Beschluss vom Landgericht Wuppertal - 9 T 127/15
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der bei dem Amtsgericht Mettmann im Grundbuch von xxxx verzeichneten Grundstücke, welche mit einer brieflosen Grundschuld in Höhe von 3 Millionen DM zu Gunsten der Betroffenen, eingetragen in Abteilung III des Grundbuchs unter laufender Nr. 1, belastet sind. Die Beschwerdeführer begehren die Löschung dieser Grundschuld, zu welcher es ihrer Ansicht nach der Bestellung eines Pflegers für die Betroffene bedürfe. Dazu tragen sie vor: Ab dem Jahr 1991 habe der Vater der Beschwerdeführerin zu 1), Herr B.G.A. K, sämtliche Anteile an der Betroffenen nicht in eigenem Namen, sondern als Treuhänder des F-Treuhandvermögens Nr. 4 gehalten, welches die Beschwerdeführerin zu 1) begründet hätte. Im Dezember 1997 sei der Vater der Beschwerdeführerin von seiner Eigenschaft als Treuhänder zurückgetreten, wobei der Beschwerdeführerin zu 1) die für den Wechsel und Vollzug des Übergangs des F-Treuhandvermögens Nr. 4 in ihre vollständige Kontrolle erforderlichen Dokumente unter dem 13.12.1997 übersandt worden seien (Bl. 41 d.A.). Die Beschwerdeführer berufen sich auf – nicht amtlich beglaubigte – Kopien, aus welchen sich ergäbe, dass die Betroffene am 12.07.1990 in das bahamische Handelsregister eingetragen und am 31.08.2002 mangels Zahlung von Registergebühren gelöscht worden sei. Sie sind der Ansicht, die Grundschuldinhaberin existiere nicht mehr; sie hätten ein rechtliches Interesse an der Löschung der Grundschuld, da nach Übertragung sämtlicher Vermögenswerte, deren Schenkung zunächst an diverse Bedingungen geknüpft gewesen sei, welche später eingetreten seien, die Gesellschaft nicht mehr benötigt werde, die Grundschuld schlicht in Vergessenheit geraten sei und eine von ihnen, den Beschwerdeführern, angestrebte Veräußerung der Immobilie faktisch unmöglich sei, solange im Grundbuch die Grundschuld für die Betroffene eingetragen sei.
4Die Beschwerdeführer haben vor dem Amtsgericht Mettmann beantragt, ihren Verfahrensbevollmächtigten nach § 1913 S. 1 BGB als Pfleger für die nicht mehr existente Grundschuldinhaberin mit dem Wirkungskreis „Erteilung einer Löschungsbewilligung“ zu bestellen.
5Mit angefochtenem Beschluss hat das Amtsgericht Mettmann den Antrag abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 1913 BGB seien auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 10.08.2007 - 13 U 1097/07) nicht gegeben. Zum einen sei bereits schon nicht feststellbar, dass die Betroffene beim zuständigen Registergericht des Gründungsstaates tatsächlich gelöscht worden sei, da es sich bei den zur Akte gereichten Dokumenten lediglich um Kopien handele, aus denen nicht ersichtlich sei, wer sie erstellt habe. Ein beglaubigter Auszug aus dem Handelsregister des Gründungsstaates liege schon nicht vor. Da nach dem Vortrag der Antragsteller keine weiteren Unterlagen mehr vorlägen und nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von 5 Jahren auch vernichtet worden seien, bestehe schon keine Möglichkeit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen. Selbst bei Unterstellung einer Löschung der Betroffenen im Handelsregister des Gründungsstaates sei – anders als in dem der Entscheidung des OLG Nürnberg zugrundeliegenden Sachverhalt und entsprechend den Ausführungen des KG Berlin, Beschluss vom 26.08.1997, 1 W 2905/97 – ein „Fürsorgebedürfnis“ i.S.d. § 1913 BGG zu verneinen, weil an der hier begehrten Pflegschaft kein Interesse der pflegebefohlenen Betroffenen, sondern ausschließlich ein Interesse der Antragsteller bestehe.
6Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 18.05.2015 zugestellt worden. Am 17.06.2015 haben sie durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 03.07.2015 begründet. Sie beantragen, den Beschluss des Amtsgerichts Mettmann vom 23.04.2015 aufzuheben und wie in der Antragsschrift vom 09.03.2015 beantragt zu entscheiden.
7Der Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 24.06.2015 der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
8II.
9Die mit Schreiben vom 04.06.2015 erhobene Beschwerde ist statthaftes Rechtsmittel nach §§ 58 ff. FamFG, jedoch mangels einer Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer gem. § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen gewesen. Bei Unterstellung einer Zulässigkeit des Rechtsmittels wäre es in der Sache ohne Erfolg geblieben.
101.
