Beschluss vom Landgericht Zweibrücken (Strafvollstreckungskammer) - 2 StVK 954/03

Tenor

Die Einwendungen des Verurteilten gegen die Nachholung der Vollstreckung durch die Staatsanwaltschaft T werden zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Zweibrücken war gemäß §§ 458, 462, 462 a StPO zur gerichtlichen Entscheidung berufen.

2

Durch Verfügung vom 03.07.1992 hat die Staatsanwaltschaft T. gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung des nicht verbüßten Restes des gegen den Verurteilten durch Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts T vorn 22.01.1998 erkannten Freiheitsstrafe von 14 Jahren und 6 Monaten wegen Raubes mit Todesfolge und Meineid abgesehen, nachdem eine unbefristete bestandskräftige Ausweisungsverfügung (vom 24.06.1991, bestandskräftig seit dem 06.08.1991) des Ausländeramtes der Stadtverwaltung Z ergangen war. Der Verurteilte wurde ausdrücklich schriftlich wie folgt belehrt (Schreiben der StA T vom 03.07.1992, Bl. 127 d.A.):

3

"Sie werden dahingehend belehrt, dass die Vollstreckung des nicht verbüßten Restes der gegen Sie erkannten Freiheitsstrafe nachgeholt werden wird, falls Sie in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren. Gegen Sie wird deshalb nach Verlassen der Bundesrepublik Vollstreckungshaftbefehl erlassen werden. Zugleich werden Sie national zur Festnahme ausgeschrieben. Die weitere Belehrung gemäß § 456 a Abs. 2 StPO wird der JVA Z übertragen."

4

Ausweislich einer Zustellungsurkunde vorn 08.07.1992 (Bl. 134 d.A.) wurde das Schriftstück ihm auch selbst übergeben. Dabei wurde das zugestellte Schriftstück nicht vorgelesen, weil der Verurteilte die Vorlesung nicht verlangt hatte. Eine weitere Belehrung in der JVA Z ist nach Angaben des Verurteilten zum damaligen Zeitpunkt nicht erfolgt. Die Abschiebung wurde am 28.07.1992 vollzogen. Der Verurteilte wurde am 12.08. 2003 vorn Bundesgrenzschutz K festgenommen und mittlerweile von der JVA K in die JVA Z verlegt.

5

Die Staatsanwaltschaft T hat mit Schreiben vom 04.09.2003 i.V.m. Schreiben vom 05.11.2003 entschieden, dass die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe gemäß § 456a Abs. 2 Satz 1 StPO nachgeholt wird. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass die Belehrung in ihrer Verfügung vom 03.07.1992 ausreichend gewesen sei. Sofern der Verurteilte nunmehr einwendet, er habe seitens des Ausländeramtes der Stadtverwaltung lediglich ein für 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erhalten und sich somit hinsichtlich seiner Einreisemöglichkeit geirrt, weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass diese Angaben vom Ausländeramt nicht bestätigt wurden. Auf Anfrage wurde vielmehr mitgeteilt, dass eine unbefristete Ausweisungsverfügung erlassen wurde. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Einwendung des Verurteilten sei an der getroffenen Entscheidung festzuhalten. Vollstreckungsverjährung nach § 79 StGB sei noch nicht eingetreten. Bei freiwilliger Wiedereinreise sei in der Regel die Vollstreckung anzuordnen und vollständig nachzuholen. Nachholung sei vorliegend nicht unangebracht, insbesondere wenn man die Umstände die Tat und die Gefährlichkeit des Verurteilten berücksichtigt. Diesbezüglich nimmt die Staatsanwaltschaft insbesondere Bezug auf BI. 114 c f d.A.

...

6

Zwei Drittel der Strafe ist am 01.09.2004 verbüßt, das Strafende ist auf den 03.07.2009 notiert.

7

Die nach § 456 a Abs. 2 StPO mögliche Nachholung der Vollstreckung steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Die Entscheidung der StA lässt Ermessensfehler nicht erkennen.

8

Ihr rechtlicher Ausgangspunkt, bei freiwilliger Wiedereinreise sei in der Regel die Vollstreckung anzuordnen und vollständig nachzuholen, ist im Ergebnis zutreffend.

