Urteil vom Landgericht Wuppertal - 9 S 259/09
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.07.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wuppertal wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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G r ü n d e :
2Der Beklagte befuhr am frühen Morgen des 04.05.2007 mit seinem bei der Klägerin haftpflichtversicherten PKW XX, amtl. Kennz. ......, die L 746 zwischen den Bad ### Ortsteilen Z1 und sss. Zuvor hatte er am 03.05.2007 in Z1 mit der Zeugin N ab dem Nachmittag Wodka konsumiert, zuletzt noch bis etwa 1.30 Uhr/2.00 Uhr am 04.05.2007 in deren Wohnung. Die Zeugin machte ihm sodann ein Bett fertig und begab sich selbst nach oben, um sich schlafen zu legen, obwohl der Beklagte eigentlich nicht dies, sondern aufbleiben wollte, und deshalb auf dem Bett sitzen blieb, wie er es meist die ganze Nacht bei seinen Besuchen bei der Zeugin zu tun pflegte, bei denen regelmäßig dem Wodka zugesprochen wurde.
3In Ssss verlor er nach mehreren Kilometern Fahrtstrecke gegen 2.25 Uhr auf der E-Straße infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration um 3.38 Uhr 1,99 Promille) die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte in einer leichten Linkskurve mit drei am rechten Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeugen, an denen hierdurch insgesamt ein weit über 5.000,00 Euro liegender Schaden verursacht wurde. Der Beklagte setzte seine Fahrt zunächst einige hundert Meter bis in den H Weg in Ssss fort, wo er sodann mit seinem an der rechten Seite und im rechten Frontbereich stark beschädigten PKW liegenblieb. Ein durch die durch anschließendes schwerfälliges Hin- und Herrangieren und wiederholtes Abwürgen des Motors des XX verursachten Geräusche aufmerksam gewordener Anwohner verständigte sodann die Polizei, die den augenscheinlich stark alkoholisierten Beklagten auf dem Gehweg neben dem auf der Straße stehenden XX sitzend antraf. Der Beklagte gab gegenüber der Polizei an, das Fahrzeug gefahren zu sein, und räumte ein, zuvor bei einem Kumpel in Z1 Alkohol konsumiert zu haben; nähere Angaben zum Unfallgeschehen machte er nicht.
4Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen die Kammer gemäß § 540 ZPO Bezug nimmt, hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin, die den Versicherungsvertrag mit dem Beklagten bereits unter dem 14.05.2007 fristlos gekündigt und an die Eigentümer der drei geparkten und vom Beklagten beschädigten Fahrzeuge weit über 5.000,00 Euro Schadensersatz geleistet hat, 5.000,00 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Regressanspruch in dieser Höhe zu, da sie wegen der schuldhaften Obliegenheitsverletzung des Beklagten, in fahruntüchtigem Zustand das Fahrzeug geführt zu haben, in dieser Höhe im Innenverhältnis zum Beklagten von ihrer Leistungspflicht frei geworden sei; die vom Beklagten beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der von ihm behaupteten Schuldunfähigkeit sei nicht geboten, da hierfür von ihm keine entsprechenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen seien.
5Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Klagabweisungsantrag weiterverfolgt und mit der er weiterhin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Schuldunfähigkeit begehrt.
6Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung, der sich die Kammer in vollem Umfang anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von 5.000,00 Euro an die Klägerin verurteilt. Die Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens ist nicht geboten.
7Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein sich aus § 2 b Abs. 2 S. 1 e), S. 2 AKB in der zum Unfallzeitpunkt zwischen den Parteien vereinbarten Fassung in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung ergebender Rückgriffsanspruch in Höhe von 5.000,00 Euro zu. Der Beklagte hat die vorgenannte Obliegenheit zumindest fahrlässig, mithin schuldhaft verletzt, so dass die Klägerin in Höhe von 5.000,00 Euro im Verhältnis zum Beklagten von ihrer Leistungspflicht frei und zur Rückforderung des insoweit unstreitig an die geschädigten Fahrzeugeigentümer gezahlten Betrages berechtigt ist.
8Bei absoluter Fahruntüchtigkeit, die hier unstreitig angesichts des um 3.38 Uhr festgestellten Blutalkoholgehaltes von 1,99 Promille bei Fahrtantritt und zum Unfallzeitpunkt vorlag, ist grundsätzlich von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Das Fahren eines Kfz in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen. Wer sich in einem solchen Zustand an das Steuer eines Kfz setzt, handelt grob fahrlässig (OLG Köln, r + s 1994, 329).
