Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - L 2 AL 2/13

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schwerin vom 12. Dezember 2012 und der Bescheid vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger aus dem Vermittlungsgutschein vom 12. Januar 2009 für den Arbeitnehmer C. 2.000,00 € zu zahlen

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge. Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2000,00 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Auszahlung von 2.000,00 € aus einem Vermittlungsgutschein für den Beigeladenen C. streitig.

2

Der Kläger betreibt eine private Arbeitsvermittlungsagentur. Über die Agentur wurde der Beigeladene C. als Schlosser ab dem 2. Februar 2009 unbefristet mit Arbeitsvertrag vom selben Tag bei der A. GmbH & Co. KG in C-Stadt vermittelt.

3

Der Vermittlung zugrunde lag ein „Arbeitsvermittlungsvertrag“, der außer den Daten des Beigeladenen und des Klägers folgenden Text enthält:

4

„Der Arbeitssuchende beauftragt die Arbeitsvermittlung mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle.
Gesuchte Tätigkeit Schlosser
Der Arbeitssuchende verfügt über einen gültigen Vermittlungsgutschein in Höhe von 2.000,- €.“

5

Diese Vereinbarung ist von beiden Vertragsparteien am 14. Januar 2009 unterzeichnet worden.

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Der für den Beigeladenen ausgestellte Vermittlungsgutschein über 2.000,00 € hatte eine Gültigkeitsdauer vom 12. Januar 2009 bis 11. April 2009.

7

Die Beklagte lehnte den am 25. März 2009 gestellten Antrag des Klägers auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheines in Höhe von zunächst 1.000,00 € ab (Bescheid vom 30. März 2009). Der Kläger habe gegenüber dem Arbeitnehmer keinen Vergütungsanspruch gemäß § 296 i. V. m. § 297 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

8

Mit am 8. April 2009 eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er bereits durch die Beauftragung zur Vermittlung einer Arbeitsstelle sowie die Bekanntgabe des Vermittlungsbetrages (lt. Vermittlungsgutschein) vom Beigeladenen einen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer erworben habe, da dieser ihn sonst nicht beauftragen müsse. So hätten dies seit fast 4 Jahren die Kollegen von den anderen Arbeitsagenturen auch gesehen.

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Durch Widerspruchsbescheid vom 16. April 2009 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Rechtlich stützte sich die Beklagte auf § 421 g i. V. m. §§ 296 und 297 SGB III. Ein Vergütungsanspruch, den die Agentur für Arbeit erfüllen solle, setze voraus, dass der Vermittler mit dem Arbeitsuchenden einen schriftlichen Vermittlungsvertrag geschlossen habe. Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 SGB III bedürfe ein Vertrag, nach dem sich ein Vermittler verpflichte, einem Arbeitsuchenden eine Arbeitsstelle zu vermitteln, der schriftlichen Form. In dem Vertrag sei insbesondere die Vergütung des Vermittlers anzugeben, § 296 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Der vorliegende Arbeitsvermittlungsvertrag enthalte neben den Angaben zu den Vertragspartnern lediglich den Hinweis auf das Vorliegen eines gültigen Vermittlungsgutscheines. Es fehle jedoch eine Vereinbarung, dass im Falle einer erfolgreichen Vermittlung überhaupt ein Vergütungsanspruch entstehe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass aus dem Vermittlungsgutschein selbst noch kein Zahlungsanspruch des Vermittlers gegenüber dem Arbeitnehmer entstehe. Dieser könne erst aufgrund eines wirksam abgeschlossenen Vermittlungsvertrages begründet werden. Dieser liege hier jedoch nicht vor, da es an einem wesentlichen Vertragsinhalt hinsichtlich des Entstehens eines Vergütungsanspruches fehle. Selbst wenn aufgrund des Hinweises auf dem Vermittlungsgutschein auf die Höhe einer etwaigen Vergütung geschlossen werden könne, mangele es dennoch an einer explizierten Regelung bezüglich der Voraussetzungen für die Begründung eines Vergütungsanspruches gegen den Arbeitnehmer. Dies führe zur Unwirksamkeit des Vertrages i. S. v. § 297 Nr. 1 SGB III, wonach Vereinbarungen zwischen einem Vermittler und einem Arbeitsuchenden über die Zahlung der Vergütung unwirksam seien, wenn die erforderliche Schriftform nicht eingehalten werde.

