Urteil vom Landgericht Wuppertal - - 9 Gs 104/16 - 25 Ks-45 Js 4/16-8/16
Tenor
1.
Der Angeklagte ist der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig. Er wird zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von
fünf Jahren
verurteilt.
2.
Auf den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin M Q, dienstansässig beim PP Wuppertal, G-Allee, wird der Angeklagte verurteilt, an diese ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.07.2016 zu zahlen
3.
Es wird festgestellt, dass der Anspruch der Nebenklägerin M Q gemäß Ziffer 2 aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Angeklagten resultiert.
4.
Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs unter Ziffer 2 vorläufig vollstreckbar.
5.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin. Er trägt weiterhin die durch den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin M Q entstandenen Kosten und ihre im Adhäsionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
- §§ 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2, 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5, 52 StGB -
1
Gründe:
2I.
3Der Angeklagte wurde am 24.10.1983 in N geboren. Seinen leiblichen Vater kennt er nicht. Er besuchte in N ein Jahr lang den Kindergarten. Sodann verzog er mit seiner Mutter nach L, welche dort eine Gaststätte eröffnete. Während der Arbeitszeiten seiner Mutter wurde er häufig von seiner Großmutter mütterlicherseits versorgt, welche er als eine „sehr gute Oma“ bezeichnet, von der er Liebe und Zuwendung erfuhr. Über die Beziehung zu seiner Mutter konnte oder wollte er keine näheren Angaben machen.
4Als der Angeklagte etwa zehn Jahre alt war, heiratete seine Mutter seinen Stiefvater. Zu ihm hatte der Angeklagte aber kaum Kontakt, was er darauf zurückführt, dass dieser von morgens bis abends arbeitete. Besondere Störungen im Verhältnis zu seinem Stiefvater vermochte der Angeklagte nicht zu benennen. Schläge oder Misshandlungen gab es in seiner Kindheit nicht. Zu drei in den Jahren 1996, 2000 und 2001 geborenen Halbgeschwistern entstand keine engere Beziehung. Heute hält er zu diesen, ebenso wie zu seiner Mutter und seinem Stiefvater, seit Jahren keinen Kontakt mehr.
5Im Alter von sieben Jahren wurde er zeitgerecht eingeschult und durchlief ohne besondere Auffälligkeiten eine Grundschule. Sodann wechselte er auf die Gesamtschule in L. Dort kam er zunächst leidlich zurecht, musste jedoch die neunte Klasse wiederholen. Da er begann, den Schulunterricht häufig zu schwänzen, bewältigte er die neunte Klasse auch im zweiten Versuch nicht und verließ schließlich die Schule ohne Abschluss. Im Alter von 13 Jahren hatte er mit gleichgesinnten Jugendlichen begonnen, Alkohol und Cannabis zu konsumieren.
6Bereits ab seinem zwölften Lebensjahr lebte der Angeklagte zeitweise in einer Jugend-Unterbringung in L. Zwischen seinem 12. und 15. Lebensjahr wechselte er mehrfach zwischen dieser Einrichtung und dem Haushalt seiner Mutter hin und her, weil diese ihn wiederholt der Wohnung verwies, wenn sie keine Möglichkeit mehr sah, erzieherisch auf ihn einzuwirken. Ab etwa seinem 15. Lebensjahr brach der Kontakt zu seinem Elternhaus aufgrund von Streitigkeiten, zu denen er sich nicht näher äußern wollte, vollständig ab. Der Angeklagte lebte zunächst ein Jahr ohne festen Wohnsitz in diversen Notschlafstellen des Jugendamtes. Er fand zunächst keine Einrichtung, die ihn längerfristig aufgenommen hätte.
7Im Alter von etwa 16 ½ Jahren verbrachte der Angeklagte aufgrund einer richterlichen Weisung einige Zeit in der LVR Klinik in F. Er wurde dort medikamentös, u.a. mit Haldol und Akineton auch gegen seinen Willen behandelt, anschließend erhielt er über ein Jahr Akineton – Depotspritzen. Der Hintergrund für diese Behandlung war nicht näher aufklärbar; mutmaßlich zeigte der Angeklagte Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Cannabiskonsum, wobei er ein Auftreten von psychotischen Erlebnissen negiert. Nach Abschluss der Behandlung wurde er in das G-Haus in C, eine Einrichtung für problematische Jugendliche, entlassen. Dort blieb er bis zu seinem 21. Lebensjahr wohnen. Seine Zeit dort beschrieb er als „in Ordnung“.
8Sodann bezog der Angeklagte seine erste eigene Wohnung, welche er jedoch nach etwa einem bis anderthalb Jahren im Zuge seiner ersten Inhaftierung verlor. Seither ist er, von den nachfolgend dargestellten Haftzeiten abgesehen, ohne festen Wohnsitz. Er nächtigt in L oder V in verschiedenen Notschlafstellen, oder auf der Straße.
9Eine Berufsausbildung hat er niemals begonnen, obwohl keine Einschränkung seiner intellektuellen Fähigkeiten vorliegt. Im Verlaufe einer Inhaftierung erlangte er nachträglich den Hauptschulabschluss, weil er einen Lehrgang im Metallbereich erfolgreich absolvierte. Vor Erreichen seines 21. Lebensjahres war er einmal für etwa sechs Monate als Hilfsarbeiter tätig. Seither stand er in keinem Arbeitsverhältnis mehr.
10In der Vergangenheit konsumierte der Angeklagte regelmäßig und in größerem Umfang von mehreren Gramm täglich THC in Form von Haschisch, ohne dass es zu einem Abhängigkeitssyndrom kam. Seit seinem 23. Lebensjahr hat er den Konsum aus eigenem Antrieb deutlich reduziert und konsumierte zuletzt allenfalls noch gelegentlich, wenn es ihm angeboten wurde. Alkohol trinkt er im Rahmen des Verfügbaren, jedoch nicht exzessiv. Er gibt seinen wöchentlichen Konsum mit etwa fünf oder sechs Flaschen Bier an. Entsprechend bestand bei ihm zum Zeitpunkt der vorliegend abgeurteilten Tat keinerlei Suchtdruck.
11Der Angeklagte hat, was er mit seiner Wohnungslosigkeit begründet, keine engeren Freunde. Er verfügt insgesamt über keinerlei haltgebende soziale Kontakte und unterhält auch keine partnerschaftliche Beziehung. Er entwickelte sich im Verlauf der Jahre aufgrund seiner Lebensverhältnisse zu einer emotional instabilen, impulsiven und dissozialen Persönlichkeit. Er neigt dazu, seine Interessen ohne Rücksicht auf soziale und rechtliche Normen durchzusetzen. Unter seinem "Sosein" sowie seinen Lebensverhältnissen leidet er jedoch subjektiv nicht. Ihm gelang es während der Haftzeiten, sich unter den Bedingungen des Vollzuges zurechtzufinden und in dem ihm vorgegebenen System problemlos „mitzulaufen“. Gleichermaßen kommt er in seinen, von ihm gewählten Lebensverhältnissen in Freiheit zu Recht, in denen er sich zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren erneut eingerichtet hatte, ohne subjektiv den Wunsch nach Veränderung zu verspüren. Seinen Lebensunterhalt bestritt er aus öffentlichen Leistungen, die er sich monatlich regelmäßig abholte. Außerdem beging er im Raum Wuppertal Diebstähle aus Fahrzeugen, die ihre Besitzer versehentlich nicht abgeschlossen hatten.
12Körperlich und geistig ist der Angeklagte gesund. Bei seinen geschilderten Persönlichkeitsauffälligkeiten handelt es sich unter Berücksichtigung ihres Prägungsgrades nicht um Persönlichkeitsstörungen, sondern lediglich um Akzentuierungen, denen kein Krankheitswert anhaftet.
13In strafrechtlicher Hinsicht ist der Angeklagte wie folgt vorbelastet:
141.
15Mit Entscheidung vom 23.04.1998, Az.: 6 Js 891/98, sah die Staatsanwaltschaft Wuppertal von der Verfolgung einer ihm vorgeworfenen Straftat nach § 45 Abs. 2 JGG ab.
162.
17In dem Verfahren Az.: 112 Js 622/99 sah die Staatsanwaltschaft Wuppertal am 27.08.1999 abermals von der Verfolgung einer ihm vorgeworfenen Straftat nach § 45 Abs. 2 JGG ab.
183.
19Mit Urteil vom 28.06.2000, Az.: 22 Ls 30 Js 1471/00, verurteilte ihn das Amtsgericht L wegen Nötigung, Tatzeit: 20.02.2000, zu einem Jugendarrest von einer Woche.
204.
21Danach wurde er am 27.09.2002 durch das Amtsgericht L in dem Verfahren Az.:22 Ds 30 Js 11230/00 wegen Beförderungserschleichung in zwei Fällen, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, Datum der letzten Tat: 19.10.2000, zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe verurteilt, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen, die Strafvollstreckung war am 13.01.2004 erledigt.
225.
23Mit Entscheidung vom 03.09.2003, Az. 30 Js 4659/03 84 Cs, verhängte das Amtsgericht Wuppertal gegen ihn wegen Beförderungserschleichung, Tatzeit: 22.4.2003, eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 5,00 Euro.
246.
25Am 17.12.2003 wurde gegen ihn durch das Amtsgericht Wuppertal, Az.: 30 Js 9512/03 84 Cs eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 5,00 Euro, erneut wegen Erschleichens von Leistungen, Tatzeit: 28.8.2003, verhängt.
267.
27Am 30.04.2004 verhängte wiederum das Amtsgericht Wuppertal, Az.: 30 Js 731/04 84 Cs gegen ihn wegen Erschleichens von Leistungen, Tatzeit: 05.11.2003, eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 5,00 Euro.
288.
29Durch Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 15.07.2004, Az.: 84 Ds 10 Js 2858/03 wurde er wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln am 03.11.2003 verwarnt und es wurde eine richterliche Weisung zur Erbringung von Arbeitsleistungen verhängt. Wegen Zuwiderhandlung wurde nachträglich ein einwöchiger Jugendarrest verhängt.
309.
31Mit Entscheidung vom 18.05.2005, Az.: 30 Js 9512/03 84 Cs führte das Amtsgericht Wuppertal die Geldstrafen aus den vorstehend genannten Entscheidungen vom 17.12.2003 und vom 03.09.2003 auf eine Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 5,00 Euro zurück.
3210.