11Eine Beschwerdebefugnis haben die Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft ist wie deren Aufhebung nur im Rahmen des § 59 Abs. 1 FamFG anfechtbar. Nicht übernommen hat das FamFG die bisherige Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG, wonach über § 20 Abs. 1 FGG hinausgehend gegen eine Verfügung des genannten Inhalts derjenige Beschwerde einlegen konnte, welcher ein rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung hat. Danach reichte für die Bejahung der Beschwerdebefugnis bereits die rechtliche Vorteilhaftigkeit aus, die sich für den Beschwerdeführer aus dem Bestehen der Pflegschaft für die Wahrnehmung seiner eigenen Rechte gegenüber dem Pflegebefohlenen ergeben konnte. Diese erweiterte Anfechtungsbefugnis ist durch die jetzige Neufassung der Vorschriften beseitigt worden (Budde in Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 340 Rn 7).
12a)
13Eine Beschwerdebefugnis ergibt sich nicht aus § 59 Abs. 1 FamFG. Eine solche setzte eine materielle Beschwer in dem Sinne voraus, dass der angefochtene Beschluss die Beschwerdeführer in einem subjektiven Recht unmittelbar beeinträchtigte, d.h. negative Auswirkungen auf ihre materielle Rechtsstellung hätte. Der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung müsste, gegebenenfalls in einer Gesamtschau von Formel und Entscheidungsgründen, ein bestehendes Recht der Beschwerdeführer aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechtes stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren; es genügt nicht, wenn sich die angefochtene Entscheidung nur mittelbar auf die rechtlichen Beziehungen des Beschwerdeführers auswirkt und dieser deshalb ein nachvollziehbares Interesse an ihrer Änderung hat (Meyer-Holz in Keidel, a.a.O., § 59 Rn 9). Die Beschwerdeführer haben den vom Amtsgericht zurückgewiesenen Antrag auf Anordnung einer Pflegschaft allein in ihrer Funktion als Eigentümer der Grundstücke gestellt, welche mit der zu Gunsten der Betroffenen bestellten Grundschuld belastet ist; mit ihrem Antrag beabsichtigen sie, einen Rechtsstreit gegen die Betroffene umgehen zu können, welcher auch aus Sicht der Betroffenen unnötig sei, wie mit der Beschwerdebegründung ausgeführt wird. Diese Erwägungen vermögen eine Vorenthaltung oder Erschwerung ihrer Rechtsstellung infolge der angefochtenen Entscheidung nicht zu begründen. Dass die Betroffene den Beschwerdeführern gegenüber die Erteilung einer Löschungsbewilligung verweigert hätte, insbesondere mit Hinweis auf eine vermeintliche Nichtexistenz infolge ihrer Löschung im bahamischen Handelsregister, oder eine Löschung der Grundschuld vom Grundbuchamt mit der Begründung zurückgewiesen worden wäre, die Betroffene könne als nicht mehr existente Gesellschaft keine wirksamen Erklärungen mehr abgeben, haben die Beschwerdeführer schon nicht dargetan. Davon abgesehen ist es nicht Intention des Instituts einer Pflegschaft i.S.d. § 1913 BGB, Gläubigern einer Gesellschaft unter Umgehung der anzuwendenden gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zu einer möglichst komplikationslosen Durchsetzung ihrer geltend gemachten Ansprüche zu verhelfen.
14b)
15Eine Beschwerdeberechtigung steht den Beschwerdeführern auch nicht gem. § 59 Abs. 2 FamFG aufgrund ihrer Antragstellung zu. Dies setzte voraussetzte, dass die begehrte Anordnung der Pflegschaft für die Betroffene nur auf einen Antrag hin erlassen werden könnte. Ein wirksamer verfahrenseinleitender Antrag ist für die Bestellung eines Pflegers gem. §§ 1913, 1915 BGB jedoch nicht erforderlich; sie ist vielmehr von Amts wegen anzuordnen; ein Antrag stellt nur eine Anregung dar (Schwab in MünchKomm, BGB, 6. Auflage, § 1913 Rn 19).
162.
17Die Beschwerde hätte auch bei Unterstellung einer Beschwerdebefugnis und bei Annahme einer Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels gegen die angefochtene Entscheidung in der Sache keinen Erfolg. Die Kammer schließt sich der zutreffenden Begründung des Amtsgerichts vollumfänglich an, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
18Ergänzend erachtet die Kammer den Antrag auf Bestellung einer Pflegschaft vorliegend bereits aus dem Grund nicht für begründet, weil hier weder unbekannt noch ungewiss ist, wer die Beteiligte ist. Grundschuldinhaberin ist die Betroffene. Sie mag zwar aus dem Handelsregister des Gründungsstaates gelöscht worden sein. Dies führt aber nicht dazu, dass diese nicht mehr existent wäre, wovon die Beschwerdeführer indes ausgehen.
