Urteil vom Landgericht Wuppertal - 9 S 26/09
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17. Dezember 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Velbert wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2Der Kläger ist Eigentümer eines Motorrades, das am 26. August 2007 in Velbert bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherer des Schädigers in vollem Umfang für den Unfallschaden.
3Der vom Kläger nach dem Unfall mit der Feststellung des Schadens beauftragte Sachverständige ermittelte voraussichtliche Reparaturkosten von 10.028,49 EUR brutto (8.427,30 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer) und einen Wiederbeschaffungswert von 6.900,00 EUR. Die Beklagte regulierte den Schaden des Klägers auf der Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwandes, wobei sie von dem vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert einen von sich selbst festgestellten Restwert von 2.710,00 EUR in Abzug brachte. Sie zahlte mithin zur Abgeltung des Fahrzeugschadens 4.190,00 EUR an den Kläger.
4Mit Anwaltsschreiben vom 15. Oktober 2007 bat der Kläger die Beklagte um eine Bestätigung, dass sie bereit sei, Reparaturkosten in Höhe von 8.970,00 EUR brutto zu übernehmen. Zur Begründung gab er an, er beabsichtigte, sein Motorrad von einer Fachwerkstatt nach Maßgabe des Sachverständigengutachtens reparieren zu lassen, und zwar zu einem Betrag, der 8.970,00 EUR nicht übersteigen werde. Mit Schreiben vom 27. November 2007 bestätigte ihm die Fa. xxx ##, dass sie das Motorrad "wie im Gutachten aufgeführt" zum Festpreis von 8.970,00 EUR instandsetzen werde.
5Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, gegen Vorlage einer Berechnung der Fa. xxx ##, aus der sich ergibt, dass das Motorrad ordnungsgemäß und vollständig zum Preis von 8.970,00 EUR repariert worden ist, restlichen Schadensersatz von 4.780,00 EUR zu leisten.
6Im Laufe des Rechtsstreits in erster Instanz hat der Kläger das Motorrad jedoch von der Fa. xxx ## reparieren lassen, und zwar zum Preis von 8.925,35 EUR brutto (8.427,30 EUR netto abzüglich 11 % Rabatt zuzüglich 1.425,06 EUR Mehrwertsteuer). Die 8.925,35 EUR entsprechen bis auf 44,65 EUR dem Wiederbeschaffungswert von 6.900,00 EUR x 130 %.
7Mit zuletzt gestelltem Klageantrag in erster Instanz hat der Kläger deshalb von der Beklagten Zahlung restlichen Schadensersatzes von 4.735,35 EUR verlangt sowie Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 489,45 EUR durch Zahlung an seine Rechtsschutzversicherung. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und dazu im wesentlichen folgende Ausführungen gemacht:
8"Die hier zu entscheidende Frage, ob der Geschädigte den vollen Ersatz der Reparaturkosten verlangen kann, wenn es ihm gelingt, die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltene Reparatur entgegen dessen Kostenschätzung innerhalb der 130%-Grenze durchzuführen, hat der Bundesgerichtshof, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden. In seiner Entscheidung vom 10.07.2007 (NJW 2007, 2917) hat er die Frage ausdrücklich offen gelassen, weil im Streitfall gerade nicht eine Reparatur durchgeführt worden war, die den Vorgaben des Sachverständigen entsprach. Schon nach den bisher entwickelten Grundsätzen schied deshalb eine Ersatzpflicht im Rahmen der 130%-Grenze aus. Im hier zu entscheidenden Fall ist die Reparatur demgegenüber unstreitig nach den Vorgaben des Sachverständigen erfolgt. Die Beklagte selbst weist darauf hin, dass die aus der Rechnung der Firma xxx ## ersichtliche Reparaturmethode exakt den Vorgaben des Sachverständigen entspricht und die 130%-Grenze allein durch die Gewährung eines (nicht näher spezifizierten bzw. begründeten) 11%igen Rabatts auf die gesamten Reparaturkosten gewahrt worden ist.
