Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 VG 3286/16

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), in erster Linie eine Beschädigtengrundrente. Sie macht einen vieljährigen sexuellen Missbrauch sowie Gewalttätigkeiten vor allem durch ihren Vater, den Zeugen K., in D. vor und nach dem 3. Oktober 1990 geltend.
Die Klägerin ist im August 1980 geboren und in D. (damals in der Deutschen Demokratischen Republik) aufgewachsen. Sie hat einen etwa ein Jahr älteren Bruder. Sie absolvierte die Grundschule und eine weiterführende Schule bis zur 10. Klasse. Danach war sie auf einer Fachhochschule (Fachschule) für Elektrotechnik, erwarb aber keinen Abschluss, nach ihren späteren Angaben wegen „Schwänzens“. Es schloss sich eine Ausbildung als Industriekauffrau mit Abschluss in einem Unternehmen ihres Vaters an.
Vor dem Jahre 2005 gründete die Klägerin in D. ein einzelkaufmännisches Unternehmen für Baudienstleistungen. Sie beschäftigte mehrere Mitarbeiter, von denen sie einige aus anderen Unternehmen übernommen hatte, die ihr Vater betrieben hatte. Sie stellte den Geschäftsbetrieb zum 31. Januar 2006 ein. Auf Antrag eines Gläubigers eröffnete das Amtsgericht (AG) D. (Insolvenzgericht) am 8. März 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin (XX). Nach der Aufhebung des Verfahrens im Jahre 2008 absolvierte die Klägerin die Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren. Mit Beschluss vom 27. April 2012 erteilte das AG D. der Klägerin Restschuldbefreiung. Während des Insolvenzverfahrens hatte einer der Gläubiger Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft D. hatte daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs gegen die Klägerin eingeleitet. Nach Erhebung der Anklage (XX) hatte das AG D. (Strafabteilung) das Strafverfahren zunächst mit Beschluss vom 2. April 2008 vorläufig eingestellt, weil die Klägerin voraussichtlich längerfristig verhandlungsunfähig sei, und sodann mit weiterem Beschluss vom 19. August 2008 wegen geringer Schuld ohne Auflagen endgültig eingestellt.
Während dieser Zeit, am 14. Mai 2007, regte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie N., bei dem sich die Klägerin in Behandlung befand, bei dem AG D. (Vormundschaftsgericht) die vorläufige Einrichtung einer Betreuung an (XX). Er teilte mit, bei der Klägerin bestehe eine schwere Persönlichkeitsstörung, zusammen mit am ehesten einer Angststörung. Die Klägerin könne ihre Angelegenheiten nicht mehr allein regeln. Sie wohne weiterhin bei ihren Eltern, wegen „familiärer Konfliktsituationen“ schieden aber beide als rechtliche Betreuer aus. Mitarbeiter der Betreuungsbehörde bei der Landeshauptstadt D. suchten die Klägerin zu Hause auf und berichteten darüber dem AG D. am 6. Juni 2007. Die Klägerin bewohne bei ihren Eltern ein kleines, abgewohntes Zimmer, dessen Einrichtung einem jungen Kind entspreche. Sie habe angegeben, aktuell keine Einkünfte zu haben, weil sie aus Angst versäumt habe, beim Jobcenter einen Weiterzahlungsantrag zu stellen. Sie sitze hauptsächlich in ihrem Zimmer, gehe aber seit vielen Jahren zweimal wöchentlich zum Fußballtraining und einmal wöchentlich zu einer Gesprächstherapie. Sie wolle gern ausziehen, schaffe das aber nicht. Auf die Mitarbeiter der Betreuungsbehörde machte die Klägerin einen extrem gehemmten, antriebslosen und verunsicherten Eindruck. Die Gesprächsführung sei mühsam gewesen, die Klägerin habe nur bruchstückhaft und vage geantwortet. Es sei von Betreuungsbedarf in mehreren Bereichen auszugehen. Die Klägerin habe gebeten, keinen Kontakt zu ihren Eltern aufzunehmen. Ferner erstattete im Auftrag des AG D. die Psychiaterin M. das Gutachten vom 8. Juni 2007. Sie führte nach einer Untersuchung der Klägerin aus, es beständen eine Persönlichkeitsstörung am ehesten vom Borderline-Typ (F60.3 ICD-10 GM) bzw. mit abhängigen und asthenischen Anteilen (F60.7), eine generalisierte Angststörung (F41.1) mit überwiegend sozialen Ängsten, wahrscheinlich auch eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, F43.1). Die Klägerin sei seit 2006 in psychotherapeutischer Behandlung. Sie habe bei der Anamnese das Vorliegen eines innerfamiliären Missbrauchs kurz angedeutet, auch im Hinblick auf den Bruder. In diesem Zusammenhang habe sie angegeben, ihre Eltern fingen „dann an, rumzuschreien. Sonst gibt es niemanden, der hilft“. Sie habe angegeben, Gewalt, sexuelle Gewalt, erfahren zu haben, die ersten Suizidgedanken habe sie mit 16 oder 17 Jahren gehabt. Mit etwa 11 Jahren habe sie Ecstasy genommen. Auf Nachfrage nach der Unternehmensgründung habe sie angegeben: „Weil der Vater gesagt hat, ich soll das machen. Wenn mein Vater das sagt, dann mache ich das. Sonst fängt der nämlich an rumzutoben“. Am 26. Juni 2007 hörte das AG die Klägerin persönlich an. Sie teilte mit, ihre Mutter arbeite als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse, ihr Vater sei selbstständig im Finanzbereich, bei ihm laufe „auch“ ein Privatinsolvenzverfahren. Konkrete Zukunftsperspektiven habe sie nicht. Sie kenne ihren Vater eigentlich nur herumschreiend, aggressiv und jähzornig, er habe auch schon Sachen („Türen“?) nach ihr und ihrer Mutter geworfen. Auch ihre Mutter habe einmal gesagt, ausziehen zu wollen, schaffe das aber nicht, vermutlich aus Angst vor Repressalien des Vaters. Zu Hause könne ihr - der Klägerin - niemand helfen, allenfalls „die Mutter, die einiges vermute oder erahne, aber auch mit ihr könne sie nicht offen über diese Dinge sprechen“. Die Klägerin habe angegeben, die Gesprächstherapie abgebrochen zu haben, weil sie ihr nichts nutze. Nachdem das AG ausweislich des Protokolls über diese Anhörung den Eindruck gewonnen hatte, dass kein Betreuungsbedarf bestehe, wurde das Verfahren ohne Beschluss eingestellt.
Im August 2007 nahm Rechtsanwalt G., der eine Vollmacht mit einer Unterschrift der Klägerin vorgelegt hatte, Einsicht in die Akten des Betreuungsverfahrens. Daraufhin übersandte am 3. September 2007 der Vater der Klägerin, der Zeuge K., ein mehrseitiges Schreiben an das AG, in dem er „nach Kenntnisnahme der Sachverhalte folgende Richtigstellungen zur Akte“ gab und verschiedene Aussagen der Klägerin - die sich allerdings in der Betreuungsakte gar nicht finden - im Einzelnen korrigierte. Unter anderem trug er vor, die Angaben der Klägerin, sie sei von einem ihrer Cousins missbraucht worden, könnten nicht zutreffen. Ferner habe er selbst in 29-jähriger Ehe weder seine Frau noch die Klägerin jemals geschlagen. Einen Tag später teilte Rechtsanwalt G., weiterhin unter Berufung auf die vorgelegte Vollmacht, mit, die Klägerin habe eine Fortbildung in G. antreten wollen, sei aber Ende August unter dem Einfluss einer Freundin, die sie etwa ein Jahr zuvor im Internet kennengelernt habe, nach K. umgezogen. Das Jobcenter habe die Leistungen an die Klägerin daraufhin eingestellt, weswegen die Eltern auch keine Mietzahlungen mehr für das von der Klägerin bewohnte Zimmer erhielten. Die Klägerin sei sehr leicht zu beeinflussen. Das Insolvenzverfahren laufe noch, die Klägerin unterliege in der Wohlverhaltensphase zahlreichen Obliegenheiten. Es sei daher die Einrichtung einer Betreuung nötig.
Rechtsanwalt G. übersandte dem AG auch den Behandlungsbericht der Dipl.-Psych. L. vom 30. August 2017. Darin ist ausgeführt, die Klägerin sei 2006 erstmals zur Behandlung erschienen, habe fast mutistisch gewirkt und gelegentlich anscheinend dissoziiert. Sie habe ihren Vater als cholerisch sowie überheblich und ihre Mutter als - von ihr - „genervt“ geschildert. In den kommenden Sitzungen sei langsam und mühsam das Ausmaß der Probleme deutlich geworden. Die Klägerin sei ab ihrem etwa 7. Lebensjahr von ihrem Cousin, ab ihrem 13. Lebensjahr auch von ihrem alkoholkranken Großvater, ab etwa einem Jahr später auch von ihrem Bruder, sowie von einem Kollegen des Vaters sexuell missbraucht worden. Sie erlebe von ihrem Vater bis heute körperliche und seelische Misshandlungen. Sie habe gestohlen, Drogen wie Ecstasy und später LSD genommen, den Suizid einer Freundin und den Drogentod zweier anderer Freundinnen miterlebt. Sie sei von einer Mädchen-Gang in der Schule erpresst worden, die später einen ihrer Freunde ermordet habe. Die Klägerin habe ferner angegeben, der Vater sei zu Zeiten der DDR Major der NVA (Nationale Volksarmee) gewesen und habe später mehrere Unternehmen gegründet, die allesamt in Bankrott gegangen seien. Die letzte Firma habe er auf ihren, der Klägerin, Namen gegründet, was zu ihrer Insolvenz geführt habe. Die Mutter leide an Alkoholmissbrauch, um sich zu betäuben. Zu ihrem inzwischen ausgezogenen Bruder habe sie heute guten Kontakt. Für die Diagnostikphase, so Dipl.-Psych. L., seien fast die gesamten bisher bewilligten 25 Sitzungen benötigt worden, da die Klägerin zwischenzeitlich häufig Krisen gehabt habe. Zweimal habe sie - Frau L. - Zwangseinweisungen für nötig gehalten, einmal (18. Mai 2007) sei die Klägerin schließlich freiwillig in die Klinik gegangen, das andere Mal habe sich ihr Vater mit ihr dem Zugriff der Polizei entzogen. Die Therapie sei schließlich von ihr - der Therapeutin - beendet worden.
In den nächsten Tagen gingen weitere umfangreiche Schriftsätze des Vaters der Klägerin mit Anmerkungen zu ihrem Gesundheitszustand und zu ihrer sonstigen Lage beim AG ein. Darunter befand sich auch eine Vorsorgevollmacht, welche die Klägerin am 18. Juni 2007 zu Gunsten ihres Vaters ausgestellt hatte. Ferner reichte der Vater diverse Briefe zur Akte, die die Klägerin - unter anderem bei ihrem Wegzug aus D. - an ihn und ihre Mutter geschrieben hatte.
Im September 2007 und sodann im Dezember 2008 legitimierten sich von K. aus verschiedene Rechtsanwälte für die Klägerin zur Akte. Nach weiterem Schriftwechsel und einer Mitteilung des Notariats K., wonach dort kein Betreuungsverfahren anhängig sei, stellte das AG D. das dortige Betreuungsverfahren mit Beschluss vom 1. Juli 2010 ohne Bestellung eines rechtlichen Betreuers ein.
Aktenkundig ist, dass am 16. April 2008 auf Ersuchen der Polizeidirektion K. Beamte der Polizeidirektion D. die Wohnung der Eltern der Klägerin aufsuchten, um zu überprüfen, ob sich die Klägerin dort freiwillig aufhalte. Sie trafen die Klägerin an, stellten fest, dass sie dort aus freiem Willen war und am 19. April die Rückreise nach K. plante, aber befürchtete, ihr Vater könne sie nicht gehen lassen, weil er einen Suizid fürchte, sie werden sich dann aber selbst an die Polizei wenden (vgl. Treffermeldung auf Grund der späteren Anfrage im Strafverfahren vom 19. März 2010). Ferner sind in den Akten der Polizei zwei weitere Anzeigen vom 29./30. August 2007 sowie 23. Dezember 2008 notiert, in denen Mitarbeiter des Frauenhauses in K. - in einem Fall die später als „Betreuerin“ der Klägerin aufgetretene Dr. B. - die Klägerin als vermisst gemeldet bzw. eine vermutete Entführung durch ihren Vater angezeigt hatten. Die Vorgänge wurden jeweils ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgeschlossen; Genaueres ist den Akten nicht zu entnehmen.
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Auf einen Antrag der Klägerin gegen ihren Vater in einem so genannten „Gewaltschutzverfahren“ verbot das AG K. (XX) mit Beschluss vom 27. Juli 2009 durch einstweilige Verfügung dem Vater, sich der Klägerin zu nähern, ein Zusammentreffen mit ihr herbeizuführen, sie zu verfolgen, mit ihr Verbindung aufzunehmen oder das Haus, in dem sich die Wohngemeinschaft der Klägerin befindet, zu betreten. Das Verbot war bis zum 31. Januar 2010 befristet. Diese Verfügung erging - ohne Anhörung des Vaters - auf Grund einer eidesstattlichen Versicherung der Klägerin über Gewalttätigkeiten ihres Vaters gegen sie seit Kindheitstagen sowie über behauptete Nachstellungen, „Telefonterror“ und unerlaubte Besuche in ihrer Wohngemeinschaft in K.. Auf den Widerspruch des Vaters hin fand am 2. September 2009 mündliche Verhandlung vor dem AG K. statt. Dort schlossen die Klägerin und ihr Vater einen Vergleich, in dem sich der Vater verpflichtete, bis zum 31. Dezember 2009 keinen Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen, und die Klägerin auf Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung verzichtete.
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Am 29. Dezember 2009 erschien die Klägerin in Begleitung ihrer Therapeutin Dr. B. in der Polizeidirektion K. und erstattete Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihren Vater, ihren Bruder und ihren Cousin.
