Urteil vom Landgericht Wuppertal - 2 O 29/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Hiervon ausgenommen sind die Kosten der Nebenintervention. Diese trägt seine Streithelferin selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand
2Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz für ein auf sein Fahrzeug umgekipptes Baustellenverkehrsschild.
3Am 23.04.2019 kippte ein im Eigentum der Streithelferin des Klägers stehendes Baustellenverkehrsschild auf das Dach des Fahrzeugs des Klägers (Bl. 46). Hierdurch entstand ihm ein Schaden in Höhe von 2.847,25 Euro.
4Dem ging Folgendes voraus:
5In der Zeit vom 29.04.2019 bis zum 30.04.2019 sollten im Auftrag der Beklagten zu 2), der städtischen xx AG, Straßenbauarbeiten in der V-Straße stattfinden. Hierzu sollten vorher Verkehrsschilder in den zuführenden Straßen, u.a. am späteren Schadensort, aufgestellt werden. Die Beklagte zu 2) hatte mit den im vorgenannten Zeitraum genehmigten Bauarbeiten die Beklagte zu 3) beauftragt und dieser gegenüber am 23.04.2019 um 13:07 Uhr mittels PC-Fax die verkehrsrechtliche Anordnung zur Sicherung der Arbeitsstelle gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6 StVO einschließlich des Verkehrszeichenplans vom 06.03.2019 erlassen und deren sofortige Vollziehung angeordnet (Bl. 115, 166ff.). Weil die Beklagte zu 3) nicht genügend eigene Schilder im Bestand hatte, hatte sie aufgrund eines bestehenden Rahmenvertrages mit der Streithelferin des Klägers, der früheren Beklagten zu 1), bereits vorher mit dieser vereinbart, dass diese ihr welche zur Verfügung stellt (Bl. 165). Durch Email vom 01.04.2019 hatte die Beklagte zu 3) mit der Streithelferin vereinbart, dass diese die bei ihr zu leihenden Verkehrsbeschilderungen vorher am Rand der aus dem beigefügten Plan erkennbaren Beschilderungsstellen abstellen möge, sie, die Beklagte zu 3), werde sich die benötigten Schilder dann später vom Straßenrand in die Baustelle ziehen (Bl. 220f., 223). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Streithelferin des Klägers die von ihr gestellten Schilder häufig schon vor Nutzungsbeginn anliefert und mit um 90 Grad gedrehten Fußbeschwerungen am Rand der Straße aufstellt (Bl. 170).
6Der Kläger hat zunächst seine jetzige Streithelferin als frühere Beklagte zu 1) vor dem Amtsgericht auf Schadensersatz in dem hier beantragten Umfang in Anspruch genommen. Während des laufenden Verfahrens gegen seine jetzige Streithelferin hat der Kläger durch Schreiben vom 19.11.2019 die jetzige Beklagte zu 2) fruchtlos zur Zahlung des hier zum Gegenstand seines Antrags zu 1) gemachten Schadensersatzbetrages bis zum 27.11.2019 aufgefordert. Unter dem 27.11.2019 hat der Kläger seine Klage vor dem Amtsgericht auf Beklagtenseite um die xx AG als (vorherige und jetzige) Beklagte zu 2) erweitert. Nach Rücknahme der Klage gegen die Beklagte zu 1) vor dem Amtsgericht durch Schriftsatz vom 09.12.2019 (Bl. 107) hat das Amtsgericht das Verfahren wegen eines möglichen Amtshaftungsanspruchs durch Beschluss vom 02.01.2020 an das Landgericht verwiesen (Bl. 122). Vor dem Landgericht hat der Kläger seine Klage durch Schriftsatz vom 27.01.2020 nochmals gegen den Beklagten zu 3) erweitert (Bl. 134) und hiernach durch Schriftsatz vom 04.08.2020 der vormals Beklagten zu 1) den Streit verkündet (Bl. 186). Diese ist durch Schriftsatz vom 17.09.2020 dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten (Bl. 220).
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagten 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.847,25 Euro (Antrag 1) sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro (Antrag 2), jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte zu 2) bestreitet mit Nichtwissen, dass das streitgegenständliche Sackgassenschild am 23.04.2019 auf das Fahrzeug des Klägers gefallen ist.
