Beschluss vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (13. Senat) - L 13 SB 1/17 B

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Rostock vom 16. November 2016 aufgehoben.

Die Vergütung des Erinnerungsführers aus der Staatskasse wird auf 1.154,30 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Erinnerungs- und jetzige Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des 3. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Juni 2016 in dem Berufungsverfahren L 3 SB 57/14 dem Kläger K.-D. L. beigeordnet.

2

Streitgegenstand des Verfahrens war die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB). Das Sozialgericht (SG) Rostock hatte der Klage teilweise stattgegeben und der Kläger sein weitergehendes Begehren mit der Berufung weiterverfolgt. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen aus einem Rentenverfahren und der Einholung eines Befundberichtes hat der dortige Beklagte, das B., mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, dass beim Kläger ab Februar 2014 ein GdB von 50 festgestellt werde und für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten seien. Dieses Vergleichsangebot hat der Erinnerungsführer im Namen des Klägers mit Schriftsatz vom 8. Juli 2016 angenommen, wobei er abschließend um ausdrückliche Feststellung des Berufungsgerichts bezüglich des Zustandekommens des Vergleichs gebeten hat, wozu es aber dann in der Folge nicht gekommen ist.

3

Mit Kostennote vom 9. Juli 2016 machte der Erinnerungsführer seine Gebühren und Auslagen für das Berufungsverfahren beim SG Rostock geltend und beantragte, auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) den Erstattungsbetrag auf 1.154,30 Euro festzusetzen. Dieser Betrag ergab sich aus der Geltendmachung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 des Vergütungsverzeichnisses (VV) in Höhe von 370,00 Euro, einer Terminsgebühr nach VV 3205 in Höhe von 210,00 Euro (75 Prozent der mittleren Terminsgebühr) sowie einer Einigungsgebühr nach VV 1005, 1006 in Höhe von 370,00 Euro zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer.

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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG Rostock setzte die Kosten mit Festsetzungsbeschluss vom 19. August 2016 auf insgesamt 904,40 Euro fest, wobei die Abweichung vom Antrag hierbei auf der Nichtberücksichtigung der Terminsgebühr nebst hierauf entfallender Mehrwertsteuer beruhte und im Übrigen antragsgemäße Festsetzung erfolgte. Die Geltendmachung von Verfahrens- und Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr sei billig und daher gemäß Antrag festzusetzen gewesen. Die Terminsgebühr hingegen sei nicht entstanden. Eine mündliche Verhandlung habe im Berufungsverfahren nicht stattgefunden, vielmehr sei das Verfahren durch außergerichtlichen Vergleich beendet worden.

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Unter einem schriftlichen Vergleich im Sinne von VV 3205 sei nur ein unter Mitwirkung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 101 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder nach § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 Zivilprozessordung (ZPO) zu verstehen. Ein solcher Vergleich sei hier nicht abgeschlossen, der außergerichtliche Vergleich werde bereits mit der Einigungsgebühr honoriert.

6

Mit der hiergegen eingelegten Erinnerung wurde vorgetragen, es handele sich keineswegs um einen außergerichtlichen Vergleich, vielmehr sei der Vergleichsabschluss über das Gericht erfolgt. Außerdem sei ausdrücklich um Feststellung des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO gebeten worden, was gegebenenfalls vom Berufungsgericht noch nachzuholen sei.

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Der Erinnerungsgegner hat hierzu vorgetragen, dass er die Festsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle für zutreffend halte. Nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung der Landessozialgerichte anderer Bundesländer sei davon auszugehen, dass nur Vergleiche nach § 101 SGG und § 278 Abs. 6 ZPO eine fiktive Terminsgebühr auslösen würden.

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Das SG Rostock hat die Erinnerung mit Beschluss vom 16. November 2016 zurückgewiesen und sich zur Begründung der Auffassung des Erinnerungsgegners angeschlossen.