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Sie teilte mit, nach ihren Erinnerungen habe der Missbrauch durch ihren Vater begonnen, als sie vier oder fünf Jahre alt gewesen sei. Es sei im November gewesen und es habe viel Schnee gelegen. Der Vater sei damals mit dem Auto der Familie, einem Skoda grün-metallic, zu der Mutter gefahren, die im Krankenhaus gelegen habe. Es sei außerhalb D. Richtung P. gewesen. Der Wagen sei steckengeblieben. Der Vater habe sie dann mit der Hand an Rücken und vorn „warmgerieben“. Sie habe ihn nicht anfassen müssen. Zuvor habe er sie nie in den Arm genommen. Bei ihrer Einschulung, bei der sie sieben Jahre alt gewesen sei, seien dann Verwandte zu Besuch gewesen, darunter der Cousin, der in ihrem Zimmer habe nächtigen dürfen, weswegen sie ihm Ehebett geschlafen habe. Der Vater sei gekommen, nackt gewesen, habe sie zu sich gezogen, sie ausgezogen und überall gestreichelt, sie dann am Geschlecht berührt, auf den Rücken gedreht und gesagt, er tue ihr „etwas Gutes“. Es habe dann wehgetan und sie habe an der Scheide geblutet. Sie meine, der Vater sei mit seinem Glied eingedrungen. Sie habe geweint. Später habe sie an der Hose ihres Schlafanzugs Blut gesehen, diese ausgewaschen und wieder angezogen, am nächsten Tag aber in den Müll gegeben. Der Vater sei ab diesem Zeitpunkt ein- bis zweimal im Monat, meistens gegen 22.00 Uhr oder 22.30 Uhr, in ihr Zimmer gekommen und habe den Geschlechtsverkehr mit ihr ausgeübt. Später, als er selbstständig gewesen sei und zu Hause gearbeitet habe, sei es auch schon nachmittags nach Schulschluss geschehen. Die Mutter habe abends im Wohnzimmer gesessen, ferngesehen und Wein getrunken. Auf Nachfragen der Polizei hat die Klägerin Details der Taten geschildert, so habe ihr Vater ihre Hände „eingebunden“. Im Jahre 2000 sei die Familie aus der früheren Wohnung in ein Haus umgezogen. Die nächtlichen Besuche des Vaters hätten sich nun gesteigert. Am Ablauf habe sich nichts geändert, regelmäßig habe er den Geschlechtsverkehr mit ihr ausgeübt. Auf Nachfrage der Polizei gab die Klägerin an, ihr Vater habe, als sie mit 12 ihre Periode bekommen habe, anfangs nicht verhütet, später habe er Kondome benutzt, die meist in seinem Geldbeutel gesteckt hätten. Mit 13 sei ihr - der Klägerin - die Pille verschrieben worden, sie habe diese aber nicht vertragen. Auf Nachfragen gab die Klägerin an, manchmal habe sie ihren Vater auch mit der Hand befriedigen müssen. Die sexuellen Übergriffe hätten bis etwa 2007 angedauert. Sie habe dann über das Internet eine Freundin kennengelernt und mit dieser am Freitag, dem 13. Juli 2007, das Elternhaus und D. verlassen und sei nach K. gezogen.
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Auf Grund von Andeutungen der Klägerin zu anderen Ereignissen fragte der Vernehmungsbeamte nach. Die Klägerin berichtete dabei ferner, ihr Vater habe ihr als Kind auch das Schießen beigebracht. Sie sei sogar recht gut im Umgang mit Schusswaffen gewesen. Als sie fünf Jahre alt gewesen sei, habe er sie einmal in Berlin an die Mauer mitgenommen und eine Ausbildungseinheit besucht. Ihr Bruder und die Mutter hätten auf einem Panzer mitfahren dürfen. Ihr Vater und sie hätten Schießübungen gemacht. Plötzlich sei eine Sirene losgegangen und über Lautsprecher sei auf einen Flüchtling hingewiesen worden. Alle seien mit Gewehren losgerannt, auf Aufforderung ihres Vaters auch sie. Sie habe dann tatsächlich einen Mann Anfang 30 auf die Mauer zulaufen sehen. Auf Aufforderung ihres Vaters habe sie dann auf ihn geschossen bzw. meine geschossen zu haben. Der Mann sei stehengeblieben, habe sie kurz angeschaut und sei dann zu Boden gefallen. Die anderen Wachsoldaten seien gekommen und hätten sie beglückwünscht. Sie habe dann Jahre lang geglaubt, den Mann getötet zu haben. Heute denke sie allerdings, sie habe damals nur ein Luftgewehr gehabt und den Mann daher gar nicht erschossen.
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Die Klägerin machte auch Angaben zu den weiteren Gewalttätigkeiten ihres Vaters ihr und ihrer Mutter gegenüber. So schilderte sie einen Übergriff, als sie acht Jahre alt gewesen sei, bei dem ihr Vater mit einer Eisenstange auf sie eingeschlagen und sie im Gesicht verletzt habe. Sie sei dann mit Verletzungen an der Oberlippe und den Zähnen bei einem Zahnarzt am V. in D. gewesen.
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Schriftlich teilte die Klägerin der Polizei auch mit, ihr Vater übe seit ihrem Wegzug aus D. Telefonterror gegen sie aus, sei auch mehrfach, zum ersten Male am 23. Dezember 2007, in ihrem Zimmer in ihrer Wohngemeinschaft in K. gestanden, habe sie bedroht und bedrängt. Es habe auch weitere sexuelle Missbräuche im August 2007 und im April oder Mai 2008 gegeben, als ihr Vater sie jeweils unter dem Vorwand, es gebe einen Termin beim Insolvenzverwalter, nach D. zurückgelockt habe.
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In ihrer weiteren Vernehmung am 8. Februar 2010 machte die Klägerin auf Nachfragen weitere Detailangaben zu den Missbräuchen durch ihren Vater. Sie gab nunmehr an, der letzte Missbrauch durch ihn habe im August 2007 stattgefunden. Sodann teilte sie mit, auch von ihrem Cousin, ihrem Großvater und ihrem Bruder missbraucht worden zu sein. Ihr Großvater könne aber eine Anzeige nicht verkraften, es sei bei ihm auch nicht so schlimm gewesen, daher wolle sie keine Angaben machen. Ihr Bruder habe sie, seit sie 13 gewesen sei, am Unterleib angefasst, was ihr nicht gefallen habe, und sie durch Drohungen, aber nicht durch Gewalt, gezwungen, ihn manuell zu befriedigen. Das sei zwei Jahre so gegangen, dann habe er seine erste Freundin gehabt. Der Missbrauch durch den Cousin habe begonnen, als sie beide noch Kinder gewesen seien. Man sei bei seiner Familie zu Besuch gewesen. Er habe sich dann mit ihr zusammen versteckt, sie von hinten umarmt, an sich gezogen und überall angefasst. Das sei bis vor etwa sieben Jahren so gegangen. Einmal habe er sie im Keller an ihrem Geschlecht angefasst. An Silvester, eventuell 1993, habe sie sich auf seine Aufforderung hin in das Bett gelegt, er habe sie dann gestreichelt und ihr seinen Finger in die Scheide gesteckt. Zu schlimmeren Übergriffen sei es nicht gekommen.
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Weitere Vernehmungen der Klägerin bei der Polizei fanden am 8. und am 15. März 2010 statt. Hier machte die Klägerin einige Detailangaben und berichtete im Wesentlichen über die fortdauernden Kontaktversuche durch ihre Eltern sowie den „Telefonterror“ des Vaters. Sie legte dazu Weihnachtskarten ihrer Eltern und ausgedruckte E-Mails ihres Vaters vor, die aber nicht zur Akte genommen wurden. Wegen behaupteter SMS-Nachrichten ihres Vaters wurde ihr Handy ausgelesen, hierbei wurden einige Nachrichten aus den letzten Jahren gefunden. Ferner schilderte sie den - letzten - sexuellen Missbrauch im April 2008 als Versuch. Sie berichtete, sie habe über einen Chatroom im Internet für Opfer sexuellen Missbrauchs Kontakt zu ihrer jetzigen Freundin R. bekommen, die ebenfalls Opfer sexuellen Missbrauchs gewesen sei und damals schon in dem Frauenhaus in K. gewohnt habe. Diese habe mitbekommen, wie sie - die Klägerin - von ihrem Vater schikaniert worden sei und ihr geraten, von zu Hause wegzuziehen. So sei dann am 13. Juli 2007 auch sie in das Frauenhaus in K. gezogen. Ende August 2007 habe der Vater vor der Tür gestanden und sie nach D. bringen wollen, er habe angegeben, die Anschrift durch Bestechung der D. Meldebehörde erfahren zu haben. Es habe die Polizei geholt werden müssen. Während der Vernehmung ergab sich auch, dass Rechtsanwalt G. der „Firmenanwalt“ ihres Vaters gewesen war und sie ihn damals nicht in dem Betreuungsverfahren mandatiert habe.
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Die Polizeidirektion D. setzte den Vater der Klägerin am 22. März 2010 von dem laufenden Ermittlungsverfahren in Kenntnis. Er habe mit derartigen Vorwürfen gerechnet und auf Anraten seiner Anwältin bereits eine „Selbstanzeige“ erwogen. Die Vorwürfe träfen nicht zu. Die Klägerin leide an einer Persönlichkeitsstörung und habe vor Jahren schon ihren Großvater und ihren Bruder beschuldigt. Dies sei im Rahmen der Psychotherapie in D. geschehen. Dies habe ihm - dem Vater - die Psychotherapeutin erzählt. Die Klägerin sei mit ihrer neuen Freundin im Sommer 2007 überstürzt ausgezogen und seitdem einige Male, zuletzt am 11. März 2009, in D. zu Besuch gewesen. Im Jahre 2008 habe sie zusammen mit ihren Eltern eine Rundreise durch Venezuela unternommen. Es treffe zu, dass er Ende August 2007 versucht habe, die Klägerin zurückzuholen, nachdem er bei einem Anruf ihrer Freundin, Frau R., gehört habe, wie die Klägerin im Hintergrund geweint habe. Die Anschrift des Frauenhauses habe er von der K. P. bekommen. Die Klägerin habe am Ende aber nicht nach Hause gewollt. Sie sei leicht zu beeinflussen.
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Am 23. März 2010 wurde der Vater förmlich als Beschuldigter vernommen. Er wies alle Vorwürfe von sich. Bereits die erste Anschuldigung der Klägerin sei falsch, da er zu der Zeit, als sie vier oder fünf Jahre alt gewesen sei, noch gar keinen Pkw gehabt habe, den Skoda habe er erst 1986 erhalten. Er sei damals nie allein mit der Klägerin in der Wohnung gewesen, vielmehr bis 1992 bei der NVA, danach bei der Bundeswehr als Offizier tätig gewesen und immer erst spät nach Hause gekommen. Von 1990 bis 1992 habe er in Berlin Betriebswirtschaftslehre studiert. Auch danach sei er wegen seiner Berufstätigkeiten immer sehr früh gegangen und erst sehr spät wieder nach Hause gekommen. Im Betreuungsverfahren sei festgestellt worden, dass die Klägerin noch jungfräulich gewesen sei. Ihre Anschuldigungen, die sie dort erhoben habe, habe sie später, auch ihnen als Eltern gegenüber, wieder relativiert, auch gegenüber dem Vormundschaftsgericht. Von diesen Bezichtigungen ihm gegenüber habe er erstmals am 2. September 2009 beim AG K. in dem Gewaltschutzverfahren erfahren. Er habe dort in der mündlichen Verhandlung einen Vergleich geschlossen, um Stress für seine Tochter, die Klägerin, zu vermeiden, und sich in diesem Rahmen freiwillig zu einem Kontaktverbot bis Dezember 2009 verpflichtet. Der Vater überreichte der Polizei Ausdrucke von E-Mails, die die Klägerin an ihn und an ihren Bruder geschickt habe, und in denen sie u.a. ausgeführt habe, sie habe einen riesigen Fehler begangen, den sie nicht wieder gut machen könne.
20 
Das Einwohnermeldeamt D. teilte der Polizei am 19. März 2010 mit, dass dem Vater keine Auskünfte über den Aufenthalt der Klägerin in dem Frauenhaus in K. erteilt worden seien, weil eine vorläufige Auskunftssperre bestanden habe.
21 
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft D. vernahm der Ermittlungsrichter am AG D. (XX) die Klägerin am 5. Juli 2010 in D. mündlich als Zeugin. Ausweislich des Protokolls nahmen an dieser Vernehmung außer den Amtspersonen auch Rechtsanwältin K. als zugelassener Beistand der Klägerin sowie Dr. B. „als Zeugin“ teil.
22 
Die Klägerin machte dort Angaben zu ihrer Biografie, ihrer Ausbildung, der von ihr - auf Betreiben des Vaters - gegründeten Firma und zu ihrer finanziellen Situation. Sie schilderte erneut den sexuellen Missbrauch am Tag ihrer Einschulung, andere Taten aber nicht im Detail. Es habe nie Oralverkehr gegeben. Der Missbrauch habe immer in ihrem Zimmer stattgefunden. Während der - seltenen - Urlaubsreisen, darunter in ein NVA-Ferienheim an der Ostsee und zu ihrem 18. Geburtstag in den Schwarzwald, sei nichts passiert. Auch ihre Mutter habe vor der Wende bei der NVA gearbeitet und das Haus mit dem Vater früh verlassen. Der Vater habe ihr immer mit Mullbinden die Hände gebunden. Der Missbrauch habe nach der Wende nachmittags stattgefunden. Einen weiteren Vorfall schilderte die Klägerin konkret dahin, sie sei 14 oder 15 Jahre alt gewesen, sei von einem Besuch im Berufsinformationszentrum gekommen, er habe mitbekommen, dass sie ihren Auszug plane, er habe geschrien, sie zu Boden gebracht und sie getreten, auch in den Unterleib. Sie sei dann in die Badewanne gegangen, habe Bauchkrämpfe gehabt und in der Badewanne hätten Blutklumpen gelegen. Sie glaube, sie sei damals schwanger gewesen, sie wisse nicht, ob vom Vater oder vom Cousin. Diesen Vorfall habe sie erstmals zwei Wochen zuvor Dr. B. geschildert, davor lediglich der Frau R.. Sie könne sich nach jenem Vorfall an Bilder eines Krankenhauses erinnern, bei einem Gynäkologen sei sie nicht gewesen. Die Krämpfe seien nach einer Woche weggegangen. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft machte die Klägerin außerdem weitere Angaben zu dem Drogenmissbrauch, den Straftaten als Kind und den im Betreuungsverfahren zur Akte gelangten Unterlagen, vor allem dem Behandlungsbericht von Dipl.-Psych. L. vom 30. August 2007. Die Mädchen-Gang habe ihren Freund, der L. geheißen habe und 12 Jahre alt gewesen sei, in einem Abrisshaus so zusammengeschlagen, dass er nicht mehr aufgewacht sei, sie - die Klägerin - habe zuschauen müssen. Das Mädchen, das an der Überdosis gestorben sei, habe Y. geheißen, das andere gestorbene Mädchen B., dieses sei 10 Jahre alt gewesen, sei beim gemeinsamen Spielen auf Bahngleise gelaufen und habe sich dort von einem Zug töten lassen. Die Klägerin erwähnte auch einen Verkehrsunfall mit einem Motorrad vor dem Haus ihrer Großeltern, den sie als Kind mit habe ansehen müssen; auf diesen Komplex war schon der Vater in seiner Stellungnahme in dem Betreuungsverfahren eingegangen. Die Klägerin gab auch an, sie habe zeitweise Tagebücher geführt, die sie nicht mit nach K. genommen habe.
23 
Dr. B. gab, als Zeugin vernommen, an, sie sei seit 1990 in der Traumatherapie tätig. Frau R. sei seit langem ihre Patientin. Der Vater der Klägerin habe sie - Dr. B. - angezeigt, weil sie es in einem Attest als feststehend geschildert habe, dass sexueller Missbrauch stattgefunden habe, sie schreibe daher nur noch im Konjunktiv. Die Klägerin habe ihr während der Therapie auch erzählt, sie sei über die Grenze nach Tschechien und/oder Polen gebracht worden, dort seien Abtreibungen durchgeführt worden. Sie habe dabei unter Drogen gestanden, die ihr ihr Vater gegeben habe. Dies sei vor der Fehlgeburt gewesen, die sie mit 15 erlitten habe. Sie sei von ihrem Vater vermietet worden und habe zweimal in der Woche Freier entgegennehmen müssen. Es sei ein Freund des Vaters gewesen. Das wisse sie sicher. Ein Familienfreund habe die Freier bestellt. Die Mutter habe sich aus der Sache herausgehalten. Ihr habe die Klägerin auch die Geschichte mit der Eisenstange nicht erzählt, dabei sei ihr Kiefer verformt gewesen. Sie trage jetzt noch ein Provisorium, eine Regulierung sei zu teuer. Die Klägerin leide an einer Identitäts- bzw. Persönlichkeitsstörung. Dies habe sie - Dr. B. - an Hand eines Tests festgestellt. Auch Frau R. sei Borderlinerin. Die beiden seien lesbisch geworden, was sie - Dr. B. - nicht glaube, und jetzt ein Paar, wobei Sexualität keine Rolle spiele. Die einzige Männerbekanntschaft der Klägerin sei ein M. gewesen. Er habe ihr einen Bären geschenkt. Am nächsten Tage habe er sich von einer Brücke gestürzt. Das sei 2005 oder 2006 gewesen. Dr. B. reichte bei ihrer Vernehmung auch eine von der Klägerin gezeichnete „Trauma-Landkarte“ und einen ausgefüllten „Fragebogen zu Dissoziationserfahrungen“ („DES II“) zur Akte.
