Urteil vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 7 AS 1145/19

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2019 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 15. Oktober 2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. November 2018, diese in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 sowie gegen den Änderungsbescheid vom 24. November 2018 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 streitig.
Die 1961 geborene Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnt eine Zwei-Raum-Wohnung (57 m²) in der B. Straße in F., für die sie eine Miete in Höhe von 554,37 EUR (Grundmiete 394,37 EUR + Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung 160,00 EUR) und ab 1. November 2018 591,90 EUR (Grundmiete 410,90 EUR + Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung 181,00 EUR) zu entrichten hatte.
Die Klägerin bezieht seit August 1997 eine Erwerbsunfähigkeitsrente mit einem monatlichen Auszahlungsbetrag in der hier streitigen Zeit von 661,00 EUR, ab Mai 2019 689,94 EUR. Weiterhin flossen der Klägerin in der hier streitigen Zeit aus einer Erwerbstätigkeit folgende Arbeitseinkünfte zu:
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Oktober 2018
362,44 EUR brutto, 249,39 EUR netto,
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November 2018
733,72 EUR brutto, 504,38 EUR netto,
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Dezember 2018
415,48 EUR brutto, 257,92 EUR netto,
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Januar 2019
1.184,56 EUR brutto, 703,71 EUR netto,
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Mai 2019
330,84 EUR brutto, 227,31 EUR netto,
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Juni 2019
863,86 EUR brutto, 592,81 EUR netto.
Nach ihren Angaben wohnt sie seit Sommer 2016 zusammen mit I. T., geboren 1993, Staatsangehöriger der Republik Mali, der über eine Duldung (Aussetzung der Abschiebung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit einer Aufenthaltsbeschränkung auf den Landkreis W. verfügte und deshalb keine Sozialleistungen erhielt. Am 16. August 2018 heirateten die Klägerin und I. T.. Die Ausländerbehörde der Stadt F. erteilte dem Ehemann der Klägerin am 26. März 2019 die Zustimmung zu seinem Umverteilungsantrag in die Stadt F.. Die Stadt F. bewilligte dem Ehemann der Klägerin durch Bescheid vom 1. Juli 2019 für die Zeit vom 5. April 2019 bis zum 30. April 2019 Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von 587,56 EUR und ab 1. Mai 2019 bis auf Weiteres in Höhe von monatlich 677,95 EUR. Dabei berücksichtigte die Stadt F. den Regelsatz in Höhe von 382,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 292,95 EUR.
Am 17. Mai 2018 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag und gab wahrheitswidrig an, weiterhin alleinstehend zu sein. Durch Bescheid vom 11. Juni 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 372,98 EUR. Er berücksichtigte dabei den Regelbedarf für Alleinstehende in Höhe von monatlich 416,00 EUR, einen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 41,60 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 537,61 EUR und setzte davon ein um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR bereinigtes Renteneinkommen in Höhe von 622,23 EUR ab.
Anlässlich einer Mitwirkungsaufforderung hinsichtlich der Erzielung von Nebeneinkommen in dem am 30. Juni 2018 abgelaufenen Bewilligungsabschnitt teilte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Juli 2018 mit, dass sie seit knapp zwei Jahren einen Flüchtling aufgenommen habe, der keinerlei finanzielle Unterstützung erhalte, für sie bleibe nichts übrig. Mit Schreiben vom 17. August 2018 teilte die Klägerin mit, dass sie gestern beim Standesamt in F. geheiratet habe. Ihr Mann lebe seit April 2017 bei ihr, also müsse das Geld für zwei Personen ausreichen. Leider habe sie ihn noch nicht bei sich anmelden können, da er „den Pass“ noch nicht habe. Ihr Mann habe kein Einkommen und bekomme keine Unterstützung von irgendwelchen Ämtern. Darum habe sie ab und an ihre Nebentätigkeit ausüben müssen.
Der Beklagte stellte durch Bescheid vom 24. August 2018 die Zahlungen vorläufig ganz ein und forderte die Klägerin zur Mitwirkung hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Ehemannes auf. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 1. September 2018 mit, ihr Mann habe keinerlei Einkommen. Das Verfahren wegen „Asyl“ sei noch nicht beendet. Ihr Ehemann habe auch kein Konto.
Mit Änderungsbescheid vom 7. September 2018 setzte der Beklagte die Leistungshöhe für die Zeit vom 1. September 2018 bis zum 30. Juni 2019 auf monatlich 64,44 EUR fest und hob den Bescheid vom 11. Juni 2018 insoweit auf. Die Heirat der Klägerin werde dahingehend berücksichtigt, dass ihr Ehemann bis auf Weiteres zunächst für die Zukunft als Haushaltsmitglied erfasst werde. Der Bedarf der Klägerin entspreche damit den hälftigen Kosten der Unterkunft, wobei keine Reduzierung der Mietkosten für die Mietobergrenze für eine Person mehr erfolge. Die Klägerin erhalte aufgrund der Heirat zunächst für zukünftige Zeiträume den Partnerbedarf. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtige der Beklagte den Regelbedarf in Höhe von 374,00 EUR, einen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 41,60 EUR, eine Grundmiete in Höhe von 208,00 EUR, Heizkosten in Höhe von 32,33 EUR sowie Nebenkosten in Höhe von 39,51 EUR und setzte das um die Versicherungspauschale (30,00 EUR) bereinigte Renteneinkommen ab.
