Beschluss vom Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 10 SF 466/20 E-B

Tenor

Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.01.2020 (S 22 SF 4257/18 E) wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
Über die Beschwerde entscheidet der Berichterstatter des alleine für Kostensachen zuständigen 10. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg als Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 155 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -); die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzungsverfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts (UdG) vom 06.02.2018 mit Beschluss vom 24.01.2020 zu Recht zurückgewiesen. Es hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage der gleichermaßen ausführlichen wie zutreffenden Begründung der Vergütungsfestsetzungsverfügung und unter Darstellung der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Einzelnen dargelegt, dass und warum der Erinnerungsführer keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung aus der Staatskasse für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 6 AS 1467/17 (vorheriges Az.: S 6 AS 2229/14) hat. Dabei hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Bewertung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in einem Untätigkeitsklageverfahren dessen eingeschränkter Streitgegenstand (Erlass des begehrten Verwaltungsakts) zu berücksichtigen ist, dass die Klärung materiell-rechtlicher Fragen im Hinblick auf den Inhalt der begehrten Verwaltungsentscheidung außerhalb der allein klagegegenständlichen Untätigkeit der Behörde liegt und dass bzw. warum die Tätigkeit des Erinnerungsführers in Ansehung dessen hier nur als deutlich unterdurchschnittlich zu qualifizieren und damit mit einer Verfahrensgebühr (Nrn. 3102, 1008 des Vergütungsverzeichnisses - VV - zu § 2 Abs. 2 RVG) unterhalb der sog. Mittelgebühr (hier: doppelte Mindestgebühr aus dem wegen einem zusätzlichen Auftraggeber erhöhten Betragsrahmen ab 65,00 EUR x 2 = 130,00 EUR) zu vergüten ist. Das SG hat ferner zutreffend und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Senatsbeschluss vom 02.07.2019, L 10 SF 4254/18 E-B, in juris, Rdnrn. 14 ff. m.w.N.) entschieden, dass der (außergerichtliche) Erlass des begehrten Verwaltungsakts mit anschließender einseitiger Erledigungserklärung keine Beendigung „nach angenommenem Anerkenntnis“ i.S.d. Anm. Satz 1 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV RVG darstellt und dass eine erweiternde Auslegung bzw. analoge Anwendung dieser Gebührenbestimmung nicht in Betracht kommt, sodass eine (fiktive) Terminsgebühr nicht gerechtfertigt ist. Der Senat nimmt darauf - ebenso wie auf die entsprechende Begründung der Vergütungsfestsetzungsverfügung - Bezug, sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab und weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidungen zurück (vgl. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Soweit der Erinnerungsführer meint, die Untätigkeitsklage sei „umfangreich“ begründet worden, hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass dies - gemessen an durchschnittlichen sozialgerichtlichen Verfahren - schlicht unzutreffend ist. Zum anderen ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit objektiv zu bestimmen. Es kommt auf den zeitlichen Aufwand an, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste (vgl. nur Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12.12.2019, B 14 AS 48/18 R, in juris, Rdnrn. 17, 20 m.w.N.). Die sog. Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) ist als eine bloß auf formelle Bescheidung gerichtete Bescheidungsklage ausgestaltet (BSG, Urteil vom 23.08.2007, B 4 RS 7/06 R, in juris, Rdnr. 16) und richtet sich allein auf den Erlass des begehrten (Widerspruchs-) Bescheids durch die Behörde und nicht auf die Klärung eines materiell-rechtlichen Rechtsverhältnisses; es spielt - von hier nicht vorliegenden Ausnahmesituationen abgesehen - keine Rolle, ob der Kläger einen Anspruch in der Sache selbst hat oder ob der beantragte Bescheid materiell-rechtliche Auswirkungen für ihn hat (vgl. nur Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 88 Rdnr. 4a m.w.N.). Die Klage setzt allein voraus, dass ein vom Kläger gestellter Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts (§ 88 Abs. 1 SGG) bzw. ein von ihm gegen einen Verwaltungsakt erhobener Widerspruch (§ 88 Abs. 2 SGG) ohne zureichenden Grund - wobei es sich dabei richtigerweise nicht um eine Prozessvoraussetzung handelt (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 88 Rdnr. 6 m.w.N.) - in angemessener Frist sachlich nicht beschieden wurde. Der Kläger muss also lediglich dartun, dass er einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts gestellt bzw. Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt erhoben hat, dass die Behörde darüber sachlich ohne zureichenden Grund nicht entschieden hat und dass die Sperrfrist (Wartefrist) des § 88 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 SGG abgelaufen ist. Demgemäß handelt es sich bei der anwaltlichen Vertretung in einem Untätigkeitsklageverfahren regelmäßig objektiv um eine einfache, nur einen geringen Aufwand erfordernde Tätigkeit, die an die in einem durchschnittlichen sozialgerichtlichen Verfahren erforderliche nicht ansatzweise heranreicht, sodass die sog. Mittelgebühr nicht rechtfertigt ist, sondern eine deutlich darunter liegende Gebühr (wie hier z.B. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 25.06.2018, L 12 SF 174/18, in juris, Rdnrn. 25 f.; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 13.09.2018, L 5 SF 294/17 B E, in juris, Rdnr. 16; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.01.2015, L 12 SO 302/14 B, in juris, Rdnr. 5; Beschluss vom 01.12.2014, L 19 AS 2043/14 B, in juris, Rdnrn. 25 ff.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 18.10.2013, L 8 AS 1254/12 B KO, in juris, Rdnrn. 20 ff.; Thüringer LSG, Beschluss vom 25.10.2010, L 6 SF 652/10 B, in juris, Rdnrn. 24 ff.; s. auch die w.N. bei Verfassungsgerichtshof - VerfGH - des Landes Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2019, 67/18, in juris, Rdnr. 11).
So liegt der Fall auch hier. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen war es im Hauptsacheverfahren S 6 AS 1467/17 objektiv lediglich erforderlich - und auch ausreichend - vorzutragen, dass das beklagte Jobcenter den Widerspruch der Klägerinnen vom 21.04.2011 gegen den (Änderungs-)Bescheid vom 26.03.2011 zum Zeitpunkt der Klagerhebung am 08.04.2014 ohne sachlichen Grund nicht beschieden hat und dass die Sperrfrist des § 88 Abs. 2 SGG längst abgelaufen war. Ein nennenswerter Aufwand war dazu nicht erforderlich, zumal der Erinnerungsführer die Klägerinnen bereits im Widerspruchsverfahren vertrat, dessen Abschluss durch Erlass des Widerspruchsbescheids er nunmehr gerichtlich verfolgte. Nachdem das beklagte Jobcenter vorliegend gar nicht geltend machte, dass ein zureichender Grund für die Untätigkeit vorliege, erschließt sich dem Senat nicht ansatzweise, welchen umfangreichen zeitlichen Aufwand der Erinnerungsführer meint objektiv für erforderlich hat halten zu dürfen, zumal er schon in der Klageschrift selbst einräumte, dass es auf seinen inhaltlichen Vortrag hinsichtlich der materiellen Leistungsansprüche gar nicht ankommt und zumal das SG später explizit auch darauf hinwies, dass diese Ansprüche nicht zulässiger Gegenstand des Verfahrens sind. Wenn sich der Erinnerungsführer gleichwohl bemüßigt sah, zu den Leistungsansprüchen seiner Mandanten vorzutragen - obschon er selbst wusste (s.o.), dass dies für die von ihm erhobene Klage gänzlich irrelevant war -, führt dies nicht dazu, dass dieser zeitliche Aufwand nunmehr von der Staatskasse zu vergüten wäre; es bleibt vielmehr dabei, dass es allein auf das ankommt, was der Anwalt zum Führen des konkreten gerichtlichen Verfahrens (hier: Untätigkeitsklage) objektiv für erforderlich halten durfte.
