Beschluss vom Landgericht Wuppertal - 9 T 130/16
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 17.05.2016, 571 XVII 79/14, mit dem dem Insolvenzverwalter Akteneinsicht in die Akte 571 XVII 79/14 gewährt wurde, wird aufgehoben.
Das Akteneinsichtsgesuch des Insolvenzverwalters wird zurückgewiesen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Sohn des Betroffenen, Herr X, regte im Jahr 2014 die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen an. Das Betreuungsverfahren wurde durch Beschluss vom 04.11.2014 eingestellt.
4Ebenfalls im Jahr 2014 wurde der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Betroffenen bestellt. Mit Schreiben vom 29.02.2016 (Bl. 199) beantragte der Insolvenzverwalter Akteneinsicht in die Betreuungsakte. Für ihn sei wesentlich, ob eine Vorsorgevollmacht, die in der Betreuungsakte eine Rolle gespielt habe, von der Bevollmächtigten im Original zur Gerichtsakte gegeben worden sei und ob gegebenenfalls auch eine Erklärung abgegeben worden sei, dass die Bevollmächtigte die Rechte aus dieser Urkunde nicht mehr wahrnehmen wolle. Die Einsichtnahme in die Gerichtsakte sei auch deshalb von Bedeutung, da der Insolvenzverwalter überprüfen müsse, inwieweit er Ansprüche gegenüber der Bevollmächtigten auf Auskunft und gegebenenfalls auch Anfechtungsansprüche geltend machen müsse.
5Mit dem angefochtenen Beschluss gestattete das Amtsgericht dem Insolvenzverwalter die Akteneinsicht mit Ausnahme eines ärztlichen Gutachtens nebst ergänzender Stellungnahme.
6Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen. Die vorgebrachten Gründe könnten ein Akteneinsichtsrecht in dem zugebilligten Umfang nicht rechtfertigen.
7Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 22.07.2016 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
8II.
9Das Rechtsmittel des Insolvenzverwalters ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig. Die Entscheidung über eine Akteneinsicht nach § 13 FamFG ist keine Angelegenheit der Justizverwaltung und auch keine in einem laufenden Verfahren ergehende Zwischenentscheidung, sondern eine Endentscheidung, die der Anfechtung im Wege der Beschwerde unterliegt (Sternal in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 13, Rn. 72; Kretz in: Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl., § 13 FamFG, Rn. 15).
10Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Insolvenzverwalter steht kein Akteneinsichtsrecht zu.
11Der Insolvenzverwalter ist eine Person, die an dem Verfahren nicht beteiligt ist im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG. Der Insolvenzverwalter ist nicht gesetzlicher Vertreter des Schuldners. Er ist vielmehr Amtstreuhänder, der materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen handelt, mit Wirkung für und gegen die Masse (vgl. Graeber in: Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl., § 56, Rn. 146). Er wurde im Verfahren zur Einrichtung der Betreuung nicht beteiligt und ist – wie das Amtsgericht richtig ausführt – weder Muss- noch Kann-Beteiligter im Sinne des § 274 FamFG.
12Ein berechtigtes Interesse des Insolvenzverwalters an einer Akteneinsicht im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG wurde weder glaubhaft gemacht, noch ist es ersichtlich. Für ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift genügt jedes nach vernünftiger Erwägung durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse, dass auch wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann. Es ist insbesondere dann gegeben, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst sein kann (vgl. BayObLG, FamRZ 1985, 208, zu § 34 FGG). Dies ist aber vorliegend gerade nicht erkennbar:
13Es ist nicht erkennbar, inwiefern das zukünftige Handeln des Insolvenzverwalters davon abhängig sein kann, ob eine Bevollmächtigte ihre Vorsorgevollmacht zur Gerichtsakte gegeben hat und ob sie gegebenenfalls erklärt hat, dass sie die Rechte aus dieser Urkunde nicht mehr wahrnehmen wolle. Es ist nicht dargelegt worden, dass sich die Tätigkeit des Insolvenzverwalters auch auf solche Rechtsgeschäfte beziehen kann, welche die Bevollmächtigte getätigt hat und bei denen sodann zu prüfen wäre, ob sie (noch) wirksam im Rahmen ihrer Vollmacht tätig war. Erst bei einem konkreten Streit über die Wirksamkeit eines solchen Geschäfts wäre es für den Insolvenzverwalter von Belang, ob die Vollmacht zurückgegeben und ein Verzicht erklärt wurde.
14Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern eine Akteneinsicht dem Insolvenzverwalter bei der Überprüfung von Ansprüchen gegenüber der Bevollmächtigten auf Auskunft oder von Anfechtungsansprüchen hilfreich sein könnte. Die Betreuungsakte hat die Frage der Einrichtung einer Betreuung zum Gegenstand, hierbei ist eine Vorsorgevollmacht im Rahmen der Erforderlichkeit nach § 1896 Abs. 2 zu berücksichtigen. Rechtsgeschäfte, welcher der Bevollmächtigte getätigt hat, und die Gegenstand von Auskunfts- und Anfechtungsansprüchen sein könnten, sind bei dieser Prüfung zunächst ohne Belang. Dass dies in der vorliegenden Akte anders wäre, wurde nicht vorgetragen.
15Soweit der Insolvenzverwalter vorträgt, es sei seine Aufgabe, alle möglichen Ansprüche gegen Dritte zu prüfen, so könnte dies ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG allenfalls begründen, wenn er sich zur Prüfung dieser Ansprüche Informationen aus der Betreuungsakte erhofft. Dies kann aber ohne weiteres nicht angenommen werden, da eine Betreuungsakte die Rechtsverhältnisse des Betroffenen mit Dritten grundsätzlich nicht zum Gegenstand hat. Der Insolvenzverwalter begehrt eine Akteneinsicht „ins Blaue hinein“. Hierfür besteht aber kein berechtigtes Interesse.
16Soweit sich der Insolvenzverwalter darauf stützt, dass sich – rein theoretisch – aus den eingeholten Sachverständigengutachten Hinweise auf eine Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften des Betroffenen wegen Geschäftsunfähigkeit ergeben könnten, so erfolgt auch dies „ins Blaue hinein“. Einer solchen Ausforschung steht jedenfalls das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung seines Gesundheitszustandes entgegen.
17Der Beschwerdewert wird auf 5.000 € festgesetzt (§ 36 Abs. 3 GNotKG). Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
18Rechtsmittelbelehrung
19Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft. Sie ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe) einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben und sodann, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, zu begründen. Die Rechtsbeschwerde kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
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Referenzen
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