24 
Die Polizei suchte in dem Elternhaus der Klägerin nach den Tagebüchern. Ausweislich des Durchsuchungsprotokolls erschien ihr Zimmer so, als sei es seit ihrem Auszug unverändert geblieben. Es wurden zwei Tagebücher gefunden. Ein weiteres, jüngeres Tagebuch, an das sich der Vater der Klägerin erinnern konnte, wurde nicht aufgefunden. Eine Auswertung ergab, dass keines der Bücher Hinweise auf Missbräuche enthielt (Zeitdauern vom 6. März 2000 bis 13. März 2003 mit einem „Hilferuf“ am 23. November 2002 sowie vom 22. Mai 2007 bis 23. Juni 2007 mit der Äußerung von Suizidgedanken) Die Polizei ermittelte zudem wegen der von der Klägerin angegebenen Todesfälle ihrer Freunde zu Kindheitstagen in den Jahren 1991 bis 1993. Die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) D., Kommissariat 11 (Todesermittlungen) teilte mit, dass aus jenem Zeitraum keine Todesfälle von Personen mit den angegebenen Vornamen und der geschilderten Todesart bekannt seien (Aktenvermerk vom 7. Juli 2010). Für die 128. Mittelschule D., auf welche die Klägerin gegangen war, teilte eine dort seit 1990 beschäftigte Lehrerin (Frau V.) mit, sie könne sich an die Klägerin erinnern, es habe damals an der Schule oder in ihrem Umfeld keine Todesfälle gegeben, die von der Klägerin angegebenen Namen von Mitschülern sagten ihr nichts. Auch der von der Klägerin erwähnte Motorradunfall in der Nähe des Hauses der Großeltern konnte nicht bestätigt werden.
25 
Zur Akte des Ermittlungsverfahrens gelangten ferner zahlreiche Berichte über stationäre Behandlungen der Klägerin im Kreiskrankenhaus T. (vom 7. März 2008, 16. Juni 2008, 13. November 2008 und vom 3. Juli 2009), im D. S. (vom 26. September 2007 und vom 15. August 2008) sowie im I.-Klinikum in W. am I. (vom 26. März 2010). Darin waren jeweils unter anderem eine „komplexe“ PTBS, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung und eine depressive Episode unterschiedlichen Grades diagnostiziert. Als Grund für die Aufnahme war mehrfach eine ansteigende Suizidalität angegeben, vor der Aufnahme in T. am 30. Oktober 2008 habe es einen „erneuten Suizidversuch“ (Sprung in den Fluss K.) gegeben. Die anamnestischen Ausführungen enthielten jeweils Angaben der Klägerin über Ereignisse in dem Frauenhaus in K., Probleme mit ihrer Freundin und anderen Mitbewohnern in der „Wohngemeinschaft“ und den „Telefonterror“ sowie unangekündigte Besuche des Vaters. Ferner hatte die Klägerin regelmäßig von sexuellem Missbrauch und Gewalterfahrungen durch den Vater in Kindheit und Jugend berichtet. In den gynäkologischen Anamnesen war „keine Schwangerschaften“ festgehalten.
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Mit Verfügung vom 9. Februar 2011 stellte die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren ein. Es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Vater der Klägerin der angeschuldigten Taten des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener überführt werden könne. Der Tatverdacht beruhe ausschließlich auf den Angaben der Klägerin. Der Beschuldigte (der Vater) bestreite die Taten. Es hätten keinerlei objektive Beweismittel gefunden werden können, die die Angaben der Klägerin hätten bestätigen können. Die sichergestellten Tagebücher der Jahre 2000 und 2007 enthielten keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch oder körperliche Misshandlungen. Die weiteren Angaben der Klägerin zu angeblichen Todesfällen unter ihren Freunden hätten nicht bestätigt werden können. Es sei medizinisch nicht mehr nachweisbar, ob die Klägerin mit 15 Jahren eine Fehlgeburt erlitten habe oder an ihr tatsächlich Schwangerschaftsunterbrechungen durchgeführt worden seien. Die behandelnde Gynäkologin habe lediglich bestätigt, dass die Klägerin defloriert sei. Allein auf die Aussagen der Klägerin können eine Anklage nicht gestützt werden. Bei der richterlichen Vernehmung sei sie nicht in der Lage gewesen, ihre vorherigen Angaben bei der Polizei in vollem Umfang zu wiederholen. Zwar habe sie im Wesentlichen das gleiche Kerngeschehen geschildert, doch an bestimmte Details wie das Auswaschen der Schlafanzughose habe sie sich nicht mehr erinnert. Weitere konkrete Tathandlungen habe sie nicht beschreiben können. Sie habe auch die behaupteten Übergriffe zeitlich nicht einordnen oder zumindest angeben können, wie alt sie jeweils gewesen sei. Das Abbinden der Hände mit Mullbinden und die Verwendung von Verhütungsmitteln habe sie nur noch rudimentär oder gar nicht mehr beschrieben. Ihre Angaben zum Zeitpunkt des letzten Geschlechtsverkehrs mit ihrem Vater - 2007 oder 2008 - seien nicht konsistent gewesen. Zu ihrem Bruder, Cousin oder Großvater habe sie bei der richterlichen Vernehmung nichts gesagt. Auch habe sie nicht erklären können, warum sie sich am 17. März 2010 in einer E-Mail an ihren Bruder für die Anzeigeerstattung entschuldigt und angegeben habe, einen „riesigen“ Fehler gemacht zu haben. Ihre Ausführungen zu der Tötung eines Flüchtlings an der innerdeutschen Grenze, zu dem Zwang sich prostituieren zu müssen und zu den Verbringungen nach Polen oder Tschechien zu dortigen Abtreibungen erschienen realitätsfern. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bis zu ihrem 12. Lebensjahr regelmäßig halluzinogene Drogen konsumiert und ab dem Jahre 2006 intensiv Internet-Foren über sexuellen Missbrauch besucht habe. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie selbst und fremd Erlebtes vermenge oder Berichte Dritter wiedergebe. Die Klägerin leide unter einer dissoziativen Identitätsstörung, bei der die Wahrnehmung, die Erinnerung und das Erleben der eigenen Identität gestört seien. Sie könne daher auch eigene Erlebnisse nicht konstant schildern, so dass die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht überprüft werden könne.
27 
Am 22. Februar 2010 hatte die Klägerin beim Landratsamt (LRA) ihres baden-württembergischen Wohnorts Versorgungsleistungen nach dem OEG beantragt. Sie gab an, ihr Vater habe sie in der Grundschule eine Treppe hinuntergestoßen. Als sie 14 Jahre alt gewesen sei, habe er sie mit einer Eisenstange geschlagen, dabei seien die Zähne verletzt worden. Auch habe es „viele andere Ereignisse durch Gewalt“ gegeben. Wegen dieser Taten leide sie an einer Kieferverformung, einer Zahnverletzung, einer Narbe über dem rechten Auge, Kopfschmerzen und seelischen Störungen.
28 
Das LRA leitete den Antrag, da die Taten in Sachsen begangen worden seien, an den Beklagten, den Kommunalen Sozialverband S., weiter. Diesem gegenüber schilderte die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2010 konkret drei Ereignisse (im Oktober/November 1998 habe ihr beim Frühstück ihr Vater die Müslischale gegen die Zähne geschlagen, wobei die Zähne eingedrückt worden seien; im Jahre 2006 habe er sie gegen ein Treppengeländer geschubst; 2007 bis 2009 habe er Telefonterror ausgeübt), darunter jedoch weiterhin keinen sexuellen Missbrauch. Der Beklagte zog die Akten des Ermittlungsverfahrens bei und wertete sie aus.
29 
Mit Bescheid vom 25. Juli 2012 lehnte er den Antrag ab. Soweit die Klägerin einen Telefonterror angegeben habe, handle es sich bereits nicht um einen tätlichen Angriff im Sinne des OEG. Die geschilderten körperlichen Misshandlungen im Kindes- und Jugendalter seien nicht nachzuweisen. Die Strafanzeige sei erst 2009 erstattet worden. Die Angaben der Klägerin hätten sich nicht mit objektiven Beweismitteln untermauern lassen. Ihre Tagebücher hätten keine Hinweise insbesondere auf einen sexuellen Missbrauch enthalten. Zeugen, die die Tathandlungen beobachtet hätten, seien nicht vorhanden. Zeitnahe ärztliche Behandlungen zu den Taten wegen der Verletzungen seien nicht erfolgt. Aus diesen Gründen habe auch die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt.
30 
Im Vorverfahren zog der Beklagte auf Antrag der Klägerin die Akte des Betreuungsverfahrens vor dem AG Dresden im Jahre 2007 und das darin enthaltene Gutachten der Psychiaterin M. bei.
31 
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Nach wie vor sei das Vorliegen rechtswidriger tätlicher Angriffe nicht nachgewiesen. Die Folgen der Nichtfeststellbarkeit gingen zu Lasten der Klägerin. Der Bescheid wurde am 14. Oktober 2015 zur Post gegeben und ging bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16. Oktober 2015 ein.
32 
Hiergegen hat die Klägerin am 16. November 2015 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Dieses hat keine weiteren Ermittlungen durchgeführt. In der mündlichen Verhandlung am 23. Juni 2016 hat die - persönlich erschienene - Klägerin beantragt, ihre Betreuerin Dr. B. - die sie sistiert hatte - als Zeugin dafür zu vernehmen, dass sie - die Klägerin - zwar sexuell missbraucht worden sei, dies aber auf Grund bestimmter medizinischer Umstände nicht konsequent darstellen könne. Das SG hat die Klage mit Urteil von diesem Tage abgewiesen. Nach Auswertung des gesamten vorhandenen Akteninhalts, vor allem des Ermittlungsverfahrens, sei auch das SG zu der Überzeugung gelangt, dass vorsätzliche tätliche Angriffe nicht nachgewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht seien, weder körperliche Gewalttätigkeiten noch sexueller Missbrauch. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten beständen nicht, zumal die Klägerin weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren Beweise angetreten habe. Der zuletzt in der Verhandlung gestellte Beweisantrag der Klägerin sei abzulehnen. Dr. B. könne mangels eigener Wahrnehmungen nichts zu den vorgetragenen Taten sagen. Die Beweisbehauptung, die Klägerin könne krankheitsbedingt keine konsistenten Angaben machen, sei nicht erheblich. Wenn dies der Fall sei, wären gewalttätige Angriffe weiterhin nicht bewiesen oder glaubhaft gemacht.
33 
Gegen dieses Urteil, das ihrer Prozessbevollmächtigten am 1. August 2016 in vollständig abgefasster Form zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 1. September 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Auf die Hinweise des Senats vom 16. November 2016 hin hat sie für verschiedene ihrer Behauptungen Zeugen benannt. Für die Verletzungen, die sie als Kind häufig gehabt habe, hat sie zwei Jugendfreunde (M. F. und D. S.), eine Schulkameradin bzw. deren Mutter (M. S.), die ihre Fußball-Trainerin gewesen sei, sowie ihre damals behandelnde Haus- bzw. Kinderärztin Dr. B. benannt. Die Ärzte und Psychiater, die sie seit 2006 behandelt hätten, hat sie als Zeugen vom Hörensagen für den sexuellen Missbrauch benannt. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2017 hat sie sich ferner auf das Zeugnis ihrer Mutter, der Zeugin D., dafür berufen, dass ihr Vater sie - die Klägerin - seit ihrer Kindheit bis zum Jahre 2007 regelmäßig im Beisein der Zeugin körperlich misshandelt habe. Ferner hat sie Zeugen für die Ereignisse seit ihrem Auszug aus der elterlichen Wohnung benannt.
34 
Die Klägerin beantragt,
35 
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. Juni 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtenversorgung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
36 
Der Beklagte beantragt,
37 
die Berufung zurückzuweisen.
38 
Er beruft sich auf die Entscheidung des SG. Eine weitere Stellungnahme hält er nicht für veranlasst.
39 
Der Senat hat die Akten des Insolvenz-, des Betreuungs- sowie des Ermittlungsverfahrens beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Die Klägerin hat ferner Auszüge aus den - inzwischen vernichteten - Akten des Gewaltschutzverfahrens vor dem AG K. im Jahre 2009 zur Akte gereicht.
40 
Die Zeugin Dr. B. hat, als sachverständige Zeugin schriftlich vernommen, mit Schreiben vom 13. April 2017 mitgeteilt, sie sei seit 1965 in D. als Ärztin tätig gewesen und habe seit 1991 bis Juli 2011 als niedergelassene Ärztin gearbeitet. Die Klägerin sei ihr nicht in Erinnerung, daher könnten keine Behandlungszeiträume angegeben werden, insbesondere habe sie keine Erinnerung an die geltend gemachten Zahnverletzungen, eine Patientenakte liege ihr nicht mehr vor.
41 
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin, die in Begleitung eines Zeugenbeistands erschienen war, persönlich angehört sowie ihre beiden Eltern, den Zeugen K. und die Zeugin K., uneidlich vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 18. Juli 2017 Bezug genommen.
42 
Die Klägerin hat ausgeführt, bei dem ersten Übergriff in dem Skoda sei sie noch in den Kindergarten gegangen. Die Farbe des Wagens wisse sie nicht mehr. Am Tag ihrer Einschulung habe ihr Cousin in ihrem Bett schlafen dürfen, sie selbst deshalb ins Ehebett gemusst. Es sei derselbe Cousin gewesen, der sie - allerdings Jahre später - selbst missbraucht habe. Zu den Verletzungen und etwaigen Arztbesuchen hat sie mitgeteilt, der Notarzt sei häufig bei ihnen zu Hause gewesen und habe sie behandelt. Einmal habe sie eine Platzwunde am Kopf gehabt. Der Notarzt habe sie auch nach Misshandlungen gefragt. Den Namen wisse sie nicht mehr. Sie sei auch einmal verletzt in der Poliklinik in der D. N. gewesen. Mit den kaputten Zähnen nach dem Schlag mit der Eisenstange sei sie bei einer Zahnärztin in einer Praxis in der A.-Straße gewesen. Ob die Zahnärztin M. geheißen habe, wisse sie nicht mehr. Bei der Ärztin Dr. K. sei sie zum ersten Mal mit 13 gewesen, sie habe eine Sondergenehmigung mit sportlicher Untersuchung für das Fußballspielen benötigt. An den Namen ihres Kinderarztes erinnere sie sich nicht mehr. Auf Frage, ob ihre Mutter Augen- oder Ohrenzeugin der Taten gewesen sei, hat die Klägerin angegeben, ihre Mutter habe alsbald nach der Wende wieder gearbeitet und sei daher bei den Taten nicht dabei gewesen. Auf ihre - der Klägerin - Jahre später gestellte Frage, ob sie etwas gemerkt habe, habe sie nein gesagt. Sie sei starke Alkoholikerin, sie - die Klägerin - kenne sie nur betrunken. Schon der Großvater habe viel getrunken. Bei der Mutter sei das Wein gewesen, dazu Liköre. Auf Nachfragen nach der Herkunft dieses Weins zu DDR-Zeiten hat die Klägerin geantwortet, er sei rot gewesen und habe vermutlich aus dem Gebiet S. gestammt, wo eine Schwester der Großmutter einen Weinberg gehabt habe. Im Übrigen hat die Klägerin weitere Angaben zu ihrem persönlichen und beruflichen Lebensweg gemacht. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung ferner Ausdrucke einiger E-Mails ihres Vaters an sie aus den Jahren 2007/2008 zur Akte gereicht, deren Inhalt sie für unangemessen bzw. verdächtig halte.