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Mit der am 18. Mai 2009 beim Sozialgericht Schwerin eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Es liege ein gültiger Vermittlungsgutschein vor. Es liege ferner ein wirksamer schriftlicher Vermittlungsvertrag gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 297 SGB III mit einem daraus resultierenden Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte vor. Ein Zahlungsanspruch sei nach der Rechtsprechung des BSG auch dann begründet worden, wenn an die Stelle der Zahlung der Vermittlungsgutschein treten solle, welches vorliegend mit der Vereinbarung, dass der Arbeitsuchende über einen gültigen Vermittlungsgutschein verfüge, gemeint gewesen sei. Der vorliegende Vermittlungsvertrag sei auszulegen. Da sowohl der Kläger als auch der Beigeladene bei Abschluss des Vermittlungsvertrages beabsichtigt hätten, Zahlungen der Beklagten an den Kläger bei erfolgreicher Vermittlung zu bewirken, sei bei einer Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont davon auszugehen, dass die Parteien den Vermittlungsvertrag in einer Weise hätten gestalten wollen, die einem solchen Anspruch nicht entgegenstehe. Auch wenn daher im Vermittlungsvertrag nicht ausdrücklich geregelt sei, dass dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch gegen den Arbeitsuchenden bestehe, der dauerhaft gestundet sei, sei nach der Rechtsprechung des BSG dennoch davon auszugehen, dass diese rechtliche Konstruktion von den Vertragsparteien habe gewählt werden sollen und der Vertrag dahingehend zu verstehen sei. Dies gelte umso mehr, als hierfür keine Auslegung entgegen dem Wortlaut des Vermittlungsvertrages vorzunehmen sei. Wenn die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Arbeitsuchende über einen gültigen Vermittlungsgutschein verfüge, so bedeute dieses, dass der Vermittlungsgutschein bei der Bundesagentur für Arbeit eingelöst werde und ein Vermittlungshonorar vom Arbeitsuchenden nicht „verlangt“ werde. Schon die vereinbarte Einlösung eines Vermittlungsgutscheines mache deutlich, dass ein grundsätzlich bestehender und von den Parteien auch vorausgesetzter Zahlungsanspruch durch den Vermittlungsgutschein abgegolten werden solle und nur deshalb keine Zahlung vom Arbeitsuchenden selbst an den Kläger verlangt werde. Nicht geregelt worden sei, dass ein Zahlungsanspruch dem Grunde nach bestehen solle. Ein Gutschein werde denknotwendigerweise immer zur Begleichung einer grundsätzlich bestehenden Forderung eingelöst. Nur wenn im Vermittlungsvertrag überhaupt nicht vom Vermittlungsgutschein die Rede gewesen wäre, könne nach der Rechtsprechung des BSG zweifelhaft gewesen sein, ob eine grundsätzliche Zahlungspflicht des Arbeitsuchenden als vereinbart angesehen werden könne. Folglich sei der vorliegende Vermittlungsvertrag nach dem objektiven Empfängerhorizont nur so zu verstehen und auszulegen, dass der grundsätzlich bestehende Zahlungsanspruch dauerhaft gestundet sei und durch die Einlösung des Vermittlungsgutscheines endgültig abgegolten werde. Zwar finde sich in dem Vermittlungsvertrag keine (ausdrückliche) Vereinbarung über die Höhe der Vergütung, jedoch sei in dem Vertrag vereinbart worden, dass der Kläger den jeweils gültigen Vermittlungsgutschein akzeptiere, so dass durch diese Bezugnahme das Schriftformerfordernis als erfüllt anzusehen sei (unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG C-Stadt-Brandenburg vom 22. Februar 2006 - L 28 AL 166/03 -, Sozialgerichtsbarkeit.de; Sauer in Jahn, SGB III, § 296, Rn. 6).

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Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt,

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den Bescheid vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die zwei Raten aus dem Vermittlungsgutschein vom 12. Januar 2009 für den Arbeitnehmer C. in Höhe von 2.000,00 € auszuzahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat sich zur Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen.

