Urteil vom Landgericht Wuppertal - 5 O 242/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um die Rückzahlung geleisteter Vorfälligkeitsentschädigungen nach Widerruf zweier Darlehensverträge.
3Mit Antrag vom 28.10.2008 beantragten die seinerzeit in T wohnhaften Kläger bei der Beklagten, die ihren Sitz in G hat, über das Vermittlungsunternehmen O AG eine Finanzierung in Höhe von insgesamt 110.000,00 EUR, aufgeteilt in ein Annuitätendarlehen über 76.000,00 EUR und ein KfW-refinanziertes Darlehen in Höhe von 35.000,00 EUR, zum Erwerb einer Eigentumswohnung.
4Mit einem als Vertragsangebot bezeichneten Schreiben vom 05.11.2008 bot die Beklagte den Klägern ein Darlehen Nr. xxxx über 76.000,00 EUR, mit einem als Vertragsangebot bezeichneten Schreiben vom 10.11.2008 ein Darlehen Nr. #####/#### über 35.000, 00 EUR an. Auf den Schreiben befand sich u.a. folgende Formulierung:
5„An dieses Angebot halten wir uns 14 Tage ab Datum dieses Angebots gebunden. Der Vertrag kommt zustande, sobald dieses Vertragsangebot unterschrieben von allen Darlehensnehmern bis zum 21.11.2008 bei der J AG eingeht.“
6Die Kläger erhielten von den Vertragsangeboten, welche die Vertragskonditionen beinhalteten, jeweils zwei Ausfertigungen. Jeweils eine Ausfertigung war für die Kläger bestimmt, kenntlich gemacht durch die Überschrift „Ausfertigung für den Kunden“, jeweils eine mit der Bemerkung „Bitte unterschrieben zurück“ versehene Ausfertigung war für die Beklagte bestimmt. Die Kläger unterschrieben die für die Beklagte vorgesehenen Ausfertigungen unter dem 12.11.2008 und schickten sie an die Beklagte. Die unterschriebenen Ausfertigungen (im Folgenden: Darlehensverträge) gingen am 14.11.2008 bei der Beklagten ein.
7Die Darlehensverträge enthielten jeweils folgende gleichlautende Widerrufsbelehrung:
8Widerrufsbelehrung
9Widerrufsrecht
10Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist, und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV. Die Widerrufsfrist beginnt ebenfalls nicht vor Vertragsabschluss zu laufen. Dieser erfolgt am Tag des Eingangs des von Ihnen unterschriebenen Darlehensvertrags bei der J AG. Sollten Sie noch kein Kunde der J AG sein, hängt der Vertragsabschluss – und damit der Beginn der Widerrufsfrist – zusätzlich von der Durchführung der Identitätsfeststellung ab. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: J AG, U-Allee, G, Telefax: #####/####, E-Mail: ####@##.##.
11[…]
12Wegen der weiteren Einzelheiten der Darlehensverträge wird auf die in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Darlehensverträge vom 05.11./12.11.2008 und vom 10.11./12.11.2008 (Bl. 13 ff. GA; Bl. 20 ff. GA) verwiesen.
13Mit zwei Schreiben vom 18.11.2009 bestätigte die Beklagte den Klägern das Zustandekommen der Darlehensverträge.
14Mit Kaufvertrag vom 20.12.2012 veräußerten die Kläger die mit den Darlehen finanzierte Eigentumswohnung. Die grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen der Beklagten aus den Darlehensverträgen wollten sie aus dem Kaufpreis ablösen. Mit Schreiben ihres Notars vom 20.12.2012 baten sie die Beklagte daher um Mitteilung des Ablösungsbetrages.
15Mit Schreiben vom 08.02.2013 bot die Beklagte den Klägern die Auflösung der Darlehensverträge an. Die von den Klägern zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung bezifferte die Beklagte für das Darlehen Nummer #####/#### mit 7.339,49 EUR zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 200,00 EUR, für das Darlehen Nummer #####/#### mit 6.006,60 EUR, insgesamt 13.546,09 EUR.
16Mit Schreiben vom 01.03.2013 baten die Kläger um detaillierte Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. In dem Schreiben kündigten sie ferner an, die von der Beklagten geforderten Zahlungen nur vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung zu leisten.
17Mit Überweisungen vom 02.04.2013 zahlten die Kläger an die Beklagte die von dieser geforderte Vorfälligkeitsentschädigung nebst Bearbeitungsgebühr, insgesamt einen Betrag in Höhe von 13.546,09 EUR.
18Gut ein Jahr später, am 16.04.2014, widerriefen die Kläger durch anwaltliches Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen und forderten die Beklagte erfolglos zur Rückzahlung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen auf.