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Mit Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2018 setzte der Beklagte unter Aufhebung der vorangegangenen Bescheide vom 11. Juni 2018 und 7. September 2018 die Leistungen der Klägerin für den Monat Oktober 2018 auf 161,93 EUR sowie für November 2018 bis Juni 2019 auf monatlich 72,29 EUR fest. Der Ehemann der Klägerin habe in der Zeit von Oktober 2018 bis Juni 2019 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bestehe. Bei dem Bedarf für Unterkunft und Heizung im Oktober 2018 berücksichtigte der Beklagte den kopfteiligen Anteil aus der Betriebskostenabrechnung des Vermieters vom 14. September 2018 für das Jahr 2017, die mit einer Nachzahlung in Höhe von insgesamt 194,98 EUR endete. Für die Zeit ab November 2018 berücksichtigte er die Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung auf monatlich insgesamt 181,00 EUR.
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Durch weiteren Bescheid vom 16. November 2018 berechnete der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. November 2018 bis zum 30. Juni 2019 neu und setzte den monatlichen Leistungsbetrag auf 80,55 EUR fest. Er berücksichtigte nun den Umstand, dass sich die Grundmiete ab 1. November 2018 auf monatlich 410,90 EUR erhöht hatte.
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Mit Änderungsbescheid vom 24. November 2018 berechnete der Beklagte die Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 30. Juni 2019 neu und berücksichtigte die Erhöhung des Regelbedarfs zum 1. Januar 2019 (Regelbedarf 382,00 EUR + Mehrbedarf für Ernährung 42,40 EUR).
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Am 26. Oktober 2018 (Schreiben vom 24. Oktober 2018) hatte die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2018 beim Sozialgericht Freiburg (SG) „Widerspruch“ eingelegt. Ihr Ehemann, der kein eigenes Einkommen, keine Arbeitserlaubnis und keinen deutschen Pass habe und dessen Lebensunterhalt sie finanzieren müsse, könne nicht ihrer Bedarfsgemeinschaft zugerechnet werden. Das SG hat den Widerspruch als Klage gewertet (S 9 AS 4746/18).
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Durch Widerspruchsbescheid vom 20. November 2018 hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 15. Oktober 2018 als unbegründet zurückgewiesen. Vorliegend befinde sich der Ehemann der Klägerin in einem laufenden Asylverfahren. Er unterliege noch der Wohnsitznahmeverpflichtung in W.. Die Wohnsitznahme in F. sei abgelehnt worden. Er halte sich somit nicht rechtmäßig in F. auf. Aufgrund des fehlenden Aufenthaltsrechts sei er aus rechtlichen Gründen auch nicht erwerbsfähig. Da er sich jedoch tatsächlich in der Wohnung der Klägerin aufhalte, könne nur die halbe Miete Berücksichtigung finden.
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Die Klägerin hat im Klageverfahren die Auffassung vertreten, dass sie einen Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 sowie der tatsächlichen Unterkunftskosten habe. Das Kopfteilprinzip sei in der vorliegenden Konstellation nicht anzuwenden.
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In dem von der Klägerin angestrebten einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 9 AS 440/19 ER hat das SG durch Beschluss vom 31. Januar 2019 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vom 28. Januar 2019 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Klage S 9 AS 4746/18, längstens bis zum 28. Februar 2019, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 sowie der vollen Aufwendungen der Unterkunft und Heizungen bei der Bedarfsberechnung zu gewähren.
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In dem Klageverfahren S 9 AS 4746/18 hat das SG durch Urteil vom 26. Februar 2019 den Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. November 2018, des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 und des Änderungsbescheids vom 24. November 2018 abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgehend von Regelbedarfsstufe 1 und den vollen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Der Anspruch der Klägerin auf Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1 beruhe auf § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in entsprechender Anwendung. Auf sogenannte gemischte Bedarfsgemeinschaften wie die hier zu beurteilende seien mangels einschlägiger ausdrücklicher gesetzlicher Regelung weder § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB XII noch § 20 Abs. 4 SGB II unmittelbar anwendbar. Diese gesetzliche Regelungslücke werde vom Bundessozialgericht (BSG) durch analoge Anwendungen des § 20 Abs. 4 SGB II oder § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II geschlossen (u. a. Hinweis auf BSG, Urteil vom 12. Oktober 2017 - B 4 AS 37/16 R -). Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Ehemann der Klägerin lediglich dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem AsylbLG sei, dieser aber tatsächlich keine Leistungen erhalte und zwar gerade deshalb, weil die gemischte Bedarfsgemeinschaft unter Verstoß gegen seine asylrechtliche Wohnsitznahmeverpflichtung hergestellt worden sei. Sein hierdurch begründetes Unvermögen, in irgendeiner Weise überhaupt zum Haushaltseinkommen beizutragen, mache das Erzielen von Ersparnissen durch gemeinsames Wirtschaften praktisch unmöglich. Die Situation der Klägerin und ihres Ehemannes sei nicht mit derjenigen von in SGB II-Bedarfsgemeinschaft lebenden Volljährigen vergleichbar. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung gelte zwar grundsätzlich das sogenannte Kopfteilprinzip, wonach jene zu gleichen Anteilen auf die in der Wohnung lebenden Personen unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft zu verteilen seien. Hiervon habe das BSG jedoch Ausnahmen für den Fall anerkannt, in denen dieses Prinzip zu einer Bedarfsunterdeckung zu führen drohe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 - B 4 AS 67/12 R -). Eine solche bedarfsbezogene Ausnahmesituation liege hier sogar in gesteigertem Maße vor, beruhe der Wegfall des Anspruchs des Ehemanns der Klägerin auf Asylbewerberleistung doch ursächlich darauf, dass er in die Wohnung seiner Ehefrau gezogen sei.