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Das Sozialgericht Schwerin hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage durch Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2012 abgewiesen und auf die Begründung des Widerspruchsbescheids der Beklagten verwiesen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für die Auszahlung der Leistung an den Vermittler u.a. ein Vergütungsanspruch des Vermittlers sei, der sich nicht allein aus der Tatsache ergebe, dass die Agentur für Arbeit einen Vermittlungsgutschein ausgestellt habe. Hinzukommen müsse ein Vermittlungsvertrag im Sinne eines Maklervertrages (§§ 652 ff. BGB), für den § 296 SGB III nähere Modifizierungen enthalte. So sei Schriftform für den Vertrag erforderlich. Nach dem Vertrag müsse sich ein Vermittler verpflichten, einen Arbeitsuchenden in eine Arbeitsstelle von mindestens 15 Wochenstunden zu vermitteln und für den erfolgreichen Vertragsabschluss mit dem späteren Arbeitgeber einen Vergütungsanspruch mit dem Arbeitsuchenden vereinbaren. Diesen Anforderungen genüge der „Arbeitsvermittlungsvertrag“ vom 14. Januar 2009 nur zum Teil. Zwar habe der Beigeladene den Kläger mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle für die angegebene gesuchte Tätigkeit beauftragt. Dass dem Kläger für den Fall des Erfolges eine Vergütung zustehe, sei im Vertrag nicht vereinbart. Aus dem Hinweis im Vertrag, dass der Arbeitsuchende über einen gültigen Vermittlungsgutschein verfüge, könne allenfalls noch auf die Höhe der Vergütung geschlossen werden, obwohl diese gemäß § 296 Abs. 1 Satz 2 SGB III in dem Vertrag selbst anzugeben sei. Gänzlich fehle jedoch, dass für die erfolgreiche Vermittlung einer Arbeitsstelle ein Vergütungsanspruch für den Kläger entstehe. Der Hinweis auf einen gültigen Vermittlungsgutschein mache die Vereinbarung eines Vergütungsanspruches nicht entbehrlich. Denn der Vermittlungsgutschein selbst könne einen etwaigen Vermittlungsanspruch im Vertragsverhältnis des Klägers zum Arbeitsuchenden nicht regeln. Einen solchen Vergütungsanspruch könnten nur der Kläger und der Arbeitsuchende im Vermittlungsvertrag selbst vereinbaren.

17

Gegen den am 20. Dezember 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Januar 2013 (Montag) Berufung eingelegt und seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Das Beschäftigungsverhältnis bestehe ununterbrochen fort.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schwerin vom 12. Dezember 2012 und den Bescheid vom 30. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus dem Vermittlungsgutschein vom 12. Januar 2009 für den Arbeitnehmer C. 2.000,00 € zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Revision zuzulassen.

22

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. In § 296 SGB III a.F. seien eindeutige Vorgaben für die Ausgestaltung eines wirksamen Vermittlungsvertrages geregelt – so das Schriftformerfordernis, konkrete Angaben zur Höhe einer Vermittlungsvergütung und dass ein Vergütungsanspruch lediglich bei Zustandekommen eines Arbeitsvertrages entstehe. Diese gesetzlichen Vorgaben seien im Vermittlungsvertrag nicht enthalten. Für eine nachträgliche Auslegung des Vertrages lasse das Gesetz keinen Raum.

23

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.

25

Der Kläger hat aus dem Vermittlungsgutschein vom 12. Januar 2009 einen Anspruch auf Zahlung von zwei Raten in Höhe von jeweils 1000,00 Euro gemäß § 421g SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.2008 (SGB III a.F.).

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Nach Absatz 1 dieser Vorschrift haben Arbeitnehmer, die Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Mit dem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die Agentur für Arbeit nach Satz 4, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine versicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erfüllen. Der Vermittlungsgutschein gilt nach Satz 6 für einen Zeitraum von jeweils drei Monaten. Er wird nach Abs. 2 Satz 1 in Höhe von 2 000 Euro ausgestellt. Nach Satz 3 wird die Vergütung in Höhe von 1 000 Euro nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Die Leistung wird unmittelbar an den Vermittler gezahlt. Die Zahlung der Vergütung ist nach Abs. 3 unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Gründen ausgeschlossen. § 296 SGB III (in der Fassung des Gesetzes vom 10.12.2007), in dem die Modalitäten des Vermittlungsvertrages zwischen einem Vermittler und einem Arbeitssuchenden geregelt sind, bestimmt dazu in Abs. 4 Satz 2, dass der Anspruch des Vermittlers auf Vergütung gegenüber dem Arbeitsuchenden nach Vorlage des Vermittlungsgutscheins bis zu dem Zeitpunkt gestundet ist, in dem die Agentur für Arbeit nach Maßgabe von § 421g SGB III a.F. gezahlt hat.