43 
Der Zeuge K., der Vater der Klägerin, hat zu Beginn seiner Vernehmung den Ausdruck einer E-Mail der Klägerin an ihn vom 14. Juli 2017 zur Akte gereicht, in der die Klägerin darum gebeten hat, dass ihre Eltern den Gerichtstermin „absagen“ bzw. die Aussage verweigern mögen. Ihr - der Klägerin - sei jetzt klar geworden, dass dieser Termin eine OEG-Sache betreffe und daher „das Land“ von den Eltern wissen wolle, was geschehen sei. Ihre - der Klägerin - Betreuung habe bestimmt, dass sie bei der Vernehmung den Eltern nicht begegnen dürfe. „Die“ legten alles negativ aus, auch das was sie - die Eltern - an die Klägerin schrieben, sie anriefen und ihr Bilder schickten, sie - die Klägerin - wolle das nicht. Sie müsse jetzt ihr Handy bis nächste Woche abgeben. Der Zeuge hat hierzu bekundet, er habe wieder Kontakt zur Klägerin, diese rufe sonntags sehr früh in D. oder ihre Mutter rufe nachmittags in K. an. Zur Sache hat der Zeuge mitgeteilt, er wisse nicht, wie die Klägerin auf die Vorwürfe gekommen sei. Sie seien zum ersten Mal in dem Strafverfahren zu seinen Ohren gekommen, er sei sehr überrascht gewesen. Die Klägerin vertraue anderen Menschen sehr stark, auch dem, was diese sagten. Der Vorwurf des ersten Missbrauchs in einem Auto könne nicht stimmen, die Familie habe damals noch kein Auto gehabt. Das erste Auto, ein grüner Skoda, sei etwa im April 1987 gekommen. Er - der Zeuge - sei damals bei der NVA in D. stationiert, aber Außenschläfer (Heimschläfer) gewesen. Er sei gegen 17.00 Uhr zu Hause gewesen. Mehrfach habe er mehrmonatige Lehrgänge absolviert. Auch die weiteren Vorwürfe der Klägerin stimmten nicht, auch nicht jene gegen den Bruder oder den Cousin. Bei dem Cousin, der in der Nähe von A. gewohnt habe, sei man nach der Einschulung der Klägerin ohnehin nur ein einziges Mal - zu einem Silvester - zu Besuch gewesen. Die Klägerin sei in der Schule damals an eine Art Mädchengang geraten und wohl auch zusammengeschlagen worden, dabei seien Lehrer dabei gewesen. Es habe sich um ein Berufsgymnasium gehandelt, auf dem die Klägerin ihr Abitur habe machen wollen. Von jener Schule habe er - der Zeuge - erst nach einem Vierteljahr erfahren, dass die Klägerin nicht mehr zum Unterricht erscheine. Die Klägerin sei damals psychologisch betreut gewesen. Ein Vorgang, der dazu beigetragen habe und den er - der Zeuge - in einer der E-Mails des Jahres 2007 erwähnt habe, sei der Diebstahl eines Fahrrads der Klägerin aus dem Keller des elterlichen Hauses in D. gewesen. Auf Fragen nach dem Unternehmen „B. F.“ hat der Zeuge angegeben, er habe jenes Unternehmen damals geführt und habe daher für Forderungen der Krankenkasse und des Finanzamts gegen die Klägerin „geradestehen“ müssen. Auch er und auch seine Ehefrau, die Zeugin K., hätten schon Privatinsolvenzverfahren durchlaufen. Bei der Ehefrau sei es um einen plötzlich gekündigten Kredit für das Haus gegangen.
44 
Die Mutter der Klägerin, Zeugin D. K., hat angegeben, sie wisse auch jetzt nicht viel Genaues, weil ihr Mann sie aus der Sache herausgehalten habe. Von Missbräuchen oder Misshandlungen sei ihr nichts bekannt. Ein Auto habe die Familie nicht gehabt, bevor die Klägerin zur Schule gekommen sei. Der Cousin sei zur Einschulung zu Besuch gewesen, aber er habe nicht im Bett der Klägerin geschlafen, dort habe die Klägerin selbst geschlafen. Blutverschmierte Schlafwäsche habe sie nie gesehen, es sei auch keine Nachtwäsche verschwunden. Sie - die Zeugin - habe erst spät aus dem Abschiedsbrief der Klägerin 2007 erfahren, dass die Klägerin in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht habe, nämlich von einer Mädchengang bedroht worden sei. Dies sei möglicherweise schon in der 6. oder 7. Klasse losgegangen, nachdem sie einem Jungen habe helfen wollen, den die Mädchengang eine Treppe habe hinunterstoßen wollen. In dem Abschiedsbrief habe die Klägerin keinerlei Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs oder Misshandlungen erhoben. Zur Kindheit ihrer Tochter hat die Zeugin - z.T. spontan - noch ausgeführt, die Klägerin sei mit Leib und Seele Fußballerin gewesen, sei auch Schiedsrichterin gewesen, und sei kurz vor ihrem Weggang aus D. aus diesem Bereich womöglich bedroht worden, sie - die Zeugin - habe mehrere entsprechende Anrufe mitbekommen. Die Zeugin hat auf Nachfragen mehrere Namen damaliger Mitschüler, welche die Klägerin benannt hatte oder die der Senat aus dem Internet (www.s.de) entnommen hatte, bestätigt. M. F. habe in der Nähe gewohnt und die Klägerin ein bisschen beschützt. Fragen nach den Insolvenzverfahren, insbesondere nach jenem Verfahren über ihr Vermögen, hat die Zeugin unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht beantwortet. Nach Nachfragen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Zeugin bestätigt, dass sie 1984 oder 1985 in einer Klinik in P. gelegen habe, dass sie mit der Klägerin regelmäßig beim Kinderarzt gewesen sei, wobei sie den Namen nicht mehr wisse und dass die Klägerin einmal eine Platzwunde am rechten Auge gehabt habe, nachdem sie mit dem Bruder gerangelt habe, weswegen man im Kinderzentrum in N. gewesen sei; in einer Poliklinik sei die Klägerin nie gewesen.
45 
Im Nachgang zum Erörterungstermin hat die Klägerin beantragt, die Niederschrift dahin zu berichtigen, dass sie nicht ausgesagt habe, ihre Mutter habe nach der Wende bis 22.00 Uhr gearbeitet, dies sei vielmehr die Zeit der sexuellen Übergriffe gewesen, ferner habe nicht ihre Freundin M. F. die Verletzungen gesehen, sondern deren Mutter als Fußballtrainerin. Sie ist ferner einzelnen Aussagen ihrer Eltern entgegengetreten. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 31. August 2017 verwiesen. Hierbei hat sie eingeräumt, im Jahre 2006 anonyme Drohanrufe erhalten zu haben, sie gehe aber davon aus, dass diese von Gläubigern des von ihrem Vater geführten Unternehmens gestammt hätten. Die Rangelei mit dem Bruder, bei der sie die Kopfplatzwunde erlitten habe, habe so wie von der Zeugin geschildert stattgefunden. Ihr Vater habe entgegen seinen Angaben nicht erst durch das Strafverfahren von den Anschuldigungen erfahren, vielmehr habe er sich bereits 2007 über den inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt G. Kenntnis von der Akte des Betreuungsverfahrens verschafft und den Bericht der ersten behandelnden Psychiaterin L. erlangt. Zur Widerlegung der Angaben ihrer Mutter, sie - die Klägerin - sei nie in einer Poliklinik gewesen, hat sie im Original ihren „Sozialversicherungs- und Impfausweis für Kinder und Jugendliche“, ausgestellt von der Poliklinik N. am 25. August 1980, vorgelegt, der mindestens zehn Impfungen in jener Poliklinik ausweise.
46 
In diesem Ausweis findet sich in der Rubrik „Sonstiges“ auch die Eintragung „RU 9. Kl.“ einer dort nicht näher bezeichneten Behörde mit der Anschrift „A.-Straße 29“ in D. vom 20. September 1995. Eine Internet-Recherche und telefonische Auskünfte haben ergeben, dass an der genannten Anschrift damals der Kinder- und Jugendärztliche Dienst der Landeshauptstadt D. untergebracht war und dass die Eintragung die „Reihenuntersuchung 9. Klasse“ meint. Der Senat hat daraufhin mit Beweisbeschluss vom 16. Februar 2018 die archivierten Akten über die damalige Untersuchung beigezogen und diese in der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2018 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Angaben über Verletzungen oder Hinweise auf sexuellen Missbrauch enthalten die Kurzberichte über die Untersuchungen bzw. Reihenuntersuchungen der Klägerin zwischen dem 28. August 1980 und - zuletzt - dem 20. September 1995 nicht. Während der Kindheit der Klägerin waren als Diagnosen eine Dyslalie (Sprachstörung) und eine leichte Dysplasie (Fehlstellung der Hüftgelenke) verzeichnet worden. Die letzten Untersuchungen hatten am 13. März 1990 („Adipositas, mangelhafte Pflege“), 12. März 1992 („Adipositas, in Sprechstunde bestellt“) und am 20. September 1995 („82,7 kg Gewicht bei 171 cm Körpergröße, Ernährungsberatung“) stattgefunden.
47 
In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2018 hat die Klägerin mitgeteilt, sie sei nicht mehr bei Dr. B., sondern bei der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Kinder- und Jugendpsychotherapie Dr. H. als neuer Therapeutin in Behandlung. Sie habe dort jetzt auch Angaben zu den Missbräuchen durch die anderen Verwandten gemacht und begonnen, den Missbrauch durch ihren Großvater aufzuarbeiten. Die Klägerin hat hierzu das Attest von Dr. H. vom 19. Januar 2018 zur Akte gereicht. Danach sei anamnestisch in Erfahrung gebracht worden, dass die Klägerin seit früher Kindheit bis zum 22. Lebensjahr immer wieder sexuell missbraucht worden, mit Eisenstangen ins Gesicht und andere Teile des Körpers geschlagen und besonders durch den Vater „aufs Übelste“ malträtiert worden sei. Die Klägerin sei im Alter von 6 oder 8 Jahren logopädisch versorgt worden. Als sie 12 Jahre alt gewesen sei, habe sie nichts mehr gegessen und sei erheblich abgemagert, weswegen sie stationär versorgt worden sei. Als sie 24 Jahre alt gewesen sei, habe sie nach einer langen Zeit der Magerkeit enorm viel zugenommen, bis sie dann durch eine stramme Diät wieder abgenommen habe. Es sei zurzeit unter anderem von Magersucht auszugehen. Diagnostisch beständen eine PTBS, Zwangsgedanken (F42.1 ICD-10 GM) und eine „depressive Episode in der Rekonvaleszenz, damals mit Suizidgedanken (F32.3)“. Es sei nunmehr eine psychotherapeutische Behandlung vorzugsweise in einer Langzeittherapie notwendig, möglicherweise auch länger.
48 
Den Antrag auf Berichtigung der Niederschrift über den Erörterungstermin am 18. Juli 2017 hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten. Anträge auf Erhebung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bzw. auf Vernehmung von Dr. H. als sachverständiger Zeugin, die sie angekündigt hatte, hat sie auf Nachfrage des Senats ebenfalls nicht gestellt.
49 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, die beigezogenen Akten anderer Verfahren sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
50 
Die Berufung der Klägerin ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da die Klägerin laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie die Klägerin am 1. September 2016 gemäß § 151 Abs. 1 SGG binnen eines Monats ab der Zustellung der vollständig abgefassten Entscheidung des SG am 1. August 2016 beim LSG erhoben. Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen.
51 
Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere hat der Beklagte in dem angegriffenen Bescheid über den geltend gemachten Anspruch entschieden und insoweit auch das nach § 78 Abs. 1 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Antrag der Klägerin auf „Versorgung“ eine Beschädigtenversorgung, insbesondere zunächst eine Beschädigtengrundrente, betrifft. Mit einer solchen Auslegung, die dem mutmaßlichen Begehren entspricht, ist sichergestellt, dass der Antrag ausreichend bestimmt im Sinne von § 92 Abs. 1 SGG ist.
52 
Die Klage ist aber nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten nicht zu, weswegen der ablehnende Bescheid rechtmäßig ist.
53 
Allerdings ist der beklagte Kommunale Sozialverband S. der für die geltend gemachten Leistungsansprüche passiv legitimierte Rechtsträger. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes über den Kommunalen Sozialverband S. (S.KommSozVG) vom 14. Juli 2005 (SächsGVBl. S. 167, 171) i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 des sächsischen Gesetzes zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes und weiterer sozialer Entschädigungsgesetze (S.DGBVG) vom 29. Januar 2008 (S.GVBl. S. 138, 176). Der Freistaat S. war auch verfassungs- und versorgungsrechtlich befugt, die Ausführung des OEG in dieser Weise von sich auf einen Kommunalverband höherer Ordnung zu übertragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 9 V 3/15 R –, juris, Rz. 14; ebenso schon zu einer entsprechenden Regelung in N. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 22 ff.). Der Beklagte ist auch örtlich für die Entschädigung zuständig, da die angeschuldigten Gewalttaten in seinem Bezirk, nämlich auf dem Gebiet des Freistaats S., begangen worden sein sollen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 OEG).
54 
Der Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung besteht jedoch nicht.
55 
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, §§ 30 ff. Bundesversorgungsgesetz (BVG). Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG), insbesondere die Beschädigtengrundrente nach § 30 Abs. 1 und ggf. Abs. 2 BVG (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42).
56 
Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris; Urteil des Senats vom 9. November 2017 – L 6 VG 2118/17 –, juris, Rz. 33 ff.):
57 
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass der allgemeine Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Dieser besteht aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
58 
Bei der Auslegung des Begriffs eines rechtswidrigen vorsätzlichen tätlichen Angriffs ist entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, juris, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Danach setzt ein tätlicher Angriff grundsätzlich eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung voraus, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.), während die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung hierfür nicht ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.). In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176, § 176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, juris, Rz. 28 m. w. N.). Auch der „gewaltlose“ sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sein (BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 - und - 9 RVg 7/93 -, juris). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten (Urteil des Senats vom 9. November 2017 – L 6 VG 2118/17 –, juris, Rz. 35).
59 
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragsteller, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
60 
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinaus gehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
61 
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, juris, Rz. 4). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches“ Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
62 
Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, juris, Rz. 5). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a.a.O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, juris, Rz. 5). Im Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 15 Satz 1 KOVVfG sind alle prozessual zulässigen Mittel der Glaubhaftmachung heranzuziehen, also nicht nur die im sozialgerichtlichen Verfahren anerkannten vier Beweismittel, sondern z.B. auch die Angaben des Antragstellers selbst (vgl. § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).