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Gegen das ihm am 20. März 2019 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 2. April 2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Die Klägerin habe als Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft keinen Anspruch auf Berücksichtigung des Alleinstehenden-Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Vielmehr sei für sie der Partnerregelbedarf nach § 20 Abs. 4 SGB II zu berücksichtigen. Dieser gelte für alle Partnerschaften Volljähriger innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft, auch dann, wenn der Partner nicht oder nicht ausreichend zu den Generalkosten des gemeinsamen Haushalts beitragen könne. Der Ehemann der Klägerin sei leistungsberechtigt nach AsylbLG. Durch die Heirat mit der Klägerin dürften die Voraussetzungen für eine Wohnsitzauflage in W. entfallen seien. Der Ehemann der Klägerin sei gehalten, deren Streichung zu beantragen und herbeizuführen und so die Auszahlung von Leistungen nach dem AsylbLG zu erwirken. Seine wirtschaftliche Situation sei also primär durch sein Verhalten bedingt. Es sei nicht Aufgabe des SGB II-Trägers, dessen Versäumnisse auszugleichen. Auch sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip nicht gerechtfertigt. Nach dem Kopfteilprinzip seien Aufwendungen für eine gemeinsam bewohnte Unterkunft unabhängig von der Nutzungsintensität regelmäßig nach dem Kopfteilprinzip zu verteilen, auch wenn die Unterkunft gemeinsam mit Personen genutzt werde, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten. Der vorliegende Fall sei mit dem vom BSG angenommenen Ausnahmefall (Hinweis auf BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014 - B 14 AS 50/13 R-) nicht vergleichbar. Vorliegend sei der Ehemann der Klägerin von vornherein vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Durch die Leistungserbringung des SGB II-Trägers würde dauerhaft ein rechtswidriger Zustand (Verstoß gegen die Wohnsitzauflage) gefördert.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und führt zur Begründung aus, dass ihr Ehemann unstreitig keine Leistungen erziele und in keinem Fall zu einem gemeinschaftlichen Wirtschaften beitragen könne (Hinweis auf Bundesverfassungsgericht , Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - juris Rdnr. 39). Auch sei im vorliegenden Einzelfall eine Ausnahme vom Kopfteilprinzip gerechtfertigt. Im Juli 2019 teilte die Klägerin ergänzend mit, dass ihr Ehemann im April 2019 einen Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG gestellt habe, bisher aber immer noch keine Leistungen erhalte. Außerdem legte sie eine von der Stadt F. am 19. Juni 2019 ihrem Ehemann erteilte und bis zum 19. Dezember 2019 befristete Duldung vor.
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Im weiteren Verlauf hat der Beklagte folgende Bescheide bzgl. der streitigen Zeit erlassen:
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Durch Bescheid vom 12. Februar 2019 hat der Beklagte der Klägerin für März 2019 im Hinblick auf die von ihr in Höhe von 187,20 EUR zu entrichtenden Abfallgebühren für das Jahr 2019 einen weiteren Betrag in Höhe von 93,60 EUR bewilligt (Widerspruch eingelegt mit Schreiben vom 7. März 2019).
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In Ausführung des Beschlusses des SG vom 31. Januar 2019 hat der Beklagte den „Änderungsbescheid“ vom 20. Februar 2019 erlassen und der Klägerin Leistungen für Januar 2019 in Höhe von 123,15 EUR sowie für Februar 2019 in Höhe von 427,30 EUR bewilligt. Als Grundlage für die Abänderung hat der Beklagte ausgeführt: „Die Entscheidung zur Aufhebung beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Die Entscheidung für den Zeitraum vom 28. 01.2018 bis 31.01.2018 und vom 01.02.2018 bis 28.02.2018 erfolgt zu ihren Gunsten“.
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Mit „Änderungsbescheid“ über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 20. Mai 2019 hat der Beklagte die Leistungen für Oktober 2018 auf 581,26 EUR, für November bis Dezember 2018 in Höhe von 418,50 EUR, für Januar und Februar 2019 in Höhe von 427,30 EUR, für März 2019 in Höhe von 614,50 EUR und für April 2019 bis Juni 2019 in Höhe von 427,30 EUR festgesetzt. Weiter heißt es in dem Bescheid: „Die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide vom 15.10.2018, 16.11.2018, 24.11.2018, 12.02.2019 sowie 20.02.2019 werden insoweit aufgehoben ... Begründung: Es sind folgende Änderungen eingetreten: Gewährung/Berücksichtigung des Regelbedarfes für Alleinstehende sowie der vollen, nicht lediglich kopfteiligen Kosten der Unterkunft u. Heizung. Wie sich die Leistungen im Einzelnen zusammensetzen, können sie dem Berechnungsbogen entnehmen.
