Urteil vom Landgericht Wuppertal - 8 S 54/11
Tenor
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 30.06.2011 (31 C 13/11) wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsanwälte XXX, 1.099,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03.07.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der Anrufung des örtlich unzuständigen Amtsgerichts Eutin hat der Kläger zu tragen, von den übrigen Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 70 % und die Beklagte 30 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage im Umfang von 2.473,30 € nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über das für Beherbergungsleistungen des Klägers zu zahlende Entgelt, konkret über die Frage, wer von der zum 01.01.2010 wirksam gewordenen Reduzierung des Umsatzsteuersatzes auf solche Leistungen profitiert, wenn die vertragliche Vereinbarung über die Beherbergungsleistungen – wie im Streitfall – erst kurz vor dem Inkrafttreten des reduzierten Umsatzsteuersatzes geschlossen wurde.
4Der Kläger betreibt ein Fünf-Sterne-Hotel in U. Die Beklagte organisiert Veranstaltungen für gewerbliche Kunden. Hierfür notwendige Leistungen beauftragt sie im eigenen Namen, die anfallenden Kosten, zum Beispiel für Hotelzimmer, rechnet sie mit ihren Kunden nach den Nettopreisen ab. Ende 2009 plante sie eine Wochenendveranstaltung für eine Unternehmensberatung und bat den Kläger hierfür um ein Beherbergungsangebot. Unter dem 01.12.2009 bot der Kläger der Beklagten unter anderem 30 Einzel- und 55 Doppelzimmer für die Zeit vom 07.05.2010 bis zum 09.05.2010 zum Sonderpreis von 169,- € pro Nacht für das Einzelzimmer bzw. von 199,- € pro Nacht für das Doppelzimmer an. Als diesbezüglichen Leistungsinhalt führte das Angebot auch die "Teilnahme am reichhaltigen Frühstücksbuffet" und die "gesetzliche Mehrwertsteuer" auf, wobei der Mehrwertsteuersatz nicht ausdrücklich genannt wurde. Die Beklagte nahm das Angebot des Klägers unter dem 04.12.2009 an. Den Parteien war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass ab dem 01.01.2010 aufgrund des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 ein reduzierter Umsatzsteuersatz von 7 % für Beherbergungsleistungen gelten würde.
5Mit Vorausrechnung vom 28.04.2010 forderte der Kläger die Beklagte zur Leistung einer Anzahlung in Höhe von 17.179,- € auf. Die Vorausrechnung schlüsselte die vereinbarten Beträge von 169,- € und 199,- € für Einzel- bzw. Doppelzimmer weiter auf in Beträge für Logis und Frühstück. So entfiel auf das Doppelzimmer hiernach ein Logisanteil von 159,- € und ein Frühstücksanteil von 40,- €. Für die Beherbergungsleistung wies die Rechnung einen Mehrwertsteuersatz von 7 % aus, für das Frühstück einen solchen von 19 %. Die Beklagte zahlte die vom Kläger verlangte Anzahlung, wobei zwischen den Parteien streitig geblieben ist, ob die Beklagte bei Leistung dieser Anzahlung hinsichtlich der Forderungsberechnung einen Vorbehalt erklärte.
6Nach Durchführung der Veranstaltung stellte der Kläger der Beklagten unter dem 16.05.2010 eine Schlussrechnung, die unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Anzahlung einen noch zu zahlenden Restbetrag von 33.342,45 € brutto auswies. Die Beklagte zahlte hierauf zunächst nicht, sondern machte geltend, dass sich der von ihr noch zu zahlende Betrag im Hinblick auf die Umsatzsteuerreduzierung für Beherbergungsleistungen zum 01.01.2010 um 2.473,30 € reduziere. Die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen führte zu einer geringeren Besteuerung der vom Kläger erbrachten Leistungen in jedenfalls diesem Umfang. Der Kläger mahnte die nicht zahlende Beklagte mit Mahnschreiben vom 04.06.2010. Mit Schreiben vom 10.06.2010 forderte die Beklagte, die weiterhin nicht zahlte, den Kläger auf, eine korrigierte Rechnung auszustellen. Der Kläger beauftragte daraufhin seine Verfahrensbevollmächtigten, welche sich mit Schreiben vom 18.06.2010 an die Beklagte wandten und diese unter anderem zur Zahlung des Restbetrages von 33.342,45 € sowie zum Ausgleich der Kosten ihrer Inanspruchnahme in Höhe von 1.099,- € netto aufforderten. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die bei der Akte befindliche Ablichtung desselben (Bl. 10-11 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte zahlte am 24.06.2010 auf die geforderten 33.342,45 € noch 30.869,15 €. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.