9

Gegen diesen ihm am 23. November 2016 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsführer am 7. Dezember 2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass das Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr nicht von Zufälligkeiten abhängen könne, auf wessen Initiative genau und wann der Vergleich zustande gekommen sei. Schließlich habe das Gericht sich vorliegend den Vergleichsvorschlag des Beklagten offensichtlich auch zu Eigen gemacht.

10

Der Senat hat im Hinblick auf die bereits erfolgte Stellungnahme im erstinstanzlichen Erinnerungsverfahren von der Einholung einer erneuten Stellungnahme des Erinnerungsgegners abgesehen.

II.

11

Die vorliegende Beschwerdeentscheidung war vom Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu treffen. Zwar entscheidet über Beschwerden der vorliegenden Art gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 RVG grundsätzlich der Einzelrichter. Vorliegend war das Verfahren aber gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat zu übertragen, weil die vorliegende Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist. Der Senat hatte sich vorliegend erstmals mit den Änderungen der Vergütungsvorschriften über die fiktive Terminsgebühr im Sozialgerichtsprozess durch das zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu befassen.

12

Die zulässige Beschwerde des Erinnerungsgegners ist in vollem Umfang begründet.

13

Soweit vorliegend Verfahrens- und Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr beantragt und festgesetzt wurden, hat der Senat diesbezüglich in Übereinstimmung mit dem SG Rostock und auch dem Erinnerungsgegner keine Bedenken. Streitig ist allein, ob auch eine (fiktive) Terminsgebühr festzusetzen war. Dies ist nach Auffassung des Senats entgegen der Auffassung des Ausgangsgerichts und wohl auch entgegen der überwiegenden Rechtsprechung in anderen Bundesländern (vgl. die Zitate in der angefochtenen Entscheidung) vorliegend der Fall. Hinsichtlich der konkreten Höhe wurden vom Erinnerungsführer im Übrigen sogar nur 75 Prozent der (Termins-)Mittel-gebühr geltend gemacht, obwohl er gemäß den Vorgaben von VV 3205 Satz 2 von 75 Prozent der konkret gewährten Verfahrensgebühr hätte ausgehen dürfen.