12Das Amtsgericht hat den Geschäftsführer der Streithelferin des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2019 persönlich als Partei angehört. Zum Inhalt seiner Angaben wird auf das Protokoll der dortigen mündlichen Verhandlung (Bl. 51ff.), für den weiteren Sach- und Streitstand auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Anlagen verwiesen.
13Entscheidungsgründe
14Die zulässige Klage ist unbegründet.
15Die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruches des Klägers gegen die hier Beklagten sind nicht gegeben.
16In Betracht kommt allenfalls ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) aus § 839 Abs. 1 BGB, wobei gegenüber der Beklagten zu 3) dann das Haftungsprivileg aus Art. 34 GG zum Verlust ihrer Passivlegitimation führen würde (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2019 – III ZR 124/18, Rn. 10). Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch liegen jedoch nicht vor.
17Zutreffend ist zwar, dass die Beklagte zu 3) im vorliegenden Fall als Verwaltungshelferin der Beklagten zu 2) tätig geworden ist, weil sie von der Letztgenannten ohne Einräumung eines eigenen Entscheidungsspielraums zur Aufstellung von Verkehrszeichen zur Herbeiführung der Wirksamkeit der entsprechenden, diese Verkehrszeichen anordnenden Verkehrsregelung i.S.d. § 45 Abs. 2 StVO verpflichtet wurde (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2019 – III ZR 124/18, Rn. 6), so dass jedenfalls die Beklagte zu 2) dem Grunde nach aus § 839 Abs. 1 BGB für Schäden haftet, die die Mitarbeiter der Beklagten zu 3) einem Dritten hierbei zufügen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11); allerdings ist der Schaden des Klägers im vorliegenden Fall nicht durch ein Handeln der Beklagten zu 3) in Ausübung des so anvertrauten öffentlichen Amtes entstanden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14), sondern durch eine schlichte Vor- und Zuarbeit seiner Streithelferin vor dem Beginn der der Beklagten zu 3) übertragenen Verkehrsregelung (1.). Eine Zurechnung der von ihr verursachten Schäden kommt vorliegend nicht in Betracht (2.).
181.
19Aus dem unstreitigen Parteivorbringen sowie den zur Akte gereichten Urkunden und Lichtbildern ergibt sich, dass die Streithelferin die Schilder wie mit der Beklagten zu 3) vereinbart kurz vor dem Schadensereignis am 23.04.2020 am Rand der T2 ab- und nicht etwa aufgestellt hat. Aus den zur Akte gereichten Fotos (Bl. 46) ergibt sich, dass das auf das Dach des Klägerfahrzeugs gekippte Verkehrsschild im Eigentum der Streithelferin stand und sachwidrig sturzgefährdend um 90 Grad verdreht montiert war. Der Geschäftsführer der Streithelferin hat im Termin beim Amtsgericht als zuvor in dieser Sache Beklagter ausgesagt, es sei unstreitig, dass das Schild zum Zeitpunkt des Umfallens sachwidrig mit querstehenden Füßen beschwert gewesen sei (Bl. 52). Ordnungsgemäß wäre eine um 90 Grad veränderte Drehung. Unbestritten ist ebenfalls der Inhalt des als Anlage des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 27.11.2019 zur Akte gereichten Schreibens von der Versicherung seiner Streithelferin vom 17.06.2019, aus dem hervorgeht, dass am Schadentag starker Sturm herrschte (Bl. 104).
20Hiernach steht zur Überzeugung der Kammer in einer wertenden Gesamtschau aller Umstände fest, dass die Streithelferin des Klägers den Letztverursachungsbeitrag für den durch das Fallen des Schilds auf sein Fahrzeug eingetretenen Schaden gesetzt hat (§ 286 ZPO). Dass nach der Anlieferung der Schilder am 23.04.2019 ein Mitarbeiter der jetzt Beklagten noch in derselben Nacht in Eigeninitiative die Schilder bewegt hat, wird vom Kläger nicht behauptet. Die vom Geschäftsführer der Streithelferin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht dargestellte Gefahrerhöhung durch den verdrehten Schwerpunkt am Fuß des Schildes bei einem Sturm ist dagegen denklogisch plausibel und überzeugend, weil sich durch die Verdrehung des auf dem Bild erkennbaren Fuß die Gefahr des Umkippens schon logisch erhöht, wenn die durch das Schild als Windfang denkmögliche Kraftrichtung parallel zur langen Seite des Standfußes verläuft (§ 286 ZPO). Die Streithelferin wusste auch um dieses Problem, und sie hat die Schilder auch unstreitig ausgeliefert und am Rand aufgestellt. Ob mit dem in der Nacht dann aufgezogenen Sturm zu rechnen war, muss hier nicht entschieden werden.