19Sie sind der Ansicht, ihr mit Schreiben vom 16.04.2014 erklärter Widerruf sei wirksam. Das Widerrufsrecht sei nicht verfristet, denn die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen seien fehlerhaft. Insbesondere sei die Formulierung zum Fristbeginn missverständlich. Die Beklagte könne sich zudem nicht auf die Schutzwirkung der seinerzeit geltenden Musterwiderrufsbelehrung berufen, da die zur Anwendung gelangten Widerrufsbelehrungen nicht dem damals gültigen Muster entsprachen.
20Sie beantragen,
21die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 13.546,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2014 zu zahlen;
22festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung in Verzug befindet;
23die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 1.416,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, denn das Landgericht Wuppertal sei örtlich unzuständig.
27Die Klage sei zudem unbegründet. Die Widerrufsbelehrungen genügten den gesetzlichen Anforderungen, zudem könne sich die Beklagte auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung gem. § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen. Im Übrigen sei der von den Klägern erklärte Widerruf verwirkt und zudem rechtsmissbräuchlich.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30I.
31Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Wuppertal örtlich zuständig.
32Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 ZPO.
33Nach allgemeiner Meinung gilt § 29 ZPO auch für vertragsähnliche Sonderbeziehungen, zu welchen auch Rückabwicklungsverhältnisse nach Rücktritt oder Widerruf zu zählen sind (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 29 Rn. 6; Prütting/Gehrlein, ZPO, § 29 Rn. 5).
34Zwar ist umstritten, ob § 29 ZPO auch auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB anwendbar ist. Nach Auffassung des Gerichts ist eine unterschiedliche Behandlung eines solchen Anspruchs gegenüber einem Anspruch nach erklärtem Rücktritt bzw. Widerruf nicht gerechtfertigt, so dass § 29 ZPO auf einen aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB geltend gemachten Anspruch anwendbar ist (in diesem Sinne Zöller/Vollkommer, § 29 Rn. 6; Musielak/Heinrich, ZPO, § 29 Rn. 7; Prütting/Gehrlein, ZPO, § 29 Rn. 5).
35Für die Bestimmung des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO kommt es darauf an, wo die (primäre) streitige Verpflichtung zu erfüllen war oder wäre (Zöller/Vollkommer, § 29 Rn. 23). Verpflichtungen des Darlehensnehmers aus dem Darlehensvertrag sind gemäß § 269 BGB im Zweifel am Wohnsitz des Darlehensnehmers als Schuldner zu erfüllen (BGH, NJW-RR 2005, 581, 583; Zöller/Vollkommer, § 29 Rn. 25, Stichwort „Darlehensvertrag“; OLG Düsseldorf, 6 U 90/99, juris). Für die Rückgewährpflichten nach Widerruf des Darlehensvertrages gilt nach Auffassung des Gerichts nichts anderes; auch für diese ist der Wohnsitz des Darlehensnehmers Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO (s. Zöller/Vollkommer, § 29 Rn. 24 für Fernabsatz- und Kaufverträge). Die Kläger hatten ihren Wohnsitz im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse im November 2008 und auch noch im Zeitpunkt des von ihnen erklärten Widerrufs am 16.04.2014 in T. Mithin ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Wuppertal gegeben.
36II.
37Die Klage ist jedoch unbegründet. Den Klägern steht ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihnen geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen nicht zu.
38Auf das vorliegende Vertragsverhältnis finden das BGB, das Einführungsgesetz zum BGB und die BGB-Informationspflichten-Verordnung in der bis zum 10. 06.2010 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB).
39Die Kläger haben weder aus §§ 346 Abs. 1 iVm 357, 355 BGB a.F. noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung in Höhe von 13.546,09 EUR.
401.
41Die Kläger haben die Darlehensverträge nicht wirksam widerrufen. Zwar stand den Klägern ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB a.F. zu. Der mit Schreiben vom 16.04.2014 erklärte Widerruf erfolgte jedoch nicht, wie von § 355 Abs. 1 BGB a.F. vorgesehen, innerhalb von zwei Wochen.
42Entgegen der Ansicht der Kläger war die zweiwöchige Widerrufsfrist in Gang gesetzt worden, denn die Widerrufsbelehrung war nicht fehlerhaft.
43§ 355 BGB Abs. 2 a.F. lautet wie folgt:
44(1) ¹Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. ²Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.
45(2) ¹Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelungen des Abs. 1 Satz 2 enthält. ²Wird die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt, beträgt die Frist abweichend von Abs. 1 Satz 2 einen Monat. ³Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer.
46(3) ¹Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. ²Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. ³Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen ferner nicht, wenn der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 Nr. 1 nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
47a) Die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen entsprachen den seinerzeit geltenden Anforderungen des § 355 BGB a.F. Sie wahrten die vorgeschriebene Textform, waren drucktechnisch durch einen gesonderten Rahmen sowie die Verwendung von Fettdruck deutlich gestaltet und enthielten die Angabe des Adressaten der Widerrufserklärung.