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Grundlage für die Änderung
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Die Entscheidung zur Aufhebung beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Die Entscheidung für den Zeitraum
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- vom 01.10.2018 bis 31.10.2018
- vom 01.11.2018 bis 31.12.2018
- vom 01.01.2019 bis 31.01.2019
- vom 01.02.2019 bis 31.03.2019
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erfolgt zu ihren Gunsten. Der Nachzahlungsbetrag wird ihnen in den nächsten Tagen ausgezahlt. ... Der Bescheid ergeht in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Freiburg vom 26.02.2019/ S 9 AS 4746/28.“
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Bei der Bedarfsberechnung und Leistungsfestsetzung hat der Beklagte den Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1, den Mehrbedarf für Ernährung sowie die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtigt und das um eine Versicherungspausschale bereinigte Renteneinkommen (monatlich 661,00 EUR - 30,00 EUR = 631,00 EUR) als Einkommen abgesetzt.
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Nachdem der Beklagte im Rahmen des Datenabgleichs nach § 52 SGB II am 24. April 2019 davon Kenntnis erlangt hatte, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. September 2018 bis zum 23. Dezember 2018 eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Schaustellerin F. ausgeübt hat, und anschließend Verdienstbescheinigungen beigezogen hatte, hat er zunächst durch Bescheid vom 4. Juli 2019 seine Leistungsbewilligung für Oktober 2018 in Höhe von 126,90 EUR, für November 2018 in Höhe von 307,64 EUR und für Dezember 2018 in Höhe von 124,82 EUR jeweils teilweise und für Januar 2019 ganz aufgehoben und die Erstattungsforderung auf 986,66 EUR festgesetzt. Durch weiteren Bescheid vom 29. Juli 2019 hat der Beklagte die Leistungsbewilligung für Mai 2019 in Höhe von 111,14 EUR und Juni 2019 in Höhe von 370,04 EUR jeweils teilweise wegen des erzielten Erwerbseinkommens aufgehoben und insoweit den Erstattungsbetrag auf 481,18 EUR festgesetzt.
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Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 18. Oktober 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt und u.a. darauf hingewiesen, dass der Änderungsbescheid vom 20. Mai 2019 kein Ausführungsbescheid im Sinne der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf BSG, Beschluss vom 6. Januar 2003 - B 9 V 77/01 B -) sein dürfte und Gegenstand des hiesigen Verfahrens nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geworden sein könnte. Auch hat er auf den seinerzeit aktenkundigen Bescheid vom 4. Juli 2019 hingewiesen.
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Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG (S 9 AS 4746/18 und S 9 AS 440/19 ER) sowie des Senats (L 7 AS 1145/19 und L 7 AS 1490/19 ER) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
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1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
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2. Gegenstand des Verfahrens bildete zunächst der Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 (§ 95 SGG) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018, 24. November 2018 und 12. Februar 2019, mit denen der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 u.a. unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs nach Regelbedarfsstufe 2 sowie der hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hatte. Hiergegen hat sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 56 SGG) gewandt und für diesen Zeitraum höhere Leistungen unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs nach Regelbedarfsstufe 1 sowie ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung begehrt. Das SG hat durch Urteil vom 26. Februar 2019 die Bescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 sowie die Bescheide vom 16. November 2019 und 24. November 2018 abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis 30. Juni 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgehend von Regelbedarfsstufe 1 und den vollen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Dagegen wendet sich allein der Beklagte mit seiner Berufung und begehrt die Abweisung der Klage.
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Diese Bescheide haben sich allesamt durch die mit Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. Mai 2019, der gem. §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens geworden ist, verfügte Aufhebung gem. § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erledigt.
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Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach Maßgabe des § 96 SGG wird der neue Verwaltungsakt automatisch Klagegegenstand, ohne dass es einer gewillkürten Klageänderung oder eines Vorverfahrens bedarf; es handelt sich also um eine Klageänderung kraft Gesetzes (vgl. nur Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 1a). Voraussetzung für die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes ist, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Geändert oder ersetzt wird ein Verwaltungsakt immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsverwaltungsakt betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 1/15 R - juris Rdnr. 12; Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 8 SO 14/14 R - juris Rdnr. 11; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - juris Rdnr. 14; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 96 Rdnr. 28; Schmidt, a.a.O. Rdnrn. 4 ff.). Abändern oder Ersetzen setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden. Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein, wobei es unschädlich ist, dass die Verwaltungsakte auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt sind (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 56/08 B - juris Rdnr. 13). Keine Abänderung oder Ersetzung i.S. des § 96 SGG liegt deshalb bei einem anderen Streitgegenstand vor (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 37/14 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143 - juris Rdnr. 13; Beschluss vom 18. August 1999 - B 4 RA 25/99 B - juris Rdnrn. 11 f., 14; Urteil vom 20. März 1996 - 6 RKa 51/95 - BSGE 78, 98 - juris Rdnr. 19; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 11; Schmidt, a.a.O. Rdnr. 4). Aufgrund der Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG ist § 96 SGG im Berufungsverfahren anwendbar, sodass die für das Klageverfahren genannten Voraussetzungen unter Beachtung der Besonderheiten des Berufungsverfahrens vorliegen müssen. Für die Einbeziehung eines neuen ändernden oder ersetzenden Verwaltungsaktes ist erforderlich, dass - wie vorliegend - wirksam Berufung eingelegt wurde, gleich von welchem der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2012 - B 13 R 73/11 R - juris Rdnr. 15, BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rdnr. 13; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 16; Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 , § 96 SGG Rdnr. 67).