33Am 10.11.2005 verhängte das Amtsgericht Wuppertal, Az.: 30 Js 2938/05 84 Cs gegen ihn, wiederum wegen Erschleichens von Leistungen in drei Fällen, Datum der letzten Tat: 25.03.2004, eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 5,00 Euro.
3411.
35Mit Entscheidung vom 06.02.2006, Az.: 90 Js 9/06 13 Cs verhängte das Amtsgericht Wuppertal, abermals wegen Erschleichens von Leistungen in zwei Fällen, Datum der letzten Tat: 20.09.2005, gegen ihn eine Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,00 €.
3612.
37Am 29.03.2006 verurteilte das Amtsgericht Wuppertal, Az.: 90 Js 1544/05 13 Ds den Angeklagten wegen Diebstahls in zwei Fällen und Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen, die Strafe ist seit Juli 2007 verbüßt.
3813.
39Mit Entscheidung vom 13.06.2007, Az.: 90 Js 9/06 13 Cs führte das Amtsgericht die Strafen aus den Verurteilungen vom 06.02.2006 und vom 10.11.2005 nachträglich auf eine Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 10,00 € zurück.
4014.
41Mit Urteil vom 22.09.2011, Az.: 13 Ds-90 Js 2068/08-28/11 verurteilte ihn das Amtsgericht Wuppertal wegen „gewerbsmäßigen Diebstahls“ in sechs Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen, die Strafvollstreckung ist erledigt seit dem 29.07.2014.
42Der Angeklagte hatte im Zeitraum vom 16.03.2008 bis zum 17.02.2011 abgestellte Fahrzeuge, die von ihren Inhabern versehentlich nicht verschlossen worden waren, geöffnet und daraus stehlenswerte Gegenstände entwendet bzw. nach solchen gesucht. Er hatte hierbei, soweit es zur Vollendung kam, stets nur geringwertige Gegenstände, wie CDs, Kleingeld, Pfandflaschen, Pfandbons oder angebrochene Zigarettenschachteln erbeutet.
43Der Angeklagte hatte bis zu seiner Verurteilung in diesem Verfahren etwa vier Monate Untersuchungshaft zu verbüßen. Mit der Hauptverhandlung wurde er im Hinblick auf die verbleibende Reststrafe von nur noch ca. 8 Monaten aus der Haft entlassen, nahm jedoch entgegen der ihm im Bewährungsbeschluss auferlegten Pflichten weder Kontakt zur Bewährungshilfe auf, noch suchte er sich einen festen Wohnsitz. Zu einer Kontaktaufnahme mit der Bewährungshilfe kam es erst, als der Angeklagte bereits für das nachfolgend dargestellte Verfahren in Untersuchungshaft saß.
4415.
45Mit Urteil vom 17.01.2013, Az.: 921 Js 326/12 13 Ls 16/12, verurteilte ihn das Amtsgericht Wuppertal wegen Diebstahls in 4 Fällen, Körperverletzung in 2 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beleidigung, in einem Fall zudem in Tateinheit mit Bedrohung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.
46Der Angeklagte hatte im Zeitraum von März 2012 bis Juni 2012 erneut in schon bekannter Art und Weise Autos geprüft, ob diese unverschlossen waren und diese gegebenenfalls nach stehlenswerten Wertsachen durchsucht. Der höchste feststellbare, ihm zuzurechnende Einzelschaden belief sich auf etwa 150,00 €. Zudem war er in einem Fall über einen schadhaften Zaun auf das Gelände eines Getränkehandels eingedrungen und hatte dort einen Getränkekasten mit Leergut sowie einige gefüllte Flaschen mit Getränken entwendet. In zwei dieser Fälle wurde er in engem raum-zeitlichen Zusammenhang mit seinen Taten angetroffen. Die Feststellungen des Urteils lauten insoweit wie folgt:
47„2.
48Nachdem er den Getränkemarkt bzw. dessen Gelände wieder verlassen hatte, ging er die Straße entlang, als er den Polizeibeamten H und Z auffiel, die es ungewöhnlich fanden, dass der Angeklagte um diese Zeit mit einem Kasten Leergut unterwegs war. Sie wollten den Sachverhalt prüfen und forderten den Angeklagten auf, stehenzubleiben. Dieser ließ das Leergut fallen und ergriff die Flucht. Schließlich wurde er von den Beamten eingeholt und aufgefordert sich auszuweisen, was er jedoch nicht befolgte. Vielmehr schlug er auf den Beamten H ein, und traf ihn am Arm. Anschließend versuchte er, ihn mit Faustschlägen zu treffen, wobei er ihn jedoch nicht traf. Die beiden Beamten konnten ihn zu Boden bringen, wobei der Angeklagte auch dort noch um sich schlug und den Beamten H am linken Ringfinger verletzte.
49Er leistete auch weiterhin massiven Widerstand und biss dem Beamten H in den rechten Unterarm, wobei jedoch keine Fleischwunde entstand, wohl aber eine nässende Abschürfung.
50Durchgehend beleidigte er die Beamten während der Widerstandsleistung und drohte ihnen, indem er etwa gegenüber der Beamtin Z äußerte: „Ich bring dich um, ich mach dich kalt“ oder „du Hure, ich fick dich durch, du alte Schlampe“, „du stehst doch auf Sperma, ich besorge es dir“.
51Der Beamte H erlitt eine Prellung am linken Ringfinger und am linken Knie, eine Schürfwunde am rechten Knie, eine Schwellung hinter dem rechten Ohr und eine gerötete leicht nässende Bisswunde am rechten Unterarm. Wegen der Beleidigungen wurde der erforderliche Strafantrag rechtzeitig gestellt.
523.
53Am 07.05.2012 bemerkte der Angeklagte bei seinen üblichen Suchgängen, dass der Pkw der Zeugin T2 unverschlossen war und suchte darin nach stehlenswertem Gut. Er wurde jedoch von der zu ihrem Fahrzeug zurückkehrenden Zeugin T2 gestört, so dass er keine Wertsachen fand. Er nahm jedoch eine Tüte mit Leergut aus dem Fahrzeug und wollte dies mitnehmen.
544.
55Die Zeugin T2 verfolgte den Angeklagten und erhielt das Leergut zurück. Darüber hinaus beteuerte der Angeklagte, er habe der Zeugin nichts weggenommen, was diese zunächst nicht glaubte, sich später jedoch tatsächlich bestätigte. Zunächst hatte sie geglaubt, ihr Handy und ihre EC-Karte wären verschwunden, die sie jedoch später wiederfand.
56Während der Auseinandersetzung mit der Zeugin beleidigte der Angeklagte die Zeugin als „Scheißfotze!“ und versuchte sie zu schlagen. Auch trat er ihr gegen das rechte Bein, wodurch dieses gerötet wurde und die Zeugin Schmerzen erlitt.“
57Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe war im Februar 2015 erledigt.
58Sämtliche vorstehend benannten Entscheidungen waren zum Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Tat bereits rechtskräftig.
59Auch nach seiner Haftentlassung im Februar 2015 unternahm der Angeklagte keinerlei Bemühungen, seine Lebensverhältnisse zu ändern, sondern kehrte aus der Haft in die Obdachlosigkeit zurück und nahm seine bisherige Lebensführung nahtlos wieder auf. Er lebte bis zu seiner erneuten Inhaftierung für das vorliegende Verfahren von dem, was er auf der Straße erlangen konnte, sowie monatlichen Schecks der Sozialbehörden, ohne dass für ihn aus diesen Lebensumständen ein Leidensdruck entstand. Bereits im Mai 2015 wurde wieder ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls aus einem unverschlossenen Pkw gegen ihn geführt.
60II.
61Der Angeklagte hatte in der Nacht vom 14.01.2016 auf den 15.01.2016 trotz der winterlichen Witterung auf der Straße übernachtet, weil er sich an diesem Abend entschlossen hatte, gemeinsam mit anderen Bekannten die Zeit zu verbringen und dabei auch Alkohol zu konsumieren. Zwischen 18:00 Uhr und etwa 23:00 Uhr nahm er nach seiner insoweit unwiderlegten Einlassung fünf oder sechs Flaschen Bier sowie drei „Kurze“ Wodka-Feige-Likör zu sich. Zudem konsumierte er im Verlaufe des Abends – seiner auch insoweit nicht widerlegbaren Einlassung nach unwissentlich, indem er an der Zigarette eines Bekannten zog – eine geringe Menge THC. Die ihm bekannten Schließzeiten aller für ihn anlaufbaren Notschlafstellen ließ der Angeklagte an diesem Abend verstreichen, da es für ihn kein Problem darstellte, die Nacht im Freien zu verbringen, ohne länger andauernden Schlaf zu finden. Etwa gegen 04:00 Uhr morgens trennte er sich von seinen Bekannten und ging wieder eigene Wege.
62Am Vormittag des 15.01.2016 begab er sich auf einen seiner üblichen „Suchgänge“ nach unverschlossenen PKWs, um daraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Hierbei kam er etwa gegen 10:30 Uhr durch die Neue G2 in V. Zu diesem Zeitpunkt war der am Vorabend genossene Alkohol bereits vollständig abgebaut. Er stand allenfalls noch leichtgradig, in einem die bei ihm gegebene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht erheblich beeinflussenden Umfang, unter dem Einfluss von THC. Er fiel wegen seines ungepflegten äußeren Erscheinungsbildes und der Tatsache, dass er immer wieder gezielt in geparkte PKWs hineinspähte, der in dieser Straße wohnhaften Zeugin Q2 auf, die gerade vom Einkaufen kam und in ihre Wohnung zurück kehrte.
63Einige Minuten später wurde die Zeugin Q2 auf Geräusche aufmerksam, die aus dem direkt unter ihrem Küchenfenster parkenden PKW ihres Lebensgefährten, des Zeugen L2, herrührten. Als die beiden Zeugen zum Fenster gingen, um nachzuschauen, bemerkten sie den Angeklagten, der das versehentlich nicht abgeschlossene Fahrzeug geöffnet hatte und im Innenraum gerade Gegenstände, die er zu stehlen beabsichtigte, zusammenpackte. Aus dem Kofferraum hatte er bereits eine Stofftasche mit Pfandflaschen entnommen und diese einstweilen im Fahrzeuginnern abgestellt. Dort entdeckte er in der Mittelkonsole noch einige Münzen und eine angebrochene Schachtel Zigaretten. Letztere steckte er ein, die Münzen hielt er in der Hand.