7Der Kläger hat daraufhin beim Amtsgericht Eutin Klage erhoben, die der Beklagten am 25.10.2010 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht Eutin hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11.01.2011 an das Amtsgericht Wuppertal verwiesen.
8Vor dem Amtsgericht Wuppertal hat der Kläger beantragt,
9die Beklagtenpartei zu verurteilen, an ihn € 3.582,30 nebst 8 % Zinsen auf € 2.473,30 seit dem 01.06.2010 und auf € 1.099,00 seit dem 19.06.2010 zu zahlen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte hat behauptet, zwischen den Parteien sei eine Nettopreisvereinbarung getroffen worden. Die Umsatzsteuerreduzierung zum 01.01.2010 müsse daher an sie weitergegeben werden.
13Das Amtsgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil verurteilt, an den Kläger 1.236,65 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2010, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.099,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2010 sowie 10,00 € Mahnkosten zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Grundsätze von Treu und Glauben die hälftige Teilung des sich aus der Reduzierung des Umsatzsteuersatzes ergebenden Differenzbetrages geböten.
14Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts wenden sich beide Parteien unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufung.
15Der Kläger beantragt,
16unter Aufhebung des Urteils vom 30.06.2011 des Amtsgerichts Wuppertal, zugestellt am 12.07.2011, die Beklagtenpartei zu verurteilen, an ihn € 3.582,30 nebst 8 % Zinsen auf € 2.473,30 seit dem 01.06.2010 und auf € 1.099,00 seit dem 19.06.2010 zu zahlen,
17hilfsweise, anstelle des vom Amtsgericht zugesprochenen Zahlungsantrags an ihn persönlich,
18den Betrag von 1.099,00 € für vorgerichtliche Anwaltskosten an seine Prozessbevollmächtigten zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
21Der Kläger beantragt,
22die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
23II.
24Die Berufungen sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist hinsichtlich des nicht zugesprochenen Teils der Hauptforderung unbegründet und hat nur im Umfang des Hilfsantrags hinsichtlich der Zinsforderung geringfügigen Erfolg. Die Berufung der Beklagten ist, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung weiteren Beherbergungsentgelts zuzüglich Zinsen richtet, begründet und im Übrigen überwiegend unbegründet.
251.
26a) Die Berufung des Klägers hat im Umfang der ihm vom Amtsgericht nicht zugesprochenen Hauptforderung keinen Erfolg.
27Der Berufungsantrag des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass er die Abänderung der angefochtenen Entscheidung beantragt, soweit das Amtsgericht seinem erstinstanzlichen Klageantrag nicht entsprochen hat.
28Soweit der Kläger hiernach die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 1.236,65 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 begehrt, steht ihm ein solcher Anspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht zu. Insoweit kann die zwischen den Parteien streitige Frage, ob eine Nettopreisvereinbarung getroffen wurde, dahinstehen. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer 1.236,65 € scheidet auch dann aus, wenn sich die Parteien, wie der Kläger vorträgt, auf einen Bruttopreis für die vereinbarten Beherbergungsleistungen verständigt haben. Bei dem Betrag von 1.236,65 € handelt es sich um die Hälfte des Betrages, um den sich der Umsatzsteueranteil der vom Kläger erbrachten Beherbergungsleistungen aufgrund der Reduzierung des Umsatzsteuersatzes von 19 % auf 7 % infolge einer Änderung des § 12 Abs. 2 UStG durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 (BGBl. I 3950) mit Wirkung ab dem 01.01.2010 unstreitig verringerte.
29Dass der Kläger diesen Betrag selbst im Falle einer Bruttopreisvereinbarung nicht beanspruchen kann, folgt allerdings nicht bereits aus § 29 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UStG. Hiernach kann ein Vertragsteil von dem anderen einen angemessenen Ausgleich für eine umsatzsteuerliche Minderbelastung verlangen, wenn die Leistung auf einem Vertrag beruht, der nicht später als vier Kalendermonate vor einer zu einer steuerlichen Minderbelastung führenden Änderung des UStG abgeschlossen worden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall nicht vor. Die Parteien haben den Vertrag nicht mindestens vier Monate vor dem Wirksamwerden der Änderung des § 12 Abs. 2 UStG durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschlossen. Der Vertragsschluss erfolgte nicht vor dem 01.09.2009, sondern erst am 04.12.2009.