48Ferner enthielten die Widerrufsbelehrungen den nach § 355 Abs. 2 Satz 2 a.E. BGB a.F. erforderlichen Hinweis auf die Regelung des Absatzes 1 Satz 2.
49Außerdem hat die Beklagte, wie von § 355 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz BGB a.F. vorgesehen, ihre Mitteilungspflichten gem. § 312c Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. ordnungsgemäß erfüllt. Die Widerrufsbelehrungen entsprechen insoweit zudem dem Gestaltungshinweis 3 b) bb) gem. Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV in der Fassung ab dem 01.04.2008 bis 04.08.2009.
50Mängel in Bezug auf die genannten und weitere Anforderungen sich nicht ersichtlich und werden von den Klägern, mit Ausnahme der gerügten Belehrung über den Fristbeginn, auch nicht dargetan.
51b) Zu Unrecht halten die Kläger die von der Beklagten verwendete Formulierung zum Fristbeginn für missverständlich und damit verbunden die gesamte Widerrufsbelehrung für unwirksam.
52aa) Die von den Klägern vorgebrachten Bedenken hinsichtlich des Hinweises auf den Fristbeginn greifen nicht durch. Zutreffenderweise hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt, „bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist“. Dieser Hinweis steht im Einklang mit den in § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB vorgegebenen Formulierungen. Ferner ist die von der Beklagten gewählte Formulierung identisch mit dem Formulierungsvorschlag gem. Gestaltungshinweis 3 a) gem. Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV in der Fassung ab dem 01.04.2008 bis 04.08.2009.
53bb) Die genannte Voraussetzungen (Erhalt der Vertragsurkunde, des schriftlichen Antrags des Verbrauchers oder Abschriften der entsprechenden Unterlagen) liegen ebenfalls vor. Die Beklagte hatte den Klägern mit Schreiben vom 05.11.2008 jeweils zwei Ausfertigungen der „Vertragsangebote“ übersandt, wovon jeweils eine zum Verbleib bei den Klägern bestimmt war. Hierbei handelt es sich um eine Vertragsurkunde im Sinne von § 355 Abs. 2 BGB. Richtig ist zwar, dass die Unterlagen mit der Überschrift „Vertragsangebot“ versehen waren. Dadurch, dass die Kläger die schriftlichen Angebote unterschrieben haben und die von ihnen unterzeichneten Unterlagen bei der Beklagten eingegangen sind, sind die Darlehensverträge zustande gekommen und die als Vertragsangebot bezeichneten Unterlagen gleichzeitig Vertragsurkunden. Insofern kann den Klägern in ihrer Argumentation nicht gefolgt werden, es fehle an einer Vertragsurkunde oder eines Antrags des Verbrauchers. Es war für die Kläger aufgrund der Formulierung in den Vertragsangeboten („Der Vertrag kommt zustande, sobald diese Vertragsangebot unterschrieben…“) auch erkennbar, dass aus dem Vertragsangebot durch Gegenzeichnung und Übersendung an die Beklagte ein Vertrag zustande kommt, sie mit der für sie bestimmten Ausfertigung also eine Vertragsurkunde und nicht lediglich ein Vertragsangebot behalten.
54cc) Ohne Erfolg wenden sich die Kläger gegen die Belehrung der Beklagten, soweit diese darauf hingewiesen hat, dass die Widerrufsfrist nicht vor Vertragsabschluss zu laufen beginnt und dieser am Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrages bei der J AG erfolgt.
55Die Beklagte hat, entsprechend der Vorgabe gem. § 312d Abs. 6 iVm Abs. 2 BGB a.F. ordnungsgemäß darauf hingewiesen, dass die Widerrufsfrist nicht vor dem Tage des Vertragschlusses zu laufen beginnt. Die Formulierung entspricht insoweit dem Gestaltungshinweis 3 b) bb) gem. Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV in der Fassung vom 01.04.2008 bis 04.08.2009.
56Nach Auffassung des Gerichts ist kein Verstoß darin zu sehen, dass die Beklagte zusätzlich darüber belehrt hat, dass der Vertragsabschluss am Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrages erfolge. Die dahingehende Formulierung verstößt nicht gegen § 355 Abs. 2 BGB a.F. Den Klägern ist zwar insoweit zuzugeben, dass anhand der Belehrung allein nicht genau erkennbar ist, wann genau die Frist zu laufen beginnt, da zunächst unbekannt ist, wann der Zugang des Darlehensvertrages bei der Bank letztlich erfolgen wird. Allerdings ist die Angabe eines konkreten Datums des Fristbeginns nach § 355 Abs. 2 BGB a.F. auch nicht erforderlich. Hiernach bedarf es lediglich eines Hinweises auf den Fristbeginn. Es ist daher insbesondere nicht erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage zu bezeichnen. Es reicht aus, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst (vgl. BGH, Urt. v. 27.04.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800). Den Fristbeginn hat die Beklagte mit der Formulierung „Die Widerrufsfrist beginnt ebenfalls nicht vor Vertragsschluss zu laufen. Dieser erfolgt am Tag des Eingangs des von Ihnen unterschriebenen Darlehensvertrags bei der J AG.“ rechtlich zutreffend und unmissverständlich beschrieben. Der Beginn der Widerrufsfrist war zwar nicht eindeutig bestimmt, aber durch die von der Beklagten gewählte Formulierung eindeutig und ohne unzumutbare Anforderungen bestimmbar, wodurch die Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. nach Auffassung des Gerichts gewahrt wurden.