9

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OLG Hamburg, NStZ RR 2001, Seite 93, 94) kommt das Absehen von der Strafvollstreckung nur unter besonderen Umständen in Betracht, die so ... gewichtig sein müssen, dass gegenüber der grundsätzlich angezeigten Durchsetzung des Vollstreckungsanspruchs eine weitere Inhaftierung des Verurteilten nicht vertretbar erscheint. Maßgebend für diese Auslegung des § 456 a StGB sind die mit der Vorschrift verfolgten Zwecke: Die gegenüber der Regelung des § 57 StGB erhebliche Besserstellung des ausgewiesenen oder ausgelieferten Ausländers findet ihre Rechtfertigung alleine darin, dass eine Sicherung vor gefährlichen Straftätern in der Regel nicht mehr erforderlich ist und auch eine Resozialisierung nicht sinnvoll erscheint; außerdem werden die Justizvollzugsanstalten entlastet. Diese Situation ändert sich aber grundlegend, wenn der ausgelieferte oder ausgewiesene Verurteilte freiwillig zurückkehrt. In diesem Falle unterwirft er sich wieder der Rechts- und Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, und zwar mit dem Zeitpunkt der freiwilligen Rückkehr und unabhängig von deren Dauer. Damit muss er nunmehr allen anderen abgeurteilten Straftätern in einer vergleichbaren Situation rechtlich gleichgestellt werden. Dazu gehört auch die Gleichstellung hinsichtlich des bisher noch nicht verbüßten Teils der Strafe, zumal die Freiheitsstrafe mit der Rückkehr des Verurteilten ihre Funktion der Sicherung und Resozialisierung (§ 2 StVollzG) wieder erlangt (OLG Hamburg NStZ-RR 2001, Seite 93, 94, so auch OLG Düsseldorf NStE Nr. 1 zu § 456 a StPO). Vor allem aber gewinnt das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung an Bedeutung und ist nunmehr vorrangig in die Gesamtabwägung aller für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung in Betracht kommenden Umstände einzustellen. Die im öffentlichen Interesse liegenden Durchbrechungen des auch im Strafvollstreckungsrecht grundsätzlich geltenden Legalitätsprinzips durch § 456 a StPO verliert im Falle der freiwilligen Rückkehr eines Ausgewiesenen ihren tatsächlichen Ansatz. Das der Vollstreckungsbehörde zugewiesene Recht auf Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs lebt wieder auf und verdichtet sich in aller Regel zu einer Vollstreckungspflicht für die Vollstreckungsbehörden(OLG Hamburg NStZ RR 2001, Seite 93, 94; vgl. auch OLG Düsseldorf NStZ Nr. 4 zu § 456 a StPO). Aus der dargestellten Evaluierung des Zwecks der Bestimmung des § 456 a StPO hat die Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf NStE Nr. 1, 4 zu § 456 a StPO; OLG Hamburg NStZ RR 2001, Seite 93, 94) gefolgert, dass bei der gemäß § 456 a Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung in der Regel nur besondere Umstände und Abwägungsgesichtspunkte die Ermessensentscheidung beeinflussen könnten und diese so gewichtig sein müssten, dass sie gegenüber der grundsätzlich angezeigten Durchsetzung des Vollstreckungsanspruchs eine erneute Inhaftierung des Verurteilten unangebracht erscheinen ließen. Diese bei der Frage der Anordnung der Nachholung der Vollstreckung nach erfolgter Wiedereinreise entwickelten Grundsätze beanspruchen auch Geltung bei der vorliegend in Rede stehenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde.

10

Dabei sind neben dem vorrangigen Vollstreckungsinteresse in die Ermessensentscheidung grundsätzlich die Art des begangenen Delikts, die Umstände der Tat, der Umfang der im urteil festgestellten Schuld, die Gefährlichkeit des verurteilten, die Höhe des Strafrestes, die zwischen der Entlassung aus dem Vollzug und der Rückkehr in die Bundesrepublik verstrichene Zeitspanne einzustellen (vgl. NStZ RR 2001, Seite 93, 94) sowie die soziale und familiäre Situation (vgl. OLG Hamburg NStZ RR 1999, Seite 123, 125).

11

Diese Gesichtspunkte hat die Staatsanwaltschaft T ausreichend berücksichtigt.

12

Aus den Entscheidungen der Staatsanwaltschaft T vom 04.09.2003 und vom 05.11.2003 ist zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft bei ihrer Ermessensentscheidung alle von dem Verurteilten angeführten Einwendungen bedacht hat. Ausweislich der Verfügung vom 05.11.2003 hält die Staatsanwaltschaft auch unter Berücksichtigung der weiteren Einwendungen des Verurteilten (BI. 184 ff d.A.), an der getroffenen Entscheidung fest. Die Staatsanwaltschaft hält die Nachholung vorliegend auch nicht für unangebracht, insbesondere wenn man die Umstände der Tat und die Gefährlichkeit des Verurteilten berücksichtigt.

13

Diesbezüglich nimmt sie auch ausdrücklich Bezug auf Bl. 114 c f d.A., wo ausführlich zur Gefährlichkeit des Verurteilten und den Tatumständen Stellung genommen wurde.