63 
Sofern der Anspruch des Gewaltopfers auf eine Beschädigtenversorgung gerichtet ist, insbesondere auf eine Grundrente, richtet sich diese nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nach dem GdS (bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 [BGBl I S. 2904] am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] bezeichnet). Mit diesem Wert werden die allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen – also nicht allein und auch nicht vorrangig im Arbeitsleben – beurteilt. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25, besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in Knickrehm, a. a. O., § 31 BVG, Rz. 2).
64 
Sofern die geltend gemachte Tat, soweit sie die Ursache der vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellt, vor den in § 10a Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 OEG genannten Stichtagen erlitten worden ist, hat eine Versorgung weitere Voraussetzungen. Bei diesen beiden Daten handelt es sich um das In-Kraft-Treten des OEG in den Ländern der früheren Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlins (West) am 16. Mai 1976 (Satz 1) bzw. in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet (die ostdeutschen Länder sowie Ost-Berlin) am 3. Oktober 1990 (Satz 2). In solchen „Altfällen“ erhalten nach der „Härteregelung“ in § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG geschädigte Personen nur dann Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist. Die Voraussetzungen der Bedürftigkeit sind in § 10a Abs. 2 OEG im Einzelnen geregelt. Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt wird nach § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ermittelt.
65 
Im Falle der Klägerin kommt es auf die Anwendbarkeit des § 10a Abs. Satz 2 OEG allerdings nicht an. Bei ihr soll zwar ein Teil der angeschuldigten Taten noch während des Bestehens der DDR, also vor dem 3. Oktober 1990 begangen worden sein, so vor allem die beiden sexuellen Missbräuche in einem Auto 1984/1985 und am Abend vor ihrer Einschulung 1987. Sofern aber ihre Angaben zutreffen, die Missbräuche hätten danach jahrelang angedauert und seien erst 2007 bzw. sogar erst 2008 zu Ende gegangen, ist der größere Teil der Taten bereits in der Bundesrepublik, also unter Geltung des OEG, begangen worden. In einer solchen Situation vieler, lange andauernder Taten bzw. einer fortgesetzten Tat wäre auf den Schwerpunkt der Tatbegehung bzw. auf jenen Teil der Taten abzustellen, der für eine gesundheitliche Schädigung wesentlich verantwortlich ist. Dieser Punkt ist hier aber nicht erheblich. Es muss nicht entschieden werden, welche gesundheitlichen Schäden mit welchem daraus folgenden GdS auf welchen Teil der Taten zurückzuführen ist, da sich der Senat nicht mit dem hierfür notwendigen Beweismaß davon überzeugen kann, dass es die angeschuldigten Taten überhaupt gegeben hat.
66 
Der Senat wendet zu Gunsten der Klägerin hier den abgesenkten Beweismaßstab der Glaubhaftmachung aus § 15 Satz 1 KOVVfG an.
67 
Nach dieser Vorschrift sind die Angaben eines Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Beweiserleichterung ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 -, juris, Rz. 12). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen etwa, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 383 ff. ZPO) Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als solche Zeugen anzusehen. Denn die Beweisnot des Opfers, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn Angreifende unerkannt geblieben oder flüchtig sind (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris, Rz. 41 m. w. N.). Ob Entsprechendes bezogen auf eine für die Tatbegehung in Betracht kommende Person gilt, die eine schädigende Handlung bestreitet, und die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG damit auch zur Anwendung gelangt, wenn sich die Aussagen des Opfers und des den behaupteten schädigenden Vorgang bestreitenden vermeintlichen Täters gegenüberstehen sowie unabhängige Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, a. a. O.), ist zweifelhaft (Bayerisches LSG, Urteil vom 30. April 2015 - L 15 VG 24/09 -, juris, Rz. 61; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/16 -, juris, Rz. 72 f.).
68 
Im Falle der Klägerin kann jedoch offen bleiben, ob die Anwendung des § 15 Satz 1 KOVVfG ausscheidet, weil ihr Vater als der beschuldigte Täter seine Aussage nicht verweigert, sondern umfassend ausgesagt und die Vorwürfe dabei bestritten hat. Auch unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßstabs der Glaubhaftmachung kann sich der Senat nicht von den Taten überzeugen. Es besteht allenfalls eine Möglichkeit, aber nicht die auch von § 15 Satz 1 KOVVfG geforderte gute Möglichkeit, dass sich die Ereignisse so abgespielt haben wie sie die Klägerin schildert. Dass nach Einschätzung des Senats diese gute Möglichkeit nicht angenommen werden kann, geht nach den allgemeinen Grundsätzen über die materielle Beweislast - bzw. hier Glaubhaftmachungslast - zum Nachteil für die Klägerin.
69 
Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat ohne Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens über die Aussagen der Klägerin in diesem Verfahren. Zwar ermittelt das Gericht nach § 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG den Sachverhalt von Amts wegen. Hierzu kann in Ausnahmefällen auch die Erhebung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Glaubhaftigkeit einer Aussage (ggfs. unter Einschluss der Glaubwürdigkeit der Aussageperson) gehören. Grundsätzlich jedoch gehört die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen und anderer Auskunftspersonen zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher dem Tatrichter anvertraut (vgl. gerade zur Würdigung von Angaben über lange zurückliegende sexuelle Missbräuche Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 6 VG 1927/15 –, juris, Rz. 61). Eine Glaubhaftigkeitsgutachten kommt nur dann in Betracht, wenn dem Gericht ausnahmsweise die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt (Bundesgerichtshof [BGH], BGHSt 45, 182; dem folgend Urteil des Senats vom 15. Dezember 2011 - L 6 VG 584/11 -, juris, Rz. 41; nachgehend bestätigend BSG, Beschluss vom 24. Mai 2012 - B 9 V 4/12 B -, juris, Rz. 23). Dies kann der Fall sein, wenn der Sachverhalt oder die Aussageperson Besonderheiten aufweisen, die eine Sachkunde erfordern, die ein Richter normalerweise nicht hat (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2006 - 1 StR 579/05 - und vom 22. Juni 2000 - 5 StR 209/00 -; zuletzt S. OLG, Urteil vom 13. Juli 2011 - 1 U 32/08 -, jeweils zit. nach juris). Das ist hier nicht der Fall. An der Aussagetüchtigkeit der Klägerin ist bereits nach den vorausgegangenen strafrechtlichen Befragungen, auch durch den Ermittlungsrichter nicht zu zweifeln, was sich nach dem persönlichen Eindruck von ihr in der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2018 bestätigt hat. Die Klägerin als Aussageperson und der Sachverhalt weisen auch keine Besonderheiten auf, die es ausschlössen, dass der Senat selbst über die Glaubhaftigkeit der Angaben und die Glaubwürdigkeit der Klägerin befinden könnte. Die Fallgestaltung ist für das OEG vielmehr typisch (vgl. zu allem Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, juris, Rz. 43). Im sozialgerichtlichen Verfahren besteht auch keine Veranlassung zur Einholung eines solchen Gutachtens, um dem Antragsteller überhaupt erst zu ermöglichen, anspruchsbegründende Tatsachen zu behaupten und sodann gegebenenfalls unter Beweis zu stellen (B. LSG, Urteil vom 26. Januar 2010 - L 15 VG 30/09 -, juris, Rz. 75). Ein Glaubhaftigkeitsgutachten gerade in Fällen wie hier, in denen lange zurückliegende Ereignisse behauptet werden, trägt auch deshalb wenig zu einer Entscheidung bei, weil es in der Regel nur Aussagen darüber ermöglicht, ob sich die Auskunftsperson subjektiv an die geschilderten Ereignisse erinnert, nicht aber darüber, ob jene Ereignisse objektiv stattgefunden haben (vgl. zur Problematik der „false memories“ auch Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 – L 6 VG 5048/15 –, juris, Rz. 64). Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass bereits im strafgerichtlichen Verfahren von einer aussagepsychologischen Begutachtung der Klägerin deswegen abgesehen wurde, weil es angesichts der wechselhaften Schilderungen der Ereignisse eine Substantiierung des Erlebnisgehaltes ausscheide (vgl. zu dieser Erwägung BSG, Urteil vom 15.12.2016 - B 9 VG 3/15 R -, juris, Rz. 43). Aus diesen Gründen wäre auch ein Antrag der Klägerin auf Erhebung eines Gutachtens über die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage abzulehnen gewesen (vgl. den Rechtsgedanken des § 244 Abs. 4 Satz 1 Strafprozessordnung [StPO]), wenn die Klägerin einen solchen gestellt hätte.
70 
Es erscheint bereits zweifelhaft, dass die Angaben der Klägerin auf eigenen Erinnerungen beruhen, wie es § 15 Satz 1 KOVVfG verlangt. Zwar hat die Klägerin die ersten Missbräuche für ihr fünftes oder sechstes Lebensjahr geschildert, also für eine Zeit, in der das autobiographische Gedächtnis bereits ausgeprägt ist, denn die so genannte „infantile Amnesie“ betrifft in aller Regel lediglich Erinnerungen an die ersten drei Lebensjahre (Urteil des Senats vom 22. September 2016, a. a. O., Rz. 87 m. w. N. und vom 7. Dezember 2017 - L 6 VG 4996/15 -, juris, Rz. 80). Aber es bestehen Hinweise darauf, dass die Klägerin zwischenzeitlich keine Erinnerungen an solche Ereignisse hatte, sondern diese erst später - wieder - entstanden sind. In diese Richtung deuten die Ausführungen der ersten behandelnden Psychotherapeutin L. in ihrem Bericht vom 30. August 2007. Darin war ausgeführt, die Klägerin habe zu Beginn der Therapie - nur - ihren Vater als cholerisch und ihre Mutter als „genervt“ geschildert. Erst in den „kommenden Sitzungen“ sei langsam und mühsam das Ausmaß der Probleme deutlich geworden, als die Klägerin von sexuellen Missbräuchen durch Cousin, Großvater, Bruder und einen Kollegen des Vaters berichtet habe. Dieser Ablauf könnte darauf hindeuten, dass die behaupteten Erinnerungen im Rahmen einer Traumatherapie erst nachträglich entstanden sind, sei es spontan, sei es durch Selbst- oder Fremdsuggestion (vgl. zu dieser Problematik Urteil des Senats vom 9. November 2017 – L 6 VG 2118/17 –, juris, Rz. 44).
71 
Diesen Punkt lässt der Senat jedoch offen. Es liegen andere Umstände vor, die hier eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG ausschließen.
72 
Zunächst spricht die Genese der Angaben der Klägerin dagegen, dass es sich um wirklichkeitsbasierte Erinnerungen handelt.
73 
Generell gilt, dass eher von einer - objektiv zutreffenden - Erinnerung auszugehen ist, wenn die Schilderungen über einen längeren Zeitraum konstant bleiben, während Geschehensabläufe, die sich nicht zugetragen haben, an die aber subjektiv ein Gedächtnisinhalt besteht, im Laufe der Zeit eher ausufernd beschrieben werden (vgl. LSG R., Urteil vom 19. August 2015 - L 4 VG 5/13 -, juris, Rz. 28; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 90; Rademacker, in Knickrehm, a.a.O., § 1 OEG Rz. 49 m. w. N.; generell zur Konsistenz mit früheren Aussagen auch Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. 1994, Rz. 1101).
74 
Die Klägerin hat zwar - wie ausgeführt - bereits 2006 sexuelle Missbräuche angegeben. Jedoch hat sie insoweit in der Therapie bei Frau L. Missbräuche durch ihren Cousin ab ihrem 7. Lebensjahr, durch ihren angeblich alkoholkranken Großvater ab ihrem 13. Lebensjahr und durch ihren Bruder ab etwa einem Jahr später sowie durch einen „Kollegen“ des Vaters - dies nicht näher umschrieben - angegeben. Auch bei der kurzen Begutachtung bei Frau M. im Betreuungsverfahren (Juni 2007) hat sie nur einen Missbrauch durch den Bruder erwähnt bzw. sogar nur angedeutet, während sie ihre Eltern eher der unterlassenen Hilfeleistung beschuldigt hat („die Eltern fangen dann an, rumzuschreien. Sonst gibt es niemanden, der hilft“). Die Taten durch den Vater selbst, die die Klägerin im ganzen weiteren Ablauf der Verfahren in den Vordergrund gerückt hat, hat sie damals dagegen nicht erwähnt. Von den Vorwürfen gegen Cousin, Großvater und Bruder ist sie dann außerdem in den folgenden Jahren mehr und mehr abgerückt. Bereits im Strafverfahren wollte sie hierzu nichts mehr sagen, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund dafür erkennbar wäre. Und auch nachdem sie ihren Vater nach ihrer Strafanzeige als Haupttäter beschuldigt hatte, obwohl die zeitnahen Tagebücher, die strafrechtlich ausgewertet wurden, keine Hinweise darauf gaben, haben sich ihre Angaben mehr und mehr aufgebauscht, während sie andere Teile nicht konsistent und konstant schildern konnte. Soweit sie bei den polizeilichen Vernehmungen in K. am 29. Dezember 2009 und im Frühjahr 2010 noch detailliertere Angaben zu einzelnen Taten gemacht hat, so insbesondere erstmals die Missbräuche im Auto auf der Fahrt zur Mutter in ein Krankenhaus in den Jahren 1984/1985 und im Ehebett vor ihrer Einschulung 1987 geschildert hat, konnte sie bei der richterlichen Vernehmung in Dresden am 5. Juli 2010 wesentliche Teile dieser Aussagen nicht wiedergeben und ist in einigen Punkten - allerdings eher Randumständen wie der Frage nach den Gründen für das Stehenbleiben des Autos und nach dem Verbleib der Nachtwäsche - von ihren vorherigen Angaben abgewichen. Dafür hat die Klägerin jetzt, bei der richterlichen Vernehmung, einen weiteren konkreten Vorfall geschildert, nämlich die Schläge bzw. Tritte ihres Vaters in ihren Unterleib und die danach folgende Fehlgeburt in der Badewanne, bei der sie 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei. Es wäre zu erwarten, dass ein so einschneidendes Erlebnis, wenn es eine wirklichkeitsbasierte Erinnerung ist, von Anfang an geschildert wird.
75 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin spricht auch, dass einige ihrer Angaben, die sie zu anderen Umständen im Umfeld des Missbrauchs und der Gewalttaten durch ihren Vater gemacht hat, als widerlegt gelten müssen.
76 
Ihre Angaben, ihr Vater habe sie als Kleinkind an die innerdeutsche Grenze mitgenommen und an der Erschießung eines Flüchtlings mitwirken lassen, erscheint wie schon der Staatsanwaltschaft D. auch dem Senat abwegig. Lebensfern und wenig glaubwürdig klingen auch ihre Angaben, sie sei mehrfach schwanger geworden und dann von ihrem Vater bzw. anderen Männer gegen ihren Willen nach Tschechien oder Polen gebracht worden, wo Abtreibungen vorgenommen worden seien. Der Senat verkennt aber nicht, dass diese Aussage nicht direkt von der Klägerin selbst stammt, sondern von Dr. B., die bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Ermittlungsrichter in D. dies als Erzählungen der Klägerin aus den Therapiegesprächen wiedergegeben hat. Das Gleiche gilt aber auch von den Angaben zu der Fehlgeburt mit 14 oder 15, die die Klägerin selbst gemacht hat.
