Urteil vom Landgericht Wuppertal - 9 S 221/11
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal, 99 C 44/11, vom 22.06.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
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Gründe
2Die Klägerin verlangt von der Beklagten restliche Vergütung für den dreiwöchigen Aufenthalt der Beklagten und ihres Ehemannes im Kurbad xxbad, Bad G. Die Beklagte ist der Auffassung, eine Minderung des Reisepreises von mindestens 50 % sei wegen vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms angemessen.Das Amtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme angenommen, dass der Reisepreis hinsichtlich der Unterbringungskosten um 20 % pro Tag mit Ausnahme der Sonntage wegen Baulärms mindert gewesen sei. Dass Baulärm vorhanden gewesen sei, habe die Beweisaufnahme ergeben, wobei dieser jedoch nicht feststellbar auch in dem Massageraum zu hören gewesen sei. Andererseits sei nicht erwiesen, dass der Beklagten ein gleichwertiges Zimmer angeboten worden sei. Es seien lediglich die Unterbringungskosten – ausgenommen der ruhigen Sonntage – zu mindern gewesen, weil hinsichtlich der weiteren Kosten die Beklagte und ihr Ehemann einzeln abgerechnete und trennbare Leistungen in Anspruch genommen hätten, deren Qualität nicht nachweislich unter Baulärm gelitten habe.Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiterhin die vollständige Klageabweisung erstrebt und hierzu unter anderem vorträgt: Das Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern und sei, was die Höhe der festgestellten Minderungsquote anbelange, in sich widersprüchlich. Das Amtsgericht habe die Auswirkungen der Störungen auf das spezifische zur Rehabilitation anstehende Erkrankungsbild der Beklagten – sogenanntes Sjögren - Symptom – nicht berücksichtigt. Eine Minderungsquote von mindestens 50 % sei hinsichtlich der reinen Unterbringungskosten gerechtfertigt. Widersprüchlich sei, dass das Amtsgericht eine Minderung für die privatärztlichen Leistungen und andere Zusatzleistungen nicht anerkannt habe, obwohl es selbst ausgeführt habe, der Baulärm habe den gewünschten Erholungseffekt eines Rehabilitationsaufenthaltes erheblich eingeschränkt. Diese Wertung des Amtsgerichts widerspreche zudem den von ihm für übertragbar eingestuften Grundsätzen des Reisevertragsrechts. Durch die festgestellten Beeinträchtigungen seien auch die Ergebnisse der Anwendungen/ärztlichen Leistungen entsprechend beeinträchtigt worden.
3Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist unbegründet.Die Beklagte ist jedenfalls in Höhe des ausgeurteilten Betrages zur Bezahlung der in Anspruch genommenen Leistungen der Klägerin verpflichtet. Dass sie aufgrund von Lärmbelästigungen berechtigt wäre, mehr als vom Amtsgericht zugestanden zu mindern, ist nicht ersichtlich. 1.Das Vertragsverhältnis der Parteien stellt einen im BGB nicht besonders geregelten gemischten Vertrag dar, der zumindest wie ein Beherbergungsvertrag zu behandeln ist. §§ 651a ff BGB sind nur auf Pauschalreisen anwendbar (Tonner in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., vor § 651a Rn. 12 – 14). Vorliegend hatte demgegenüber die Beklagte selbst den Vertrag mit der Klägerin als Hotelier abgeschlossen, so dass eine sog. Individualreise vorliegt. Der Vertrag ist nicht über einen dritten Veranstalter zu Stande gekommen und vereinbart war zudem keine (Behandlungs-) Pauschale, sondern die einzelnen Leistungen wurden separat abgerechnet (vergleiche Tonner, a.a.O., 4. Auflage, § 651a, Rn. 25 und 28). Die Bestimmungen des Reisevertragsrechts sind darüber hinaus auf Kuraufenthalte wegen des medizinischen Zweckes unanwendbar (Sprau in: Palandt, BGB, 70. Auflage, vor § 651a, Rn. 5). Etwas anderes gilt hier nicht deshalb, weil der Ehemann der Beklagten diese begleitet hat. Abgesehen davon, dass auch er medizinische Leistungen in Anspruch genommen hat, handelte es sich nicht um eine Reise im Sinne der genannten Vorschriften. Denn ob ein Vertrag wie der vorliegende als Beherbergungsvertrag oder als Krankenhausvertrag zu behandeln ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Beim Krankenhausvertrag handelt es sich zwar auch um einen gemischten Vertrag, doch treten die Elemente der Miete, des Werkvertrages und gegebenenfalls des Kaufvertrages hinter den dienstvertraglichen Charakter zurück (Müller-Glöge in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 611, Rn. 105). Der Beherbergungsvertrag fasst ebenfalls Elemente aus Miete mit solchen aus Kauf-, Dienst-, Werk-und Verwahrungsvertrag zusammen, wobei jedoch im Falle von Leistungsstörungen die für das