Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Senat) - L 2 AL 58/14

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird.

Der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2013 wird dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 30,10 € täglich auch für die Zeit vom 26. Februar 2013 bis 24. März 2013 zu gewähren.

Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 26. Februar 2013 bis 24. März 2013 in Höhe von 30,10 € täglich. Streitig ist zwischen den Beteiligten insbesondere der Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung des Klägers.

2

Der Kläger war zuletzt als Matrose und Pantykraft bei der W. beschäftigt. Da sein Arbeitsverhältnis bis zum 19. November 2012 befristet war, meldete er sich bei der Beklagten am 23. August 2012 zum 20. November 2012 persönlich arbeitslos. Er teilte bereits zu diesem Zeitpunkt mit, dass eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahresende sehr wahrscheinlich sei. Ausweislich des von dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn G., erstellten Verbis-Vermerkes wurde der Kläger auf die Notwendigkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit hingewiesen

3

Am 14. November 2012 informierte der Kläger die Beklagte telefonisch über die Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Januar 2013. Nachdem sein Beschäftigungsverhältnis erneut bis zum 25. Februar 2013 verlängert worden war, teilte der Kläger der Beklagten auch dies telefonisch am 17. Dezember 2012 mit. Die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten erstellte einen entsprechenden Verbis-Vermerk und dokumentierte u.a., dass dem Kläger ein Hinweis auf die persönliche Arbeitslosmeldung spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit gegeben worden sei.

4

Im Februar 2013 ging bei der Beklagten der am 18. Februar 2013 vom Kläger unterschriebene Arbeitslosengeldantrag ein. Auf diesem ist als Tag der Arbeitslosmeldung der 23. August 2012 angegeben „mit Wirkung zum 20.11.2012“. Als Eingangsdatum ist in der Verwaltungsakte der 15. Februar, 0:00 Uhr vermerkt und als Scan-Datum der 21. Februar 2013. Auf dem Antrag befindet sich die Scan-ID „20130215….“.

5

Am 21. Februar 2013 informierte der Kläger die Beklagte schriftlich über seinen Umzug von Bergen nach A-Stadt. Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 26. Februar 2013 unter Bezugnahme auf einen Antrag vom selben Tage aufgefordert hatte, seinen Arbeitslosengeldantrag um fehlende Arbeitsbescheinigungen zu ergänzen, gingen die fehlenden Unterlagen am 18. März 2013 bei der Beklagten ein.

6

Am 25. März 2013 meldete sich der Kläger bei der Beklagten persönlich arbeitslos, nachdem die Beklagte ihn telefonisch darüber informiert hatte, dass eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich sei. An diesem Tag wurde dem Kläger erneut ein Antragsformular für Arbeitslosengeld ausgehändigt.

7

Mit Bescheid vom selben Tage bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 180 Kalendertagen für die Zeit vom 25. März 2013 bis 23. September 2013 in Höhe von täglich 30,10 € und teilte dem Kläger mit Schreiben vom selben Tag mit, dass über seinen Antrag auf Arbeitslosengeld vom 26. Februar 2013 entschieden worden sei, aber noch Nachweise für die korrekte Ermittlung der Anspruchsdauer fehlten.

8

Der Kläger legte mit Schreiben vom 25. März 2013 am 26. März 2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. März 2013 ein und fügte erneut seinen Arbeitslosengeldantrag mit vervollständigten Angaben bei. Die ursprünglichen Daten der Arbeitslosmeldung waren zudem handschriftlich wie folgt geändert: „Arbeitslosmeldung 26.02.2013 mit Wirkung zum 26.02.2013“.

9

Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er sich bereits im August 2012 in der Agentur für Arbeit Bergen persönlich arbeitslos gemeldet habe. Dem zuständigen Mitarbeiter, Herrn G., habe er mitgeteilt, dass er zum 30. November 2012 arbeitslos werde. Das tatsächliche Ende des Arbeitsverhältnisses sei wegen Urlaubsansprüchen und Überstundenabgeltung aber noch nicht absehbar gewesen. Herr G. habe ihm mitgeteilt, dass eine erneute persönliche Meldung nicht erforderlich sei und dass es ausreiche, spätestens eine Woche vor der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Unterlagen zur Berechnung des Arbeitslosengeldantrags nachzureichen. Am 18. Februar habe er seine Unterlagen dann persönlich in der Agentur für Arbeit in Bergen am Empfang abgegeben. Am 25. März habe er - für ihn überraschend - die telefonische Auskunft erhalten, dass er sich nochmals persönlich melden müsse, um ab dem 26. Februar nahtlos Arbeitslosengeld erhalten zu können. Sein Arbeitslosengeldantrag habe rechtzeitig vorgelegen. Die nachgeforderten Unterlagen hätte er schon am 18. März 2013 in der Agentur für Arbeit Stralsund persönlich am Empfang abgegeben. Es liege ein Beratungsfehler der Beklagten vor. Aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei ihm Arbeitslosengeld ab dem 26. Februar 2013 zu gewähren.