77 
Als vollständig widerlegt sieht der Senat die ausufernden Behauptungen der Klägerin zu den mehreren Suiziden, Drogentoten und Verkehrsunfällen an, die in Kindheit und Jugend Freundinnen und Freunde von ihr erlitten hätten und bei denen sie jeweils dabei gewesen sei. Weder konnte die Kriminalpolizei in D. diese Vorfälle, obwohl die Klägerin die Namen genannt hatte, bei ihren Recherchen bestätigen, noch konnte sich die damals, ab 1990 schon beschäftigte Lehrerin, Frau V., an diese Kinder oder diese Vorfälle erinnern. Der Senat ist aber davon überzeugt, dass solche Todesfälle von Kindern anfangs der 1990er Jahre in D. von der Polizei dokumentiert worden wären und bei den Recherchen im Jahre 2010 also hätten bestätigt werden müssen.
78 
Zu dem Versuch ihres Vaters, sie Ende 2007 in dem Frauenhaus in K. zu treffen, hatte die Klägerin angegeben, ihr Vater habe ihr erzählt, die fragliche Anschrift vom Einwohnermeldeamt in D. erhalten zu haben; zutreffen dürfte dagegen die Aussage des Vaters, er habe erst in K. von der Adresse erfahren, denn das Einwohnermeldeamt hatte damals bereits eine Auskunftssperre vorliegen, wie es der Polizei mitgeteilt hat.
79 
Einen derartigen Widerspruch zeigen auch die jüngsten Angaben der Klägerin, die sie in der Behandlung bei ihrer neuen Therapeutin Dr. H. gemacht hat. Wie diese Therapeutin in ihrem Attest vom 19. Januar angibt, hat die Klägerin ihr gegenüber unter anderem bekundet, sie habe ab ihrem 12. Lebensjahr nichts mehr gegessen und sei stark abgemagert, weswegen sie auch stationär behandelt worden sei, und erst mit 24 Jahren habe sie wieder zugenommen. Dass diese Angabe nicht zutrifft, ergibt sich bereits aus den Untersuchungsberichten über die Klägerin in den Akten des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes der Landeshauptstadt D., die der Senat kurzfristig beigezogen hatte. Dort war nicht nur bei den Untersuchungen 1990 und 1992 eine Adipositas genannt, sondern auch noch bei der Reihenuntersuchung 1995 - also im 16. Lebensjahr der Klägerin. Ein stationärer Krankenhausaufenthalt wegen einer starken Abmagerung mit dem 12. Lebensjahr ist im Übrigen weder in diesen Unterlagen noch in dem Sozialversicherungs- und Impfausweis der DDR verzeichnet, den die Klägerin zur Akte gereicht hat.
80 
Die Ergebnisse der Vernehmung des Vaters und der Mutter der Klägerin als Zeugen, die auch im Rahmen einer Glaubhaftmachung nach § 15 Satz 1 KOVVfG zu berücksichtigen sind (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO), stützen die Angaben der Klägerin nicht.
81 
Was das Kerngeschehen angeht, also die angeschuldigten gewalttätigen Angriffe, war die Beweisaufnahme aus Sicht der Klägerin unergiebig. Ihr Vater hat die Beschuldigungen bestritten, die Mutter, die nach Einschätzung des Senats einen Jahre bzw. Jahrzehnte andauernden Missbrauch ihrer Tochter innerhalb einer Wohnung bzw. eines normal großen Einfamilienhauses sicher hätte mitbekommen müssen, hat ebenfalls bekundet, nichts bemerkt zu haben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Zeugenaussagen ihrerseits glaubhaft sind. Wenn eine Beweiserhebung zu Ungunsten des (materiell) beweisbelasteten Beteiligten ausgeht, ist nicht etwa das Gegenteil erwiesen - bzw. hier glaubhaft gemacht -, sondern es tritt ein „non liquet“ ein. Daher weist der Senat nur darauf hin, dass die Aussagen der beiden Zeugen nicht per se unglaubwürdig waren. Dies gilt auch für die Aussage ihres Vaters, er habe erst durch das Strafverfahren von dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erfahren. In der Tat hatte der Zeuge K. über den damals agierenden Rechtsanwalt G. bereits 2007 Einsicht in die Akte des Betreuungsverfahrens gewonnen und ihm war auch das Attest der ersten behandelnden Psychiaterin L. zur Kenntnis gelangt, wobei die genauen Umstände dieser Kenntniserlangung dubios geblieben sind. Aber damals hatte die Klägerin, wie ausgeführt, ihren Vater noch nicht eines Jahre andauernden sexuellen Missbrauchs beschuldigt, sondern lediglich ihren Cousin, ihren Bruder, Großvater und einen Freund des Vaters einzelner Taten. Auch die Stellungnahme des Vaters vom 31. August 2007 in dem damaligen Betreuungsverfahren, in welcher dieser - ebenfalls nicht völlig aufklärbar - im Detail auf Schilderungen der Klägerin eingeht, die sich so gar nicht in jener Akte finden, betrifft nicht Vorwürfe sexuellen Missbrauchs durch ihn, sondern allein solche gegen den Cousin der Klägerin (Ziffer 6 der Stellungnahme).
82 
Die Aussagen der Zeugen haben dagegen weitere Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin begründet. Dies betrifft z.B. die erste angeschuldigte Tat, die die Klägerin mit vier oder fünf Jahren im Auto der Familie erlitten haben will, während nach den übereinstimmenden Angaben beider Eltern die Familie damals noch gar kein Auto hatte. Ebenso hat z.B. die Mutter als Zeugin bestritten, jemals blutverschmierte Nachtwäsche wahrgenommen oder den Verlust von Nachtwäsche bemerkt zu haben.
83 
Ferner spricht nach Ansicht des Senats auch das Verhalten der Klägerin bei ihrem Auszug aus dem elterlichen Haus und dem Umzug nach K. und in den Jahren danach dagegen, dass sie Opfer der geltend gemachten Gewalttaten geworden ist.
84 
Der Abschiedsbrief bzw. die beiden Briefe, die sie bei ihrem Auszug in D. zurückgelassen hatte, gehen nicht nur mit keinem Wort auf solche Taten ein, sondern die Klägerin bedankt sich darin mehrfach, drückt ihre Liebe zu ihren Eltern aus und bittet eher um Entschuldigung wegen der Umstände, die sie mache. Mehrfach ist die Klägerin in den folgenden Monaten und Jahren zurück in D. gewesen, wobei sie nach ihren Angaben 2007 und 2008 noch je einmal Opfer sexuellen Missbrauchs (bzw. eines Versuchs) geworden sei. Der Verdacht, ihr Vater habe sie mit Gewalt oder unter Drohungen zurück nach Dresden gelockt, hat sich nicht bestätigt. Nach Aktenlage drei Mal zwischen dem 29. August 2007 und dem 23. Dezember 2008 wurden von K. aus Anzeigen wegen des Verdachts auf Entführung gestellt, wobei sich dieser Verdacht nicht bewahrheitet hat, vielmehr hatte die D. Polizei bei dem Einsatz am 16. April 2008 festgestellt, dass sich die Klägerin freiwillig bei ihren Eltern aufhielt und keine Anzeichen für Gewalttätigkeiten oder sexuellen Missbrauch vorlagen. Die Klägerin hat auch nicht den Angaben ihrer Eltern widersprochen, es habe noch in den Jahren 2007 und 2008 über die genannten Besuche hinaus gemeinsame Urlaubsreisen gegeben, darunter sogar nach Venezuela. Es ist schwer vorstellbar, dass die Klägerin mit ihren Eltern solche Reisen unternommen hätte, nachdem sie sich aus dem Elternhaus gelöst hatte und allein lebte, wenn die vorgeworfenen Taten zuträfen. Der Senat würdigt auch die E-Mails der Klägerin an ihre Eltern und ihren Bruder, die ihr Vater am 23. März 2010 als Ausdrucke der Polizei übergeben hatte und in denen die Klägerin ausführte, sie habe „einen Fehler gemacht“ - dies kann sich nur auf die aktuell gestellte Strafanzeige beziehen - und bitte um Entschuldigung. In die gleiche Richtung deutet auch die E-Mail, welche die Klägerin - Jahre später - kurz vor ihrer Anhörung vor dem Berichterstatter des Senats im Juli 2017 an ihre Eltern geschickt hatte. Diese E-Mail enthält keine Vorwürfe, sondern eher die Bitte um Entschuldigung und die Aussage, die „Unannehmlichkeiten“ - hier die Ladung zur Zeugenvernehmung - habe sie, die Klägerin, verursacht.
85 
Auch weitere Umstände nach dem Wegzug aus D. deuten nicht eindeutig auf traumatische Erlebnisse der Klägerin hin. Selbst das Annäherungsverbot, das die Klägerin im Jahre 2009 beim AG K. gegen ihren Vater erwirkt hat, war nicht auf die hier erhobenen Vorwürfe gestützt, sondern auf die anscheinend unternommenen Versuche der Eltern, die Klägerin aus dem Einflussbereich ihrer Freundin und der „Betreuerin“ Dr. B. herauszulösen sowie wieder nach Hause zu bringen. Diese Versuche haben die Eltern nicht bestritten, nur die Gründe und die konkreten Umstände dieser Versuche schildern Klägerin und Zeugen unterschiedlich.
86 
Weiterhin konnten aus den beigezogenen Akten des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes aus D. keine Hinweise oder Anhaltspunkte für Verletzungen entnommen werden, die den Vortrag der Klägerin in irgendeiner Weise gestützt hätten. Auch die weiteren Beweiserhebungen durch den Senat waren unergiebig, darunter die schriftliche Vernehmung der benannten damaligen Ärztin Dr. K.. Ebenso haben die beigezogenen Akten des Insolvenzverfahrens nur belegt, dass die Klägerin anscheinend tatsächlich von ihrem Vater als Strohfrau eingesetzt und von ihm veranlasst, vielleicht auch genötigt worden ist, ein Unternehmen zu gründen, um die Geschäfte früherer Unternehmen des Vaters, die offenkundig insolvent geworden waren, weiterzuführen. Der Zeuge K. hat bei seiner Vernehmung zu diesem Punkt selbst eingeräumt, faktisch habe er das Unternehmen seiner Tochter geführt. Diese familiären Ereignisse sind ungewöhnlich, belegen aber weder Gewalttätigkeiten noch sexuellen Missbrauch.
87 
Der Senat sieht nach diesen Ermittlungen keine weiteren Ansätze mehr, mit denen die Angaben der Klägerin verifiziert oder zumindest gestützt werden könnten. Die weiteren benannten Zeugen, vor allem die als Fußballtrainerin tätige Mutter ihrer Schulfreundin - die nicht ladungsfähig bezeichnet worden ist - und die beiden namentlich benannten Schulfreunde, haben auch nach den Angaben der Klägerin selbst nicht die Taten gesehen, sondern nur Verletzungen. Woher solche Verletzungen damals gestammt haben könnten, kann sich aus ihren Aussagen nicht ergeben. Zu der einen Platzwunde am Auge, derentwegen die Klägerin damals in einer Klinik behandelt worden war, hat sie nach ihrer Anhörung im Juli 2017 selbst eingeräumt, sie sei bei einer Rangelei mit dem Bruder entstanden. Die übrigen Personen, die nach den Angaben der Klägerin damals Verletzungen hätten sehen können, konnte sie nicht namentlich benennen. Dies gilt für den Notarzt, der angeblich einmal in der Wohnung war. Und ob die Zahnärztin, bei der die Klägerin nach dem Schlag mit der Eisenstange oder der Müslischale in Behandlung gewesen sei, die vom Senat ermittelte M. war, konnte sie bei ihrer Anhörung nicht bestätigen.
88 
Insgesamt wirkt das Verhalten der Klägerin in den Jahren nach dem Auszug ebenso wie ihre Aussagen so widersprüchlich und sprunghaft, dass nicht von Glaubhaftigkeit ausgegangen werden kann. Möglicherweise trifft die von Dr. B. gestellte Diagnose zu, auf die auch die Staatsanwaltschaft D. in der Einstellungsverfügung vom 9. Februar 2011 hingewiesen hat. Wenn die Klägerin an einer dissoziativen Identitätsstörung leidet, bei der die Wahrnehmung, die Erinnerung und das Erleben der eigenen Identität gestört sind, würde dies erklären, dass sie immer wieder engen Kontakt zu ihren Eltern sucht und ihnen liebevolle Briefe und E-Mails schreibt und dann unvermittelt gewaltschutz- oder strafrechtlich gegen sie vorgeht. Denkbar ist aber auch, dass die Klägerin von Dritten gesteuert wird. Auch hierfür gibt es Hinweise, z.B. ihre Ausführungen in der E-Mail an ihre Eltern vor dem Erörterungstermin am 18. Juli 2017, sie müsse das so sagen und ihr sei für eine Woche ihr Handy abgenommen worden.
89 
Da demnach bereits die für Ansprüche nach dem OEG notwendige Gewalttat nicht anzunehmen ist, kommt es nicht darauf an, ob und ggfs. an welchen Erkrankungen die Klägerin leidet und ob diese auf die angeschuldigten Taten zurückgeführt werden können.
90 
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
91 
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
50 
Die Berufung der Klägerin ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da die Klägerin laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat sie die Klägerin am 1. September 2016 gemäß § 151 Abs. 1 SGG binnen eines Monats ab der Zustellung der vollständig abgefassten Entscheidung des SG am 1. August 2016 beim LSG erhoben. Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen.
51 
Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere hat der Beklagte in dem angegriffenen Bescheid über den geltend gemachten Anspruch entschieden und insoweit auch das nach § 78 Abs. 1 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Antrag der Klägerin auf „Versorgung“ eine Beschädigtenversorgung, insbesondere zunächst eine Beschädigtengrundrente, betrifft. Mit einer solchen Auslegung, die dem mutmaßlichen Begehren entspricht, ist sichergestellt, dass der Antrag ausreichend bestimmt im Sinne von § 92 Abs. 1 SGG ist.
52 
Die Klage ist aber nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten nicht zu, weswegen der ablehnende Bescheid rechtmäßig ist.
53 
Allerdings ist der beklagte Kommunale Sozialverband S. der für die geltend gemachten Leistungsansprüche passiv legitimierte Rechtsträger. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes über den Kommunalen Sozialverband S. (S.KommSozVG) vom 14. Juli 2005 (SächsGVBl. S. 167, 171) i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 des sächsischen Gesetzes zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes und weiterer sozialer Entschädigungsgesetze (S.DGBVG) vom 29. Januar 2008 (S.GVBl. S. 138, 176). Der Freistaat S. war auch verfassungs- und versorgungsrechtlich befugt, die Ausführung des OEG in dieser Weise von sich auf einen Kommunalverband höherer Ordnung zu übertragen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Dezember 2016 – B 9 V 3/15 R –, juris, Rz. 14; ebenso schon zu einer entsprechenden Regelung in N. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 22 ff.). Der Beklagte ist auch örtlich für die Entschädigung zuständig, da die angeschuldigten Gewalttaten in seinem Bezirk, nämlich auf dem Gebiet des Freistaats S., begangen worden sein sollen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 OEG).
54 
Der Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung besteht jedoch nicht.
55 
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, §§ 30 ff. Bundesversorgungsgesetz (BVG). Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG), insbesondere die Beschädigtengrundrente nach § 30 Abs. 1 und ggf. Abs. 2 BVG (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42).