64Die Zeugen riefen ihn an, was er denn da mache, und dass er damit aufhören solle, anderenfalls würden sie die Polizei rufen. Der Angeklagte geriet durch sein Entdecktwerden, von dem er Schwierigkeiten für sich erwartete, in Wut und reagierte zornig. Er beleidigte die Zeugen verbal als „Idioten“ und „dreckiges Pack“, forderte sie auf, „dann doch die Bullen zu rufen“ und warf das zuvor an sich genommene Kleingeld wütend in Richtung der im offenen Fenster stehenden Zeugen. Einige Münzen flogen durch das geöffnete Fenster in die Wohnung, der Rest prallte gegen die Wand. Der Angeklagte ließ die Tasche mit den Pfandflaschen im Fahrzeug zurück, behielt lediglich die bereits eingesteckten Zigaretten und entfernte sich in nördlicher Richtung zum J Bahnhof hin. Dort angekommen bog er Richtung Osten auf die S ab, in der Hoffnung sich den von ihm erwarteten Fahndungsmaßnahmen der Polizei nach ihm entziehen zu können.
65Der Zeuge L2 verständigte gegen 10:30 Uhr telefonisch die Polizei und gab auch eine Täterbeschreibung an. Aufgrund der für ihn angesichts der Beschimpfungen deutlich gewordenen aggressiven Grundstimmung des Angeklagten entschied er sich dagegen, ihm selbst zu folgen.
66Auf der Polizeiwache Elberfeld, wo der Anruf des Zeugen einging, hatten an diesem Tag die später geschädigte, 24-jährige Polizeibeamtin PK’in Q sowie ihr etwa ein Jahr älterer Kollege PK Y Dienst. Beide befanden sich nach ihrer Ausbildung in ihrem ersten Dienstjahr im Streifendienst. Des weiteren waren die Beamten PK G und PK’in M im Dienst.
67Bereits anhand der telefonisch erhaltenen Täterbeschreibung ging PK’in Q davon aus, dass es sich bei der gesuchten Person um den Angeklagten handeln würde. Mit diesem hatte sie nämlich wenige Tage zuvor, am 06.01.2016, im Rahmen einer allgemeinen Personenkontrolle zu tun gehabt, bei der sich der Angeklagte unwillig und aufbrausend verhielt und sich mokierte, jeden Tag von der Polizei kontrolliert zu werden. Zuletzt hatte er die ebenfalls beteiligte Polizeibeamtin M unter anderem mit den Worten „Geh woanders bumsen Hure, Fick dich Alter!" beleidigt. Zu körperlichen Aggressionen des Angeklagten war es bei diesem Anlass nicht gekommen, ebenso wenig zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Polizeibeamtin Q.
68Aufgrund dieses Vorfalles und anderer, länger zurückliegender Ereignisse war der Angeklagte allen vier eingesetzten Polizeibeamten als „üblicher Verdächtiger“ bei Diebstählen aus PKWs bekannt. Auch war bekannt, dass er bisweilen mürrisch und verbal - aggressiv auf Polizeikontrollen reagierte und hierbei auch beleidigend wurde. Als tätlich übergriffig und damit im eigentlichen Sinne gefährlich wurde er indes nicht eingeschätzt.
69Die Zeugen Q, Y, G und M begaben sich sofort mit zwei Streifenwagen auf den Weg, um den Angeklagten noch in Tatortnähe anzutreffen. Sie beabsichtigten, ihn mit dem Tatvorwurf eines Diebstahls zu konfrontieren und zur Durchführung weiterer strafprozessualer Maßnahmen, wie etwa Vernehmung als Beschuldigter, Durchsuchung etc. zur Wache zu verbringen. Beide Streifenwagen fuhren am Mirker Bahnhof auf die Nordbahntrasse auf. Der von PK’in Q gesteuerte Wagen, in dem sich neben ihr noch PK Y befand, bog in Richtung Osten auf die Nordbahntrasse ein, der andere, mit PK G am Steuer und PK’in M besetzte Wagen befuhr diese zunächst in Richtung Westen.
70Bei der S handelt es sich um eine ehemalige Eisenbahnstrecke, welche sukzessive zu einem Fuß- und Radweg umgebaut wird. In dem von PK’in Q und PK Y befahrenen Bereich war zu diesem Zeitpunkt eine Baustelle eingerichtet. Der betonierte Fahrstreifen, welcher breit genug war, um vom Streifenwagen befahren zu werden, war an beiden Seiten mittels untereinander verbundener, ca. 2,00 m hoher Bauzäune eingezäunt, so dass sich ein Korridor ergab, der zur Seite hin nur durch ein ohne weiteres nicht mögliches Überklettern des Bauzaunes hätte verlassen werden können. Am 15.01.2016 herrschte winterliche Witterung, der Fahrstreifen war von Schneematsch überzogen, stellenweise war es rutschig.
71Nach kurzer Zeigt geriet der Angeklagte, der sich im Bereich dieses umzäunten Korridors, ohne zu rennen, schnellen Schrittes auf der Trasse bewegte, in das Sichtfeld von PK’in Q und PK Y. PK Y teilte dies der anderen Streifenwagenbesatzung per Funk mit, während PK’in Q das Fahrzeug in den Nahbereich des Angeklagten steuerte.
72Dieser bemerkte den sich nähernden Streifenwagen und erkannte ihn auch als solchen. Da der von ihm begangene Diebstahl erst wenige Minuten zurücklag, wusste er, dass sein Fluchtversuch gescheitert war. Er nahm zu Recht an, dass er, wie schon so oft, kontrolliert, befragt und ggf. zur Durchführung weiterer Maßnahmen zur Polizeiwache verbracht werden sollte. Diese Aussichten widerstrebten ihm völlig und ließen ihn aggressiv und wütend werden, weshalb er beschloss, sich diesen Maßnahmen, an deren Rechtmäßigkeit er keine Zweifel hatte, mit Gewalt zu entziehen.
73Noch bevor PK’in Q, die das Fahrzeug hinter dem Angeklagten zum Stehen brachte, Gelegenheit bekam, auszusteigen, drehte der Angeklagte, der bis dahin vor dem Wagen hergegangen war, sich um, lief schnellen Schrittes auf diesen zu und trat zunächst einmal mit dem Fuß gegen die Front des Streifenwagens, ohne diesen zu beschädigen. Sodann ging er rasch aus seiner Sicht nach links zur Beifahrertür des Streifenwagens und versuchte, diese aufzureißen, um sodann auf PK Y mit Schlägen und Tritten einzuwirken. Auf diese Weise wollte er ihn daran hindern, das Fahrzeug zu verlassen. PK Y, der durch dieses aggressive Verhalten völlig überrascht wurde, gelang es zunächst, ohne von Schlägen oder Tritten getroffen zu werden, die Tür wieder zuzuziehen. Trotz mehrerer Versuche des Angeklagten, diese wieder aufzureißen, gelang es PK Y immer wieder die Tür zu sich heranzuziehen, so dass der Angeklagte nicht auf ihn einzuwirken vermochte. Unterdessen rief der Zeuge Y, der angesichts des massiv aggressiven Auftretens des Angeklagten sich einer Konfrontation mit ihm nicht ohne Verstärkung stellen wollte, seiner Kollegin zu, sie solle das Fahrzeug von innen verriegeln.
74Stattdessen stieg PK’in Q in diesem Moment bereits aus dem Fahrzeug aus, da sie beabsichtigte, ihrem Kollegen von außen zu Hilfe zu eilen. Sie ging um das Fahrzeugheck herum zum Angeklagten, den sie mit seinem Namen anrief, und versuchte, ihn von der Beifahrertür wegzuziehen. Dieser fixierte sich, seinen ursprünglichen Plan weiterverfolgend, nunmehr auf PK’in Q und versetzte ihr in schneller Abfolge fünf kräftige Faustschläge gegen die linke Gesichtshälfte. PK’in Q, die mit einer derart massiven Gegenreaktion nicht gerechnet hatte, geriet durch die Schläge und damit einhergehenden Schwindelgefühle ins Taumeln und stolperte zur Seite vom Fahrzeug weg in den Bauzaun. Hierbei verlor sie ihr Funkgerät und das zugehörige Headset. Zudem löste sich als Folge der Schlagwirkung ihr am Hinterkopf gebundener Haarzopf auf.
75Der Angeklagte hegte gegen die Polizeibeamtin Q, die er aufgrund ihrer Uniform sogleich als Polizistin erkannt hatte, keine irgendwie geartete persönliche Antipathie, auch nicht aufgrund der wenige Tage zurückliegenden allgemeinen Personenkontrolle. Er sah sie in dieser Situation vielmehr als irgendeinen beliebigen Polizisten an, der sich ihm in den Weg stellte, obwohl er sich nicht für die kurz zuvor begangene Straftat zur Verantwortung ziehen lassen wollte.
76Währenddessen stieg PK Y aus dem Streifenwagen aus und versuchte nun seinerseits seine Kollegin zu unterstützen, indem er den Angeklagten wegstieß. Sodann setzte er aus kurzer Distanz sein Pfefferspray gegen das Gesicht des Angeklagten ein, um ihn so kampfunfähig zu machen.
77Obwohl der gebündelte Pfefferspraystrahl das Gesicht des Angeklagten traf, entfaltete das Mittel nicht die erhoffte Wirkung. Der Angeklagte schüttelte sich lediglich einmal kurz, blieb vollumfänglich handlungsfähig und ging wiederum in der Absicht, diese erneut anzugreifen, auf PK’in Q zu, die sich zwischenzeitlich vom Bauzaun gelöst hatte und um den Heckbereich des Fahrzeugs herumgegangen war.
78PK Y beabsichtigte nun, da der Angeklagte sich anhaltend hoch aggressiv gebärdete, bis zum Eintreffen der aus PK G und PK’in M bestehenden Verstärkung, die er binnen kürzester Zeit erwartete, gemeinsam mit seiner Kollegin hinter dem Streifenwagen eine Verteidigungsstellung einzunehmen, notfalls bis zum Eintreffen der Kollegen vor dem Angeklagten durch Umlaufen des Streifenwagens zurückzuweichen. Er zog sich deshalb von der Fahrerseite um die Motorhaube herum zurück und rief PK’in Q zu, ihm zu folgen.
