch nicht aus der Systematik des Gesetzes.
(1)
58 
§ 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 stellt, um von einer privilegierten Eigenversorgung ausgehen zu können, nach seinem Wortlaut in Bezug auf den Verbrauch nur das Erfordernis eines räumlichen Zusammenhangs zu der Stromerzeugungsanlage auf. Weitere Einschränkungen enthält die Bestimmung gerade nicht.
59 
Dadurch unterscheidet sich die Gesetzeslage nach dem EEG 2012 wesentlich von derjenigen nach dem EEG 2014. Denn gemäß § 61 Abs. 7 EEG 2014 darf bei der Berechnung der selbst erzeugten und verbrauchten Strommengen nach den Absätzen 1 bis 6 Strom nur bis zu der Höhe des aggregierten Eigenverbrauchs, bezogen auf jedes 15-Minuten-Intervall (Zeitgleichheit), berücksichtigt werden. Eine Messung der Ist-Einspeisung ist nur erforderlich, wenn nicht schon technisch sichergestellt ist, dass Erzeugung und Verbrauch des Stroms zeitgleich erfolgen. Andere Bestimmungen, die eine Messung der Ist-Einspeisung verlangen, bleiben unberührt. Die neue Einführung des Prinzips der Zeitgleichheit durch das EEG 2014 belegt zusätzlich, dass dieses Prinzip nach der alten Rechtslage ohne jegliche Bedeutung gewesen ist.
(2)
60 
Die Einführung des Grundsatzes der Gleichzeitigkeit bei der privilegierten Eigenversorgung war durch das EEG 2012 auch nicht bezweckt worden. Keine einzige derjenigen Vorschriften des EEG 2012, die im Zusammenhang mit einer Eigenversorgung stehen, enthält einen Hinweis auf die Pflicht zur Einhaltung eines ¼-h-Intervalls. Vielmehr ist aus anderen Regelungen des EEG 2012 abzuleiten, dass dem Grunde nach von einer jährlichen Abrechnungsweise auszugehen ist (vgl. etwa §§ 20 Abs. 2 und Abs. 3, 27 Abs. 4 und Abs. 6, 33 Abs. 5, 33i Abs. 2, 36 Abs. 2 und Abs. 3, 39 Abs. 1 EEG 2012). Die im EEG 2012 grundsätzlich angelegte und vielfach normierte Jahresabrechnung kann daher in Form einer „Jahressaldierung" ohne weiteres auf die Eigenversorgung übertragen werden.
61 
Ein anderer Sinn und Zweck lässt sich aus der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (BT-Drs. 17/6071 vom 06.06.2011) in Bezug auf die privilegierte Eigenversorgung nicht ableiten. Ein Hinweis, dass vom Gesetzgeber insoweit die Anwendung eines ¼-h-Intervalls beabsichtigt war, ist in der Begründung nicht zu finden. Vielmehr wird aus der Gesetzesbegründung deutlich, dass der Gesetzgeber die Eigenversorgung nur in räumlicher Hinsicht einschränken wollte (Sinning/Ringwald, IR 2014, 50).
(3)
62 
Darüber hinaus spricht die systematische Auslegung eindeutig gegen die Geltung des Gleichzeitigkeitsprinzips bei der privilegierten Eigenversorgung nach dem EEG 2012. Denn der Gesetzgeber hat an anderer Stelle im EEG 2012 die Anwendung eines ¼-h-Maßstabes ausdrücklich vorgeschrieben: So enthalten § 33c Abs. 2 Nr. 3 EEG 2012 (Direktvermarktung) sowie § 39 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 EEG 2012 (Grünstromprivileg) Sonderregelungen, die von einer „viertelstündlichen Auflösung“ bzw. von einem „15-Minuten-Interevall“ sprechen und die den Umkehrschluss nahelegen, dass eine ¼-h-Bilanzierung ansonsten gerade nicht verpflichtend war (so zutreffend Böhme in Greb/Boewe, Kommentar zum EEG 2017, § 61h Rn. 7).