56 
Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris; Urteil des Senats vom 9. November 2017 – L 6 VG 2118/17 –, juris, Rz. 33 ff.):
57 
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass der allgemeine Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m. w. N). Dieser besteht aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
58 
Bei der Auslegung des Begriffs eines rechtswidrigen vorsätzlichen tätlichen Angriffs ist entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, juris, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Danach setzt ein tätlicher Angriff grundsätzlich eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung voraus, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.), während die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung hierfür nicht ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.). In Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Sinne von § 176, § 176a StGB hat das BSG den Begriff des tätlichen Angriffes noch weiter verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Es ist allein entscheidend, dass die Begehensweise, also eine sexuelle Handlung, eine Straftat war (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, juris, Rz. 28 m. w. N.). Auch der „gewaltlose“ sexuelle Missbrauch eines Kindes kann demnach ein tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sein (BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 - 9 RVg 4/93 - und - 9 RVg 7/93 -, juris). Diese erweiternde Auslegung des Begriffes des tätlichen Angriffs ist speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern aus Gründen des sozialen und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des OEG geboten (Urteil des Senats vom 9. November 2017 – L 6 VG 2118/17 –, juris, Rz. 35).
59 
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragsteller, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
60 
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinaus gehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
61 
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, juris, Rz. 4). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches“ Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
62 
Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, juris, Rz. 5). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a.a.O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, juris, Rz. 5). Im Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 15 Satz 1 KOVVfG sind alle prozessual zulässigen Mittel der Glaubhaftmachung heranzuziehen, also nicht nur die im sozialgerichtlichen Verfahren anerkannten vier Beweismittel, sondern z.B. auch die Angaben des Antragstellers selbst (vgl. § 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).
63 
Sofern der Anspruch des Gewaltopfers auf eine Beschädigtenversorgung gerichtet ist, insbesondere auf eine Grundrente, richtet sich diese nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG nach dem GdS (bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 [BGBl I S. 2904] am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] bezeichnet). Mit diesem Wert werden die allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen – also nicht allein und auch nicht vorrangig im Arbeitsleben – beurteilt. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25, besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in Knickrehm, a. a. O., § 31 BVG, Rz. 2).
64 
Sofern die geltend gemachte Tat, soweit sie die Ursache der vorhandenen Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellt, vor den in § 10a Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 OEG genannten Stichtagen erlitten worden ist, hat eine Versorgung weitere Voraussetzungen. Bei diesen beiden Daten handelt es sich um das In-Kraft-Treten des OEG in den Ländern der früheren Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlins (West) am 16. Mai 1976 (Satz 1) bzw. in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet (die ostdeutschen Länder sowie Ost-Berlin) am 3. Oktober 1990 (Satz 2). In solchen „Altfällen“ erhalten nach der „Härteregelung“ in § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG geschädigte Personen nur dann Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist. Die Voraussetzungen der Bedürftigkeit sind in § 10a Abs. 2 OEG im Einzelnen geregelt. Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt wird nach § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ermittelt.
65 
Im Falle der Klägerin kommt es auf die Anwendbarkeit des § 10a Abs. Satz 2 OEG allerdings nicht an. Bei ihr soll zwar ein Teil der angeschuldigten Taten noch während des Bestehens der DDR, also vor dem 3. Oktober 1990 begangen worden sein, so vor allem die beiden sexuellen Missbräuche in einem Auto 1984/1985 und am Abend vor ihrer Einschulung 1987. Sofern aber ihre Angaben zutreffen, die Missbräuche hätten danach jahrelang angedauert und seien erst 2007 bzw. sogar erst 2008 zu Ende gegangen, ist der größere Teil der Taten bereits in der Bundesrepublik, also unter Geltung des OEG, begangen worden. In einer solchen Situation vieler, lange andauernder Taten bzw. einer fortgesetzten Tat wäre auf den Schwerpunkt der Tatbegehung bzw. auf jenen Teil der Taten abzustellen, der für eine gesundheitliche Schädigung wesentlich verantwortlich ist. Dieser Punkt ist hier aber nicht erheblich. Es muss nicht entschieden werden, welche gesundheitlichen Schäden mit welchem daraus folgenden GdS auf welchen Teil der Taten zurückzuführen ist, da sich der Senat nicht mit dem hierfür notwendigen Beweismaß davon überzeugen kann, dass es die angeschuldigten Taten überhaupt gegeben hat.
66 
Der Senat wendet zu Gunsten der Klägerin hier den abgesenkten Beweismaßstab der Glaubhaftmachung aus § 15 Satz 1 KOVVfG an.
67 
Nach dieser Vorschrift sind die Angaben eines Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, soweit die Angaben nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen. Diese Beweiserleichterung ist auch dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 -, juris, Rz. 12). Nach dem Sinn und Zweck des § 15 Satz 1 KOVVfG sind damit nur Tatzeugen gemeint, die zu den zu beweisenden Tatsachen aus eigener Wahrnehmung Angaben machen können. Personen etwa, die von ihrem gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 383 ff. ZPO) Gebrauch gemacht haben, sind dabei nicht als solche Zeugen anzusehen. Denn die Beweisnot des Opfers, auf die sich § 15 Satz 1 KOVVfG bezieht, ist in diesem Fall nicht geringer, als wenn Angreifende unerkannt geblieben oder flüchtig sind (BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, juris, Rz. 41 m. w. N.). Ob Entsprechendes bezogen auf eine für die Tatbegehung in Betracht kommende Person gilt, die eine schädigende Handlung bestreitet, und die Beweiserleichterung des § 15 Satz 1 KOVVfG damit auch zur Anwendung gelangt, wenn sich die Aussagen des Opfers und des den behaupteten schädigenden Vorgang bestreitenden vermeintlichen Täters gegenüberstehen sowie unabhängige Tatzeugen nicht vorhanden sind (BSG, a. a. O.), ist zweifelhaft (Bayerisches LSG, Urteil vom 30. April 2015 - L 15 VG 24/09 -, juris, Rz. 61; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/16 -, juris, Rz. 72 f.).
68 
Im Falle der Klägerin kann jedoch offen bleiben, ob die Anwendung des § 15 Satz 1 KOVVfG ausscheidet, weil ihr Vater als der beschuldigte Täter seine Aussage nicht verweigert, sondern umfassend ausgesagt und die Vorwürfe dabei bestritten hat. Auch unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßstabs der Glaubhaftmachung kann sich der Senat nicht von den Taten überzeugen. Es besteht allenfalls eine Möglichkeit, aber nicht die auch von § 15 Satz 1 KOVVfG geforderte gute Möglichkeit, dass sich die Ereignisse so abgespielt haben wie sie die Klägerin schildert. Dass nach Einschätzung des Senats diese gute Möglichkeit nicht angenommen werden kann, geht nach den allgemeinen Grundsätzen über die materielle Beweislast - bzw. hier Glaubhaftmachungslast - zum Nachteil für die Klägerin.
69 
Zu dieser Einschätzung gelangt der Senat ohne Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens über die Aussagen der Klägerin in diesem Verfahren. Zwar ermittelt das Gericht nach § 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG den Sachverhalt von Amts wegen. Hierzu kann in Ausnahmefällen auch die Erhebung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Glaubhaftigkeit einer Aussage (ggfs. unter Einschluss der Glaubwürdigkeit der Aussageperson) gehören. Grundsätzlich jedoch gehört die Würdigung von Aussagen nicht nur erwachsener, sondern auch kindlicher oder jugendlicher Zeugen und anderer Auskunftspersonen zum Wesen richterlicher Rechtsfindung und ist daher dem Tatrichter anvertraut (vgl. gerade zur Würdigung von Angaben über lange zurückliegende sexuelle Missbräuche Urteil des Senats vom 22. September 2016 – L 6 VG 1927/15 –, juris, Rz. 61). Eine Glaubhaftigkeitsgutachten kommt nur dann in Betracht, wenn dem Gericht ausnahmsweise die Sachkunde für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit fehlt (Bundesgerichtshof [BGH], BGHSt 45, 182; dem folgend Urteil des Senats vom 15. Dezember 2011 - L 6 VG 584/11 -, juris, Rz. 41; nachgehend bestätigend BSG, Beschluss vom 24. Mai 2012 - B 9 V 4/12 B -, juris, Rz. 23). Dies kann der Fall sein, wenn der Sachverhalt oder die Aussageperson Besonderheiten aufweisen, die eine Sachkunde erfordern, die ein Richter normalerweise nicht hat (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2006 - 1 StR 579/05 - und vom 22. Juni 2000 - 5 StR 209/00 -; zuletzt S. OLG, Urteil vom 13. Juli 2011 - 1 U 32/08 -, jeweils zit. nach juris). Das ist hier nicht der Fall. An der Aussagetüchtigkeit der Klägerin ist bereits nach den vorausgegangenen strafrechtlichen Befragungen, auch durch den Ermittlungsrichter nicht zu zweifeln, was sich nach dem persönlichen Eindruck von ihr in der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2018 bestätigt hat. Die Klägerin als Aussageperson und der Sachverhalt weisen auch keine Besonderheiten auf, die es ausschlössen, dass der Senat selbst über die Glaubhaftigkeit der Angaben und die Glaubwürdigkeit der Klägerin befinden könnte. Die Fallgestaltung ist für das OEG vielmehr typisch (vgl. zu allem Urteil des Senats vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, juris, Rz. 43). Im sozialgerichtlichen Verfahren besteht auch keine Veranlassung zur Einholung eines solchen Gutachtens, um dem Antragsteller überhaupt erst zu ermöglichen, anspruchsbegründende Tatsachen zu behaupten und sodann gegebenenfalls unter Beweis zu stellen (B. LSG, Urteil vom 26. Januar 2010 - L 15 VG 30/09 -, juris, Rz. 75). Ein Glaubhaftigkeitsgutachten gerade in Fällen wie hier, in denen lange zurückliegende Ereignisse behauptet werden, trägt auch deshalb wenig zu einer Entscheidung bei, weil es in der Regel nur Aussagen darüber ermöglicht, ob sich die Auskunftsperson subjektiv an die geschilderten Ereignisse erinnert, nicht aber darüber, ob jene Ereignisse objektiv stattgefunden haben (vgl. zur Problematik der „false memories“ auch Urteil des Senats vom 23. Juni 2016 – L 6 VG 5048/15 –, juris, Rz. 64). Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass bereits im strafgerichtlichen Verfahren von einer aussagepsychologischen Begutachtung der Klägerin deswegen abgesehen wurde, weil es angesichts der wechselhaften Schilderungen der Ereignisse eine Substantiierung des Erlebnisgehaltes ausscheide (vgl. zu dieser Erwägung BSG, Urteil vom 15.12.2016 - B 9 VG 3/15 R -, juris, Rz. 43). Aus diesen Gründen wäre auch ein Antrag der Klägerin auf Erhebung eines Gutachtens über die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage abzulehnen gewesen (vgl. den Rechtsgedanken des § 244 Abs. 4 Satz 1 Strafprozessordnung [StPO]), wenn die Klägerin einen solchen gestellt hätte.
70 
Es erscheint bereits zweifelhaft, dass die Angaben der Klägerin auf eigenen Erinnerungen beruhen, wie es § 15 Satz 1 KOVVfG verlangt. Zwar hat die Klägerin die ersten Missbräuche für ihr fünftes oder sechstes Lebensjahr geschildert, also für eine Zeit, in der das autobiographische Gedächtnis bereits ausgeprägt ist, denn die so genannte „infantile Amnesie“ betrifft in aller Regel lediglich Erinnerungen an die ersten drei Lebensjahre (Urteil des Senats vom 22. September 2016, a. a. O., Rz. 87 m. w. N. und vom 7. Dezember 2017 - L 6 VG 4996/15 -, juris, Rz. 80). Aber es bestehen Hinweise darauf, dass die Klägerin zwischenzeitlich keine Erinnerungen an solche Ereignisse hatte, sondern diese erst später - wieder - entstanden sind. In diese Richtung deuten die Ausführungen der ersten behandelnden Psychotherapeutin L. in ihrem Bericht vom 30. August 2007. Darin war ausgeführt, die Klägerin habe zu Beginn der Therapie - nur - ihren Vater als cholerisch und ihre Mutter als „genervt“ geschildert. Erst in den „kommenden Sitzungen“ sei langsam und mühsam das Ausmaß der Probleme deutlich geworden, als die Klägerin von sexuellen Missbräuchen durch Cousin, Großvater, Bruder und einen Kollegen des Vaters berichtet habe. Dieser Ablauf könnte darauf hindeuten, dass die behaupteten Erinnerungen im Rahmen einer Traumatherapie erst nachträglich entstanden sind, sei es spontan, sei es durch Selbst- oder Fremdsuggestion (vgl. zu dieser Problematik Urteil des Senats vom 9. November 2017 – L 6 VG 2118/17 –, juris, Rz. 44).
71 
Diesen Punkt lässt der Senat jedoch offen. Es liegen andere Umstände vor, die hier eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG ausschließen.
72 
Zunächst spricht die Genese der Angaben der Klägerin dagegen, dass es sich um wirklichkeitsbasierte Erinnerungen handelt.
73 
Generell gilt, dass eher von einer - objektiv zutreffenden - Erinnerung auszugehen ist, wenn die Schilderungen über einen längeren Zeitraum konstant bleiben, während Geschehensabläufe, die sich nicht zugetragen haben, an die aber subjektiv ein Gedächtnisinhalt besteht, im Laufe der Zeit eher ausufernd beschrieben werden (vgl. LSG R., Urteil vom 19. August 2015 - L 4 VG 5/13 -, juris, Rz. 28; Urteil des Senats vom 22. September 2016 - L 6 VG 1927/15 -, juris, Rz. 90; Rademacker, in Knickrehm, a.a.O., § 1 OEG Rz. 49 m. w. N.; generell zur Konsistenz mit früheren Aussagen auch Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. 1994, Rz. 1101).
74 
Die Klägerin hat zwar - wie ausgeführt - bereits 2006 sexuelle Missbräuche angegeben. Jedoch hat sie insoweit in der Therapie bei Frau L. Missbräuche durch ihren Cousin ab ihrem 7. Lebensjahr, durch ihren angeblich alkoholkranken Großvater ab ihrem 13. Lebensjahr und durch ihren Bruder ab etwa einem Jahr später sowie durch einen „Kollegen“ des Vaters - dies nicht näher umschrieben - angegeben. Auch bei der kurzen Begutachtung bei Frau M. im Betreuungsverfahren (Juni 2007) hat sie nur einen Missbrauch durch den Bruder erwähnt bzw. sogar nur angedeutet, während sie ihre Eltern eher der unterlassenen Hilfeleistung beschuldigt hat („die Eltern fangen dann an, rumzuschreien. Sonst gibt es niemanden, der hilft“). Die Taten durch den Vater selbst, die die Klägerin im ganzen weiteren Ablauf der Verfahren in den Vordergrund gerückt hat, hat sie damals dagegen nicht erwähnt. Von den Vorwürfen gegen Cousin, Großvater und Bruder ist sie dann außerdem in den folgenden Jahren mehr und mehr abgerückt. Bereits im Strafverfahren wollte sie hierzu nichts mehr sagen, ohne dass ein nachvollziehbarer Grund dafür erkennbar wäre. Und auch nachdem sie ihren Vater nach ihrer Strafanzeige als Haupttäter beschuldigt hatte, obwohl die zeitnahen Tagebücher, die strafrechtlich ausgewertet wurden, keine Hinweise darauf gaben, haben sich ihre Angaben mehr und mehr aufgebauscht, während sie andere Teile nicht konsistent und konstant schildern konnte. Soweit sie bei den polizeilichen Vernehmungen in K. am 29. Dezember 2009 und im Frühjahr 2010 noch detailliertere Angaben zu einzelnen Taten gemacht hat, so insbesondere erstmals die Missbräuche im Auto auf der Fahrt zur Mutter in ein Krankenhaus in den Jahren 1984/1985 und im Ehebett vor ihrer Einschulung 1987 geschildert hat, konnte sie bei der richterlichen Vernehmung in Dresden am 5. Juli 2010 wesentliche Teile dieser Aussagen nicht wiedergeben und ist in einigen Punkten - allerdings eher Randumständen wie der Frage nach den Gründen für das Stehenbleiben des Autos und nach dem Verbleib der Nachtwäsche - von ihren vorherigen Angaben abgewichen. Dafür hat die Klägerin jetzt, bei der richterlichen Vernehmung, einen weiteren konkreten Vorfall geschildert, nämlich die Schläge bzw. Tritte ihres Vaters in ihren Unterleib und die danach folgende Fehlgeburt in der Badewanne, bei der sie 14 oder 15 Jahre alt gewesen sei. Es wäre zu erwarten, dass ein so einschneidendes Erlebnis, wenn es eine wirklichkeitsbasierte Erinnerung ist, von Anfang an geschildert wird.
