Urteil vom Landgericht Wuppertal - 19 O 405/05
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Zeitarbeit. Unternehmensgegenstand ist die gewerbliche Überlassung von Arbeitnehmern und die Arbeitsvermittlung. Die X-Unternehmensgruppe, zu der auch die Klägerin gehört, ist bundesweit an 84 Standorten tätig. Die Klägerin selbst hat ihren Sitz in T2 sowie weitere sieben Niederlassungen an verschiedenen Orten in Deutschland.
3Seit dem 1.4.1998 war der Beklagte bei der Niederlassung der Klägerin in X als Personaldisponent angestellt. Am 1.10.1999 wurde das Arbeitsverhältnis beendet und der Beklagte mit Vertrag vom 1.11.1999 rückwirkend zum 1.10.1999 zum 2. Geschäftsführer der Klägerin ernannt und als solcher in das Handelsregister eingetragen. Laut Vertrag hatte er im Innenverhältnis zu allen Rechtsgeschäften die vorherige Zustimmung des 1. Geschäftsführers, Herr Q, einzuholen. Darüber hinaus hatte er bei folgenden Geschäften die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen: Erwerb, Belastung und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie allen in diesem Zusammenhang stehenden Vorbereitungsgeschäfte; Erwerb und Beteiligung an anderen Unternehmen sowie die Errichtung von Zweigniederlassungen; Abschluss und Beendigung von Mietverträgen über Geschäftsräume; Eingehung von Bürgschaftsverpflichtungen; Aufnahme oder Erhöhung von Bank- oder sonstigen Krediten sowie Wechselbegebungen; Aufnahme von Aktivprozessen mit einem Streitwert über 5.000 DM einschließlich Vorverfahren in der Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit; Feststellung und Genehmigung von Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltung, Prüfungen der Berufsgenossenschaft und der Sozialversicherungsträger und andere Prüfungen; Rechtsgeschäfte mit sich selbst, Verwandten oder Angehörigen eines Gesellschafters oder Geschäftsführers im Sinne der StPO; alle übrigen Maßnahmen und/oder Rechtsgeschäfte, durch die die Gesellschaft mit einem Betrag von mehr als 5.000 DM verpflichtet wird; Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern im Stammpersonalbereich.
4Am 25.7.2002 schlossen die Parteien einen neuen Geschäftsführeranstellungsvertrag, beginnend am 1.8.2002. Danach führte der Beklagte die Geschäfte der Gesellschaft gemäß den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags und vertrat das Unternehmen im Außenverhältnis zusammen mit einem anderen Geschäftsführer. Abgesehen von gesondert zu vereinbarenden Tantiemen verdiente der Beklagte dafür ein Jahresbruttogehalt von 27.600 €. Der Beklagte erhielt einen Firmenwagen. Wegen des Zeitpunkts seines Urlaubs hatte er auf die Geschäftslage Rücksicht zu nehmen.
5In § 7 des Vertrags findet sich folgendes strafbewehrtes Wettbewerbsverbot:
6"2. Der Geschäftsführer verpflichtet sich weiter, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages innerhalb eines Gebietes mit einem Radius von 50 km um die Geschäftsstelle der GmbH in
7####1 X, N-Straße
8herum in keiner Weise für ein eigenes oder fremdes Unternehmen tätig zu werden, das auf dem Arbeitsgebiet der Gesellschaft tätig ist. Er verpflichtet sich weiter, sich an solchen Unternehmen weder mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen. (...)
94. Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der in dieser Bestimmung getroffenen Regelung eine Vertragsstrafe in Höhe von 20.000,00 € zu zahlen. Besteht der Wettbewerbsverstoß in einer fortgesetzten Tätigkeit (Dauertätigkeit) so gilt jeweils ein Zeitraum von vier Monaten als ein neuer Fall einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot. Die Gesellschaft kann darüber hinaus weitere Schadensersatzansprüche geltend machen."
10Mit Schreiben vom 24.4.2005 kündigte der Beklagte das Anstellungsverhältnis fristgerecht zum 30.6.2005.
11Inzwischen ist der Beklagte bei der Firma Y GmbH in deren von dem Beklagten gegründeten Geschäftsstelle in X angestellt.
12Daraufhin forderte die Klägerin den Beklagten auf, sein vertragswidriges Verhalten zu unterlassen. Der Beklagte unterzeichnete die von ihm abgeforderte Unterlassungserklärung nicht.
13Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe Kunden der Klägerin, wie die H GmbH & Co. KG in X, N GmbH & Co. KG, X, DIY W, Sortiment und Service, X, G GmbH, W, H & G2 GmbH & Co. KG, W, T AG, W, angesprochen, um dort Leiharbeitnehmer der Firma Y GmbH zu platzieren. Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagte durch seine neue Arbeitsstelle und das Abwerben von Kunden der Klägerin gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen und damit die Vertragsstrafe verwirkt habe.
14Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte seit dem 1.10.1999 Geschäftsführer und nicht mehr nur Angestellter gewesen sei. Dabei komme es allein auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien an, weil die Klägerin in Abgrenzung zu den anderen Gesellschaften der X-Unternehmensgruppe ein eigenständiges Unternehmen sei. Insgesamt habe es zur Zeit der Tätigkeit des Beklagten nur 5 Geschäftsführer bei der Klägerin gegeben, während 50 Stammmitarbeiter über ca. 700 Leiharbeitnehmer disponiert hätten. Seit dem 25.7.2002 sei der Beklagte auch nicht mehr nur 2. Geschäftsführer, sondern als Geschäftsführer für die W Niederlassung eigenverantwortlich tätig gewesen. Zwar habe der Beklagte die Klägerin im Außenverhältnis nur mit einem weiteren Geschäftsführer vertreten dürfen, jedoch habe er im Innenverhältnis uneingeschränkte Weisungsbefugnisse besessen und sei für das wirtschaftliche Ergebnis und das Kassenbuch der Niederlassung in X verantwortlich gewesen. Die Personaldisposition über die Facharbeiter habe nur einen kleinen Teil seiner Arbeit ausgemacht. Im Übrigen habe er die Stammmitarbeiter der Niederlassung in X geleitet und sei in besonderer Weise für die Kundenbetreuung und –werbung und die Kontaktpflege mit den Kammern zuständig gewesen. Der Beklagte habe die wesentlichen Entscheidungen in Bezug auf die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern in der W Niederlassung getroffen. Die Lieferung von Material und Werbegeschenken sowie Dienstwagen, die allein Geschäftsführern zur Verfügung gestellt worden seien, sei ebenso wie die EDV nur aus Kostengründen im Wesentlichen zentralisiert worden. Der Beklagte sei für die Urlaubsplanung der Stammmitarbeiter zuständig gewesen, während Herr Q nur die niederlassungsübergreifende Planung abgestimmt habe. Die Mietverwaltung habe die X Verwaltungsgesellschaft in I ausgeführt, während der Beklagte für die Regelung von Problemen im tatsächlichen Ablauf verantwortlich gewesen sei. Der Beklagte habe in Kündigungsschutzklagen die Güteverhandlungen eigenständig führen dürfen, und nur aus Gründen einer einheitlichen Strategie Vergleiche vorab oder im Nachhinein unter den Geschäftsführern abstimmen müssen.
15Das Wettbewerbsverbot sei wirksam und habe den Beklagten, der zuvor in anderen Bereichen tätig gewesen sei, insbesondere nicht unangemessen in seinen Kündigungsmöglichkeiten eingeschränkt. Im Laufe seiner Tätigkeit bei der Klägerin sei der Beklagte in deren Geschäftsstrategien eingeweiht worden, die er nun nicht nutzen dürfe, um gegen die Klägerin Wettbewerb zu machen. Die Voraussetzungen, welche die Rechtsprechung in zeitlicher, räumlicher und sachlicher Hinsicht an ein wirksames Wettbewerbsverbot stellt, seien eingehalten worden. Auch sei die Formulierung des Wettbewerbsverbots bestimmt genug, zumal sich das Arbeitsgebiet der Klägerin eindeutig aus der dem Beklagten bekannten Satzung der Klägerin ergebe. Einer Öffnungsklausel bedürfe es nicht, weil es sich um eine Vertragsstrafe und keine Schadensersatzpauschale handele. Auch sei die Höhe der Vertragsstrafe angemessen, weil nur so eine Präventionswirkung gegeben sei.