21Soweit der Geschäftsführer der Streithelferin vor dem Amtsgericht vorgebracht hat, er gehe davon aus, dass das Schild von seiner Seite aus richtig aufgestellt und erst später von jemand anderem verdreht worden sei, hält die Kammer dies nicht für überzeugend, wenn er damit die Verdrehung des Standfußes meint, weil das Verkehrsschild hierfür hätte vom Fuß abmontiert und hiernach um 90 Grad verdreht wieder zusammengesteckt werden müssen, damit die auf den zur Akte gereichten Bildern erkennbare Gefahrerhöhung überhaupt eintritt. Dass sich etwa ein Betrunkener diese Mühe macht, hält das Gericht für sehr unwahrscheinlich, zumal aufgrund des Unwetters in der Nacht von Dienstag, den 23.04.2019, auf Mittwoch, den 24.04.2019, ohnehin wenig Menschen auf der Straße unterwegs gewesen sein dürften. Denkbar wäre allenfalls, dass das Schild als „Biertrinkerstreich“ selbst verstellt worden ist; dies allein führt allerdings, soweit es korrekt am Fuß montiert ist, nicht zu derjenigen erkenn- und vermeidbaren Gefahrerhöhung durch die Verdrehung der langen Seite des Fußes in die Windfangrichtung des Verkehrsschildes hinein, die auf dem zur Akte gereichten Bild vom Schaden aber erkennbar ist (Bl. 46).
222.
23Die durch diese Gefahrerhöhung der Mitarbeiter der Streithelferin zur Überzeugung des Gerichts verursachte Beschädigung des Klägerfahrzeugs ist den Beklagten nicht zuzurechnen.
24Die Streithelferin des Klägers agierte nicht als Verwaltungshelferin. Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 14.05.2009 – III ZR 86/08, BGHZ 181, 65 Rn. 10, m.w.N.). Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (BGHZ 121, 161, 164 ff.). Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes „Werkzeug" oder „Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (vgl. BGH, Urteil v. 09.10.2014 – III ZR 68/14 m.w.N.). Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen.
25Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Streithelferin des Klägers nicht als Verwaltungshelferin anzusehen. Die Streithelferin ist nicht unmittelbar zur Ausübung der übertragenen Verkehrsregelung tätig geworden, sondern sie hat auf der Grundlage eines bestehenden Rahmenvertrages mit der Beklagten zu 3) die Mittel hierfür zur Verfügung gestellt, und diese hat sie vor dem Beginn des Zeitraumes, für den die Verkehrsregelung von der Beklagten zu 2) vorgegeben und übertragen war, angeliefert. Zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadens gab es – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – an dem Schadensort noch gar keine Baustelle, die hätte abgesichert und deren Umgebungsverkehr hätte (abweichend als bisher) geregelt werden müssen. Entsprechend gab es zu dem Zeitpunkt weder Verkehrssicherungs- noch Verkehrsregelungspflichten, die die Beklagten durch eine fehlende oder mangelhafte Absicherung hätten verletzen können. Die Tätigkeit der Streithelferin steht damit sachlich lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang mit den übertragenen Hoheitsaufgaben der Beklagten zu 3), und in zeitlicher Hinsicht in gar keinem. Schäden, die in dieser, hier zu bewertenden Situation durch die Verletzung der während einer solchen Tätigkeit zu beachtenden Sorgfaltspflichten entstehen, können der Allgemeinheit nach der Rechtsauffassung der Kammer nicht angelastet werden.
26Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache bleibt für einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu 2) kein Raum.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Hiervon ausgenommen ist die Entscheidung über die (außergerichtlichen) Kosten der Streithelferin. Diese folgt aus § 101 Abs. 1, 2. Halbsatz ZPO.
28Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt im Hinblick auf die beantragte Gesamtschuldnerhaftung aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 708, Rn. 13).
29Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.847,25 Euro.
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Referenzen
- III ZR 124/18 2x (nicht zugeordnet)
- III ZR 86/08 1x (nicht zugeordnet)
- III ZR 68/14 1x (nicht zugeordnet)