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Nach allgemeiner Meinung sind kostenrechtliche Vorschriften weitestgehend am Wortlaut orientiert auszulegen und bieten wenig Spielraum für teleologische Überlegungen. Hieraus resultierend hat das LSG Mecklenburg-Vorpommern in ständiger Rechtsprechung (grundlegend Beschluss vom 17. Juli 2008 – L 6 B 93/07) eine fiktive Terminsgebühr nach VV 3106 beziehungsweise VV 3205 im Falle des Abschlusses von Vergleichen ohne mündliche Verhandlung nicht anerkannt, weil in der Fassung der VV bis zum 31. Juli 2013 der „schriftliche Vergleich“ als Fall einer fiktiven Terminsgebühr anders als bei VV 3104 beziehungsweise VV 3202 nicht erwähnt worden ist. Diese unterschiedlichen Formulierungen bei Rahmengebühren und Gebühren nach Gegenstandswert hat der Gesetzgeber im Kostenrechtsmodernisierungsgesetz offensichtlich einander angleichen wollen, woraus sich in der Tat ergeben dürfte, dass in beiden Varianten unter „schriftlichem Vergleich“ das Gleiche zu verstehen sein dürfte. Soweit aus dieser Harmonisierung vielfach (vgl. zum Beispiel LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2015 – L 9 AL 277/14 B) geschlossen wird, dass damit auch für die Gebührenvorschrift über Rahmengebühren geklärt sei, dass nur gerichtliche Vergleiche „schriftliche Vergleiche“ seien, so vermag dies den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Zum einen ist auch bei der fiktiven Terminsgebühr bei Gegenstandswertgebühren keineswegs völlig unumstritten, dass diese nur bei einem gerichtlichen Vergleich entstehen (vgl. zum Beispiel Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 3104 Rn 69). Zum anderen dürfte der Hauptanwendungsbereich der VV 3104 (beziehungsweise der VV 3202 für das Berufungsverfahren) die Zivilgerichtsbarkeit sein, bei der sich die Frage der Honorierung eines außergerichtlichen Vergleichs ohne anschließende Protokollierung oder Vollstreckbarerklärung durch das Gericht eher als ungewöhnlich und selten darstellen dürfte, da im Zivilprozess von vornherein ein eminentes Interesse an einem Vollstreckungstitel besteht. Auch im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit und in gerichtskostenpflichtigen Streitigkeiten der Sozialgerichtsbarkeit (Leistungserbringerrecht) besteht wenig praktischer Bedarf für echte außergerichtliche Vergleiche. Demgegenüber hat diese Art der Beendigung des Rechtsstreits (die im prozessualen Sinne in der Tat keinen gerichtlichen Vergleich, sondern eine übereinstimmende Erledigungserklärung darstellen dürfte) traditionell eminente Bedeutung im in aller Regel gerichtskostenfreien Sozialleistungsrecht. Gerade in Streitigkeiten mit medizinischem Hintergrund – wie auch vorliegend – werden Verfahren nicht selten äußerst prozessökonomisch in der Weise erledigt, dass der Sozialleistungsträger auf neue medizinische Erkenntnisse im Gerichtsverfahren mit einem entsprechenden Angebot reagiert und dieses vom Anspruchsteller sodann angenommen wird, womit es in aller Regel keinerlei weiterer Gerichtshandlungen mehr bedarf. Ermöglicht wird diese sehr vereinfachte Form der vergleichsweisen Beendigung des Sozialgerichtsprozesses zum einen durch die Gerichtskostenfreiheit und die Regelung, dass das Gericht in solchen Fällen noch nicht einmal einen Einstellungs- oder Kostenbeschluss fertigen muss. Zum anderen werden solche Vergleiche auch dadurch möglich und sinnvoll, dass es gegenüber Sozialleistungsträgern in aller Regel keiner vollstreckbaren Entscheidung bedarf und diese ihre Verpflichtungen aus solchen Vergleichen auch ohne Vollstreckungsverpflichtung erfüllen. § 278 Abs. 6 ZPO hat damit in diesem Bereich, in dem gerade die Rahmengebühren anfallen, überhaupt keine praktische Bedeutung erlangt. Dies dürfte erst recht für § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG gelten, der von der Praxis ohnehin weitgehend als nicht praktikabel abgelehnt wird und allenfalls als Weg geeignet sein mag, ausnahmsweise bei entsprechendem Bedürfnis ohne echte mündliche Verhandlung einen vollstreckbaren Vergleich zu erlangen.

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Mithin ist festzustellen, dass es sich bei einem Vergleich durch Angebot und Annahme der Beteiligten um eine Beilegungsart des Rechtsstreits handelt, die für das Gericht selbst höchst prozessökonomisch ist und weniger Aufwand bedingt als die Anwendung von § 101 SGG oder § 278 Abs. 6 ZPO. Aus Sicht der Beteiligten bietet die Vorgehensweise im Übrigen ebenfalls keine Nachteile, wobei aus der Sicht der Beteiligten allerdings auch die beiden genannten „förmlichen Vergleichsmethoden“ mehr Aufwand nur für das Gericht, nicht aber für sie selbst bedingen.