16Die Klägerin beantragt,
17den Beklagten zu verurteilen, an sie 20.000,00 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab 30.12.2005 zu zahlen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Der Beklagte behauptet, sich niemals an Kunden der Klägerin gewandt zu haben mit dem Ziel, dort Leiharbeitnehmer der Y GmbH zu platzieren. Durch sein Verhalten sei der Klägerin kein Schaden entstanden. Der Beklagte ist der Meinung, dass das Wettbewerbsverbot einschließlich der Vertragsstrafenabrede unwirksam sei. Das Wettbewerbsverbot sei zu unbestimmt, weil das "Arbeitsgebiet" der Klägerin, nicht näher spezifiziert und außerdem unklar sei, welche Tätigkeiten genau im 50 km Radius verboten sein sollten.
21Zudem verstoße das Wettbewerbsverbot als Verbot jeglicher Konkurrenztätigkeit gegen Art. 12 GG, § 138 BGB, da für eine so weitgehende Bindung kein schutzwürdiges Interesse bestehe und die vollständige Ausschaltung des Beklagten als Wettbewerber unverhältnismäßig sei. Dies gelte insbesondere deshalb, weil sich das Verbot auf alle Tätigkeiten des Beklagten im Geschäftsbereich der Klägerin erstrecke, unabhängig davon, ob dieser dabei bei der Klägerin erworbene Kenntnisse über Kunden, Technik o.ä. verwende, sowie bei überregional tätigen Unternehmen unabhängig von seinem persönlichen Einsatzort. Besonders unangemessen sei das Wettbewerbsverbot deshalb, weil es dem Beklagten außerhalb des Bereichs der Zeitarbeit unmöglich sei, eine Anstellung zu finden, andererseits aber im Vertrag keine Regelung zur Karenzentschädigung vorgesehen sei. Der Beklagte werde durch das Verbot faktisch gehindert, die Stelle bei der Klägerin zu kündigen und woanders einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein genauso effektives, milderes Mittel hätte darin gelegen, dem Beklagten nachvertraglich aufzuerlegen, es zu unterlassen, geschäftlichen Kontakt mit Personen oder Unternehmen aufzunehmen, mit denen während der Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit eine Geschäftsbeziehung zur Klägerin bestand oder angebahnt war.
22Das Wettbewerbsverbot sei erst recht unverhältnismäßig, weil der Beklagte bei der Klägerin tatsächlich keine Geschäftsführeraufgaben, sondern die Aufgaben eines ganz normalen Arbeitnehmers erbracht habe. Der Geschäftsführervertrag sei, wie auch die geringe Entlohnung des Beklagten zeige, nur zur Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften abgeschlossen worden. Es sei Praxis bei der Beklagten und der gesamten Unternehmensgruppe, aus diesem Grund möglichst viele Mitarbeiter in Durchlaufterminen alsbald zum Geschäftsführer zu befördern. Dass es sich um eine rein formale Geschäftsführerstellung gehandelt habe, zeige der erste sehr begrenzte Geschäftsführervertrag, der – ohne Änderungen in der Praxis – nur deshalb geändert worden sei, weil das Landgericht H, was unstreitig ist, im Urteil vom 11.10.2000 die Zeugin T5 trotz ihrer formalen Geschäftsführerposition aufgrund ihrer eingeschränkten Kompetenzen als Arbeitnehmerin ansah. Der Beklagte sei mit einer anderen Mitarbeiterin für die Personaldisposition zuständig gewesen, habe aber keinerlei Kompetenz im Hinblick auf strategische Entscheidungen besessen oder Informationen erlangt, die nicht jedem Angestellten frei zugänglich waren. Vielmehr sei er gegenüber dem ersten Geschäftsführer bzw. späteren Gebietsleiter Herrn Q weisungsgebunden gewesen. Er sei nicht berechtigt gewesen, aufgrund eigener Einschätzung internes Personal einzustellen oder zu entlassen. Auch habe er nicht eigenverantwortlich Materialien, Arbeitsbekleidung, Büroausstattung, Computer oder Werbegeschenke kaufen können. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, internen Mitarbeitern der Filiale Urlaub oder Lohnerhöhungen zu gewähren oder ihre Arbeitszeiten festzulegen. Vielmehr habe er dies alles ebenso wie seine eigene Urlaubsplanung mit Herrn Q absprechen müssen. Auch die Entscheidung über die Vergabe von Dienstwagen sei in I gefallen. Der Beklagte habe nicht das Recht gehabt, für die Beklagte Konten zu eröffnen oder Verhandlungen mit Banken über Darlehensvergaben zu führen. Wie jeder Angestellte habe er die Vollmacht über das W Konto besessen, die Kassenberichte seien aber durch den Gebietsleiter geprüft worden. Auch die Abwicklung des Mietvertrags unter Einschluss der Nebenkostenabrechnung habe dem Gebietsleiter oblegen. Ebenso sei der Beklagte bei Rechtsstreitigkeiten nicht zu eigenen Entscheidungen berechtigt gewesen. Auch seine Arbeitszeit habe der Beklagte nicht frei einteilen können.