jeweilige Vertragselement geltenden besonderen Bestimmungen anzuwenden sind (Henssler in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage, § 701, Rn. 6).Im Entscheidungsfall ist es sachgerecht, den Vertrag der Parteien wie einen Beherbergungsvertrag zu behandeln, weil zunächst nur ein typischer Wellness-Aufenthalt gebucht war (vgl. Buchungsbestätigung, Bl. 9f d.A.) und medizinische Kurleistungen vor Ort und nur für die Beklagte selbst geplant wurden (vgl. ärztliche Liquidation, Bl. 17 d.A.). Hierauf ist die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2012 hingewiesen worden.2.Bei der gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Höhe der Minderung nach § 536 I 2 BGB sind maßgeblich folgende Umstände zu berücksichtigen: Das Ruhe- und Erholungsbedürfnis der Beklagten war krankheitsbedingt gesteigert. Sonntags herrschte Ruhe. Die Abend- und die Nachtruhe waren darüber hinaus stets gewährleistet. Der Baulärm war abgesehen vom Zimmer der Beklagten nur in Teilbereichen des Gebäudes, insofern jedenfalls nicht nachgewiesenermassen auch in den Räumlichkeiten, in denen die Anwendungen stattfanden, zu hören. Der Vortrag der Beklagten zum Umfang und den Folgen (weitere Stresssymptome) der Lärmbelästigung war dürftig und ist, was die betroffenen Hotelbereiche anbelangt, durch die erstinstanzliche Beweisaufnahme – insoweit von der Berufung nicht angegriffen - teilweise nicht bestätigt worden.Von daher ist die von der Beklagten mit mindestens 50% angesetzte Minderungsquote für die Unterbringungskosten sowie in gleicher Höhe für die Anwendungen und ärztlichen Leistungen, was im Übrigen den Berufungsantrag schon rechnerisch nicht zu rechtfertigen vermag, nach Auffassung der Kammer verfehlt. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Sachverhalte in den von der Beklagten herangezogenen Entscheidungen mit demjenigen des vorliegenden Entscheidungsfalles nicht vergleichbar sind.a) UnterbringungskostenHier war in Ergänzung der oben aufgeführten Erwägungen massgeblich, dass der Preis pro Person und Zimmer nicht nur die reine Unterkunft beinhaltete, sondern diverse Leistungen wie Halbpension, Hallenbad, Sauna, Fitnessbereich, PKW-Stellplatz, Fahrradverleih u.a. (vgl. Buchungsbestätigung, Bl. 9 d.A.). Dass diese Leistungen beeinträchtigt worden wären, hat die Beklagte selbst nicht behauptet bzw nachgewiesen. Außerdem war der Ehemann der Beklagten anscheinend nicht gesundheitlich bedingt besonders ruhebedürftig. Von daher ist die vom Amtsgericht vorgenommene Bemessung der Minderungsquote von 20% gemäß § 287 ZPO im Ergebnis nicht zu beanstanden. b) Die Kurtaxe als öffentliche Abgabe ist kein Entgelt für die Leistungen der Klägerin und deshalb einer Minderung nicht zugänglich. Die entsprechende Nichtberücksichtigung durch das Amtsgericht ist von der Beklagten in ihrer Berufung auch nicht gesondert angegriffen worden.c) Zusatzleistungen gemäß Rechnung 49/9815/1 (Bl. 12 d.A.)Zu Recht hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit die Voraussetzungen eines Minderungsrechtes – z.B. nach Mietrecht für die Garage und nach Kaufrecht für die Minibarprodukte – offensichtlich nicht gegeben sind. d) Anwendungen und medizinische LeistungenLeistungsstörungen in diesem Zusammenhang sind nach den obigen Ausführungen nach §§ 611ff BGB zu beurteilen, da es sich um dem Dienstvertragsrecht unterfallende Leistungen handelt. Dabei mag zugunsten der Beklagten die Richtigkeit ihres – unsubstantiierten – Vortrages unterstellt werden, dass, soweit es die von ihr in Anspruch genommenen Leistungen anbelangt, „die Ergebnisse … entsprechend beeinträchtigt worden“ sind. Eine Minderung sieht das Gesetz nämlich insoweit nicht vor (Weidenkaff in Palandt, BGB, 71. Auflage, § 611, Rn. 16). Ein Schadensersatzanspruch ist weder beziffert, noch sonst geltend gemacht worden. Ein gesonderter Hinweis war insofern schon deshalb entbehrlich, weil die Beklagte (bzw. ihr Ehemann) die betreffenden Leistungen vor Ort in Kenntnis des Baulärms gebucht hat, was einem Anspruch schon wegen des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens entgegen stünde. e) ErgebnisDie Unterbringungskosten beliefen sich auf (2 x 1.806 € =) 3.612 €. 20% hiervon sind 722,40 €. Werden diese von dem noch nicht bezahlten klagegegenständlichen Gesamtbetrag von 3.497,10 € in Abzug gebracht, verbleibt jedenfalls der ausgeurteilte Betrag.3.Die Nebenforderungen sind nicht gesondert angegriffen worden.
4Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.619,90 (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
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