30Dass dem Kläger die Differenz zwischen dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Umsatzsteuersatz von 19 % und dem ab dem 01.01.2010 geltenden Umsatzsteuersatz von 7 % auch im Falle einer Bruttopreisvereinbarung nicht zusteht, ergibt sich jedoch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag trifft keine Regelung hinsichtlich der nachträglichen Umsatzsteuerreduzierung, so dass eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommt. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist eine Lücke im Vertrag, die vorliegend zu bejahen ist. Beide Parteien haben bei Vertragsschluss nicht gewusst und nicht berücksichtigt, dass umsatzsteuerliche Veränderungen mit Auswirkungen auf ihren Vertrag (unmittelbar) bevorstanden. Eine Regelung zur Verteilung des Risikos solcher steuerlicher Veränderungen haben die Parteien nicht getroffen. Diese Lücke ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen. Es ist danach zu fragen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten (Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band I, 6. Aufl., § 157 Rz. 47). Eine solche Auslegung orientiert am Vertragszweck ergibt unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben, dass der Kläger den vertraglich vereinbarten Bruttopreis an die neue steuerliche Situation anpassen muss und keinen höheren Bruttobetrag für Beherbergungsleistungen verlangen kann als denjenigen, der sich unter Zugrundelegung des niedrigeren Umsatzsteuersatzes von 7 % ergibt. Da ihnen die kommende Umsatzsteuerreduzierung durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht bekannt war, sind beide Parteien bei Vertragsschluss dem gleichen Kalkulationsirrtum unterlegen. Der Kläger hat sein Angebot auf der Grundlage des seinerzeit geltenden Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen von 19 % kalkuliert, wobei er den Mehrwertsteuerbetrag an das Finanzamt hätte abführen müssen. Der Betrag wäre nicht in sein Vermögen geflossen. Dass der Kläger sein Angebot auch im Falle beiderseitiger Kenntnis der umsatzsteuerlichen Veränderung mit einem ihm verbleibenden höheren Gewinnanteil hätte durchsetzen können, hat er nicht vorgetragen. Die Beklagte ihrerseits hat bei Vertragsschluss ebenfalls mit einem Umsatzsteueranteil von 19 % kalkuliert. Sie ist insoweit von einem "durchlaufenden Posten" ausgegangen und hat angenommen, dass sie im Umfang von 19 % der vereinbarten Gesamtsumme nicht belastet wird.
31Diesem Auslegungsergebnis für den Fall einer Bruttopreisvereinbarung steht nach Auffassung der Kammer die spezielle gesetzliche Regelung des § 29 UStG nicht entgegen. Die Vorschrift vermag die Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu verdrängen, weil sie die Besonderheiten des Streitfalles nicht erfasst. Dem in § 29 Abs. 1 Satz 1 UStG geregelten Viermonatszeitraum liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zu Grunde, dass gesetzlich bereits angeordnete, aber erst später wirksam werdende umsatzsteuerliche Veränderungen spätestens vier Monate vor ihrem Wirksamwerden publik geworden sind, so dass sich Vertragsparteien jedenfalls binnen der letzten vier Monate vor dem Wirksamwerden einer Veränderung darauf einstellen und diese berücksichtigen können (vgl. hierzu Wittmann/Zugmaier, NJW 2006, 2150, 2151). Eine solche Möglichkeit hatten die Parteien im Hinblick auf die umsatzsteuerlichen Änderungen durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 indes nicht. Dieses befand sich am Tag ihres Vertragsschlusses noch im Gesetzgebungsverfahren. Eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes war zu diesem Zeitpunkt gesetzlich noch nicht angeordnet. Inhalte des am 26.10.2009 geschlossenen Koalitionsvertrages der späteren Regierungsparteien, auf welchen der Kläger mit der Berufung hinweist, ohne darzulegen, ob er auch den Parteien bekannt war, stehen einer gesetzlichen Anordnung nicht gleich.
32Dem Ergebnis, dass ein weiterer Zahlungsanspruch des Klägers nicht besteht, steht auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten entgegen. Ein solches Anerkenntnis hat die Beklagte nicht abgegeben. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte, wie der Kläger behauptet, vor Begleichung der Abschlagsrechnung keinen Vorbehalt hinsichtlich der darin von ihm vorgenommenen Berechnung erklärt hat. Die schlichte Zahlung einer Rechnung lässt sich ohne weitere Anhaltspunkte für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen – die im Streitfall fehlen – nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis auslegen (Palandt-Sprau, 71. Aufl., § 781 Rz. 8).