79Diese hatte sich indes zu dem ihr nachsetzenden Angeklagten umgewandt und zog sich nunmehr rückwärts gehend vor diesem zurück. Hierbei bog sie, anders als von PK Y erwartet, nicht in Höhe der Motorhaube um das Fahrzeug herum ab, sondern folgte dem Verlauf des Trassenbereichs, weg von dem Fahrzeug. Weil der Angeklagte weiterhin aggressiv auf sie zuging, setzte sie nun auch Pfefferspray gegen sein Gesicht ein, welches jedoch wiederum ohne nennenswerte Wirkung blieb. Der Angeklagte drückte lediglich beide Augen zu, schüttelte sich und ging weiter auf die rückwärtsgehend vor ihm zurückweichende Geschädigte zu, um sie anzugreifen.
80Um sich seiner zu erwehren, zog PK’in Q nunmehr ihren ausziehbaren Einsatzmerzweckstock (EMSA), den sie bis dahin in der Gürtelschlaufe getragen hatte und ließ ihn mit einer raschen Handbewegung ausfahren. Es handelt sich hierbei um einen aus Kunststoff bestehenden Tonfa-Schlagstock mit einer Gesamtlänge von (ausgefahren) ca. 60 cm. Das an sich nicht zum Zuschlagen bestimmte kurze Ende des Tonfa ist mit einer Metallhülle ummantelt, die eine raue Oberfläche hat.
81PK’ in Q hielt den Schlagstock schulmäßig am quer zur Längsachse des Stocks verlaufenden Griffstück gefasst, wie eine Art Schutzschild längs ihres angewinkelten Unterarms in Richtung des Angeklagten und schrie diesen an: „Hau ab!“. Anstatt den sich ihm bietenden freien Fluchtweg entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung des Streifenwagens entlang dessen Fahrerseite zu nutzen, trat der Angeklagte, der weiterhin zum Angriff entschlossen war, immer näher an die Zeugin Q heran.
82Unterdessen funkte PK Y, der noch am Streifenwagen in Höhe der Beifahrerseite stand, weiter um Unterstützung. Er empfand angesichts des hochaggressiven Gebarens des Angeklagten eine zunehmend größer werdende Verunsicherung, weshalb er zuletzt nur noch „Hilfe! Hilfe!“ in sein Funkgerät, das ihm kurzzeitig auch noch zu Boden fiel, rief. Seiner Kollegin PK‘in Q rief er zu : „M – lauf weg, lauf weg!“
83Auf diesen Zuruf hin wandte sich PK’in Q um und rannte nunmehr dem Angeklagten ihren Rücken zuwendend los. Auch in dieser Situation nutzte der Angeklagte nicht die sich ihm noch offensichtlicher bietende Fluchtmöglichkeit, sondern setzte, da er erkannte, dass er in dieser Situation gegenüber den beiden Polizeibeamten die Oberhand erlangt hatte, der Geschädigten weiter nach, um tätlich auf sie einzuwirken.
84Nach mehreren Schritten glitt PK’in Q auf dem rutschigen Boden aus und kam zu Fall. Sie stürzte auf ihr rechtes Knie und zog sich in diesem Bereich eine großflächige Schürfwunde zu. Zudem entstand ein Loch in ihrer Dienst-Hose. Im Fallen verlor sie den bis dahin in der Hand getragenen EMSA, der seitlich neben ihr auf dem Boden fiel.
85Bevor sie Gelegenheit bekam wieder aufzustehen, hatte der Angeklagte sie erreicht und trat zunächst zweimal vom oben stampfend mit seinem Fuß gegen die Hüfte der am Boden liegenden Geschädigten und beleidigte sie dabei u.a. mit dem Wort „Hure“. Sodann ergriff er – die günstige Gelegenheit erkennend und entschlossen, diese auszunutzen – den zu Boden gefallenen EMSA, wobei er beabsichtigte, diesen alsbald gegen sein Opfer einzusetzen.
86Er umfasste den Schlagstock mit beiden Händen am unteren langen Ende, holte weit über den Kopf aus und begann, mit dem in Metall eingefassten Knaufende in Richtung des Kopfes des nach wie vor am Boden liegenden Tatopfers einzuschlagen. In dieser Art und Weise, indem er den EMSA jeweils mit beiden Händen bis über seinen Kopf führte und das kurze Metallende sodann wuchtig gezielt in Richtung des Kopfes der Geschädigten schlug, versetzte er seinem Opfer mindestens fünf Schläge. Die Geschädigte kauerte sich in einer Art Embryonalhaltung zusammen und hielt beide Hände schützend über ihren Kopf, wodurch es ihr gelang, zu verhindern, dass alle Schläge ungehindert auf ihrem Kopf auftrafen. Zu einer darüber hinausgehenden, aktiven Gegenwehr war sie aufgrund des Ausmaßes der auf sie ausgeübten Gewalt nicht mehr fähig.
87Die Art und Weise der ausgeführten Schläge, die der Zeuge Y plastisch als „wie beim Holzhacken“ beschrieb und welche sämtlich den Kopfbereich der am Boden liegenden Geschädigten trafen, sprach zwar dafür, dass der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm, seinem Opfer auch todbringende Verletzungen beizubringen, zumal die Schläge tatsächlich geeignet waren, Einblutungen ober- oder unterhalb der harten Hirnhaut hervorzurufen und daher jedenfalls abstrakt lebensgefährlich waren. Letztlich musste sich die Kammer mit Restzweifeln hinsichtlich des Vorliegens eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht auseinandersetzen, da, wie nachfolgend dargestellt, jedenfalls ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom unbeendeten Versuch des Totschlags nicht ausgeschlossen werden konnte.
88Während der Angeklagte in nahtloser Abfolge die mindestens fünf Schläge auf den Kopf der Geschädigten ausführte, näherte sich PK Y, welcher den Sturz der Geschädigten, die Tritte und den Beginn der Schläge mit dem EMSA entsetzt beobachtet hatte, dem Tatgeschehen leicht seitlich versetzt von hinten an. Er erkannte, dass sich seine Kollegin nunmehr in einer lebensbedrohlichen Situation befand. Er hatte deshalb seine Dienstpistole gezogen und drohte deren Einsatz mehrmals in wechselnden Formulierungen wie folgt an: „T, lass den Stock fallen! T hör auf damit oder ich schieße ! T ich erschieße dich, ich bring dich um, ich knalle dich ab", weil er sich erhoffte, auf diese Weise seine Chancen zu erhöhen, den Angeklagten mit einer der Formulierungen besser erreichen und zum Einhalten bewegen zu können. Dabei erkannte er, dass der Angeklagte auf sein Näherkommen und seine Zurufe in keiner Form reagierte, sondern die Schläge auf sein Opfer fortsetzte. Unklar blieb deshalb, ob der Angeklagte den Zeugen Y überhaupt bemerkte, der trotz der weiter andauernden Schläge noch zögerte, auf den Angeklagten zu schießen und auch keinen Warnschuss abgab.
89Nachdem der Angeklagte mindestens fünf Schläge ausgeführt hatte, hatte sich der innerlich in hohem Maße angespannte Zeuge PK Y dem Geschehen so weit angenähert, dass er sich noch ca. fünf Meter vom Angeklagten und dem Opfer entfernt befand. Er schrie den Angeklagten weiter an aufzuhören, und war nunmehr entschlossen, auf diesen zu schießen, falls er noch einen weiteren Schlag ausführen sollte. In diesem Moment stellte der Angeklagte die Schläge ein, sah kurz zu PK Y herüber, drehte sich sodann von diesem weg und begann - letztlich aus nicht sicher zu klärenden Grund - sich zügigen Schrittes, vom Tatort zu entfernen. Dabei ignorierte er PK Y mit seiner gezogenen Schusswaffe und dessen Aufforderung, stehen zu bleiben, vollkommen.
90Zwar lag es im Bereich des Möglichen, dass der Angeklagte allein deswegen mit den Schlägen aufhörte, weil ihm PK Y - so der Eindruck des Zeugen - mit gezogener und schussbereiter Pistole entgegentrat und er sich insoweit einer unüberwindlichen äußeren Zwangslage ausgesetzt sah. Die Kammer konnte jedoch – wofür der Umstand sprach, dass der Angeklagte dem Zeugen PK Y vorher und nachher keinerlei Beachtung schenkte - aber auch nicht ausschließen, dass der Angeklagte durch die bis dahin ausgeführten Schläge seine Wutgefühle nunmehr abreagiert hatte und daher aus autonomen Gründen entschied, von weiteren Schlägen Abstand zu nehmen. Angesichts des von ihm verursachten, sichtbaren Verletzungsbildes beim Tatopfer musste er zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht davon ausgehen, dieses bereits tödlich verletzt zu haben.
91PK’in Q erlitt infolge der initial versetzten Faustschläge eine vollständige Rötung und Schwellung der linken Gesichtshälfte im Bereich der gesamten Wange. Die intensive Hautrötung zog sich bis in den Bereich der linken Ohrmuschel hin. Durch die Schläge mit dem EMSA erlitt sie im Bereich „Nacken Mitte" eine kräftige rote Hautunterblutung mit einer Breite von 4 cm und einer Länge von 8 cm, im Bereich "Hinterkopf rechts" eine kräftige rote Hautschürfung mit einer Breite und Länge von jeweils 2 cm und im Bereich "Scheitel links" eine Hautabschürfung von 2,7 cm Breite und einer Länge von 2,1 cm. Weil durch die von ihr vorgenommene Schutzhaltung Schläge auf ihren rechten Handrücken gelangt waren, bildete sich dort eine stark ausgeprägte Weichgewebsschwellung und Hautunterblutung mit einer Länge und Breite von jeweils 7 cm. Zentral fand sich ein umschriebenes, tief geschürftes Areal von 17 × 24 mm. Innerhalb der Weichgewebsschwellung zeigten sich, weil mehrere Schläge ihren Handrücken getroffen hatten, weitere kleinere, oberflächliche Hautabschürfungen. Zudem trug sie im Bereich des oberen und mittleren Rückens Hautunterblutungen davon. Der Rückenbereich war durch eine von ihr unter der Uniformjacke getragene Schutzweste zusätzlich geschützt gewesen. Durch die den Schlägen vorangegangenen Tritte erlitt sie im Bereich des hüftnahen Oberschenkeldrittels rechts- und linksseitig diverse Hautunterblutungen. Durch ihren Sturz vor dem Tatkerngeschehen hatte sie sich im Bereich des rechten Ellenbogens eine Hautunterblutung und Schwellung sowie im Bereich des Kniegelenks rechts eine tiefe Hautabschürfung mit massiver Weichgewebsschwellung zugezogen.