23Weiterhin sei das Vertragsstrafeversprechen der Höhe nach gerade im Vergleich zum Jahresgehalt des Beklagten und aufgrund der Gefahr des Anfalls mehrerer Vertragsstrafen bei einer Dauertätigkeit unverhältnismäßig und daher sittenwidrig und unwirksam. Es fehle eine Öffnungsklausel, welche dem Beklagten den Gegenbeweis eröffne, dass tatsächlich nur ein geringerer Schaden eingetreten ist.
24Mangels Schadensbezifferung und Unterlassungsantrags fehle zudem das Rechtsschutzinteresse für die somit rein willkürliche Klage.
25Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
28Die Klage ist zulässig. Insbesondere entfällt das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der Zahlung einer Vertragsstrafe nicht deshalb, weil nicht zugleich auf Unterlassung geklagt wird. Das Interesse an der Klage liegt zwar letztlich darin begründet, den Beklagten zur künftigen Einhaltung des Wettbewerbsverbots zu veranlassen. Dazu muss aber nicht zwingend eine Unterlassungsklage angestrengt werden. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass ein zur Zahlung einer Vertragsstrafe Verurteilter in Zukunft Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot unterlassen wird, um eine erneute Verwirkung der Vertragsstrafe zu vermeiden.
29Jedoch ist die Klage unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus § 7 Nr. 4 des Geschäftsführeranstellungsvertrags vom 25.7.2002 zu.
30Das durch Vertragsstrafe abgesicherte Wettbewerbsverbot in § 7 Nr. 2, 4 des Geschäftsführeranstellungsvertrags ist in Bezug auf den Beklagten nicht wirksam. Dabei kann dahinstehen, ob die betreffende Klausel in Bezug auf einen GmbH-Geschäftsführer im eigentlichen Sinne Wirksamkeit entfalten würde oder auch in diesem Fall wegen Unbestimmtheit oder Unverhältnismäßigkeit unwirksam ist. Das mit einer Vertragsstrafe bewehrte Wettbewerbsverbot ist jedenfalls im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien unwirksam.
31Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme handelte es sich bei dem Beklagten nicht um einen echten Geschäftsführer, sondern um einen normalen Arbeitnehmer. Zwar war die formale Stellung des Beklagten nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 25.7.2002 und aufgrund der entsprechenden Eintragung in das Handelsregister die eines Geschäftsführers. Jedoch ist es dem Beklagten gelungen, den sich aus diesen formalen Umständen ergebenden Anschein für seine Geschäftsführerstellung zu erschüttern. So steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte materiellrechtlich nicht die Stellung eines eigenverantwortlich und selbständig handelnden Geschäftsführers, sondern die eines weisungsgebundenen Arbeitnehmers inne hatte. Das Arbeitsverhältnis und das freie Dienstverhältnis unterscheiden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmer ist, wer die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringt, was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Beschäftigte einem umfassenden Weisungsrecht seines Arbeitgebers unterliegt, welches Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Ort oder sonstige Modalitäten der Tätigkeit betreffen kann (BAG NZA 1999, 987, 988). Gemessen an diesen Kriterien handelte es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien um ein Arbeitsverhältnis, in welchem der Beklagte, eingebunden in die Arbeitsorganisation der Klägerin und ihrer Unternehmensgruppe, weisungsgebunden seine Arbeit zu erbringen hatte.