75 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin spricht auch, dass einige ihrer Angaben, die sie zu anderen Umständen im Umfeld des Missbrauchs und der Gewalttaten durch ihren Vater gemacht hat, als widerlegt gelten müssen.
76 
Ihre Angaben, ihr Vater habe sie als Kleinkind an die innerdeutsche Grenze mitgenommen und an der Erschießung eines Flüchtlings mitwirken lassen, erscheint wie schon der Staatsanwaltschaft D. auch dem Senat abwegig. Lebensfern und wenig glaubwürdig klingen auch ihre Angaben, sie sei mehrfach schwanger geworden und dann von ihrem Vater bzw. anderen Männer gegen ihren Willen nach Tschechien oder Polen gebracht worden, wo Abtreibungen vorgenommen worden seien. Der Senat verkennt aber nicht, dass diese Aussage nicht direkt von der Klägerin selbst stammt, sondern von Dr. B., die bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Ermittlungsrichter in D. dies als Erzählungen der Klägerin aus den Therapiegesprächen wiedergegeben hat. Das Gleiche gilt aber auch von den Angaben zu der Fehlgeburt mit 14 oder 15, die die Klägerin selbst gemacht hat.
77 
Als vollständig widerlegt sieht der Senat die ausufernden Behauptungen der Klägerin zu den mehreren Suiziden, Drogentoten und Verkehrsunfällen an, die in Kindheit und Jugend Freundinnen und Freunde von ihr erlitten hätten und bei denen sie jeweils dabei gewesen sei. Weder konnte die Kriminalpolizei in D. diese Vorfälle, obwohl die Klägerin die Namen genannt hatte, bei ihren Recherchen bestätigen, noch konnte sich die damals, ab 1990 schon beschäftigte Lehrerin, Frau V., an diese Kinder oder diese Vorfälle erinnern. Der Senat ist aber davon überzeugt, dass solche Todesfälle von Kindern anfangs der 1990er Jahre in D. von der Polizei dokumentiert worden wären und bei den Recherchen im Jahre 2010 also hätten bestätigt werden müssen.
78 
Zu dem Versuch ihres Vaters, sie Ende 2007 in dem Frauenhaus in K. zu treffen, hatte die Klägerin angegeben, ihr Vater habe ihr erzählt, die fragliche Anschrift vom Einwohnermeldeamt in D. erhalten zu haben; zutreffen dürfte dagegen die Aussage des Vaters, er habe erst in K. von der Adresse erfahren, denn das Einwohnermeldeamt hatte damals bereits eine Auskunftssperre vorliegen, wie es der Polizei mitgeteilt hat.
79 
Einen derartigen Widerspruch zeigen auch die jüngsten Angaben der Klägerin, die sie in der Behandlung bei ihrer neuen Therapeutin Dr. H. gemacht hat. Wie diese Therapeutin in ihrem Attest vom 19. Januar angibt, hat die Klägerin ihr gegenüber unter anderem bekundet, sie habe ab ihrem 12. Lebensjahr nichts mehr gegessen und sei stark abgemagert, weswegen sie auch stationär behandelt worden sei, und erst mit 24 Jahren habe sie wieder zugenommen. Dass diese Angabe nicht zutrifft, ergibt sich bereits aus den Untersuchungsberichten über die Klägerin in den Akten des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes der Landeshauptstadt D., die der Senat kurzfristig beigezogen hatte. Dort war nicht nur bei den Untersuchungen 1990 und 1992 eine Adipositas genannt, sondern auch noch bei der Reihenuntersuchung 1995 - also im 16. Lebensjahr der Klägerin. Ein stationärer Krankenhausaufenthalt wegen einer starken Abmagerung mit dem 12. Lebensjahr ist im Übrigen weder in diesen Unterlagen noch in dem Sozialversicherungs- und Impfausweis der DDR verzeichnet, den die Klägerin zur Akte gereicht hat.
80 
Die Ergebnisse der Vernehmung des Vaters und der Mutter der Klägerin als Zeugen, die auch im Rahmen einer Glaubhaftmachung nach § 15 Satz 1 KOVVfG zu berücksichtigen sind (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO), stützen die Angaben der Klägerin nicht.
81 
Was das Kerngeschehen angeht, also die angeschuldigten gewalttätigen Angriffe, war die Beweisaufnahme aus Sicht der Klägerin unergiebig. Ihr Vater hat die Beschuldigungen bestritten, die Mutter, die nach Einschätzung des Senats einen Jahre bzw. Jahrzehnte andauernden Missbrauch ihrer Tochter innerhalb einer Wohnung bzw. eines normal großen Einfamilienhauses sicher hätte mitbekommen müssen, hat ebenfalls bekundet, nichts bemerkt zu haben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Zeugenaussagen ihrerseits glaubhaft sind. Wenn eine Beweiserhebung zu Ungunsten des (materiell) beweisbelasteten Beteiligten ausgeht, ist nicht etwa das Gegenteil erwiesen - bzw. hier glaubhaft gemacht -, sondern es tritt ein „non liquet“ ein. Daher weist der Senat nur darauf hin, dass die Aussagen der beiden Zeugen nicht per se unglaubwürdig waren. Dies gilt auch für die Aussage ihres Vaters, er habe erst durch das Strafverfahren von dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erfahren. In der Tat hatte der Zeuge K. über den damals agierenden Rechtsanwalt G. bereits 2007 Einsicht in die Akte des Betreuungsverfahrens gewonnen und ihm war auch das Attest der ersten behandelnden Psychiaterin L. zur Kenntnis gelangt, wobei die genauen Umstände dieser Kenntniserlangung dubios geblieben sind. Aber damals hatte die Klägerin, wie ausgeführt, ihren Vater noch nicht eines Jahre andauernden sexuellen Missbrauchs beschuldigt, sondern lediglich ihren Cousin, ihren Bruder, Großvater und einen Freund des Vaters einzelner Taten. Auch die Stellungnahme des Vaters vom 31. August 2007 in dem damaligen Betreuungsverfahren, in welcher dieser - ebenfalls nicht völlig aufklärbar - im Detail auf Schilderungen der Klägerin eingeht, die sich so gar nicht in jener Akte finden, betrifft nicht Vorwürfe sexuellen Missbrauchs durch ihn, sondern allein solche gegen den Cousin der Klägerin (Ziffer 6 der Stellungnahme).
82 
Die Aussagen der Zeugen haben dagegen weitere Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin begründet. Dies betrifft z.B. die erste angeschuldigte Tat, die die Klägerin mit vier oder fünf Jahren im Auto der Familie erlitten haben will, während nach den übereinstimmenden Angaben beider Eltern die Familie damals noch gar kein Auto hatte. Ebenso hat z.B. die Mutter als Zeugin bestritten, jemals blutverschmierte Nachtwäsche wahrgenommen oder den Verlust von Nachtwäsche bemerkt zu haben.
83 
Ferner spricht nach Ansicht des Senats auch das Verhalten der Klägerin bei ihrem Auszug aus dem elterlichen Haus und dem Umzug nach K. und in den Jahren danach dagegen, dass sie Opfer der geltend gemachten Gewalttaten geworden ist.
84 
Der Abschiedsbrief bzw. die beiden Briefe, die sie bei ihrem Auszug in D. zurückgelassen hatte, gehen nicht nur mit keinem Wort auf solche Taten ein, sondern die Klägerin bedankt sich darin mehrfach, drückt ihre Liebe zu ihren Eltern aus und bittet eher um Entschuldigung wegen der Umstände, die sie mache. Mehrfach ist die Klägerin in den folgenden Monaten und Jahren zurück in D. gewesen, wobei sie nach ihren Angaben 2007 und 2008 noch je einmal Opfer sexuellen Missbrauchs (bzw. eines Versuchs) geworden sei. Der Verdacht, ihr Vater habe sie mit Gewalt oder unter Drohungen zurück nach Dresden gelockt, hat sich nicht bestätigt. Nach Aktenlage drei Mal zwischen dem 29. August 2007 und dem 23. Dezember 2008 wurden von K. aus Anzeigen wegen des Verdachts auf Entführung gestellt, wobei sich dieser Verdacht nicht bewahrheitet hat, vielmehr hatte die D. Polizei bei dem Einsatz am 16. April 2008 festgestellt, dass sich die Klägerin freiwillig bei ihren Eltern aufhielt und keine Anzeichen für Gewalttätigkeiten oder sexuellen Missbrauch vorlagen. Die Klägerin hat auch nicht den Angaben ihrer Eltern widersprochen, es habe noch in den Jahren 2007 und 2008 über die genannten Besuche hinaus gemeinsame Urlaubsreisen gegeben, darunter sogar nach Venezuela. Es ist schwer vorstellbar, dass die Klägerin mit ihren Eltern solche Reisen unternommen hätte, nachdem sie sich aus dem Elternhaus gelöst hatte und allein lebte, wenn die vorgeworfenen Taten zuträfen. Der Senat würdigt auch die E-Mails der Klägerin an ihre Eltern und ihren Bruder, die ihr Vater am 23. März 2010 als Ausdrucke der Polizei übergeben hatte und in denen die Klägerin ausführte, sie habe „einen Fehler gemacht“ - dies kann sich nur auf die aktuell gestellte Strafanzeige beziehen - und bitte um Entschuldigung. In die gleiche Richtung deutet auch die E-Mail, welche die Klägerin - Jahre später - kurz vor ihrer Anhörung vor dem Berichterstatter des Senats im Juli 2017 an ihre Eltern geschickt hatte. Diese E-Mail enthält keine Vorwürfe, sondern eher die Bitte um Entschuldigung und die Aussage, die „Unannehmlichkeiten“ - hier die Ladung zur Zeugenvernehmung - habe sie, die Klägerin, verursacht.
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Auch weitere Umstände nach dem Wegzug aus D. deuten nicht eindeutig auf traumatische Erlebnisse der Klägerin hin. Selbst das Annäherungsverbot, das die Klägerin im Jahre 2009 beim AG K. gegen ihren Vater erwirkt hat, war nicht auf die hier erhobenen Vorwürfe gestützt, sondern auf die anscheinend unternommenen Versuche der Eltern, die Klägerin aus dem Einflussbereich ihrer Freundin und der „Betreuerin“ Dr. B. herauszulösen sowie wieder nach Hause zu bringen. Diese Versuche haben die Eltern nicht bestritten, nur die Gründe und die konkreten Umstände dieser Versuche schildern Klägerin und Zeugen unterschiedlich.
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Weiterhin konnten aus den beigezogenen Akten des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes aus D. keine Hinweise oder Anhaltspunkte für Verletzungen entnommen werden, die den Vortrag der Klägerin in irgendeiner Weise gestützt hätten. Auch die weiteren Beweiserhebungen durch den Senat waren unergiebig, darunter die schriftliche Vernehmung der benannten damaligen Ärztin Dr. K.. Ebenso haben die beigezogenen Akten des Insolvenzverfahrens nur belegt, dass die Klägerin anscheinend tatsächlich von ihrem Vater als Strohfrau eingesetzt und von ihm veranlasst, vielleicht auch genötigt worden ist, ein Unternehmen zu gründen, um die Geschäfte früherer Unternehmen des Vaters, die offenkundig insolvent geworden waren, weiterzuführen. Der Zeuge K. hat bei seiner Vernehmung zu diesem Punkt selbst eingeräumt, faktisch habe er das Unternehmen seiner Tochter geführt. Diese familiären Ereignisse sind ungewöhnlich, belegen aber weder Gewalttätigkeiten noch sexuellen Missbrauch.
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Der Senat sieht nach diesen Ermittlungen keine weiteren Ansätze mehr, mit denen die Angaben der Klägerin verifiziert oder zumindest gestützt werden könnten. Die weiteren benannten Zeugen, vor allem die als Fußballtrainerin tätige Mutter ihrer Schulfreundin - die nicht ladungsfähig bezeichnet worden ist - und die beiden namentlich benannten Schulfreunde, haben auch nach den Angaben der Klägerin selbst nicht die Taten gesehen, sondern nur Verletzungen. Woher solche Verletzungen damals gestammt haben könnten, kann sich aus ihren Aussagen nicht ergeben. Zu der einen Platzwunde am Auge, derentwegen die Klägerin damals in einer Klinik behandelt worden war, hat sie nach ihrer Anhörung im Juli 2017 selbst eingeräumt, sie sei bei einer Rangelei mit dem Bruder entstanden. Die übrigen Personen, die nach den Angaben der Klägerin damals Verletzungen hätten sehen können, konnte sie nicht namentlich benennen. Dies gilt für den Notarzt, der angeblich einmal in der Wohnung war. Und ob die Zahnärztin, bei der die Klägerin nach dem Schlag mit der Eisenstange oder der Müslischale in Behandlung gewesen sei, die vom Senat ermittelte M. war, konnte sie bei ihrer Anhörung nicht bestätigen.
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Insgesamt wirkt das Verhalten der Klägerin in den Jahren nach dem Auszug ebenso wie ihre Aussagen so widersprüchlich und sprunghaft, dass nicht von Glaubhaftigkeit ausgegangen werden kann. Möglicherweise trifft die von Dr. B. gestellte Diagnose zu, auf die auch die Staatsanwaltschaft D. in der Einstellungsverfügung vom 9. Februar 2011 hingewiesen hat. Wenn die Klägerin an einer dissoziativen Identitätsstörung leidet, bei der die Wahrnehmung, die Erinnerung und das Erleben der eigenen Identität gestört sind, würde dies erklären, dass sie immer wieder engen Kontakt zu ihren Eltern sucht und ihnen liebevolle Briefe und E-Mails schreibt und dann unvermittelt gewaltschutz- oder strafrechtlich gegen sie vorgeht. Denkbar ist aber auch, dass die Klägerin von Dritten gesteuert wird. Auch hierfür gibt es Hinweise, z.B. ihre Ausführungen in der E-Mail an ihre Eltern vor dem Erörterungstermin am 18. Juli 2017, sie müsse das so sagen und ihr sei für eine Woche ihr Handy abgenommen worden.
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Da demnach bereits die für Ansprüche nach dem OEG notwendige Gewalttat nicht anzunehmen ist, kommt es nicht darauf an, ob und ggfs. an welchen Erkrankungen die Klägerin leidet und ob diese auf die angeschuldigten Taten zurückgeführt werden können.
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Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

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