10

Am 15. April 2013 nahm der Kläger erneut eine Tätigkeit bei der W. auf und teilte dies der Beklagten am 26. März 2013 mit.

11

Nachdem der Kläger weitere Arbeitsbescheinigungen zu seinen vorherigen Arbeitsverhältnissen eingereicht hatte, bewilligte ihm die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 04. April 2013 Arbeitslosengeld ab dem 25. März 2013 bis auf weiteres mit einer Anspruchsdauer von nunmehr 360 Kalendertagen.

12

Der Kläger legte auch hiergegen am 09. April 2013 Widerspruch ein.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe sich am 23. August 2012 gemäß § 38 Abs. 1 SGB III zum 20. November 2012 persönlich arbeitsuchend gemeldet. In dem Gespräch sei dieser erstmals ausdrücklich auf das Erfordernis einer persönlichen Meldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit hingewiesen worden. Am 14. November 2012 habe der Kläger telefonisch mitgeteilt, dass sein Vertrag bis zum 31. Januar 2013 verlängert worden sei. In dem Gespräch sei der Kläger erneut auf das Erfordernis der persönlichen Meldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit hingewiesen worden. Am 17. Dezember 2012 habe sich der Kläger erneut telefonisch gemeldet und mitgeteilt, dass sein Vertrag nunmehr bis zum 25. Februar 2013 verlängert worden sei. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er weiterhin arbeitsuchend geführt werde. Er sei erneut daraufhin gewiesen worden, dass eine persönliche Meldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit spätestens am ersten Tag der Arbeitslosigkeit notwendig sei. Letztlich könne aber auch dahinstehen, ob ein Beratungsfehler vorliege, denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürfe eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht fingiert werden. Hätte der Kläger bei Abgabe seiner Unterlagen am 18. Februar 2013 am Empfang mitgeteilt, dass er sich persönlich arbeitslos melden möchte, hätte seine persönliche Arbeitslosmeldung entgegengenommen werden können.

14

Der Kläger hat am 15. April 2013 Klage erhoben und im Wesentlichen die Begründung seines Widerspruches wiederholt. Ergänzend hat er ausgeführt, es sei nicht zutreffend, dass er auf das Erfordernis der persönlichen Arbeitslosmeldung hingewiesen worden sei. Zudem sei aus dem in der Anlage beigefügten Schreiben der Arbeitsagentur vom 26. Februar 2013 eindeutig ersichtlich, dass der Antrag auf Arbeitslosengeld bereits bei der Agentur für Arbeit vorgelegen habe und nur noch Arbeitsbescheinigungen fehlten. Im Übrigen habe er einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte hätte ihn auffordern müssen, unverzüglich zu erscheinen, um eine persönliche Arbeitslosmeldung vorzunehmen. Er habe auf die Aussage von Herrn G. vertraut, dass er nicht noch einmal persönlich beim Berater erscheinen müsse. Bei der persönlichen Abgabe seiner Unterlagen am Empfang am 18. Februar 2013 wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, zu einem Berater zu gehen und sich dort persönlich arbeitslos zu melden. Ihm sei bekannt, dass es das BSG ablehne, das Fehlen einer persönlichen Arbeitslosmeldung im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zu heilen. Zu beachten sei hier aber, dass er die Beklagte telefonisch über den Eintritt der Arbeitslosigkeit informiert habe und diese damit die Möglichkeit gehabt habe, mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen. Ergänzend hat der Kläger auf ein Urteil des SG Hamburg vom 01. April 2005, S 18 AL 1142/02 verwiesen.

15

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

16

den Bescheid vom 25. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, einen neuen Bescheid zu erlassen, mit dem ihm Arbeitslosengeld beginnend ab dem 26. Februar 2013 gewährt wird.

17

Die Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

20

Das Sozialgericht Stralsund hat mit Urteil vom 01. Dezember 2014 den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2013 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verpflichtet wird, einen Bescheid zu erlassen, mit dem dem Kläger Arbeitslosengeld beginnend ab 26. Februar 2013 bewilligt wird.