32Weder in Bezug auf Inhalt und Durchführung seiner Tätigkeit, noch in Bezug auf Zeit, Ort, Dauer oder sonstige Modalitäten seiner Arbeit hatte der Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme derart freie Gestaltungsmöglichkeiten, dass man ihn als Geschäftsführer der Klägerin einordnen könnte. Insofern ergibt sich insbesondere aus den Gemeinsamkeiten und Überschneidungen der detailreichen und überzeugenden Aussagen der Zeugen U, Q2, T und W, die aus eigener Anschauung über den Arbeitsalltag des Beklagten berichtet haben, auf der einen Seite und der detaillierten Aussage des Zeugen X3 über die Strukturen der X-Unternehmensgruppe auf der anderen Seite, ein klares Gesamtbild, welches durch die rein indiziell wirkenden Aussagen der Zeuginnen N und T5 aus ihren eigenen Erfahrungen als Geschäftsführerinnen innerhalb der X-Unternehmensgruppe noch untermauert wird. So haben die Zeugen U, T und W übereinstimmend und überzeugend geschildert, dass sich aus der Geschäftsführerstellung des Beklagten im Vergleich zu seiner früheren Position oder zu den anderen Personaldisponenten im Arbeitsalltag kein Unterschied ergab.
33Die maßgeblichen Entscheidungen über Einstellungen und Entlassungen der Stammmitarbeiter der Klägerin wurden auch für die Geschäftsstelle X durch die X I und ihre Geschäftsführer bzw. durch den Gebietsleiter Herrn Q getroffen. Aus den Aussagen der Zeugen X3, U, Q2 und W folgt übereinstimmend, dass die Einstellungsverfahren von der X I aus koordiniert wurden und dass der Beklagten bei sämtlichen Einstellungen, einschließlich der Entlohnungsfrage, und Entlassungen stets Rücksprache mit dem früheren ersten Geschäftsführer Herrn Q oder auch anderen Geschäftsführern der X I, wie z.B. Herrn X3 oder Frau E2, nahm. Die Zeugen U und Q2 haben dies nachvollziehbar darauf zurückgeführt, dass dem Beklagten in diesen Fragen keine alleinige Entscheidungsbefugnis zustand. Auch der Zeuge X3 hat als Geschäftsführer gleich mehrerer X-Gesellschaften zugegeben, dass Einstellungen und Entlassungen generell ohne das von ihm so genannte "Beratungsangebot" der ZAG I zumindest unüblich gewesen seien. Angesichts dessen erscheint die Mutmaßung des Klägers, dass sämtliche Rücksprachen allein darauf zurück zu führen gewesen seien, dass der Beklagte die Verantwortung scheute, lebensfremd. Dies gilt gerade mit Blick auf die Tatsache, dass dann die Zeuginnen N und T5, die ebenfalls Geschäftsführerverträge bei verschiedenen Gesellschaften der X-Gruppe hatten, unter derselben Verantwortungsscheu gelitten hätten, ohne dass dies innerhalb der X-Gruppe zu personellen Konsequenzen geführt hätte.
34Unabhängig davon, ob dies auf vernünftigen Kostenüberlegungen beruhte, hatte der Beklagte auch keine Entscheidungsbefugnisse über die Vergabe von Dienstwagen, den Einkauf von Werbegeschenken, Büroausstattung, PCs und Werbegeschenken. Lediglich kleinere Geschenke oder Materialien konnten individuell angeschafft werden, jedoch nach der glaubhaften Aussage der Zeugin T4 grundsätzlich nur nach Absprache. Auch die Entscheidung über die Urlaubsplanung der internen Mitarbeiter oblag nicht dem Beklagten, sondern Herrn Q. So hat die Zeugin Q2 glaubhaft ausgesagt, dass der Beklagten ihr eindeutig gesagt habe, dass nicht er, sondern der Gebietsleiter hierfür zuständig sei. Der Zeuge X3 hat bestätigt, dass sich auch der Beklagte selbst in die Urlaubsliste einzutragen hatte. Aus der glaubhaften Aussage der Zeugin U ergibt sich, dass auch Mitarbeiterdarlehen nicht in den Entscheidungsbereich des Beklagten fielen. Dass die Mietverträge einschließlich der Nebenkostenabrechnungen bis auf die naturgemäß vor Ort zu regelnden praktischen Einzelprobleme nicht durch den Beklagten, sondern zentral aus I geregelt wurden, hat die Klägerin selbst erklärt. Auch ist unstreitig, dass der Beklagte nicht für die entscheidenden Umsatzkonten der Klägerin verantwortlich war, sondern nur das Konto der Niederlassung in X, welches sich ausschließlich auf Werbekosten und Lohnabschlagszahlungen bezog und auf das jeder Niederlassungsmitarbeiter Zugriff hatte, abzeichnete. Dies aber machte den Beklagten allenfalls zum Niederlassungsleiter, aber noch nicht zum materiellen Geschäftsführer.
