Urteil vom Landgericht Wuppertal - 14 O 48/07
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 46.225,23 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 38.881,23 € seit dem
18. April 2007 und von 7.344,00 € seit dem 27. Juni 2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/5, der Beklagten zu 4/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin benötigte für eine Möbelklappe, die in den von ihr hergestellten Caravans Verwendung findet, ein spezielles Scharnier. Sie hatte dieses Scharnier ursprünglich von einer Firma x in Italien bezogen; für das Scharnier bestand in Italien ein Patentschutz, welcher einer Firma xx zustand, die der Firma x Nutzungsrechte an dem Patent übertragen hatte. Schon bei der Anfrage an die Beklagte, ob sie ein ähnliches Scharnier produzieren könnte, hatte die Klägerin auf das Bestehen des Patentrechts der xx hingewiesen. Hierauf übermittelte die Beklagte der
3Klägerin ein Schreiben der Anwaltskanzlei xxx und Partner, Wuppertal, vom 28. Oktober 2003, das sich über Schutzrechte an dem in Rede stehenden Scharnier verhielt; in dem Schreiben (Anlage K 2 zur Klage) hieß es unter anderem, daß in Italien ein Basisgebrauchsmuster bestehe, dem das Scharnier möglicherweise unterfalle, ein Risiko, das man allerdings eingehen könne. Die Klägerin, die das von der Beklagten bezogene Scharnier in Caravans eingebaut hatte, die in Italien von dem Vertragshändler xxxx. vertrieben wurden, erhielt am 07. Dezember 2004 eine Verwarnung durch die xx, daß sie im Hinblick auf das Scharnier die in Rede stehenden Patentrechte in Italien verletze. Mit Anwaltsschreiben vom 10. Dezember 2004 ließ die Klägerin die Beklagte hiervon unterrichten. Mit einem Schreiben vom 09. September 2005 (Anlage K 5 zur Klage) gab die Beklagte gegenüber der Klägerin eine "Freistellungserklärung" mit folgendem Wortlaut ab:
4"... hiermit bestätigen wir Ihnen gerne, daß wir Sie im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit und Schadenersatzforderungen der Firma xx wegen der von uns gelieferten Scharniere von jeglichen Ansprüchen der Firma xx freistellen, wobei natürlich Voraussetzung ist, daß Anerkenntnisse oder Zahlungen nur mit unserer Zustimmung erfolgen und ein mögliches Gerichtsverfahren unter unserer Regie läuft. Hierbei gehen wir davon aus, daß Sie nur unter Abstimmung mit uns eigene Anwälte bestellen, grundsätzlich dies aber über unsere Anwälte abgewickelt wird."
5Am 13. Oktober 2005 reichte die xx bei einem Gericht in Bologna wegen der Behaupteten Patentverletzung Klage gegen den Vertragshändler der Klägerin, die xxxx., ein; die Klage war unter anderem auf Auskunft, Unterlassung und Schadensersatz in unbestimmter Höhe, mindestens aber in Höhe von 256.970,08 € gerichtet. In dem vor dem italienischen Gericht geführten Rechtsstreit wurde der Klägerin des hiesigen Rechtsstreits der Streit verkündet, die ihrerseits der Beklagten den Streit verkündete. Die von der Beklagten beauftragten Patentanwälte xxxx und Partner übermittelten den Prozeßbevollmächtigten der hiesigen Klägerin mit Schreiben vom 14. November 2005 eine Übersetzung der in Italien eingereichten Klageschrift und forderten zum schnellen Handeln auf (Anlage K 7 zur Klage). Die Patentanwälte korrespondierten auch mit der Vertragshändlerin der Klägerin und verwiesen sie an den von ihnen schon eingeschalteten Rechtsanwalt xxxxx in Mailand, dem sie umgehend die bei dem italienischen Gericht eingereichte Klageschrift
6übermitteln solle (Anlage K 8 zum Klagevorbringen). Mit Schreiben der Patentanwälte vom 21. November 2005 (Anlage K 9 zur Klage) äußerte die Beklagte im Hinblick auf die durch die Prozeßführung in Italien drohenden hohen Kosten Zweifel am Sinn einer Prozeßführung in Italien und erörterte eine Kostenbeteiligung der Klägerin an der Prozeßführung. Schließlich lehnte die Beklagte eine Beteiligung an der Führung des in Italien anhängigen Rechtsstreits ab. Die Klägerin, die in dem Rechtsstreit in Italien gegen die Firma xx wegen eines behaupteten Wettbewerbsverstoßes auch noch Widerklage erhoben hatte, die Firma xx und die xxxx beendeten den Rechtsstreit schließlich durch Abschluß eines Vergleichs.
7Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Erstattung der Kosten, die durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts xxxxx, eines für die xxxx. tätigen Rechtsanwaltes xxxxx und ihrer deutschen Prozeßbevollmächtigten in dem in Italien geführten Rechtsstreit entstanden sind, sowie Ersatz von Reisekosten und Bezahlung von Arbeitsstunden, die für einen ihrer Mitarbeiter angefallen seien. In einem Rechtsstreit 11 O 157/05 Landgericht Wuppertal ist die Beklagte rechtskräftig verurteilt worden, die Klägerin von Schadensersatzansprüchen der Firma xx wegen der Scharniere freizustellen.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an sie 57.921,23 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 50.777,23 € seit der am 18. April 2007 erfolgten Klagezustellung und auf 7.344,00 € seit der am 27. Juni 2007 erfolgten Zustellung des Schriftsatzes vom 19. Juni 2007 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Parteien streiten darüber, welche Tragweite die Freistellungsvereinbarung (vgl. Anlage K 5 zur Klage) hat, ob damit insbesondere eigene Aufwendungen der Klägerin durch die Führung des Rechtsstreits in Italien von der Ersatzpflicht ausgeschlossen sind. Im übrigen streiten die Parteien im wesentlichen über die Höhe der von der Klägerin erstattet verlangten Kosten.
13Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der von den
14Parteien gewechselten Schriftsätze und zu den Gerichtsakten eingereichten Unterlagen, insbesondere auf die von der Klägerin eingereichten Honorartabellen für Rechtsanwälte in Italien (Bl. 127 ff. d.A.), Bezug genommen.
15Die von der Kammer mit Beschluß vom 27. September 2007 angeordnete Beweisaufnahme über die Richtigkeit der Gebührenberechnungen der italienischen Rechtsanwälte ist im Hinblick auf die von der Klägerin eingereichten italienischen Gebührenvorschriften nicht durchgeführt worden.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist in Höhe von 46.225,23 € nebst den aus der Urteilsformel ersichtlichen Zinsen begründet, hinsichtlich des darüber hinausgehenden Anspruchs und der weitergehenden Zinsforderung nicht begründet.
18Dem Grunde nach ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus dem von den Parteien abgeschlossenen Liefervertrag über die Scharniere, die auch nach dem Vorbringen der Beklagten, wenn auch in geringerer Stückzahl, nach dem Einbau in Caravans in Italien auf den Markt gebracht worden sind, und aus der von der Beklagten übernommenen, im Tatbestand dieses Urteils inhaltlich wiedergegebenen Freistellungsverpflichtung. Daß die Freistellungsverpflichtung wirksam zustande gekommen ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit, ergibt sich aber schlicht auch aus dem Inhalt der Anlage K 5 zur Klage; einer besonderen Annahmeerklärung der Klägerin bedurfte es insoweit nicht; im übrigen haben beide Parteien mit der im Tatbestand des Urteils auszugsweise wiedergegebenen Korrespondenz mit der Beauftragung der von der Beklagten auserwählten Rechtsanwälte die Freistellungsvereinbarung auch teilweise durchgeführt.
19Zwar hieß es in der Freistellungserklärung, daß die Beklagte die Klägerin von jeglichen Ansprüchen der Firma xx wegen der von ihr gelieferten Scharniere freistellen werde. Diese vertragliche Verpflichtung zur Freistellung beschränkte sich entgegen der Auffassung der Beklagten aber nicht auf die Freistellung von den begründeten Ansprüchen der Firma xx als solcher, sondern umfaßte ohne weiteres auch die Verpflichtung, unbegründete Ansprüche der Firma xx von der Klägerin abzuwehren. Hierfür bietet auch der Wortlaut der Freistellungserklärung eine ausreichende
20Grundlage, weil die Freistellungserklärung im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit abgegeben worden ist und weil die Beklagte sich Entscheidungen über die Art und Weise der Prozeßführung vorbehalten hatte. Dabei bestand auch kein Zweifel, daß sich die Freistellungsverpflichtung auch darauf erstreckte, die Klägerin von eventuellen Regreßforderungen der Vertragshändlerin in Italien freizustellen, denn dieser und nicht der Klägerin drohte die Klageerhebung in Italien. So hat auch die Beklagte die Freistellungsverpflichtung verstanden, denn nach der Klageerhebung in Italien hat sie selbst über die von ihr beauftragten Patentanwälte in Italien einen Rechtsanwalt eingeschaltet und den Kontakt zwischen der xxxx. und diesem Anwalt, nämlich dem Rechtsanwalt xxxx, hergestellt.