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Bei dem Bescheid vom 20. Mai 2019 handelt es sich nicht lediglich um einen Ausführungsbescheid in Umsetzung des Urteils des SG vom 26. Februar 2019 im Sinne einer vorläufigen Regelung bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung (vgl. zum Ausführungsbescheid BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 6/16 R - juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a/7 AL 76/04 R - juris Rdnr. 12; BSG, Beschluss vom 6. Januar 2003 - B 9 V 77/01 B - juris Rdnr. 5; BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 6 KA 65/97 R - juris Rdnr. 15; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 33; Binder in LPK-SGG, 5. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 12; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rdnr. 30; Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 , § 96 SGG Rdnr. 33; Littmann in Hauck/Noftz, Stand Dezember 2011, § 31 SGB X Rdnr. 54; Luthe in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017 , § 31 Rdnr. 51; Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 4b). Hintergrund dafür bildet der Umstand, dass ein bloßer Ausführungsbescheid in seinem rechtlichen Bestand nach von der abschließenden gerichtlichen Entscheidung abhängt und lediglich eine vorläufige Regelung bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens trifft. Ein Ausführungsbescheid im Sinne einer vorläufigen Regelung enthält keine (verbindliche) Regelung im Sinne des § 31 SGB X. Ein Ausführungsbescheid wird mit dem das gerichtliche Verfahren abschließenden Urteil von selbst gegenstandslos und zwar unabhängig vom Ausgang und vom Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 , § 96 Rdnr. 33). Etwas Anderes gilt dann, wenn das Urteil zu unbestimmt ist und der Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt (z.B. zur Leistungsdauer, Leistungshöhe) bedarf bzw. die Behörde eine über den Urteilstenor hinausgehende Entscheidung trifft (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 6/16 R - juris Rdnr. 14; BSG, Beschluss vom 18. September 2003 - B 9 V 82/02 B - juris Rdnr. 6; BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 - 9 RV 21/95 - juris Rdnr. 19; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rdnr. 30; Littmann in Hauck/Noftz, Stand Dezember 2011, § 31 SGB X Rdnr. 54; Luthe in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017 , § 31 Rdnr. 54 zum Ausführungsbescheid). Ein solcher Bescheid beinhaltet keinen Ausführungsbescheid, sondern einen neuen Verwaltungsakt im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG.
43 
Vorliegend hat der Beklagte in dem Bescheid vom 20. Mai 2019 zwar auf das angefochtene Urteil des SG vom 26. Februar 2019 in dem zugrundeliegenden Klageverfahren S 9 AS 4746/18 Bezug genommen, hat dieses aber nicht lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung ausgeführt. Denn zunächst bedurfte das Grundurteil des SG hinsichtlich der Leistungshöhe einer Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt. Das SG hatte den Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 „ausgehend von Regelbedarfsstufe 1 und den vollen Kosten der Unterkunft und Heizung“, mithin durch Grundurteil gem. § 130 Abs. 1 SGG, verurteilt. Der nach Auffassung des SG der Klägerin zustehende Leistungsanspruch war damit weder bestimmt noch beziffert, sondern bedurfte - auch im Hinblick auf das von der Klägerin fortlaufend erzielte Einkommen - einer Umsetzung durch einen Verwaltungsakt. Weiterhin hat sich der Beklagte nicht darauf beschränkt, den Leistungsbetrag nach Maßgabe des Urteils des SG vom 26. Februar 2019 zu errechnen und festzusetzen, sondern er hat darüber hinaus weitere Regelungen getroffen. Unabhängig davon, dass er ausdrücklich einen „Änderungsbescheid“ erlassen und die Vorläufigkeit seiner Regelungen in Abhängigkeit von der noch ausstehenden Entscheidung des Senats im vorliegenden Berufungsverfahren nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, hat er vorbehaltslos die entgegenstehenden Bescheide vom 15. Oktober 2018, 16. November 2018, 24. November 2018, 12. Februar 2019 und 20. Februar 2019 aufgehoben und die Leistungshöhe für die hier streitige Zeit neu und verbindlich festgesetzt. Er hat die monatlichen Leistungen der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 neu bewilligt und ist von Änderungen bzgl. des Regelbedarfs sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung zu ihren Gunsten ausgegangen. Als Rechtsgrundlage hat er § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X angegeben. Damit handelt es sich nicht lediglich um einen bloßen Ausführungsbescheid, sondern um eine neue Regelung. Der Bescheid vom 20. Mai 2019 hat den Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018, 24. November 2018 und 12. Februar 2019 ersetzt; diese haben sich durch den Bescheid vom 20. Mai 2019 erledigt.