92Erst als der Angeklagte bereits von dem Tatopfer abgelassen hatte, trafen PK G und PK’in M mit ihrem Fahrzeug am Tatort ein, welches sie hinter dem Streifenwagen ihrer Kollegen parkten. PK’in M eilte sofort dem Angeklagten, der sich auf der Trasse weiter in östliche Richtung entfernte, nach und überholte hierbei PK Y, der dem Angeklagten langsam mit nach wie vor gezogener Dienstwaffe folgte, sich aber, unschlüssig, ob er seine verletzte Kollegin allein lassen konnte, erst wenige Meter von ihr entfernt hatte. Die Geschädigte hatte sich mühsam vom Boden erhoben, unsicher, ob die Situation beendet war und ließ sich aus Sorge um PK Y erst wieder auf den Boden zurück gleiten, als sie PK’in M neben sich bemerkte. Der Zeuge PK G, der einige Sekunden benötigt hatte, um das Fahrzeug zu verlassen, folgte in einigem Abstand. Er beobachtete, wie der Angeklagte den bis dahin in der Hand getragenen Schlagstock mit einer weit ausholenden Bewegung über den Bauzaun warf, bevor PK’in M zu ihm aufschloss. Dieser gelang es mit Unterstützung von PK Y, der seine Waffe mittlerweile zurückgesteckt und ebenfalls seinen Schlagstock gezogen hatte und ihr sodann in kurzem Abstand gefolgt war, den Angeklagten, der sich sperrte, aber keinen darüber hinausgehenden, aktiven Widerstand mehr leistete, unter Einsatz ihres EMSA zu Boden zu stoßen. Auch PK Y setzte seinen Schlagstock ein und traf dabei den Angeklagten links seitlich am Kopf. Diesem wurden, als er auf dem Boden lag, Handfesseln angelegt. Nunmehr klagte er anhaltend über ein Brennen der Augen und wies auf den erfolgten Pfeffersprayeinsatz hin. Durch den Einsatz des Schlagstocks erlitt er eine Prellung am Kopf, die in den nächsten Tagen folgenlos verheilte.
93Nach dem Eintreffen weiterer Unterstützungskräfte wurde PK’in Q, die über starke Schmerzen und Schwindelgefühle klagte, in das X-Klinikum V eingeliefert und dort von der diensthabenden Äztin Dr. E erstbehandelt. Knöcherne Verletzungen konnten ausgeschlossen werden; da sich auch keine richtungsweisenden Symptome einer für möglich gehaltenen Gehirnblutung zeigten, unterblieb ein CT des Schädels. PK’in Q wurde zur weiteren Überwachung stationär aufgenommen. Am Folgetag konnte sie, da die Schwindelgefühle zurückgegangen waren, trotz anhaltender Schmerzen an den von den Schlägen und Tritten betroffenen Körperstellen nach Hause entlassen werden. Nachfolgend war sie drei Wochen krankgeschrieben, wobei die dritte Woche auf eine hinzutretende Erkältungskrankheit zurückging. Während der ersten beiden Wochen nach der Tat litt sie unter starken Schmerzen im Bereich des Kopfes, der rechten Hand und des aufgeschlagenen Knies. Sie musste hiergegen immer wieder Schmerzmittel einnehmen. Die Prellmarke im Bereich des Scheitels empfand sie bis etwa April 2016 als schmerzhaft.
94Um seelischen Folgen der Tat entgegen zu wirken, führte noch am Tattag eine psychologisch geschulte Kollegin ein erstes Interventionsgespräch mit ihr. Die Geschädigte litt zunächst unter Angstzuständen sowie Schlafstörungen und versuchte es zu vermeiden, alleine zu sein, indem sie bspw. ihren Partner nicht aus ihrer Nähe gehen lassen wollte. Mit der Zeit und unter der Einwirkung weiterer Gespräche besserte sich ihr psychischer Zustand soweit, dass sie drei Wochen nach der Tat wieder im Innendienst tätig werden konnte. Über einen Zeitraum von weiteren ca. 2 Wochen wurde sie langsam wieder an eine Tätigkeit im Dienst auf der Straße herangeführt und nimmt diesen seither wieder wahr. Sie erlebt sich selbst heute in vergleichbaren Situationen als stärker sensibilisiert für Gefahren und stärker auf ihre eigene Sicherheit bedacht.
95Der Angeklagte wurde nach seiner vorläufigen Festnahme zur Dienststelle verbracht, wo er sich nunmehr ruhig und gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten und dem hinzugezogenen Polizeiarzt Dr. X situationsangepasst und auch kooperativ verhielt. Ein um 11:50 Uhr durchgeführter Atemalkohol-Vortest ergab keinen Hinweis auf einen Alkoholkonsum. Die Auswertung einer um 12:09 Uhr entnommenen Blutprobe ergab bei ansonsten negativen Befunden eine Konzentration von 1.1 ng/mL Tetrahydrocannabinol (THC) und eine Konzentration des THC-Metaboilt 2 THC-COOH von 38 ng/mL. Der THC-Metabolit 1, 11-OH-THC, war nicht sicher bestimmbar.
96Im Rahmen seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter am Nachmittag des Tattages räumte der Angeklagte die Faustschläge und lediglich einen einzigen Schlag mit dem EMSA ein. Den Zeugen Y erwähnte er im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen nicht. Die Aufnahmeuntersuchung in der JVA am 18.1.2016 verlief unauffällig, auch dort gab er an, keinen Alkohol und keine Drogen zu konsumieren.
97III.
98Die Feststellungen unter I. beruhen auf den Angaben des Angeklagten gegenüber der Sachverständigen Dr. U, welche diese im Rahmen ihres Gutachtens wiedergegeben hat und die von dem Angeklagten als zutreffend bestätigt worden sind, den in der Hauptverhandlung verlesenen Vorstrafen-Urteilen sowie dem gleichfalls verlesenen BZR-Auszug.
99Die Feststellungen unter II. beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, sowie den weiteren, im Rahmen der Hauptverhandlung ausgeschöpften Beweismitteln.
100Der Angeklagte hat sich abweichend von den getroffenen Feststellungen in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf wie folgt eingelassen:
101Er sei, nachdem er bei dem Diebstahl aus dem PKW ertappt worden sei, den Berg hochgerannt, bis zur Xtrasse. Dort habe er eine kleine Pause gebraucht; plötzlich habe dann der Polizeiwagen hinter ihm gestanden. Er habe schon die Erwartung gehabt, jetzt festgenommen zu werden, das habe er aber nicht gewollt, sondern gehofft, ihnen doch noch zu entkommen. PK’in Q habe ihn gleich zu sich gerufen und dabei mit Namen angeredet. Er habe keine Gelegenheit gesehen, in Fahrtrichtung des Streifenwagens zu entkommen, denn dort gehe es bergauf. Er sei ausgerutscht und habe sich versehentlich an der Front des PKWs abgestoßen und sei dann zu der Beifahrertür gelaufen, hinter welcher der männliche Polizist gesessen habe. An dieser Tür habe er dann „so rumgemacht“, damit dieser nicht aussteigen könne. Der Beamte sei dann im Innern des Wagens auf die Fahrerseite gerutscht und habe das Funkgerät bedient. Die weibliche Beamtin, die er nicht gekannt habe und mit der er auch keinen persönlichen Konflikt habe, habe versucht, ihn festzuhalten. Er habe dann versucht, sich zu befreien. Dazu habe er sie 4 - bis 5mal mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dann sei er losgelaufen und habe sich nach wenigen Schritten noch einmal umgedreht. Hierbei habe er dann eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht bekommen, und zwar von der Beamtin. Als er sich dieses noch aus den Augen gerieben habe, sei er gleich wieder besprüht worden, diesmal von dem anderen Polizeibeamten. Nachdem er abermals die Augen geöffnet habe, habe er gesehen, wie die PK’in gerade den Kofferraum des Streifenwagens geöffnet und daraus einen Schlagstock hervorgeholt habe. Er habe dann „durchlaufen“ wollen, damit sie ihn nicht kriegen könne. Hierbei seien ihm infolge der Einwirkung des Pfeffersprays die Augen zugefallen. Als er die Augen das nächste Mal geöffnet habe, habe er die Beamtin vor sich am Boden gesehen. Sie habe dort gekniet, wie eine Sprinterin beim Start und dabei den Schlagstock über den Kopf erhoben gehalten. Er habe in dieser Situation befürchtet, sie werde wieder auf ihn losgehen und ihn damit schlagen. Daher habe er ihr den Stock aus der Hand genommen. Er habe diesen nicht am langen Ende, sondern in Höhe des quer verlaufenden Handgriffs gefasst, einige Finger links, einige rechts des Handgriffs. Damit habe der dann dreimal leicht auf ihren Körper geschlagen, um sie auf dem Boden zu halten. Wohin er getroffen habe, habe er wegen seiner tränenden Augen nicht gesehen. Getreten habe er sie nicht. Sodann habe er den Stock über den Bauzaun geworfen. Erst als dieser schon in der Luft gewesen sei, habe er den anderen Beamten rufen hören, dass er den Stock wegwerfen solle, oder er, der Beamte, werde schießen. Er sei dann sofort stehen geblieben, habe die Hände gehoben und sich ohne weiteren Widerstand festnehmen lassen. Als er schon gefesselt gewesen sei, sei er von einem Polizeibeamten grundlos mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen worden.
102Diese Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie nicht im Einklang mit den getroffenen Feststellungen steht, zur sicheren Überzeugung der Kammer widerlegt.
1031.
104Diebstahl am PKW L2
105Das Geschehen am PKW des Zeugen L hat der Angeklagte grundsätzlich eingeräumt, wenngleich er sein eigenes Verhalten insoweit verharmlosend darstelle, dass er die von ihm ausgehenden Beleidigungen und den Wurf der Münzen in Richtung der Zeugen ausließ und stattdessen angab, er habe auf den ersten Zuruf der Zeugen hin alles fallen gelassen.
106Dass sich der Vorfall so zugetragen hat, wie festgestellt, steht aufgrund der sachlichen, konstanten und inhaltlich übereinstimmenden Aussagen der Zeugen L2 und Q2 fest.
1072.
108Geschehen nach Zusammentreffen mit den Zeugen Q und Y bis zu den ersten Faustschlägen:
109Die Feststellungen der Kammer beruhen insoweit auf den glaubhaften Aussagen der Zeugen PK’in Q und PK Y, die mit einem hohen Grad an Übereinstimmung – ohne dass ihre Angaben aufeinander abgestimmt wirkten – den Vorgang und ihre jeweiligen Reaktionen so schilderten, wie oben festgestellt.