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Die Voraussetzungen für die Auszahlung der ersten und zweiten Rate i.H.v. jeweils 1000 Euro nach diesen Vorschriften sind gegeben.

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Voraussetzung für den Zahlungsanspruch des Vermittlers i.H.v. 2000,00 € ist

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1. das Vorliegen eines Vermittlungsgutscheines,

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2. das Vorliegen eines Vergütungsanspruches des Vermittlers gegenüber dem Arbeitsuchenden aufgrund eines wirksamen Vertrages zwischen diesen beiden,

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3. die Vermittlung innerhalb der Gültigkeitsdauer sowie

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4. eine Beschäftigungsdauer von mindestens sechs Monaten.

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Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Ein Vermittlungsgutschein liegt vor, ebenso die Vermittlung innerhalb der Gültigkeitsdauer des Gutscheins sowie eine Beschäftigungsdauer von über 6 Monaten.

34

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung scheitert zudem auch nicht daran, dass er keinen zivilrechtlichen Zahlungsanspruch gegen den Beigeladenen erlangt hätte, denn es besteht ein formwirksamer Vertrag über die Vergütungshöhe.

35

Ein zivilrechtlicher Vergütungsanspruch kann (allein) aus einem zivilrechtlichen Vertrag resultieren, dessen Wirksamkeit und nähere Ausgestaltung sich nach den Vorschriften des BGB richten, die von öffentlich-rechtlichen Normen, insbesondere denen des § 296 SGB III, überlagert sind. Dies folgt aus § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III aF, der ausdrücklich (dem Grunde nach) einen Vergütungsanspruch des vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers gegen den Arbeitnehmer voraussetzt (BSG, Urteil vom 06.04.2006, B 7a AL 56/05 R, RdNr 12 und 13). Bei diesem zivilrechtlichen Vertrag handelt es sich um einen Maklervertrag i. S. v. § 652 BGB. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte nach § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III aF setzen damit dem Grunde nach Ansprüche auf Maklerlohn des Klägers gegen den Beigeladenen nach zivilrechtlichen Kriterien voraus (BSG, ebd RdNr 14 und 17). Diese zivilrechtlichen Vorgaben werden durch die Vorschriften der §§ 296, 297 SGB III sozialrechtlich überlagert (BGH Urteil vom 18.03.2010, III ZR 254/09, RdNr 13 bis18).

36

§ 296 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB III regeln: Ein Vertrag, nach dem sich ein Vermittler verpflichtet, einem Arbeitsuchenden eine Arbeitsstelle zu vermitteln, bedarf der schriftlichen Form. In dem Vertrag ist insbesondere die Vergütung des Vermittlers anzugeben. Unwirksam sind u. a. Vereinbarungen, wenn die erforderliche Schriftform nicht eingehalten wird (§ 297 Nr. 1 SGB III).

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Der Vermittlungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen entspricht der Vorgabe des § 296 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB III. Es ermangelt diesem Vermittlungsvertrag insbesondere nicht an einer schriftlichen Regelung zur Vergütung.

38

Der Gesetzgeber hat die Vorgabe der Schriftform (§ 126 BGB) für die Vereinbarung der Vergütungshöhe als wesentlicher Bestandteil des Vermittlungsvertrages zum Schutze des Arbeitsuchenden als notwendig angesehen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs 14/8546 S 6) wird dazu ausgeführt: „Dieser Personenkreis befindet sich jedoch in aller Regel gegenüber den Vermittlern in einer schwächeren Verhandlungsposition als die Arbeitgeber. Dies macht Bestimmungen erforderlich, die ihrem Schutz vor der Ausnutzung persönlicher oder wirtschaftlicher Notlagen und ihrer Unerfahrenheit dienen. Deshalb wird für den Abschluss des Vertrages die Schriftform vorgeschrieben.“