21Angesichts der Prozeßsituation in dem in Italien geführten Rechtsstreit, daß nämlich der Klägerin dort der Streit verkündet worden war, lag es auf der Hand, daß sich die Klägerin an jenem Rechtsstreit beteiligen würde und daß zur Abwehr der von dem Rechteinhaber in Italien erhobenen Ansprüche auch gehörte, die Klägerin von den Folgen der Beteiligung an dem Rechtsstreit in Italien freizustellen.
22Statt dieser so übernommenen Verpflichtung nachzukommen, hat sich die Beklagte unstreitig aus der Führung des in Italien anhängigen Rechtsstreits gänzlich zurückgezogen und damit die Art und Weise der Abwehr der dort geltend gemachten Ansprüche der Klägerin überlassen. Dies begründete einerseits den Verzug der Beklagten mit der Erfüllung der Freistellungsverpflichtung und hatte damit ohne weiteres zur Folge, daß die Beklagte der Klägerin die Kosten der Prozeßführung in Italien und auch den von der Klägerin übernommenen Aufwand für die Prozeßführung der xxxx erstatten muß (vgl. auch BGH NJW 2002, 2382).
23Die Höhe des begründeten Teils der Klageforderung stellt sich auf 46.225,23 €. Das ist die Summe der von der Klägerin in der Klageschrift und in dem Schriftsatz vom 19. Juni 2007 im einzelnen dargelegten und von ihr aufgewendeten Kosten der italienischen Rechtsanwälte und der von ihr im Zusammenhang mit dem damaligen Rechtsstreit beauftragten Rechtsanwälte x und x. Die Klägerin hat die Höhe dieser Kosten durch Vorlage der entsprechenden Anwaltsrechnungen nachvollziehbar dargelegt. Die Rechnungen stehen im Einklang mit den Vorschriften des RVG, soweit es um die Kosten der Rechtsanwälte x und x geht. Hinsichtlich der Kosten der italienischen Rechtsanwälte hat sich die Kammer anhand der von der Klägerin eingereichten italienischen Gebührenvorschriften, deren Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat, von der Richtigkeit der Gebührenberechnung überzeugt. Das gilt auch im Hinblick auf den im Ergebnis unbegründeten Einwand der Beklagten, daß sie Kosten, die durch die Widerklageerhebung in dem in Italien geführten Rechtsstreit entstanden seien, nicht erstatten müsse. Denn angesichts der Besonderheit der italienischen Verfahrensvorschriften war in jenem Rechtsstreit ein "unbestimmbarer Streitwert" festgesetzt worden. Selbst durch die Widerklageerhebung änderte sich daran und damit an der Bemessungsgrundlage für die Gebühren der italienischen Anwälte nichts. Anhaltspunkte dafür, daß die Beendigung des in Italien geführten Rechtsstreits durch Abschluß eines Vergleichs für die Beklagte besondere Nachteile erbracht hätte, sind nicht ersichtlich.
24Zu den erstattungspflichtigen Kosten gehören auch die Reisekosten für die Teilnahme an Verhandlungen in Italien (1.703,32 €).
25Nicht erstattungsfähig ist dagegen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ein Teilbetrag von 11.696,00 € der Klageforderung (8.600,00 € + 3.096,00 €), der mit dem Zeitaufwand des bei der Klägerin tätigen Herrn xxxxxx begründet worden ist. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin war Herr xxxxxx ohnehin für sie tätig, d.h. die Tätigkeit des Herrn xxxxxx mußte ohnehin bezahlt werden. Nicht ersichtlich ist, daß der Klägerin hinsichtlich der insoweit erwähnten 136 Arbeitsstunden des Herrn xxxxxx ein zusätzlicher Aufwand entstanden ist.
26Die Beklagte schuldet die zuerkannten Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280, 286, 288 Abs. 1 BGB. Der verlangte höhere Zinssatz (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) steht der Klägerin nicht zu, weil es sich bei der Klageforderung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt.
27Da beide Parteien teils obsiegen, teils unterliegen, sind die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig geteilt worden, § 92 ZPO.
28Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
29Streitwert: 57.921,23 €.
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