110Demgegenüber bemühte sich der Angeklagte, seine eigene, zu diesem Zeitpunkt schon zu Tage getretene Aggressivität herunterzuspielen und versuchte, den Eindruck zu erwecken, das Gewaltgeschehen stelle lediglich seine Gegenreaktion darauf dar, dass man ihn an einer „friedlichen“ Flucht gehindert habe. Letztlich versuchte er sich ein Stück weit als Opfer der Umstände darzustellen. Seine Einlassung war aber insoweit sicher als Schutzbehauptung zu widerlegen. So lief der Angeklagte nicht auf das Auto der Polizeibeamten zu, um in diese Richtung zu fliehen. Seine Behauptung, er habe nicht nach vorne, in seine ursprüngliche Laufrichtung, entkommen können, da es dort bergauf gehe und er auch keine Möglichkeit gehabt habe, die Trasse wieder zu verlassen, ist unzutreffend. Anhand der im Rahmen der Hauptverhandlung in Augenschein genommen Lichtbilder Bl. 91ff. d.A. ist zu erkennen, dass die Strecke tatsächlich eben verläuft und die Bauzäune an diesem Tag in Sichtweite endeten. Bereits der Umstand, dass der ortskundige Angeklagte nach der Tat gerade versuchte, sich in ebendiese Richtung zu entfernen, widerlegt seine Darstellung.
111Auch sein – von ihm grundsätzlich eingeräumtes, aber ebenfalls heruntergespieltes –Verhalten an der Beifahrertür zeigt, mit welcher Aggression und Wut er besetzt war, weil man ihn entgegen seiner Hoffnung so rasch gefasst hatte. Insoweit beschrieb POK Y glaubhaft, dass es nicht mit einem Rütteln an der Tür sein Bewenden hatte. Er schilderte vielmehr, dass der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt äußerst aggressiv gewesen sei, und zwar deutlich über das Übliche Maß an „Aufgebracht-sein“, das er von Beschuldigten kenne, hinausgehend. Der Angeklagte habe ihn sogleich fixiert und dabei richtiggehend böse und entschlossen gewirkt. Dann habe dieser kraftvoll die Tür aufgerissen und versucht, ihn, den Zeugen, zu treten oder zu schlagen, wobei es ihm selbst nur mit Mühe gelungen sei, die Tür wieder zu sich heranzuziehen. Das ganze habe sich ein paarmal wiederholt.
112Die sich anschließenden Faustschläge gegen das Gesicht und den Halsbereich der Geschädigten Q hat der Angeklagte eingeräumt, ebenso wie den Umstand, dass er sie als Polizistin erkannt hatte und sich weiterhin der jetzt anstehenden vorläufigen Festnahme entziehen wollte. Die Wirkung dieser Schläge auf sich beschrieb PK’in Q überzeugend, wie oben dargestellt.
1133.
114Tatkerngeschehen:
115Die Feststellungen zum nunmehr nachfolgenden Geschehen beruhen ebenfalls auf den überzeugenden, da miteinander korrespondierenden Aussagen der Zeugen Q und Y.
116Die Einlassung des Angeklagten zum Tatkerngeschehen ist bereits in sich widersprüchlich. Dieser will nämlich einerseits infolge des zweimaligen Einsatzes von Pfefferspray so gut wie nichts mehr gesehen haben, schildert jedoch andererseits detailgenau, PK’in Q gesehen zu haben, wie sie den Schlagstock aus dem Kofferraum geholt habe, und zwar obwohl sich dieser Vorgang seiner Einlassung folgend, in seinem Rücken abgespielt haben müsste. Nicht mehr nachvollziehbar ist dann, wie es zu der nächsten Sequenz gekommen sein soll, in der PK’in Q sich auf einmal mit über dem Kopf gehaltenen Schlagstock vor dem Angeklagten befunden haben soll, da er ja bereits einige Schritte weggelaufen sein will.
117Ebenso wenig schlüssig erscheint angesichts des Weiterhandelns die Behauptung des Angeklagten, er habe nunmehr nur noch fliehen wollen. Bereits nach den anfänglichen Faustschlägen - PK’in Q taumelte Richtung Bauzaun, PK Y befand sich nicht im unmittelbaren Zugriffsbereich – hätte dem Angeklagten der seiner Einlassung folgend am ehesten vielversprechende und ursprünglich gewollte Fluchtweg entgegen der Fahrtrichtung des Streifenwagens jetzt unbewacht offen gestanden.
118Dass er nicht fliehen wollte, ergibt sich in besonderem Maße auch daraus, dass der Angeklagte in der späteren Situation, in der PK’in Q bereits am Boden lag und PK Y ihn noch nicht erreicht hatte, trotz offensichtlicher Fluchtmöglichkeit bei der Geschädigten blieb und weiter auf diese einschlug.
119Demgegenüber sind die Aussagen der Zeugen Y und Q, die das Geschehen aus ihrem jeweiligen Blickwinkel im Sinne der obigen Feststellungen geschildert haben, in sich stimmig und ergeben ein im Sinnzusammenhang stehendes Geschehen. PK’in Q schilderte sichtlich noch unter dem Eindruck des Erlebten stehend den erneuten Angriffsversuch des Geschädigten auf sie selbst, nachdem das von ihrem Kollegen gegen den Angeklagten eingesetzte Pfefferspray diesen zwar getroffen hatte, aber soweit für sie ersichtlich wirkungslos geblieben sei und ihren anschließenden Versuch eines Rückzuges unter zunächst erneutem Pfefferspray- und anschließend defensivem Schlagstockeinsatz. Sowohl sie als auch der ihre Aussage aus seinem Blickwinkel bestätigende PK Y konnten das Geschehen anhand tatzeitnah gefertigter Skizzen in seinem Hergang nachzeichnen und anhand der vorliegenden Lichtbilder des Tatortes auch räumlich sicher einordnen.
120Beide Zeugen waren ersichtlich um Objektivität bemüht. Hierbei legten sie auch offen, von der Eskalation der Lage vollkommen überrascht und infolge dessen ein Stück weit überfordert gewesen zu sein und stellten auch jeweils ihr eigenes, der Situation geschuldetes Verhalten selbstkritisch dar. Keiner der beiden Zeugen wies eine Tendenz auf, das Geschehen zuzuspitzen oder zu dramatisieren.
121Dass der Angeklagte wie in den Feststellungen beschrieben beidhändig mit verkehrt herum gehaltenem (und dadurch, wegen der gesteigerten Hebelwirkung und der Metallhülse am Auftreffpunkt eine deutlich effektivere Waffe darstellenden) Schlagstock zuschlug, folgt aus der Aussage des Zeugen PK Y. Dieser vermochte die Art und Weise des Einsatzes des Schlagstocks sicher zu erinnern und detailliert zu beschreiben, zumal es sich seiner Darstellung nach für ihn um die erste im Dienst erlebte, seiner Einschätzung nach akut lebensgefährliche Situation handelte, in der er ernsthaft in Betracht gezogen habe, auf einen Menschen zu schießen. Er zeigte sich insoweit sichtlich emotional betroffen und schilderte seine Überlegungen, die in dieser Situation durchsetzt waren mit Gedanken, was er jetzt zu tun habe und überhaupt tun könne und dürfe.
122Die Beschreibung des Zeugen Y findet eine zusätzliche Stütze im Gutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. H. Diese führte aus, dass die von ihr noch am Tattag bei der Geschädigten untersuchten Prellmarken mit einem solchen Hergang in jeder Hinsicht kompatibel seien. Ein Indiz für ein Auftreffen des Metallteiles des Stockes auf den Körper der Geschädigten stellten die Abschürfungen im Bereich der stark angeschwollenen rechten Hand sowie im Kopfbereich dar, welche deutlich besser zu der rauen Oberfläche des Metallteils als zu der glatten Fläche des übrigen EMSA passten.
123Die Feststellung der Mindestanzahl von fünf Schlägen beruht neben den Schilderungen des Zeugen Y auf dem Verletzungsbild, das bei der Geschädigten verursacht wurde, d.h. den erlittenen Prell-Marken im Kopf bzw. Handbereich.
124Das vorgefundene Verletzungsbild trotz Einnehmens einer Schutzhaltung und passiver Abwehr durch die Hände in Verbindung mit der vom Zeugen Y beschriebenen Schlagbewegung ließ auch keinen Raum dafür, davon auszugehen, dass es sich lediglich um dosierte, leichte Schläge handelte.
125Anhand des objektiven Tatgeschehens spricht vieles dafür, dass der Angeklagte während des Tatgeschehens über den auf der Hand liegenden Körperverletzungsvorsatz hinaus mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf einen bedingten Tötungsvorsatz grundsätzlich möglich.
126Vorliegend schlug der Angeklagte mit der schon beschriebenen Wucht in kurzer Folge mindestens fünfmal ausschließlich auf den Kopfbereich des Tatopfers ein, obwohl ihm in dieser Situation der gesamte Körper des keine aktive Gegenwehr mehr leistenden Tatopfers als Trefferfläche zur Verfügung stand. Schläge mit einem schweren Werkzeug auf den Kopf bergen aber – wie der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, und was auch durch die Sachverständige Dr. H nochmals bestätigt wurde - in jedem Einzelfall die unkontrollierbare Gefahr, sowohl am Punkt des Auftreffens als auch an gegenüberliegenden Seite des Schädels eine Einblutung ober- oder unterhalb der harten Hirnhaut hervorzurufen, welche im Falle ihres Eintretens akut lebensbedrohlich wäre. Ob es zu einer solchen Folge, die bereits bei einem einzigen Schlag eintreten kann, kommt, ist für den Handelnden nicht beherrschbar und damit letztlich vom Zufall abhängig. Dass ein schwerer Schlag auf den Kopf zum Tode führen kann, ist auch für jeden medizinischen Laien offensichtlich. Hier handelte es sich aber nicht um einen, sondern gleich mindestens fünf solcher Schläge auf ein nahezu wehrloses Opfer.
127Andererseits hat die Kammer im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung durchaus gesehen, dass der Angeklagte kein ersichtliches Tötungsmotiv im Hinblick auf PK’in Q als Person hatte, gegen die er keine persönliche Abneigung hegte, sondern die für ihn in dieser Situation letztlich nur irgendeine, austauschbare Polizeibeamtin war.
128Letztlich konnte die Kammer die Frage eines wenigstens bedingten Tötungsvorsatzes dahinstehen lassen, da jedenfalls, wie nachfolgend dargestellt, ein Rücktritt vom Versuch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen war.