57Entgegen der Ansicht der Kläger ist aus der zitierten Rechtsprechung, insbesondere BGH v. 24.03.2009 – XI ZR 456/07, NJW-RR 2009, 1275, nichts Gegenteiliges herzuleiten. Der dort entschiedene Sachverhalt ist mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar. In dem der Entscheidung des BGH v. 24.03.2009 – XI ZR 456/07 – entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob eine (der hier gewählten Formulierung vergleichbare) Belehrung den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 HWiG entsprach. Dies hat der BGH verneint.
58Die dortigen Erwägungen tragen vorliegend allerdings nicht. Denn ein in einer Haustürsituation geschlossener Vertrag wurde gem. § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz HWiG wirksam, wenn der Kunde die Willenserklärung nicht binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerrief. Im Gegensatz hierzu bedürfen Verbraucherdarlehensverträge gem. § 492 Abs. 1 BGB der Schriftform, also der eigenhändigen Unterzeichnung durch die Parteien, § 126 BGB. Einem dem Schriftformerfordernis unterliegenden Vertrag ist aber, wenn er nicht bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien geschlossen wird, immanent, dass der genaue Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages (Zugang beim anderen Vertragsteil) nicht unmittelbar bestimmt ist. Die hiermit verbundene Ungewissheit führt nach Auffassung des Gerichts nicht zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung, wenn diese – so wie hier – den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zutreffend beschreibt und der konkrete Zeitpunkt damit ohne Weiteres – etwa durch Nachfragen bei der Bank über den Eingang der Unterlagen – bestimmbar ist.
592.
60Die Beklagte kann sich zudem auf die Schutzwirkung gem. § 14 Abs. 1 BGB InfoV berufen. Nach dieser Bestimmung genügt die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. und den diesen ergänzenden Vorschriften des BGB, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 BGB InfoV in Textform verwandt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. grundsätzlich nur ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. geregelte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH, Urt. v. 18.03.2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 mwN).
61Zwar hat der BGH in der zitierten Entscheidung ausgeführt, der Verwender könne sich nicht auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung berufen, wenn er den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht. Das gelte unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (BGH, NJW 2014, 2022 Rn. 19).
62Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der von der Beklagten vorgenommen Ergänzung („Dieser erfolgt am Tag des Eingangs des von Ihnen unterschriebenen Darlehensvertrags bei der J AG.“) um keine inhaltliche Änderung im Sinne der Rechtsprechung des BGH und führt deshalb nicht dazu, dass sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. nicht berufen kann. Die von der Beklagten vorgenommene Änderung erschöpft sich darin, das fristauslösende Ereignis, den Vertragsabschluss, näher zu konkretisieren. Nach Auffassung des Gerichts ist der von der Beklagten formulierte Einschub genau so unschädlich, wie wenn der Verwender den im Muster (in seiner bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung) fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn dem Gesetz angepasst hat (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.08.2012 – VIII ZR 378/11, juris).
633. Haben die Kläger den Widerruf somit nicht fristgerecht erklärt, kann dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte sich erfolgreich auf Verwirkung bzw. Rechtsmissbrauch berufen kann.
644. Ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung in Höhe von 13.546,09 EUR ergibt sich ferner nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB.
65Die Kläger haben die Zahlungen mit Rechtsgrund geleistet. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Darlehensverträge sind nicht ersichtlich und werden auch von den Klägern nicht behauptet. Der von den Klägern erklärte Widerruf ihrer auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen ist nicht fristgerecht erfolgt (s.o.). Gemäß § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrages entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung). Das Schreiben des Notars der Kläger vom 20.12.2012 ist als Kündigung der Darlehensverträge auszulegen. Die Höhe der von der Beklagten berechneten Vorfälligkeitsentschädigung steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
665. Der weitere von den Klägern gestellte Feststellungsantrag sowie der auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltsgebühren gerichtete Zahlungsantrag unterliegen aus den dargelegten Gründen ebenfalls der Abweisung.
67III.
68Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100 Abs. 1, 709 ZPO.
69Der Streitwert wird auf 13.546,09 EUR festgesetzt.
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