9Das Gericht meint (wie schon in einem ähnlich gelagerten Fall das Landgericht Bremen, 6 S 224/98, Urteil vom 02.07.1998, NZV 1999, 253), dass ein solcher pauschaler Nachlass die nach objektiven Kriterien zu beurteilende Frage der Wirtschaftlichkeit nicht beeinflusst, dass also eine nach objektiven - d.h. nachprüfbaren - Kriterien unwirtschaftliche Reparatur durch die Gewährung eines pauschalen Nachlasses nicht wirtschaftlich wird. So hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 15.10.1991 (BGHZ 115,375) die Frage angesprochen, ob das Verbot einer Aufspaltung von Reparaturkosten in einen wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis zu 130%-Grenze) und einen wirtschaftlich unvernünftigen Teil den Boden für Manipulationen bereitet, indem für den Schädiger ein Betrag innerhalb der 130%-Grenze in Ansatz gebracht wird und der Geschädigte den Restbetrag aus eigener Tasche beisteuert. Er hat hierzu ausgeführt, dass sich dieser Gefahr durch geeignete Maßnahmen begegnen lasse, da es im Rahmen der Vergleichsbetrachtung (betreffend die verschiedenen Möglichkeiten der Naturalrestitution) allein auf den erforderlichen, d.h. nach objektiven Kriterien zu beurteilenden und deshalb auch unschwer nachzuprüfenden Reparaturaufwand ankomme. Nach diesem Maßstab kann es hier nur darauf ankommen, dass die Reparaturkostenrechnung der Firma xxx ## als Zwischensumme, auf die der Rabatt gewährt worden ist, exakt denjenigen Reparaturkostenbetrag ausweist, den der Sachverständige geschätzt hatte und welcher über der 130%-Grenze liegt. Diese Summe repräsentiert den nach objektiven Kriterien zur fachgerechten Reparatur des Fahrzeugs erforderlichen Betrag. Anders mag die Rechtslage in dem - hier nicht gegebenen - Fall zu beurteilen sein, dass der Geschädigte eine Werkstatt ausfindig macht, die mit einer anderen (kostengünstigeren) Reparaturmethode eine von den Vorgaben des Sachverständigen zwar abweichende, aber im Ergebnis ebenfalls fachgerechte Reparatur erreicht. Ebenfalls anders mag die Rechtslage in dem - hier ebenfalls nicht gegeben - Fall zu beurteilen sein, dass zwar gegenüber der Kostenschätzung des Sachverständigen erst ein Werkstattrabatt zur Wahrung der 130%-Grenze führt, der Rabatt selbst aber eine objektive Grundlage hat - so etwa bei der Weitergabe von Preisnachlässen auf Einkaufspreise an den Kunden."
10Gegen das amtsgerichtliche Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen die Kammer gemäß § 540 ZPO Bezug nimmt, hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren mit seinem zuletzt gestellten Antrag weiterverfolgt.
11Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
12Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes in Höhe von 4.735,35 EUR aus dem Unfallereignis vom 26. August 2007 in Velbert gegenüber dem Beklagten nicht zu.
13Die Kammer ist wie das Amtsgericht der Auffassung, dass der Geschädigte den Ersatz der von ihm aufgewandten Reparaturkosten nicht verlangen kann, wenn es ihm gelingt, die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltene Reparatur entgegen dessen Kostenschätzung wie hier innerhalb der 130%-Grenze durchzuführen. Zur Begründung verweist sie auf die überzeugenden weiter oben mitgeteilten Ausführungen des Amtsgerichts, die sie sich zu eigen macht.
14Der Auffassung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 25. April 2001, 1 U 9/00), nach der das Aushandeln von "Sonderkonditionen" zur Kostensenkung, um unter die 130%-Grenze zu kommen, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Dadurch würde die klare Vorgabe zur Handhabung des Integritätszuschlags weiter aufgeweicht und Manipulationen Vorschub geleistet, was nicht der Rechtssicherheit dient und deshalb abzulehnen ist.
15Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
16Die Kammer ist der Auffassung, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts im hiesigen Fall erfordert. Sie hat deshalb die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.
17Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.735,35 Euro.
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