39

§ 126 BGB bestimmt, dass die Urkunde das gesamte formbedürftige Rechtsgeschäft enthalten und eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sein muss, wobei die Unterschrift den Urkundentext räumlich abzuschließen hat (Fuchs in Gagel, SGB II/SGB III, § 296 SGB III, RdNr 2). In den Vertrag sind alle wesentlichen Bestandteile (essentialia negotii) aufzunehmen. Wegen der besonderen Bedeutung der Vergütung hebt § 296 Abs. 1 Satz 2 SGB III aF deren Angabe im Vertrag besonders hervor (Fuchs in Gagel, a. a. O., § 296 SGB III RdNr 3). Der Arbeitsuchende muss wissen, bevor er sich auf die Dienste eines privaten Arbeitsvermittlers einlässt, welche Verpflichtungen auf ihn zukommen. Ihm muss anhand des Vermittlungsvertrages bewusst sein, dass die erfolgreiche Vermittlung in Arbeit durch einen privaten Arbeitsvermittler vergütungspflichtig ist (Fuchs in Gagel, a a O, RdNr 5). Mit dem Schriftformerfordernis bezüglich der Vergütung sollen Unklarheiten und Unsicherheiten darüber zum Schutz des Arbeitsuchenden vermieden werden, denn diesem ist in der Regel weder der taxmäßige Lohn noch der übliche Lohn bekannt, der gemäß § 653 Abs. 2 BGBG sonst im Falle einer fehlenden Vereinbarung zur Vergütungshöhe als vereinbart gelten würde.

40

Vorliegend ergibt sich die Vereinbarung einer Vergütung und deren Höhe durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der Formulierung im Arbeitsvermittlungsvertrag vom 14. Januar 2009, dass der Beigeladene über einen gültigen Vermittlungsgutschein über 2000,- € verfüge. Diese Formulierung kann nämlich nicht als bloße Feststellung der Tatsache des Verfügens über einen Vermittlungsgutschein verstanden werden, denn eine solche Feststellung ohne jegliche Rechtswirkungen wäre nicht nur aus Sicht der Vertragsparteien schlicht überflüssig gewesen. Vielmehr wollten die Vertragschließenden erkennbar eine Vergütung der Vermittlungsleistungen des Klägers dergestalt vereinbaren, dass ausschließlich Zahlungen der Beklagten aus dem Vermittlungsgutschein erfolgen sollten. Der Beigeladene selbst sollte – entsprechend der Stundungsvorschrift des § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III - nicht in Anspruch genommen werden können. Nur vor dem Hintergrund einer solchen Vereinbarung macht der Hinweis auf den Vermittlungsgutschein Sinn. Mit der gewählten Formulierung ist zugleich entsprechend deutlich gemacht worden, dass beide Vertragsparteien davon ausgingen, dass die erfolgreiche Vermittlung vergütungspflichtig ist. Die Höhe der Vergütung – 2000,- € - ist zudem ausdrücklich benannt. Damit ist dem Formerfordernis des § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB III hinreichend Rechnung getragen.

41

Weshalb die Beklagte meint, für eine nachträgliche Auslegung des Vertrages lasse das Gesetz keinen Raum, erschließt sich nicht. Die (ggfs. ergänzende) Auslegung eines Vertrages nach §§§ 133, 157 BGB betrifft den Inhalt des Rechtsgeschäfts, vor allem der vertraglichen Einigung, und ist auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften möglich (Backmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 157 BGB Rz.11).

42

Entgegen der Auffassung der Beklagten bedurfte es schließlich keiner schriftlichen Regelung dahingehend, dass ein Vergütungsanspruch lediglich bei Zustandekommen eines Arbeitsvertrages entsteht. Denn dies folgt bereits aus dem Wesen des Maklervertrages und der entsprechenden Regelung des § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB, die lautet: Wer für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags oder für die Vermittlung eines Vertrags einen Mäklerlohn verspricht, ist zur Entrichtung des Lohnes nur verpflichtet, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Mäklers zustande kommt. Vorliegend ist der Kläger ausweislich des geschlossenen Vertrages mit der Vermittlung einer Arbeitsstelle beauftragt worden, ein Anspruch auf Vergütung (erfolgloser) Vermittlungsbemühungen bestand daher nicht. Das Entstehen eines Vergütungsanspruches war an den Vermittlungserfolg geknüpft.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 1 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn er hat keinen Antrag gestellt hat und ist damit für den Fall seines Unterliegens kein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO).

44

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die vom Beklagten für klärungsbedürftig erachtete Frage, ob ein Arbeitsvermittlungsvertrag über den Wortlaut der getroffenen Regelung ausgelegt werden kann, stellt sich nach der gesetzlichen Regelung des § 133 BGB, wonach bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, nicht.

45

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetz (GKG) und ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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