44 
Weiterer Gegenstand des Berufungsverfahrens sind auch die Bescheide des Beklagten vom 4. Juli 2019 und 29. Juli 2019 geworden, soweit darin die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. Januar 2019 sowie vom 1. Mai 2019 bis zum 30. Juni 2019 wegen des von der Klägerin in diesen Zeiträumen erzielten und zunächst verschwiegenen Erwerbseinkommen neu festgesetzt und den Bescheid vom 20. Mai 2019 insoweit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X (Bescheid vom 4. Juli 2019) bzw. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB X (Bescheid vom 29. Juli 2019) korrigiert hat. Die kraft Gesetzes (§§ 153 Abs. 1, 96 SGG) eintretende Klageänderung hindert die Beteiligten allerdings nicht, über den Verfahrensgegenstand im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis (§ 123 SGG) zu verfügen und die Klage ausdrücklich auf die Anfechtung des Ausgangsverwaltungsakts zu beschränken (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 - B 12 KR 22/19 R - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - juris Rdnr. 22). Vorliegend hat sich die rechtsanwaltlich vertretene Klägerin darauf beschränkt, das angefochtene Urteil des SG zu verteidigen und die Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu beantragten (Schriftsatz vom 6. April 2019). Auch inhaltlich hat sie sich lediglich zur Höhe des Regelbedarfs (Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende oder Regelbedarfsstufe 2 für Partner) sowie zur Anwendbarkeit des Kopfteilprinzips geäußert. Auch nachdem der Berichterstatter in dem mit den Beteiligten am 18. Oktober 2019 durchgeführten Erörterungstermin darauf hingewiesen hatte, dass der Bescheid vom 20. Mai 2019 sowie der seinerzeit aktenkundige Bescheid vom 4. Juli 2019 nach §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden sein könnten, hat die Klägerin auf diese neue Lage nicht reagiert. Sie hat keinen Abstand von ihrem Antrag auf Berufungszurückweisung genommen, nachdem der Beklagte ihr durch Bescheid vom 20. Mai 2019 zwischenzeitlich genau die Leistungen gewährt hatte, die sie mit ihrer Klage - vor dem SG erfolgreich - erstrebt hatte. Insoweit war aber die mit dem vor dem SG angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018 und 24. November 2018 für die Klägerin verbundene Beschwer entfallen. Sie hätte ihre Klage insoweit für erledigt erklären können. Auch hat sie im weiteren Verlauf nicht die Aufhebung der wegen der Einkommenserzielung zwischenzeitlich erlassenen (Teil-)Aufhebungsbescheide vom 4. Juli 2019 und 29. Juli 2019 beantragt. Sie hat diese Bescheide sowie deren Inhalt weder thematisiert noch deren Rechtmäßigkeit in Frage gestellt. Sie hat keinerlei Argument vorgebracht, warum ihr die durch Bescheid vom 20. Mai 2019 bewilligten Leistungen trotz Erzielung weiterer Einkommen neben ihrem Renteneinkommen ungeschmälert verbleiben sollen. Unter diesen Umständen geht der Senat im Hinblick auf die allgemeine Dispositionsbefugnis der Klägerin davon aus, dass sie die Bescheide vom 4. Juli 2019 und 29. Juli 2019 nicht zum Gegenstand ihrer Anfechtung gemacht hat. Diese Bescheide sind mangels Anfechtung somit bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).
45 
3. Die ursprünglich gegen den Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018 und 24. November 2018 erhobene Klage ist unzulässig geworden. Diese Bescheide haben sich durch den Bescheid vom 20. Mai 2019 vollständig erledigt. Die mit ihnen für die Klägerin verbundene Beschwer ist entfallen. Denn der Beklagte hat der Klägerin für die hier streitige Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 durch Bescheid vom 20. Mai 2019 genau die von ihr begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt und gewährt, nämlich den Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1 (416,00 EUR, ab 1. Januar 2019 424,00 EUR), einen Ernährungsmehrbedarf (41,60 EUR, ab 1. Januar 2019 42,20 EUR) sowie mindestens die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Oktober 2018 749,35 EUR, ab November 2018 591,90 EUR, März 2019 779,10 EUR, ab April 2019 591,90 EUR) unter Berücksichtigung des von ihr erzielten Renteneinkommens. Damit hat er ihrem Begehren vollständig Rechnung getragen. Die Klage der Klägerin ist mit Erlass des Bescheids vom 20. Mai 2019 unzulässig geworden.
46 
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; die Kostenentscheidung des SG war im Hinblick auf den Erfolg der Berufung des Beklagten zu korrigieren.
47 
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
37 
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
38 
1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
39 
2. Gegenstand des Verfahrens bildete zunächst der Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 (§ 95 SGG) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018, 24. November 2018 und 12. Februar 2019, mit denen der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 u.a. unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs nach Regelbedarfsstufe 2 sowie der hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt hatte. Hiergegen hat sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 56 SGG) gewandt und für diesen Zeitraum höhere Leistungen unter Zugrundelegung eines Regelbedarfs nach Regelbedarfsstufe 1 sowie ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung begehrt. Das SG hat durch Urteil vom 26. Februar 2019 die Bescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 sowie die Bescheide vom 16. November 2019 und 24. November 2018 abgeändert und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis 30. Juni 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgehend von Regelbedarfsstufe 1 und den vollen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren. Dagegen wendet sich allein der Beklagte mit seiner Berufung und begehrt die Abweisung der Klage.
40 
Diese Bescheide haben sich allesamt durch die mit Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. Mai 2019, der gem. §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens geworden ist, verfügte Aufhebung gem. § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erledigt.