Soweit der Erinnerungsführer auf „weitere rechtshängige Verfahren“ der seinerzeitigen Klägerinnen verweist, erschließt sich auch insoweit ein Zusammenhang mit der in Rede stehenden Untätigkeitsklage und dem zum Führen dieses Verfahrens objektiv erforderlichen zeitlichen Aufwand nicht.
Soweit der Erinnerungsführer (erneut) meint, die Verfahrenslaufzeit sei bei der Bemessung der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen, ist dies (weiterhin) rechtsirrig; insoweit wird auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Senatsbeschlüsse vom 24.07.2020 (L 10 SF 1957/20 E-B) und 30.04.2020 (L 10 SF 3795/18 E-B) Bezug genommen (dort m.w.N. zur Rspr. des BSG).
Ebenso spielt seine (pauschale) Bezugnahme auf „7 Leitzordner bestehender Korrespondenz“ keine Rolle, weil nicht ansatzweise plausibel ist, warum es objektiv erforderlich gewesen sein soll, diese Ordner zu „durchforsten“, um das Untätigkeitsklageverfahren entsprechend der obigen Ausführungen zu führen. Nämliches gilt, soweit er auf die „Unübersichtlichkeit der Verwaltungsakten der Beklagten“ verweist. Nachdem der Erinnerungsführer den Widerspruch seiner Mandanten - dessen Bescheidung er mit der Untätigkeitsklage verfolgte - selbst erhoben hatte, erschließt sich nicht, welche umfangreichen Recherchen in der Verwaltungsakte objektiv erforderlich gewesen sein sollen, um festzustellen, dass das beklagte Jobcenter über diesen Widerspruch auch drei Jahre später noch nicht entschieden hatte.
Auch der weitere Hinweis des Erinnerungsführers auf die „Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens“ ist nicht nachvollziehbar. Seine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren ist im gegebenen Zusammenhang schon mangels entsprechender Beiordnung irrelevant (s. auch dazu bereits Senatsbeschluss vom 24.07.2020 (L 10 SF 1957/20 E-B).
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Soweit er schließlich meint, die Bedeutung der Angelegenheit sei für seine Mandanten „zumindest als durchschnittlich“ anzusehen, weil sie „tatsächlich einen höheren Anspruch auf Leistungen gegenüber der Beklagten“ gehabt hätten, erschließt sich auch dies wiederum nicht, denn - wie oben dargelegt - ging es im Hauptsacheverfahren nicht um Leistungsansprüche, sondern nur um die bloße Erzwingung des Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch Erlass des Widerspruchsbescheids.
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Was die geltend gemachte (fiktive) Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) anbelangt, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 02.07.2019 (L 10 SF 4254/18 E-B, a.a.O., Rdnrn. 18 ff. m.w.N.) im Einzelnen dargelegt, dass in Fällen wie dem vorliegenden diese Gebühr nicht anfällt (so im Übrigen auch etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.07.2019, L 5 P 31/19 B, in juris, Rdnr. 22; Beschluss vom 01.04.2012, L 19 AS 2043/14 B, a.a.O., Rdnr. 21 m.w.N.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 18.10.2013, L 8 AS 1254/12 B KO, a.a.O., Rdnr. 25; Thüringer LSG, Beschluss vom 25.10.2010, L 6 SF 652/10 B, a.a.O., Rdnr. 31) und warum der abweichenden Auffassung - namentlich des Hessischen LSG - nicht zu folgen ist. Im Hinblick darauf sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begründung ab und verweist auf die entsprechenden Ausführungen im Senatsbeschluss vom 02.07.2019 (L 10 SF 4254/18 E-B, a.a.O.), denen auch in Ansehung der Beschwerde nichts hinzuzufügen ist; der Senat ist ohnehin nicht an die Rechtsprechung anderer Obergerichte gebunden.
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Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

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