33Mangels eines bestehenden Anspruchs in der Hauptsache stehen dem Kläger auch Zinsen aus dem mit der Berufung noch geltend gemachten Betrag von 1.236,65 € nicht zu.
34b) Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Berufung der Beklagten begründet ist, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 1.236,65 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.06.2010 wendet. Zu Unrecht hat das Amtsgericht eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Hälfte des Differenzbetrages von 2.473,30 € angenommen, um den sich die Umsatzsteuerbelastung der vom Kläger erbrachten Beherbergungsleistungen aufgrund der Reduzierung des Umsatzsteuersatzes zum 01.01.2010 verringerte. Wie dargelegt, ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB, dass der Kläger selbst im Falle einer Bruttopreisvereinbarung die Differenz zwischen dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Umsatzsteuersatz von 19 %, mit dem die Parteien kalkulierten, und dem ab dem 01.01.2010 geltenden Umsatzsteuersatz von 7 % nicht beanspruchen kann.
352.
36Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher anwaltlicher Kosten bleibt die Berufung der Beklagten ohne Erfolg, während die Berufung des Klägers hinsichtlich der insoweit geltend gemachten Zinsforderung teilweise Erfolg hat.
37a) Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.099,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2010 wendet.
38Dem Kläger steht auf seinen in der Berufungsinstanz gestellten – zulässigen – Hilfsantrag gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung dieses Betrages an seine Prozessbevollmächtigten zu. Die entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten aus einem Streitwert bis 35.000 € stellen als Kosten der Rechtsverfolgung einen ersatzfähigen Verzugsschaden dar. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Zahlungsverzug. Nach seiner Abschlussrechnung vom 16.05.2010 hatte der Kläger die Beklagte mit Mahnschreiben vom 04.06.2010 zur Zahlung des noch nicht beglichenen Betrages von 33.342,45 € für die von ihm erbrachten Beherbergungs- und Bewirtungsleistungen aufgefordert. Dem daraus folgenden Verzugseintritt steht nicht entgegen, dass die Forderung des Klägers nur in Höhe des später von der Beklagten noch beglichenen Betrages von 30.869,15 € (33.342,45 € abzüglich 2.473,30 €) berechtigt war. Dieser Umstand verhinderte weder eine wirksame Mahnung hinsichtlich des auch nach Auffassung der Beklagten jedenfalls geschuldeten Betrages von 30.869,15 € noch entschuldigte er die Nichtzahlung gemäß § 286 Abs. 4 BGB. Die Beklagte konnte unschwer erkennen, welcher Betrag nach Abzug des wegen der Umsatzsteuerreduzierung nicht zu zahlenden Betrages von 2.473,30 €, der sich anhand der Rechnung des Klägers bestimmen ließ, von ihr noch zu zahlen war. Der Kläger durfte sich wegen des Zahlungsverzugs der Beklagten auch vorgerichtlicher anwaltlicher Hilfe bedienen. Angesichts der Höhe der nicht beglichenen Forderung und des Schreibens der Beklagten vom 10.06.2010 durfte er die Einschaltung eines Rechtsanwalts als erforderlich und zweckmäßig ansehen.
39Die Forderung ist auch in der vollen Höhe von 1.099,- € berechtigt, obgleich dem Kläger zum Zeitpunkt der Mahnung nur noch ein Betrag von 30.869,15 € zustand. Bei der Berechnung der 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist gemäß Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG auch noch bei diesem Betrag ein Streitwert bis 35.000 € zu Grunde zu legen, so dass sich unter Hinzurechnung der Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG der geltend gemachte Betrag von 1.099,- € netto ergibt.
40Entsprechend dem vom Kläger in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag war die Beklagte allerdings abweichend vom erstinstanzlichen Urteil zur Zahlung an die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu verurteilen. Dass der Kläger den Betrag von 1.099,- € bereits an seine Prozessbevollmächtigten gezahlt hat, was Voraussetzung für einen Anspruch auf Zahlung an ihn selbst und damit die Begründetheit seines diesbezüglichen Hauptantrages wäre, hat er nicht vorgetragen.
41Auch soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 1.099,- € ab dem 25.10.2010 wendet, ist die Berufung unbegründet. Ein entsprechender Verzinsungsanspruch des Klägers bestand gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB bereits ab dem 03.07.2010. Die Beklagte befand sich ab diesem Tag mit der Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten an die Prozessbevollmächtigten des Klägers in Verzug. Die anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 18.06.2010 enthielt hinsichtlich der Zahlung der vorgerichtlichen anwaltlichen Gebühren in Höhe von 1.099,- € zugleich eine Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. In dem Schreiben ist für deren Zahlung eine Frist bis zum 02.07.2010 gesetzt worden, verbunden mit dem Hinweis, dass bei verspäteter Zahlung Zinsen anfallen.