41 
Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 SGG nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach Maßgabe des § 96 SGG wird der neue Verwaltungsakt automatisch Klagegegenstand, ohne dass es einer gewillkürten Klageänderung oder eines Vorverfahrens bedarf; es handelt sich also um eine Klageänderung kraft Gesetzes (vgl. nur Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 1a). Voraussetzung für die Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes ist, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Geändert oder ersetzt wird ein Verwaltungsakt immer, wenn er denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsverwaltungsakt betrifft, bzw. wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 1/15 R - juris Rdnr. 12; Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 8 SO 14/14 R - juris Rdnr. 11; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 23/04 R - juris Rdnr. 14; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 96 Rdnr. 28; Schmidt, a.a.O. Rdnrn. 4 ff.). Abändern oder Ersetzen setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist. Ob dies der Fall ist, muss durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festgestellt werden. Der neue Verwaltungsakt muss zur Regelung desselben Rechtsverhältnisses ergangen sein, wobei es unschädlich ist, dass die Verwaltungsakte auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt sind (vgl. BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - B 6 KA 56/08 B - juris Rdnr. 13). Keine Abänderung oder Ersetzung i.S. des § 96 SGG liegt deshalb bei einem anderen Streitgegenstand vor (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 37/14 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R - BSGE 90, 143 - juris Rdnr. 13; Beschluss vom 18. August 1999 - B 4 RA 25/99 B - juris Rdnrn. 11 f., 14; Urteil vom 20. März 1996 - 6 RKa 51/95 - BSGE 78, 98 - juris Rdnr. 19; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 11; Schmidt, a.a.O. Rdnr. 4). Aufgrund der Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG ist § 96 SGG im Berufungsverfahren anwendbar, sodass die für das Klageverfahren genannten Voraussetzungen unter Beachtung der Besonderheiten des Berufungsverfahrens vorliegen müssen. Für die Einbeziehung eines neuen ändernden oder ersetzenden Verwaltungsaktes ist erforderlich, dass - wie vorliegend - wirksam Berufung eingelegt wurde, gleich von welchem der Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2012 - B 13 R 73/11 R - juris Rdnr. 15, BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R - juris Rdnr. 13; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 16; Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 , § 96 SGG Rdnr. 67).
42 
Bei dem Bescheid vom 20. Mai 2019 handelt es sich nicht lediglich um einen Ausführungsbescheid in Umsetzung des Urteils des SG vom 26. Februar 2019 im Sinne einer vorläufigen Regelung bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung (vgl. zum Ausführungsbescheid BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 6/16 R - juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a/7 AL 76/04 R - juris Rdnr. 12; BSG, Beschluss vom 6. Januar 2003 - B 9 V 77/01 B - juris Rdnr. 5; BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 - B 6 KA 65/97 R - juris Rdnr. 15; Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 96 Rdnr. 33; Binder in LPK-SGG, 5. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 12; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rdnr. 30; Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 , § 96 SGG Rdnr. 33; Littmann in Hauck/Noftz, Stand Dezember 2011, § 31 SGB X Rdnr. 54; Luthe in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017 , § 31 Rdnr. 51; Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 96 Rdnr. 4b). Hintergrund dafür bildet der Umstand, dass ein bloßer Ausführungsbescheid in seinem rechtlichen Bestand nach von der abschließenden gerichtlichen Entscheidung abhängt und lediglich eine vorläufige Regelung bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens trifft. Ein Ausführungsbescheid im Sinne einer vorläufigen Regelung enthält keine (verbindliche) Regelung im Sinne des § 31 SGB X. Ein Ausführungsbescheid wird mit dem das gerichtliche Verfahren abschließenden Urteil von selbst gegenstandslos und zwar unabhängig vom Ausgang und vom Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (Klein in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 , § 96 Rdnr. 33). Etwas Anderes gilt dann, wenn das Urteil zu unbestimmt ist und der Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt (z.B. zur Leistungsdauer, Leistungshöhe) bedarf bzw. die Behörde eine über den Urteilstenor hinausgehende Entscheidung trifft (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 6/16 R - juris Rdnr. 14; BSG, Beschluss vom 18. September 2003 - B 9 V 82/02 B - juris Rdnr. 6; BSG, Urteil vom 2. Juli 1997 - 9 RV 21/95 - juris Rdnr. 19; Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rdnr. 30; Littmann in Hauck/Noftz, Stand Dezember 2011, § 31 SGB X Rdnr. 54; Luthe in jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017 , § 31 Rdnr. 54 zum Ausführungsbescheid). Ein solcher Bescheid beinhaltet keinen Ausführungsbescheid, sondern einen neuen Verwaltungsakt im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG.
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Vorliegend hat der Beklagte in dem Bescheid vom 20. Mai 2019 zwar auf das angefochtene Urteil des SG vom 26. Februar 2019 in dem zugrundeliegenden Klageverfahren S 9 AS 4746/18 Bezug genommen, hat dieses aber nicht lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung bis zum Abschluss des hiesigen Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung ausgeführt. Denn zunächst bedurfte das Grundurteil des SG hinsichtlich der Leistungshöhe einer Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt. Das SG hatte den Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 „ausgehend von Regelbedarfsstufe 1 und den vollen Kosten der Unterkunft und Heizung“, mithin durch Grundurteil gem. § 130 Abs. 1 SGG, verurteilt. Der nach Auffassung des SG der Klägerin zustehende Leistungsanspruch war damit weder bestimmt noch beziffert, sondern bedurfte - auch im Hinblick auf das von der Klägerin fortlaufend erzielte Einkommen - einer Umsetzung durch einen Verwaltungsakt. Weiterhin hat sich der Beklagte nicht darauf beschränkt, den Leistungsbetrag nach Maßgabe des Urteils des SG vom 26. Februar 2019 zu errechnen und festzusetzen, sondern er hat darüber hinaus weitere Regelungen getroffen. Unabhängig davon, dass er ausdrücklich einen „Änderungsbescheid“ erlassen und die Vorläufigkeit seiner Regelungen in Abhängigkeit von der noch ausstehenden Entscheidung des Senats im vorliegenden Berufungsverfahren nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, hat er vorbehaltslos die entgegenstehenden Bescheide vom 15. Oktober 2018, 16. November 2018, 24. November 2018, 12. Februar 2019 und 20. Februar 2019 aufgehoben und die Leistungshöhe für die hier streitige Zeit neu und verbindlich festgesetzt. Er hat die monatlichen Leistungen der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 neu bewilligt und ist von Änderungen bzgl. des Regelbedarfs sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung zu ihren Gunsten ausgegangen. Als Rechtsgrundlage hat er § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X angegeben. Damit handelt es sich nicht lediglich um einen bloßen Ausführungsbescheid, sondern um eine neue Regelung. Der Bescheid vom 20. Mai 2019 hat den Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018, 24. November 2018 und 12. Februar 2019 ersetzt; diese haben sich durch den Bescheid vom 20. Mai 2019 erledigt.