35Aus den übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen der Zeugen U, N und X3 folgt zudem, dass der Beklagte sich seine Arbeitszeiten nicht selbst einteilen konnte, sondern vielmehr zu den Öffnungszeiten der Niederlassung von 8-17 Uhr seine Anwesenheit erwartet wurde. Die vom Zeugen X3 eröffnete Möglichkeit, die Öffnungszeiten insgesamt zu ändern, scheint angesichts der übereinstimmenden Öffnungszeiten aller X-Niederlassungen und der durch den Zeugen X3 mehrfach betonten einheitlichen Unternehmensstrategie, theoretischer Natur zu sein. Auch ändert sich an den generell verbindlichen Arbeitszeiten nichts dadurch, dass der Beklagte arbeitsbedingt in dieser Zeit auch Außentermine wahrzunehmen hatte. Schließlich folgt aus den Aussagen der Zeugen X3, N und T5, dass sämtliche Vergleiche in Rechtsstreitigkeiten durch die einzelnen Geschäftsführer im Sinne einer einheitlichen Unternehmensstrategie mit den übergreifenden Gebietsleitern abzusprechen waren, weshalb auch diesbezüglich keine freie Entscheidung möglich war.
36Selbst wenn sich somit, entsprechend der Aussage des Zeugen X3, der Aufgabenbereich des Beklagten mit seiner Ernennung zum Geschäftsführer verändert haben sollte, haben sich jedenfalls seine Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse dadurch nicht erweitert. Insbesondere oblagen ihm im Hinblick auf die Klägerin insgesamt keinerlei strategische Entscheidungen, da sein Wirkungsbereich unstreitig auf die Niederlassung in X und aufgrund besonderer Zuweisung teilweise auf die Niederlassung in H beschränkt war. Untermauert wird das Ergebnis der Beweisaufnahme, dass es sich bei dem Beklagten um einen reinen Arbeitgeber handelte, der nur formal die Stellung eines Geschäftsführers besaß, dadurch, dass der Beklagte bereits zuvor einen, in den zuletzt geltenden Vertrag unmittelbar übergegangenen Geschäftsführervertrag besaß, aus dem sich allein aufgrund der vertraglich festgeschriebenen beschränkten Befugnisse ergab, dass es sich dabei um eine rein formale Geschäftsführerstellung handelte. Dass sich durch die Vertragsänderung auch faktisch etwas änderte, erscheint aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ausgeschlossen. Schließlich spricht auch das Jahresbruttogehalt des Beklagten von lediglich 27.600 € für seine reine Arbeitnehmerposition.
37Jedenfalls aufgrund dieser Stellung des Beklagten als Arbeitnehmer, ist das strafbewehrte Wettbewerbsverbot aus § 7 Nr. 2 des Geschäftsführervertrags unwirksam. Dies ergibt sich daraus, dass aufgrund der Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten § 74 Abs. 2 HGB auf das Vertragsverhältnis anzuwenden ist, mit der Folge, dass das vorliegende Wettbewerbsverbot wegen des Fehlens einer Karenzentschädigung nichtig ist. Nach der Rechtsprechung findet die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB nicht nur auf die dort erwähnten Handlungsgehilfen, sondern mit Rücksicht auf die gleiche Schutzbedürftigkeit, auf Arbeitnehmer jeder Art Anwendung (BGHZ 91, 1 ff.; BAG 22, 6, 125, 324; BB 1972, 447; BB 1974, 1531; LAG Düsseldorf NZA-RR 2003, 570-572). Dies gilt nach obigen Ausführungen auch für den Beklagten. Die in § 74 Abs. 2 HGB aufgrund einer Abwägung zwischen dem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers, dass die in seinem Betrieb erlangten Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen nicht zu seinem Schaden ausgenutzt werden, und dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nach Beendigung des Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft frei nutzen zu können, getroffene Wertung, dass ein Wettbewerbsverbot bei einem Arbeitsverhältnis nur bei gleichzeitigem Versprechen einer Karenzentschädigung zulässig sein soll, entspricht der Interessenlage im vorliegenden Fall. Aufgrund des eingeschränkten Wirkungs- und Entscheidungsbereichs des Beklagten, der nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade keine echte Geschäftsführerposition inne hatte, bestand für die Klägerin nicht mehr als bei anderen Personaldisponenten die Gefahr, dass ihr Unternehmen durch seine nachvertragliche Tätigkeit als Angestellter bei einem Konkurrenzunternehmen Schaden leidet. Zugleich erscheint es unangemessen, dem Beklagten, dessen Wert auf dem Arbeitsmarkt aufgrund seiner begrenzten Verantwortung eben nicht dem eines regulären Geschäftsführers entspricht, durch ein Wettbewerbsverbot die Möglichkeit einer erneuten Beschäftigung auch nur im Angestelltenbereich im Einzugsbereich seiner Wohnung zu nehmen, ohne ihm die dadurch entstehenden Nachteile durch eine Karenzentschädigung zu kompensieren. Gerade aufgrund seines geringen Gehalts kann der Beklagte eine solche Leerlaufphase nicht so wie ein echter Geschäftsführer verkraften, so dass ihn das Wettbewerbsverbot faktisch unzulässig in seinem Kündigungsrecht beeinträchtigte. Sämtliche Gründe, die die Rechtsprechung für die Unanwendbarkeit der Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer anführt (vgl. nur BGHZ 91, 1 ff.), greifen dementsprechend vorliegend nicht.