42b) Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Berufung des Klägers hinsichtlich der Zinsforderung aus dem Betrag von 1.099,- € teilweise begründet ist. Das Amtsgericht hat dem Kläger Verzugszinsen aus diesem Betrag zu Unrecht erst ab Rechtshängigkeit zugesprochen. Es besteht aufgrund der in der Zahlungsaufforderung vom 18.06.2010 zugleich enthaltenen Mahnung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB ein Verzugszinsanspruch nach Ablauf der in diesem Schreiben für die Zahlung gesetzten Frist, also ab dem 03.07.2010.
43Soweit der Kläger darüber hinaus Zinsen aus dem Betrag von 1.099,- € bereits ab dem 19.06.2010 begehrt, besteht ein solcher Anspruch nicht und ist die Berufung unbegründet. Die in der anwaltlichen Zahlungsaufforderung vom 18.06.2010 zugleich enthaltene Mahnung hinsichtlich der Zahlung der anwaltlichen Gebühren ist mit Blick auf die darin enthaltene Fristsetzung und den Hinweis auf danach entstehende Zinsen so zu verstehen, dass Verzug erst nach Ablauf der Frist eintreten soll, also erst ab dem 03.07.2010.
44Soweit der Kläger mit seiner Berufung schließlich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz statt der vom Amtsgericht zugesprochenen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz begehrt, steht ihm ein solcher Anspruch nicht zu und ist die Berufung unbegründet. Für den Betrag von 1.099,- € gilt der vom Amtsgericht zugesprochene Regelzinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten handelt es sich nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB, für die ein höherer Verzugszinssatz beansprucht werden könnte. Es handelt sich bei dem Betrag vielmehr um einen Verzugsschaden gemäß § 280 Abs. 2 BGB.
453.
46Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung von 10,- € Mahnkosten wendet, ist ihre Berufung begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz von Mahnkosten nicht zu. Kosten für eine verzugsbegründende Erstmahnung sind nicht gemäß § 280 Abs. 2 BGB als Verzugsschaden erstattungsfähig. Bei der Mahnung vom 04.06.2010 handelt es sich um eine verzugsbegründende Erstmahnung. Weitere Mahnungen vor der Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten und deren Schreiben vom 18.06.2010, das keine gesonderten Mahnkosten auszulösen vermag, trägt der Kläger nicht vor. Die Beklagte befand sich vor dem Mahnschreiben vom 04.06.2010 auch nicht bereits aus anderen Gründen mit der Zahlung in Verzug. Insbesondere scheidet ein Verzugseintritt nach § 286 Abs. 3 BGB aus. Die Schlussrechnung des Klägers datierte vom 16.05.2010. Zum Zeitpunkt der Mahnung vom 04.06.2010 waren noch keine 30 Tage seit Rechnungszugang vergangen.
47III.
48Die Kosten der Anrufung des örtlich unzuständigen Amtsgerichts Eutin fallen gemäß § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO unabhängig von der weiteren Kostenverteilung dem Kläger zur Last. Da die Parteien im Übrigen anteilig obsiegen und unterliegen beruht die für die übrigen Kosten des Rechtsstreits zu bildende Kostenquote entsprechend ihrem Obsiegens- und Unterliegensanteil auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
49Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
50IV.
51Beschränkt auf den Kläger sowie einen abtrennbaren Teil des Anspruchs lässt die Kammer gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, 1. Alt. ZPO die Revision zu.
52Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO und erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO. Die im Streitfall zu entscheidende Frage, wie sich die Vorschrift des § 29 UStG mit ihrer Viermonatsfrist in Abs. 1 Satz 1 zu den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung verhält, ist noch in einer unbestimmten Zahl weiterer Fälle zu erwarten. Der Einzelfall gibt zugleich Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung des § 29 UStG in Fällen wie dem vorliegenden aufzuzeigen, in dem umsatzsteuerliche Veränderungen weniger als vier Monate vor ihrem Wirksamwerden Gesetzeskraft erlangen.
53Anlass, die Revision auch zugunsten der Beklagten bzw. für den Kläger in noch weiterem Umfang zuzulassen, bestand hingegen nicht. Insoweit liegen die Zulassungsvoraussetzungen nicht vor.
54Streitwert für beide Instanzen: 3.582,30 €
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