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Vor diesem Hintergrund stellt sich trotz der eingeschränkten Heranziehung teleologischer Erwägungen bei der Auslegung kostenrechtlicher Vorschriften die Frage nach Sinn und Zweck der fiktiven Terminsgebühr. Dieser liegt völlig offensichtlich nicht darin, die Vergleichsbereitschaft des Rechtsanwalts zu fördern (so allerdings Müller-Rabe aaO), denn die Mühewaltung für den Vergleichsabschluss wird mit der Einigungsgebühr abschließend und hinreichend honoriert. Es handelt sich bei der fiktiven Terminsgebühr letztlich überhaupt nicht um eine Gebühr, die der Rechtsanwalt für einen besonderen Aufwand erhält, vielmehr erspart er sich durch die Erledigung ohne Termin letztlich ebenso wie das Gericht auch selbst zusätzliche Arbeit. Es handelt sich mithin um eine Honorierung des Rechtsanwaltes dafür, dass er dem Gericht den Aufwand einer mündlichen Verhandlung erspart. Bei rein teleologischer Betrachtung hat der Rechtsanwalt damit eindeutig diese fiktive Terminsgebühr bei einem außergerichtlichen Vergleich ebenso verdient wie bei einem förmlich beschlossenen Vergleich (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Mai 2015 – L 15 SF 115/14 E). Soweit in der Rechtsprechung (Bayerisches LSG aaO, LSG Nordrhein-Westfalen aaO) sodann aber die Auffassung vertreten wird, aus systematischen Gründen falle der sogenannte außergerichtliche Vergleich gleichwohl nicht unter die fiktive Terminsgebühr, weil nur die Bereitschaft des Anwalts honoriert werde, vom Gericht initiierte Möglichkeiten, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu beenden, nicht zu konterkarieren, so hält der erkennende Senat dies für nicht zutreffend. Dies zeigen die anderen Alternativen für das Entstehen einer fiktiven Terminsgebühr. Nach VV 3106 (auf die die hier streitige VV 3205 verweist) entsteht die fiktive Terminsgebühr unter anderem (abgesehen vom schriftlichen Vergleich) dann, wenn im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Nur bei dieser Alternative ist es offensichtlich so, dass die mündliche Verhandlung auf alleinige Initiative des Gerichts entfällt, weil das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, aber niemals muss. In der zweiten Alternative wird die fiktive Terminsgebühr auch dann ausgelöst, wenn durch Gerichtsbescheid entschieden wird und sodann eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann (wenn die Berufung also nicht zulässig ist). Die Entscheidung, auf eine mündliche Verhandlung verzichten zu wollen, trifft bei dieser Variante das Gericht sogar einseitig. Die Entscheidung aber, ob es bei nicht berufungsfähigen Gerichtsbescheiden sodann bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verbleibt, liegt allein beim durch den Gerichtsbescheid beschwerten Beteiligten, der mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung den Gerichtsbescheid unwirksam machen kann.

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In der dritten Variante schließlich wird die fiktive Terminsgebühr auch dann gewährt, wenn ein Verfahren nach angenommenem (vollem) Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Bei dieser Variante spielt initiatives Handeln des Gerichts ersichtlich überhaupt keine Rolle. Ein Anerkenntnis des Sozialleistungsträgers kann zwar auch auf einer Anregung des Gerichts beruhen, muss es aber nicht. Jedenfalls wird nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm die fiktive Terminsgebühr völlig unabhängig von irgendwelchem Gerichtsagieren ausgelöst. Zumindest aus dieser Variante ergibt sich somit eindeutig, dass die fiktive Terminsgebühr nicht den Anwalt dafür honoriert, dass er gerichtlichen Bestrebungen, eine mündliche Verhandlung zu verhindern, folgt. Vielmehr kommt es nur darauf an, dass er durch sozusagen konstruktive Mitwirkung überhaupt dazu beiträgt, dass eine gerichtliche Verhandlung entbehrlich wird, wobei es völlig gleichgültig ist, ob der Ausgangspunkt für den Verzicht auf die mündliche Verhandlung vom Gericht oder von anderen Beteiligten ausgegangen ist.

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Mithin sieht der Senat auch bei systematischer Auslegung keinen Anlass, dem Wortlaut der Norm entsprechend und auch dem Sinn der Norm entsprechend auch und gerade den prozessökonomischsten aller Vergleichsschlüsse, nämlich den schlichten außergerichtlichen Vergleich, nicht mit einer fiktiven Terminsgebühr zu honorieren.