38Doch auch abgesehen von der Anwendung der Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB ist das Wettbewerbsverbot nach § 138 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG sittenwidrig und daher nichtig, weil es mit Blick auf die frühere Stellung des Beklagten unverhältnismäßig ist. Nach der Rechtsprechung muss sogar das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eines Geschäftsführers dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesse der Gesellschaft dienen. Es darf nicht allein auf die vollständige Ausschaltung des ehemaligen Geschäftsführers als Wettbewerber abzielen, sondern nur dazu dienen zu verhindern, dass dieser nach seinem Ausscheiden Kunden abzieht, die er erst durch die vorangegangene Tätigkeit gewinnen konnte, oder dass er sich interne Informationen aus dem früheren Arbeitsverhältnis zunutze mache (BGHZ 91, 1 ff; OLGR Düsseldorf 1993, 167, 168; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 311, 312; OLG Hamm GmbHR 1988, 344, 346; S/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 48). Dabei darf insbesondere die Berufsausübungsfreiheit des Geschäftsführers nicht über das örtlich, zeitlich und gegenständlich notwendige Maß hinaus beschränkt werden (BGHZ 91, 1 ff.; BGH BB 1979, 1163, 1164; DB 1989, 1620, 1621; OLGR Düsseldorf 1993, 167, 168; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 311, 312; S/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 48). Diese Einschränkungen für die Beschränkung der Berufsfreiheit durch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot müssen erst recht und in verschärftem Maße für gegenüber Geschäftsführern weit schutzbedürftigere reine Arbeitnehmer, wie den Beklagten, gelten. Danach stellt sich das vorliegende Wettbewerbsverbot als unverhältnismäßig dar. Denn es dient gerade dadurch, dass es sich auf jede Art von Tätigkeit, auch im Angestelltenbereich, im gesamten Betätigungsfeld der Klägerin bezieht, in unlauterer Weise dazu, den Beklagten als Wettbewerber vollständig auszuschalten. Angesichts des geringen Gehalts, das der Beklagte von der Klägerin für seine vermeintliche Geschäftsführertätigkeit erhielt, und aufgrund des völligen Fehlens eines finanziellen Ausgleichs, erscheint auch die örtliche Beschränkung auf einen Radius von 50 km zu weit. Gerade mit Blick auf die beschränkten Kompetenzen des Beklagten bei der Klägerin ist ebenfalls die gegenständliche Beschränkung auf das Arbeitsgebiet der Klägerin nicht nur recht unbestimmt, sondern auch in ihrer Reichweite unangemessen. Wie der Beklagte zu Recht anführt, hätte aufgrund der eben nicht einem Geschäftsführer entsprechenden Befugnisse des Klägerin ein ebenso effektives, milderes Mittel darin gelegen, dem Beklagten nachvertraglich aufzuerlegen, es zu unterlassen, geschäftlichen Kontakt mit Personen oder Unternehmen aufzunehmen, mit denen während der Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit eine Geschäftsbeziehung zur Klägerin bestand oder angebahnt war.
39Aufgrund der Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots kann vorliegend dahin stehen, ob die Vertragsstrafenklausel ihrer Höhe nach angemessen ist.
40Ein Anspruch auf Zinszahlung entfällt mangels Bestehen des Hauptanspruchs. .
41Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
42Streitwert: 20.000 €
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