129Die Kammer konnte letztlich nicht mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit feststellen, dass der Angeklagte sich aufgrund der – objektiv ohne Zweifel gegebenen – massiven Bedrohungslage durch PK Y mit der gezogenen Dienstpistole auch subjektiv einer äußeren Zwangslage ausgesetzt sah.
130Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte – der ja aufgrund seines vorhergehenden Angriffsversuchs gegenüber dem Zeugen Y grundsätzlich wusste, dass dieser noch in der Nähe war – diesem zunächst keinerlei Beachtung schenkte. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass PK Y, wie er glaubhaft schilderte, den Angeklagten mehrmals anrief und in verschiedenen Formulierungen aufforderte, den Schlagstock wegzuwerfen. Festzuhalten ist jedoch, dass der Angeklagte darauf zunächst überhaupt nicht reagierte. Dies ist einerseits mit einer möglichen, erst durch die immer akuter werdende Bedrohung mit der Waffe schließlich durchbrochene, Fixierung auf das Tatopfer, andererseits aber auch mit einer durchaus zu seinem Persönlichkeitsprofil passenden Neigung des Angeklagten, seine Handlungen „ohne Rücksicht auf Verluste“ durchzuziehen, erklärbar.
131Die Sachverständige Dr.U führte diesbezüglich aus, dass es für impulsive und dissoziale Persönlichkeiten wie den Angeklagten durchaus nicht untypisch sei, dass diese dazu neigten, ihren „Streifen“ auch mit Blick auf ein eigenes Risiko durchzuziehen, und erst dann aufzuhören, wenn sie es für richtig hielten und ihre destruktiven Gefühle befriedigt seien. Es könne also aus ihrer Sicht auch so sein, dass es für den Angeklagten in dem Moment des Ablassens auch einfach „gut gewesen“ sei, er nämlich seine Wut jetzt unabhängig von dem ihn bedrohenden Waffeneinsatz des Polizeibeamten ausreichend abreagiert gehabt habe.
132Die letztere Wertung wird gestützt durch das nachfolgende Verhalten des Angeklagten, das darin bestand, sich einfach abzuwenden und zu gehen, ohne sich von der auf ihn gerichteten Waffe beeindruckt zu zeigen. Bezeichnenderweise hatte der Angeklagte zudem den ihn mit der Waffe bedrohenden Polizeibeamten in seiner Beschuldigtenvernehmung auch gar nicht erwähnt und zu keinem Zeitpunkt des Tatgeschehens in irgendeiner Form Tendenzen zu einer Eigensicherung gezeigt.
133Zudem ergeben sich im Hinblick auf die letzte Sequenz des Tatkerngeschehens Zweifel hinsichtlich des exakten Hergangs wie von PK Y geschildert – die aber die vorhergehenden Feststellungen nicht mehr berühren.
134PK Y schilderte eine Sequenz, dass der Angeklagte ihn in dem Moment, in dem er selbst endgültig den Entschluss gefasst habe, bei einem weiteren Schlag, der dann nicht mehr erfolgt sei, abzudrücken und damit auf den Körper des Angeklagten zu schießen, ihn überrascht angeschaut, mit den Augen gezwinkert und die Hände erhoben habe. Im unmittelbaren Anschluss habe dann der Angeklagte den Schlagstock über den Zaun geworfen und dann begonnen, sich zu entfernen, woraufhin er selbst mit nach wie vor auf den Angeklagten gerichteter Schusswaffe die Verfolgung aufgenommen habe. Aus dieser Sequenz zog er – subjektiv verständlich – den Rückschluss, dass der weitere Schlag nur deshalb ausblieb, weil er den Angeklagten mit der Waffe bedroht hatte.
135Demgegenüber bekundete der Zeuge PK G, dass beim Herannahen an den eigentlichen Tatort der Zeuge Y in der Nähe der Geschädigten gestanden und er selbst noch gesehen habe, wie der Angeklagte den Schlagstock über den Zaun geworfen habe. Dies könne er deshalb sicher sagen, weil er als derjenige, der den Schlagstock noch habe fliegen sehen, später auch mit einem weiteren Kollegen die Suche danach eingeleitet habe und den Suchort habe eingrenzen können.
136Da die Verstärkungskräfte aber erst nach dem Tatkerngeschehen eingetroffen sein müssen – weder PK G noch PK’in M haben bekundet, hiervon noch etwas wahrgenommen zu haben, im Gegenteil bekundete die Zeugin M, dass der Angeklagte sich bereits mindestens 20, wenn nicht 30 Meter entfernt gehabt habe, bevor sie, den Zeugen Y überholend, ihn angetroffen und gestellt habe – ergeben sich aus Sicht der Kammer Zweifel, ob sich diese letzte Sequenz des Tatkerngeschehens in der von PK Y geschilderten, unmittelbaren zeitlichen Abfolge so ereignet hat. Insofern war auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge Y zu diesem Zeitpunkt hochgradig angespannt war und sich aufgrund des gesamten vorherigen Geschehens in einer ihn emotional belastenden absoluten Ausnahmesituation befand.
137Die Feststellungen zur weiteren Festnahmesituation beruhen auf den insoweit wieder widerspruchsfrei übereinstimmenden Aussagen der beteiligten Polizeibeamten G, Y und M. Letztere schilderten im Übrigen in jeder Hinsicht nachvollziehbar und glaubhaft, dass der Angeklagte im Rahmen der unmittelbaren Festnahmesituation, als er sich noch sperrte, mit dem Schlagstock getroffen wurde und so zu der vom Polizeiarzt Dr. X später attestierten leichten Schwellung am Kopf kam, was ausschließt, dass er – wie er glauben zu machen versucht hat – nach seiner Festnahme in irgendeiner Weise geschlagen wurde.
138Die Feststellungen zu den bei der Zeugin PK’in Q eingetretenen Tatfolgen beruhen auf deren eigener, glaubhafter Aussage zum weiteren Behandlungsverlauf, sowie auf den Aussagen der sie nach der Tat untersuchenden behandelnden Ärztin Dr. E und der hinzugezogenen Rechtsmedizinerin Dr. H. Die beiden letzteren beschrieben die körperlichen Verletzungen wie festgestellt anhand der ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen und den von Frau Dr. H gefertigten Lichtbildern. Anhand ihrer Unterlagen schilderte Frau Dr. E auch den weiteren Behandlungsverlauf, soweit noch von ihr überwacht. An der medizinischen Fachkunde sowie der subjektiven Richtigkeit dieser Aussagen besteht kein Anlass zu Zweifeln.
139IV.
140Der Angeklagte war bei Begehung der festgestellten rechtswidrigen Tat voll schuldfähig. Weder war seine Einsichtsfähigkeit aufgehoben noch seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB auch nur erheblich eingeschränkt.
141Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden, das Ergebnis der Hauptverhandlung ausschöpfenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. U, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, denen sie sich nach eingehender eigener Prüfung anschließt.
142Die Sachverständige hat zunächst ausgeführt, dass sie auf Grundlage der Exploration und körperlichen Untersuchung des Angeklagten bei diesem keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer psychiatrischen Störung oder neurologischer Auffälligkeiten habe erkennen können. Der Angeklagte sei im Explorationsgespräch und auch während der Hauptverhandlung stets bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen; affektiv habe er nivelliert gewirkt und sei auch in psychomotorischer Hinsicht unauffällig gewesen. Sein Denkablauf während des gesamten Gesprächs habe formal logisch gewirkt, auch nach Ablenkungen habe er das ursprüngliche Gesprächsthema wieder aufgreifen können. Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit seien gegeben gewesen; für Wahrnehmungsstörungen wie Illusionen, Halluzinationen oder Körperfühlstörungen habe sie keinerlei Anhaltspunkte eruieren können. Ebenso wenig habe der Angeklagte inhaltliche Denkstörungen gezeigt.
143Aus dem Akteninhalt, namentlich einem Urteil des Amtsgerichts L aus dem Jahre 2002 ergäben sich allerdings Hinweise auf psychotische Zustände unter dem Einfluss von THC. Zudem sei der Angeklagte auch in seinem siebzehnten Lebensjahr über einen längeren Zeitraum in der LVR Klinik in F mit Neuroleptika, u.a. mit Haldol und Akineton behandelt worden. Den Hintergrund und die damalige Diagnose habe sie nicht näher aufklären können, da der Angeklagte sich insoweit nicht näher geäußert und auch einer Einsichtnahme in die damaligen Behandlungsakten durch die Sachverständige nicht zugestimmt habe. Da es seither aber keinerlei psychiatrische Behandlung des Angeklagten gegeben habe und weder das Tatgeschehen mit Vor- und Nachgeschehen noch das Explorationsgespräch oder die Hauptverhandlung irgendwelche Anhaltspunkte für eine floride Erkrankung zum Tatzeitpunkt erbracht habe – der Angeklagte habe das Tatgeschehen ihr gegenüber detailliert schildern können und sich selbst als vorausschauend und planhaft agierend beschrieben – seien diese mehr als zehn Jahre zurückliegenden Behandlungen letztlich nicht von Relevanz.
144Sodann zeichnete die Sachverständige die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten auf, welche emotional instabile, impulsive und dissoziale Anteile aufweise. Die Ursache hierfür sei sicherlich in der Kindheit und Jugend des Angeklagten zu suchen, die er als bindungsarm geschildert habe. Der Angeklagte sehe sein Verhalten indes subjektiv als adäquat, den Verhältnissen denen er entstamme und unter denen er gegenwärtig lebe, entsprechend. Er zeige insbesondere keinerlei Leidensdruck, sondern habe sich mit seinem Leben eingerichtet. Auch zeige er eine erhalten gebliebene Anpassungsfähigkeit, die etwa darin zum Ausdruck komme, dass er in den zurückliegenden Haftzeiten – die entsprechenden Akten habe sie ausgewertet – sich ohne größere Probleme in den Alltag der JVA habe integrieren und sogar während der Haftzeit einen Hauptschulabschluss erzielen können. Auch während der aktuellen Inhaftierung sei er zum Zeitpunkt der Exploration, also etwa 6 Wochen nach seiner Festnahme bereits in Arbeit, was zeige, dass er die Fähigkeit habe, sich rasch im neuen Umfeld zurechtzufinden und ohne größere Schwierigkeiten den Gegebenheiten anzupassen. Zusammenfassend seien die Auffälligkeiten in seinem Persönlichkeitsprofil lediglich als Persönlichkeitsakzentuierungen anzusehen, die die klinischen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung nicht erfülle. Von daher sei das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit aus psychiatrischer Sicht zu verneinen.