19

Soweit (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen aaO) schließlich gegen diese weite Auslegung des Begriffs „schriftlicher Vergleich“ auch eingewandt wird, damit stelle sich die Problematik, ob eine übereinstimmende Erledigung überhaupt ein Vergleich sei, welche man bei der Umwandlung der früheren Vergleichsgebühr in eine Einigungsgebühr habe gerade vermeiden wollen, überzeugt auch diese Argumentation nicht. Die Einigung nach den VV 1000 ff. setzt ebenfalls ein gegenseitiges Nachgeben voraus, sodass die Unterscheidung von „Einigung“ und „Vergleich“ in der weit überwiegenden Zahl der Fälle ohnehin eher akademischer Natur ohne praktische Bedeutung sein dürfte. Im Übrigen stellt sich aus Sicht des Senats die Klärung der Frage, ob ein Vergleich vorliegt, in der Praxis auch allenfalls deshalb zuweilen als schwierig dar, weil Erklärungen der Beteiligten ausgelegt werden müssen und ungenau formuliert sind. Ansonsten handelt es sich rechtlich um eine eher einfach zu klärende Frage, da ein Vergleich immer dann vorliegt, wenn das Angebot einer Seite abhängig von der Annahme der Gegenseite gemacht wird und in irgendeiner Weise auch ein Minus gegenüber einem vollen Anerkenntnis enthält. Demgegenüber liegt (nur) ein Teilanerkenntnis mit gegebenenfalls Rücknahme des weiteren Begehrens vor, wenn der Leistungsträger dem Klageanspruch verbindlich teilweise abhilft, ohne diese Teilstattgabe davon abhängig zu machen, dass der andere Beteiligte auf weitere Ansprüche verzichtet.

20

Nach alledem wird die fiktive Terminsgebühr auch dann fällig, wenn ein Rechtsstreit durch einen schriftlichen „außergerichtlichen“ Vergleich beendet wird. Damit wird letztlich auch allein sichergestellt, dass eine Vorschrift, die indirekt die Gerichte entlasten soll, nicht gegenteilige Effekte hat, weil die Bereitschaft von Anwälten, gerade den prozessökonomischen außergerichtlichen Vergleich abzuschließen, damit eher gemindert statt gesteigert werden könnte. Soweit das Bayerische LSG (aaO) meint, diese Problematik stelle sich deshalb nicht, weil das Drängen auf einen protokollierten Vergleich nur zum Erlangen einer fiktiven Terminsgebühr wegen Verletzung des Kostenminderungsgrundsatzes überhaupt keine fiktive Terminsgebühr auslöse, so hält der Senat dies zumindest für fraglich. Zwar neigt auch er dazu, dass das Provozieren völlig unnötiger Kosten im Einzelfall zur Nichterstattungsfähigkeit solcher Kosten führen kann, ob dies aber beim Bestehen auf die Protokollierung eines Vergleichs bereits der Fall ist, erscheint fragwürdig. Außerdem ist rein praktisch davon auszugehen, dass Rechtsanwälte in der Lage sein dürften, ihr Beharren auf eine Vergleichsform, die eine fiktive Terminsgebühr auslöst, mit Sachargumenten statt dem offenen Bekenntnis, dass es um Gebühren gehe, zu untermauern.

21

Insgesamt mag man die fiktive Terminsgebühr insgesamt für justizpolitisch durchaus fragwürdig halten, wobei letztlich hier aber eine gesetzgeberische Entscheidung von der Judikative zu akzeptieren ist. Zweifel an der Berechtigung einer Gebühr vermögen es aber jedenfalls nicht zu rechtfertigen, diese sodann auf eher praxisirrelevante Fallkonstellationen zu beschränken und gerade die Fallkonstellation, in der der gewünschte Effekt einer Gerichtsentlastung am größten ist, auszunehmen.

22

Dieser Beschluss ist gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten sind nicht zu erstatten (§ 56 Abs. 2 RVG).

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