(4)
63 
Eine praktische Überlegung belegt zusätzlich, dass es auf die Einhaltung einer viertelstundengenauen Abrechnung von selbst erzeugtem und selbst verbrauchtem Strom unter der Geltung des EEG 2012 bei der privilegierten Eigenversorgung nicht ankommen kann: Eine solche Art der Ermittlung erfordert eine registrierende Leistungsmessung (RLM; vgl. Scholtka/Günther, ER-Sonderheft 1/2014, S. 9, 12), die im Jahr 2013, was den Verbrauch anlangt, in der Praxis vielfach nicht möglich war, weil es zu weiten Teilen lediglich Arbeitsplatzzähler gab, die einer jährlichen Ablesung unterliegen. Dies gilt auch für die Beklagte, wie die Zeugin H. weiter mitgeteilt hat (S. 5 des Protokolls).
(5)
64 
Eine andere Betrachtung ist nicht durch den Inhalt der BT-Drs. 18/1304, S. 156 zum Entwurf von § 58 Abs. 8 EEG 2014 gerechtfertigt.
65 
Darin heißt es zwar zur Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts der Bundesregierung u.a. (vgl. Anlage K 8):
66 
„Absatz 8 wird neu in das EEG 2014 aufgenommen, um das bereits unter der geltenden Rechtslage anerkannte und von dem Gesetzgeber gewollte Gleichzeitigkeitsprinzip besser zum Ausdruck zu bringen. Diese Klarstellung ist erforderlich, weil einzelne Eigenversorger in der Vergangenheit nicht nachgewiesen haben, dass Erzeugung und Verbrauch tatsächlich zeitgleich erfolgen.“
67 
Jedoch kann im vorliegenden Fall von einer bloßen Klarstellung keine Rede sein. In Anbetracht der gewonnenen semantischen, teleologischen und systematischen Interpretation von § 37 Abs. 3 S. 2 EEG 2012 handelt es sich bei dem durch das EEG 2014 eingeführten Gleichzeitigkeitsprinzip bei der privilegierten Eigenversorgung vielmehr um die Schaffung einer neuen, zusätzlichen Voraussetzung (so im Ergebnis auch Weiss/Schweizer, EnWZ 2018, S. 19 Sinning/Ringwald, IR 2014, 50; Böhme/Schreiner, Beck-OK EEG, 6. Aufl. Stand 01.04.2016, § 61 Rn. 43; Cosack in: Frenz/Müggenborg/Cosack/Schomerus, Erneuerbare-Energien-Gesetz, 5. Aufl. 2018, § 61h Rn. 9; Ruttloff, NVwZ 2014, S. 1128).
(6)
68 
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann auch die Auffassung von Klemm (REE 2013, S. 10) nicht überzeugen, die Gleichzeitigkeit sei der Eigenerzeugung immanent. Es mag sein, dass der im Dezember selbst verbrauchte Strom (in Ermangelung einer Speichermöglichkeit) nicht derjenige sein kann, der im Januar selbst erzeugt worden ist. Doch auch dieser Gesichtspunkt gebietet eine einschränkende Auslegung der maßgeblichen Vorschrift zur privilegierten Eigenversorgung nach dem EEG 2012 nicht, weil ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Zeitgleichheit - wie bereits näher dargelegt worden ist - nach keiner Interpretationsmethode begründbar ist.
(7)
69 
Somit kann offenbleiben, ob die Ansicht der Klägerin, die privilegierte Eigenerzeugung erfordere eine Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch (Zuordnung in 15-Minuten-Intervallen), dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot widerspricht (vgl. dazu Weiss/Schweizer, EnWZ 2018, 19 ff., sowie Ruttloff, NvWZ 2014, S. 1128 ff. (1132)).
3.
70 
Unter diesen Umständen kann ferner dahinstehen, ob Ansprüche der Klägerin nach § 242 BGB verwirkt sind oder ob der Einwand berechtigt ist, die Beklagte sei nicht passivlegitimiert.
II.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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