9Dass der Beklagte bei Fahrtantritt wegen des Alkoholgenusses nicht zurechnungsfähig gewesen und daher wegen § 827 S. 1 BGB nicht schuldhaft gegen die versicherungsvertragliche Obliegenheit, nicht alkoholisiert fahruntüchtig ein Fahrzeug zu fahren, verstoßen hätte, ist vorliegend selbst bei Berücksichtigung des vom Amtsgericht als verspätet zurückgewiesenen Vortrags im Schriftsatz vom 18.06.2009 bezüglich der einzelnen Feststellungen des die Blutprobe entnehmenden Arztes, den der Beklagte im Berufungsverfahren wiederholt, nicht hinreichend dargetan (OLG Köln a.a.O.). Denn angesichts der unstreitigen Tatsachen, dass der Beklagte bei der Befragung durch die Polizei gegen 2.40 Uhr zwar im Bewusstsein verworren, aber doch insoweit ansprechbar und zu klarem Denken imstande war, als er einräumte, selbst gefahren zu sein, zuvor Alkohol zu sich genommen zu haben und, was von maßgeblicher Bedeutung ist, auch angab, den Alkohol bei einem Kumpel in Z1 konsumiert zu haben, wobei noch hinzukommt, dass der Beklagte in der Lage gewesen war, das Fahrzeug über mehrere Kilometer von dem Ortsteil Z1 bis zum Ortsteil Ssss zunächst unfallfrei zu steuern, reichen die weiteren Umstände, dass der Beklagte bei den Polizeibeamten einen angetrunkenen, stark alkoholisierten Eindruck machte, von ihnen "nicht richtig" ansprechbar war und dass der Arzt etwa eine Stunde später schwankenden Gang und unsichere plötzlich Kehrtwendung, unsichere Finger-Finger- und Finger-Nase-Prüfungen, verwaschene Sprache, benommenes Bewusstsein, verworrenen Denkablauf, distanzloses Verhalten und eine stumpfe Stimmung festgestellt haben soll, nicht aus, um schlüssige Anknüpfungstatsachen für die vom Beklagten behauptete Schuldunfähigkeit bei Fahrtantritt darzulegen. Dass der Beklagte bezüglich der Zeugin von "einem Kumpel" gesprochen hat, worunter gemeinhin eine männliche Person verstanden wird, ist ohne Bedeutung, weil der Bekundung der Zeugin, man habe des öfteren gemeinsam getrunken, der Beklagte sei nur ein sehr, sehr guter Freund, mehr nicht, zu entnehmen ist, dass für ihn bei der Zeugin weniger deren weibliches Geschlecht und mehr deren Eigenschaft als Zechkumpan im Vordergrund stand. Es kann dahinstehen, ob die von dem blutentnehmenden Arzt mindestens 80 Minuten nach Fahrtantritt getroffenen Feststellungen ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schuldunfähigkeit des Beklagten für diesen späteren Zeitpunkt beinhalten. Jedenfalls reichen sie angesichts der zutreffenden und situationsbezogenen Angaben des Beklagten gegenüber der Polizei etwa 15 Minuten nach dem Unfall und der Tatsache, dass er imstande gewesen war, das Fahrzeug bis zur Unfallstelle zur Nachtzeit über mehrere Kilometer unfallfrei zu führen, nicht aus, um ausreichende Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit auch schon bei Fahrtantritt zu liefern. Denn diese Umstände sprechen gegen eine ins Gewicht fallende Störung der Wahrnehmungsfähigkeit und gegen die behauptete Zurechnungsunfähigkeit des Beklagten, so dass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Wahrnehmungs- und Schuldunfähigkeit die notwendigen Anknüpfungstatsachen fehlen, was zulasten des Beklagten geht, der die Vermutung des § 6 Abs. 1 VVG a.F. zu widerlegen hat (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 1547).
10Dies festzustellen fehlt der Kammer auch nicht die nötige Sachkunde. Soweit sich der Beklagte auf den Beschluss des OLG Frankfurt/Main vom 04.12.2007 (3 U 99/07) beruft, ist dessen Fallgestaltung mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Zum einen lag dort eine auf einer Kombinationswirkung von Alkohol und Medikamenteneinnahme beruhende absolute Fahruntüchtigkeit vor, zum anderen konnte dort nicht ausgeschlossen werden, dass der betreffende Fahrer dort - anders als der Beklagte hier - unmittelbar nach dem Unfall keine Angaben zum Geschehen gemacht hatte.
11Auch die weiteren, vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen sprechen nicht gegen die Schuldhaftigkeit der Obliegenheitsverletzung. Dass der Beklagte in der Wohnung der Zeugin Vorkehrungen getroffen hätte, die eine nachfolgende Benutzung seines Kfz erschwert hätten, wie etwa eine Aushändigen der Fahrzeugschlüssel an die Zeugin oder ein anderweitiges Wegschließen der Schlüssel, hat die Zeugin nicht bestätigt. Auch dass der Beklagte auf keinen Fall vorgehabt hätte, in der Nacht noch sein Kfz zu benutzen, und auf jeden Fall bei der Zeugin hätte nächtigen wollen, lässt sich nicht sicher feststellen. Die Zeugin hat insoweit nur bekundet, der Beklagte habe nicht gewollt, dass sie schlafen gegangen sei, er habe noch weiter aufbleiben wollen, er sitze meist die ganze Nacht; diese Bekundungen sprechen eher gegen als für die Absicht des Beklagten, in der Wohnung der Zeugin zu schlafen, vielmehr kommt insoweit eher der Wunsch des Beklagten zum Ausdruck, die Nacht noch nicht enden zu lassen. Insoweit hat die Zeugin auch die weitere Frage, ob der Beklagte bei früheren Treffen schon einmal alkoholisiert Auto gefahren sei, nur dahin beantworten, sie könne sich nicht daran erinnern.
12Demzufolge ergibt sich, dass der Beklagte eine schuldhafte Obliegenheitsverletzung vor Fahrtantritt begangen hat, so dass der Klägerin nach der fristlosen Kündigung des Versicherungsvertrages ein Regressanspruch in Höhe von 5.000,00 Euro gegen den Beklagten zusteht. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
13Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
14Zur Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
15Streitwert: 5.000,00 Euro.
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