19Zutreffend ist dabei, dass auf der Grundlage der derzeitigen Rechtsprechung das Gesellschaftsstatut, also das Sachrecht des Staates, welches über die Frage eines Fortbestandes der Betroffenen trotz ihrer Löschung zu entscheiden hat, mangels einer Regelung im deutschen IPR-Recht und mangels eines einschlägigen völkerrechtlichen Abkommens sowohl nach der Gründungstheorie als auch nach der Sitztheorie bestimmt werden könnte (vgl. Kindler: in MünchKomm, BGB, 6. Auflage, Band 11, IntGesR, Rn 152 ff).
20Käme das Sachrecht des Gründungsstaates zur Anwendung, so wäre vom Fortbestehen auszugehen. So heißt es im „International Business Companies Act“[1] in „Part IX, winding-up, dissolution and striking-off“ unter Art. 167 (3):
21“The fact that the name of a company is struck off the Register does not prevent-
22(a) that company from incurring liabilities;
23(b) any creditor from making a claim against that company through to judgment or execution; or
24(c) the appointment by the court of an official liquidator for that company under section 168.”
25Wäre, mit den Ausführungen von Kindler (in MünchKomm, a.a.O., Rn 155) die Sitztheorie anzuwenden und davon auszugehen, dass der tatsächliche Sitz der Betroffenen nach Übertragung sämtlicher Anteile an den in Deutschland wohnhaften Vater der Beschwerdeführerin zu 1), welcher seine Erklärungen als Treuhänder unter der Ortsangabe „Erkrath“ und seine Erklärungen vom 13.12.1997 unter der Firma „Cyclos Trust Management, Bergschloesschen, D-40699 Erkrath“ abgegeben hat, in Deutschland gelegen hat, wäre deutsches Sachrecht anwendbar. Nach Gesell (in Rohwedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Auflage, § 60 Rn 60, 54) und der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09) setzt die Beendigung einer der Rechtsform der Betroffenen vergleichbaren GmbH (jedenfalls) ein kumulatives Vorliegen der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft und ihrer Löschung der Eintragung im Handelsregister voraus. Der BGH hat dazu ausgeführt (a.a.O, in juris Rn 22):
26„Die Löschung einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG (= § 141a Abs. 1 FGG aF) hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Die Gesellschaft ist materiell-rechtlich nicht mehr existent (BGH, Urteil vom 5. April 1979 - II ZR 73/78, BGHZ 74, 212; Urteil vom 29. September 1981 - VI ZR 21/80, ZIP 1981, 1268; Urteil vom 28. März 1996 - I ZR 11/94, NJW-RR 1996, 805, 806; Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 57; Casper in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 60 Rn. 93 ff.; krit. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 50 Rn. 44 ff.). Bestehen dagegen Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig. Dafür reicht bei einem Aktivprozess schon die bloße Tatsache, dass die Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1979 - II ZR 257/78, BGHZ 75, 178, 182 f.; Urteil vom 23. Oktober 1958 - II ZR 127/57, WM 1959, 81, 83; Urteil vom 10. Februar 1977 - II ZR 213/74, WM 1977, 581; Urteil vom 21. Oktober 1985 - II ZR 82/85, WM 1986, 145). Bei einem - wie hier - Passivprozess ist die gelöschte Gesellschaft jedenfalls dann parteifähig, wenn der Kläger substanziiert behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden (BGH, Urteil vom 29. September 1967 - V ZR 40/66, BGHZ 48, 303, 307; BGH, Urteil vom 4. Juni 1957 - VIII ZR 68/56, WM 1957, 975; BAG, GmbHR 2003, 1009, 1010; zur Wirkung des möglichen Kostenerstattungsanspruchs siehe BGH, Urteil vom 21. Oktober 1985 - II ZR 82/85, WM 1986, 145)“.
27Vor dem Hintergrund dieser Regelungen kann nicht angenommen werden, dass es unbekannt oder ungewiss i.S.d. § 1913 BGB wäre, wer Inhaber der Grundschuld ist, deren Löschung die Beschwerdeführer begehren. Die Unsicherheit betreffend das Gesellschaftsstatut stellt eine rein rechtliche Unsicherheit dar, welche den Anwendungsbereich des § 1913 BGB nicht eröffnet.
283.
29Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Eine weitere Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
304.
31Die Rechtsbeschwerde war, wie von den Beschwerdeführern beantragt, zuzulassen, § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG. Betreffend die Beschwerdebefugnis ist keine Rechtsprechung ersichtlich, aus welcher sich die Anforderungen an das erforderliche Maß einer Vorenthaltung oder Erschwerung einer möglichen Verbesserung einer Rechtsstellung als Voraussetzung für die Annahme einer unmittelbaren Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts i.S.d. § 59 Abs. 1 FamFG ergäben.
32Rechtsmittelbelehrung:
33Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Sie ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe) einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben und sodann, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, zu begründen. Die Rechtsbeschwerde kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
34
[1] http://www.bfsb-bahamas.com/legislation/IBC_Act.pdf
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Referenzen
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