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Weiterer Gegenstand des Berufungsverfahrens sind auch die Bescheide des Beklagten vom 4. Juli 2019 und 29. Juli 2019 geworden, soweit darin die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. Januar 2019 sowie vom 1. Mai 2019 bis zum 30. Juni 2019 wegen des von der Klägerin in diesen Zeiträumen erzielten und zunächst verschwiegenen Erwerbseinkommen neu festgesetzt und den Bescheid vom 20. Mai 2019 insoweit nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X (Bescheid vom 4. Juli 2019) bzw. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB X (Bescheid vom 29. Juli 2019) korrigiert hat. Die kraft Gesetzes (§§ 153 Abs. 1, 96 SGG) eintretende Klageänderung hindert die Beteiligten allerdings nicht, über den Verfahrensgegenstand im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis (§ 123 SGG) zu verfügen und die Klage ausdrücklich auf die Anfechtung des Ausgangsverwaltungsakts zu beschränken (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2019 - B 12 KR 22/19 R - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 17. November 2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - juris Rdnr. 22). Vorliegend hat sich die rechtsanwaltlich vertretene Klägerin darauf beschränkt, das angefochtene Urteil des SG zu verteidigen und die Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu beantragten (Schriftsatz vom 6. April 2019). Auch inhaltlich hat sie sich lediglich zur Höhe des Regelbedarfs (Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende oder Regelbedarfsstufe 2 für Partner) sowie zur Anwendbarkeit des Kopfteilprinzips geäußert. Auch nachdem der Berichterstatter in dem mit den Beteiligten am 18. Oktober 2019 durchgeführten Erörterungstermin darauf hingewiesen hatte, dass der Bescheid vom 20. Mai 2019 sowie der seinerzeit aktenkundige Bescheid vom 4. Juli 2019 nach §§ 153 Abs. 1, 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden sein könnten, hat die Klägerin auf diese neue Lage nicht reagiert. Sie hat keinen Abstand von ihrem Antrag auf Berufungszurückweisung genommen, nachdem der Beklagte ihr durch Bescheid vom 20. Mai 2019 zwischenzeitlich genau die Leistungen gewährt hatte, die sie mit ihrer Klage - vor dem SG erfolgreich - erstrebt hatte. Insoweit war aber die mit dem vor dem SG angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018 und 24. November 2018 für die Klägerin verbundene Beschwer entfallen. Sie hätte ihre Klage insoweit für erledigt erklären können. Auch hat sie im weiteren Verlauf nicht die Aufhebung der wegen der Einkommenserzielung zwischenzeitlich erlassenen (Teil-)Aufhebungsbescheide vom 4. Juli 2019 und 29. Juli 2019 beantragt. Sie hat diese Bescheide sowie deren Inhalt weder thematisiert noch deren Rechtmäßigkeit in Frage gestellt. Sie hat keinerlei Argument vorgebracht, warum ihr die durch Bescheid vom 20. Mai 2019 bewilligten Leistungen trotz Erzielung weiterer Einkommen neben ihrem Renteneinkommen ungeschmälert verbleiben sollen. Unter diesen Umständen geht der Senat im Hinblick auf die allgemeine Dispositionsbefugnis der Klägerin davon aus, dass sie die Bescheide vom 4. Juli 2019 und 29. Juli 2019 nicht zum Gegenstand ihrer Anfechtung gemacht hat. Diese Bescheide sind mangels Anfechtung somit bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).
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3. Die ursprünglich gegen den Bescheid vom 15. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16. November 2018 und 24. November 2018 erhobene Klage ist unzulässig geworden. Diese Bescheide haben sich durch den Bescheid vom 20. Mai 2019 vollständig erledigt. Die mit ihnen für die Klägerin verbundene Beschwer ist entfallen. Denn der Beklagte hat der Klägerin für die hier streitige Zeit vom 1. Oktober 2018 bis zum 30. Juni 2019 durch Bescheid vom 20. Mai 2019 genau die von ihr begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt und gewährt, nämlich den Regelbedarf nach Regelbedarfsstufe 1 (416,00 EUR, ab 1. Januar 2019 424,00 EUR), einen Ernährungsmehrbedarf (41,60 EUR, ab 1. Januar 2019 42,20 EUR) sowie mindestens die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (Oktober 2018 749,35 EUR, ab November 2018 591,90 EUR, März 2019 779,10 EUR, ab April 2019 591,90 EUR) unter Berücksichtigung des von ihr erzielten Renteneinkommens. Damit hat er ihrem Begehren vollständig Rechnung getragen. Die Klage der Klägerin ist mit Erlass des Bescheids vom 20. Mai 2019 unzulässig geworden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; die Kostenentscheidung des SG war im Hinblick auf den Erfolg der Berufung des Beklagten zu korrigieren.
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5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

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