14

Die angegriffene Entscheidung lässt insoweit nicht besorgen, dass die Vollstreckungsbehörde bei der Ermessensentscheidung fehlerhaft gehandelt habe. Sie hat alle von dem Verurteilten vorgetragenen Einwände bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine ermessensfehlerhafte Entscheidung sind nicht ersichtlich.

15

Darüber hinaus wäre es der Kammer auch verwehrt, selbst über die Frage des Absehens von der weiteren Strafvollstreckung zu entscheiden. Eine eigene Sachentscheidung nach § 456 a StPO wäre nämlich nur dann möglich, wenn die Sachlage ausschließlich eine bestimmte Entscheidung, nämlich das Absehen von der Strafvollstreckung zwingend erforderte. Eine derartige Ermessensreduktion auf Null liegt indes hier nicht vor.

16

Die Entscheidung ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Verurteilte nach Auffassung der Kammer ordnungsgemäß belehrt worden ist. Dabei kann die Frage, ob der Verurteilte gemäß § 456 a Abs. 2 StPO von der JVA Zweibrücken belehrt wurde, offen bleiben. Entscheidend ist nämlich, dass der Verurteilte, durch das Schreiben der Strafvollstreckungsbehörde vom 03.07.1992 ausreichend belehrt wurde. Der Verurteilte wird ausdrücklich dahingehend belehrt, dass die Vollstreckung des nicht verbüßten Restes der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe nachgeholt werden wird, falls er in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt. Des Weiteren wird er darauf hingewiesen, dass gegen ihn nach Verlassen der Bundesrepublik Vollstreckungshaftbefehl erlassen wird. Des Weiteren werde er auch zur nationalen Festnahme ausgeschrieben. Ausweislich der Zustellungsurkunde vorn 08.07.1992 wurde dieses Schriftstück ihm auch selbst übergeben. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte diese Belehrung nicht verstanden hat. Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten sind insoweit auszuschließen, da der Verurteilte ausweislich etwa seiner Eingabe von Seite 130 d.A. die deutsche Sprache auch zum damaligen Zeitpunkt beherrschte. Entgegen der Ansicht des Verurteilten musste die Belehrung auch inhaltlich nicht auf die Länge der Vollstreckungsverjährungszeit oder ein Hinweis auf § 79 StGB enthalten.

17

Denn § 456 a Abs. 2 Satz 4 StPO erfordert lediglich, dass über die Bedeutung der Absehensanordnung nach Abs. 1, und auch über die Gefahr, dass bei einer Rückkehr die Strafe doch noch vollstreckt werde, belehrt wird.

18

Sofern der Verurteilte einwendet, er habe seitens des Ausländeramtes der Stadtverwaltung Z lediglich ein für 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erhalten und sich somit hinsichtlich seiner Einreisemöglichkeiten geirrt, ist darauf hinzuweisen, dass diese Angaben vom Ausländeramt nicht bestätigt wurden. Auf Anfrage durch die Kammer wurde mitgeteilt, dass eine unbefristete Ausweisungsverfügung erlassen wurde. Auch der Ausweisungsverfügung vom 24.06.1991 (Bl... 55 d.A.) ist keinerlei Befristung, zu entnehmen. Bei der vom Verurteilten eingewendeten Zehnjahresfrist handelt es sich lediglich um eine interne Erinnerung, die technisch erforderlich ist und automatisch nach 10 Jahren erfolgt. Die Wirksamkeit der Ausweisungs-/Abschiebeverfügung wird davon in keinster Weise betroffen. Diese Frist ist nur relevant für das Computersystem(AZK) und erfolgt aus technischen Gründen. Entgegen der Ansicht der Verurteilten ist somit keine neue Abschiebe- bzw. Ausreiseverfügung erlassen worden. Die Verfügung ist auch noch heute wirksam. Der Verurteilte wusste daher, dass er nicht mehr nach Deutschland einreisen darf. Der Umstand, dass er möglicherweise von den österreichischen Grenzbeamten die Information bekommen habe, er dürfe nach 10 Jahren wieder einreisen, ist insoweit unbeachtlich, da diese Stellen nicht befugt waren, dem Verurteilten eine solche Information zu geben, zumal diese Information auch tatsächlich falsch war. Der Verurteilte hätte sich insoweit an die zuständigen Stellen in Deutschland wenden müssen, d. h. etwa an die Vollstreckungsbehörde oder zumindest aber an die Stadtverwaltung Z.

19

Die Einwendungen des Verurteilten gegen die Nachholung der Vollstreckung waren daher zurückzuweisen.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen

This content does not contain any references.