145Bezogen auf den Tatzeitpunkt führte die Sachverständige aus, dass eine relevante Intoxikation beim Angeklagten sicher auszuschließen sei. Eine tatzeitnah durchgeführte Atemalkoholkontrolle sei negativ gewesen, was im Übrigen mit den Eigenangaben des Angeklagten, den letzten Alkohol gegen 23:00 Uhr des Vortages konsumiert zu haben, konform gehe. Eine Cannabisbeeinflussung des Angeklagten habe ausweislich der Laborergebnisse allenfalls im geringgradigen Bereich vorgelegen. Auch das gesamte Leistungsverhalten des Angeklagten spreche gegen eine relevante Beeinflussung durch Cannabis oder andere, u.U. nicht nachweisbare Substanzen. So habe der Angeklagte eine zusammenhängende Erinnerung an das Tatgeschehen, er erinnere auch Details und Kommunikationsinhalte. Er habe das gesamte Tatgeschehen durch eigenes Agieren konstelliert. Ohne Probleme sei es ihm gelungen, den herannahenden Streifenwagen als solchen zu erkennen und alsbald eine (aus seiner Sicht) sinnvolle Abwehrstrategie zu entwickeln, die durchaus Elemente eines taktischen Vorgehens enthalte. Zu nennen sei beispielsweise der Angriff auf die geschlossene Autotür, um PK Y von vornherein zu beeindrucken. Auch das Erkennen der sich neu ergebenden für ihn günstigen Ausgangssituation nach dem Verlust des Schlagstocks durch PK’in Q und die alsbaldige, in Sekunden erfolgende Reaktion, lasse eine in dieser Phase erhalten gebliebene Fähigkeit, die Situation zu erfassen, zu durchdenken und adäquat zu reagieren, erkennen. Schließlich habe der Angeklagte im Nachtatverhalten auch die eintreffende Übermacht an Polizeibeamten erkannt und wiederum situationsadäquat seinen – nunmehr erkannt aussichtlosen – Widerstand eingestellt.
146In diesem Zusammenhang sei noch auszuführen, dass weder in Bezug auf THC, noch auf Alkohol bezogen auf den Tatzeitraum von einem eingeschliffenen Konsummuster im Sinne einer Abhängigkeit oder eines Hanges auszugehen sei. Der Angeklagte habe anamnestisch geschildert, lediglich etwa 5 bis 6 Flaschen Bier in der Woche zu trinken; THC konsumiere er nicht, allenfalls unwissentlich, wenn er mal an einer fremden Zigarette ziehe. Einen starken Drang oder gar Zwang zum Konsum verneine er aber. Auch andere richtungsweisende Entzugssymptome schildere er nicht; ebenso wenig habe die Sachverständige bei der körperlichen Untersuchung richtungsweisende Symptome für eine Alkoholabhängigkeit feststellen können.
147Der Angeklagte, der den Hauptschulabschluss erzielt habe, über erkennbar präsente Aktenkenntnis verfüge und sich im Explorationsgespräch wie in der Hauptverhandlung zusammenhängend, und auch auf komplizierte Fragen hin sinnvoll habe äußern können, sei sicherlich nicht im forensisch relevanten Sinne schwachsinnig.
148Bezogen auf den Tatzeitpunkt fehle es auch an Anknüpfungstatsachen für eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne eines Affekts. Anhaltspunkte für eine unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Tat stehende Provokation oder Kränkung des Angeklagten durch die Geschädigte seien nicht ersichtlich. Der Angeklagte habe selbst eingeräumt, dass er bezogen auf die Geschädigte oder auch PK Y keinerlei negative emotionale Vorbelastung aufweise. Es seien für ihn schlicht zwei Polizeibeamte gewesen, die ihn hätten festnehmen wollen, was ihm nicht gepasst habe. Aus seiner Sicht hätte es auch jeden anderen treffen können.
149Auch in seinem Leistungsverhalten habe der Angeklagte – wie bereits unter dem Gesichtspunkt der Intoxikation ausgeführt - keinerlei Anhaltspunkte für eine tatzeitliche, erhebliche Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und / oder eine psychotische Realitätsverkennung gezeigt. Soweit der Angeklagte, der das gesamte Tatgeschehen selbst konstelliert habe und auch detailliert erinnere, eine Wutreaktion gezeigt habe, bewege diese sich innerhalb eines normalspychologischen Rahmens.
150V.
151Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung, die er mittels eines gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden Behandlung beging, §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB, schuldig gemacht. Tateinheitlich verwirklichte er den Straftatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und zwar in einem besonders schweren Fall, weil er ein gefährliches Werkzeug bei sich führte und dies bei der Tat einsetzte und er durch die Gewalttätigkeit die Geschädigte in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung brachte, §§ 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB.
152VI.
153Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer den Regelstrafrahmen der gefährlichen Körperverletzung gem. §§ 223, 224 Abs. 1 StGB zugrundegelegt und ist mithin von einem Strafrahmen in Höhe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen.
154Die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung hielt die Kammer im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Erwägungen insbesondere angesichts des Ausmaßes der Gewaltanwendung, die sich gegen ein Opfer richtete, das in der konkreten Situation wehrlos am Boden lag, auch unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgeführten, zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Strafzumessungserwägungen für unvertretbar.
155Innerhalb des Regelstrafrahmens hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein weitgehendes Teilgeständnis ablegte, wenngleich dieses von starken Bagatellisierungstendenzen, insbesondere was sein eigenes aggressives Verhalten und den Einsatz der Gewalt anbelangte, gekennzeichnet war. Strafmildernd fiel weiter ins Gewicht, dass bei der Geschädigten keine gravierenden Folgen zurückgeblieben sind. Sie ist in der Lage ihren Dienst weiter fortzusetzen. Es sind keine dauerhaften aus dem Tatgeschehen herrührenden körperlichen oder psychischen Folgen feststellbar. Ferner fiel zu seinen Gunsten ins Gewicht, dass der Einsatz des gefährlichen Werkzeugs einem spontanen Entschluss entsprang, weil er dieses zufällig auf dem Boden liegend aufnehmen konnte. Weiterhin war zu gewichten, dass er den im Wege des Adhäsionsantrages erhobenen Schadensersatzanspruch der Geschädigten anerkannte – wenngleich angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse die tatsächliche Erfüllung des Anspruchs mehr als fraglich erscheint – und dass er mit seinem letzten Wort eine Entschuldigung aussprach.
156Zulasten des Angeklagten fielen indes seine strafrechtlichen Vorbelastungen ins Gewicht, die zum Teil auch einschlägig waren. Er hatte insbesondere bereits u.a. wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte Strafhaft von einem Jahr und neun Monaten zu verbüßen, ohne dass ihn dies davon abhielt, die hier in Rede stehende Tat zu begehen. Auch die vergleichsweise hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten, der sich nach seiner letzten Strafhaft erst wieder ein knappes Jahr auf freiem Fuß befand, hatte sich trotz Berücksichtigung seiner Persönlichkeitsakzentuierungen strafschärfend auszuwirken.
157Zu seinen Ungunsten sprach – wie bereits oben ausgeführt - zudem das Ausmaß der eingesetzten Gewalt. Er schlug die Geschädigte mindestens fünfmal mit dem Schlagstock auf den Kopf und wirkte zuvor bereits mehrmals mit den Fäusten auf ihr Gesicht ein und trat zudem auch noch mit den Füßen gegen ihren Körper. Strafschärfend zu gewichten war auch, dass der Angeklagte sowohl den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung als auch den des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in jeweils zwei Alternativen erfüllte.
158Um die Schuld des Angeklagten und das Unrecht der von ihm begangenen Tat angemessen zu ahnden, hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe in Höhe von
159fünf Jahren
160für angemessen und unumgänglich, um der Tat und dem Unrechtsgehalt der Handlungsweise gerecht zu werden.
161VII.
162Die Kammer hat die Voraussetzungen des §§ 64 StGB bezogen auf den Angeklagten geprüft und verneint. Wie bereits oben unter IV. dargestellt, lagen nämlich bereits die Voraussetzungen des Eingangsmerkmales „Hang“ zum Tatzeitpunkt nicht vor.
163VIII.
164Der Ausspruch über den Adhäsionsantrag beruht auf dem in der Hauptverhandlung erklärten Anerkenntnis. Eine Darstellung von Entscheidungsgründen ist entsprechend § 313b ZPO entbehrlich.
165IX.
166Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465, 472, 472a StPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Schmerzensgeldes beruht auf § 406 Abs.2 StPO i.V.m. § 708 Nr. 1 ZPO.
167X.
168Der Gegenstandswert gemäß §§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 1 RVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG sowie der Streitwert für die Gerichtsgebühren gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG werden jeweils auf 3.300,00 € festgesetzt. Hierbei hat die Kammer neben den geltend gemachten Schmerzensgeldbeträgen den Feststellungsantrag zu Ziff. 2 mit 10 % des Schmerzensgeldbetrages berücksichtigt.
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Referenzen
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- StGB § 2 Zeitliche Geltung 2x
- StGB § 223 Körperverletzung 3x
- StGB § 224 Gefährliche Körperverletzung 3x
- StGB § 52 Tateinheit 1x
- StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen 1x
- StGB § 21 Verminderte Schuldfähigkeit 1x
- StGB § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 1x
- StPO § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten 1x
- StPO § 472 Notwendige Auslagen des Nebenklägers 1x
- StPO § 472a Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren 1x
- RVG § 2 Höhe der Vergütung 1x
- RVG § 23 Allgemeine Wertvorschrift 1x
- ZPO § 313b Versäumnis-, Anerkenntnis- und Verzichtsurteil 1x
- JGG § 45 Absehen von der Verfolgung 2x
- StPO § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 Js 891/98 1x (nicht zugeordnet)
- 112 Js 622/99 1x (nicht zugeordnet)
- 30 Js 1471/00 1x (nicht zugeordnet)
- 30 Js 11230/00 1x (nicht zugeordnet)
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- 30 Js 731/04 1x (nicht zugeordnet)
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- 30 Js 2938/05 1x (nicht zugeordnet)
- 90 Js 9/06 2x (nicht zugeordnet)
- 90 Js 1544/05 1x (nicht zugeordnet)
- 90 Js 2068/08 1x (nicht zugeordnet)
- 921 Js 326/12 1x (nicht zugeordnet)
- 13 Ls 16/12 1x (nicht zugeordnet)