21

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger habe nach §§ 136 ff. SGB III Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld beginnend ab dem 26. Februar 2013

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe sich der Kläger am 18. Februar 2013 persönlich arbeitslos gemeldet. Der Antrag auf Arbeitslosengeld gelte in der Regel als Arbeitslosmeldung. Mit dem persönlichen Erscheinen bei der Agentur für Arbeit bringe der Versicherte zum Ausdruck, keine Arbeit mehr zu haben und eine neue Beschäftigung zu suchen. Darin erschöpfe sich ihre Funktion; mehr sei von der Arbeitslosmeldung nicht zu verlangen (BSG 19. Januar 2005 - 11a/11 41/04 R -, SGb 2005, 233; Hessisches LSG 13. März 2006 - L 9 AL 254/04 -).

23

Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Kläger am 18. Februar 2013 seinen Arbeitslosengeldantrag abgegeben habe. Damit habe er auch konkludent erklärt, arbeitslos zu sein. Ein Antrag von Februar lasse sich zwar nicht der Akte entnehmen, aus dem Schreiben der Beklagten vom 26. Februar 2013 lasse sich jedoch entnehmen, dass es einen Antrag von diesem Tag gegeben haben müsse. Für das Gericht stehe daher fest, dass der Kläger mit Antragsabgabe am 18. Februar 2013 auch seine Arbeitslosigkeit ab dem 26. Februar 2013 erklärt habe, zumal sich das auch aus seiner früheren Mitteilung, dass sein Arbeitsvertrag zum 25. Februar 2013 ende, ergebe.

24

Gegen das ihr am 04. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Dezember 2014 Berufung eingelegt. Es treffe entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts nicht zu, dass der Arbeitslosengeldantrag in der Regel als Arbeitslosmeldung gelte. Vielmehr sei es so, dass der Arbeitslosengeldantrag mit der persönlichen Arbeitslosmeldung als gestellt gelte, wenn die oder der Arbeitslose keine andere Erklärung abgebe.

25

Die am 23. August 2012 erfolgte Arbeitslosmeldung des Klägers, mit der er sich zum 20. November 2012 arbeitslos gemeldet habe, sei gegenstandslos geworden, da der Kläger am 20. November aufgrund der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht arbeitslos geworden sei. Die durch den Kläger am 14. November 2012 erfolgte Information über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses habe die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung beseitigt.

26

Es könne auch nicht zweifelsfrei festgestellt werden, wann und unter welchen Umständen der am 18. Februar 2013 unterschriebene Arbeitslosengeldantrag des Klägers bei der Beklagten eingegangen sei. Soweit auf dem Schreiben vom 26. Februar 2013 auf einen Antrag vom 26. Februar 2013 Bezug genommen worden sei, handele es sich nur um ein fiktives Datum. Aus technischen Gründen müsse ein Antragsdatum erfasst werden.

27

Die Gesamtumstände sprächen hier tatsächlich für eine Abgabe des Arbeitslosengeldantrags am Empfang, da bei Übersendung per Post oder bei Einwurf in den Hausbriefkasten ein Eingangstempel aufgebracht worden wäre. Es könne aber nicht bestätigt werden, von wem der Antrag am Empfang abgegeben worden sei. Gegen die Behauptung des Klägers, der Antrag sei durch ihn am 18. Februar 2013 abgegeben worden, spräche der Umstand, dass das Antragsformular bereits am 15. Februar 2013 zur Digitalisierung versandt worden sei, was an der entsprechenden Datumsangabe der Scan-ID zu erkennen sei.

28

Ob der Kläger oder ein Dritter den Arbeitslosengeldantrag abgegeben habe, könne jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn der Kläger den Antrag persönlich abgegeben habe, wären damit nicht die Voraussetzungen der persönlichen Arbeitslosmeldung erfüllt. Bei Abgabe des Antrags habe der Kläger nämlich keine persönlichen Erklärungen mit dem Inhalt abgegeben, ab dem 26. Februar 2013 arbeitslos zu sein und ab diesem Zeitpunkt eine neue Beschäftigung zu suchen. Der im Februar abgegebene Arbeitslosengeldantrag habe die nicht zutreffende Erklärung erhalten, wonach der Kläger ab dem 20. November 2012 arbeitslos sei. Der Vollständigkeit werde darauf hingewiesen, dass der Tenor auf Verurteilung zur Leistung hätte lauten müssen.

29

Die Beklagte beantragt,

30

das Urteil des Sozialgerichts Stralsund aufzuheben und die Klage abzuweisen.

31

Der Kläger beantragt,

32

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

33

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag und weist erneut darauf hin, dass er den Arbeitslosengeldantrag am Montag, dem 18. Februar 2013 persönlich am Empfang abgegeben habe. Warum auf dem Antrag eine Scan-ID vom 15. Februar 2013 dargestellt werde, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Wahrscheinlich sei das Datum noch nicht umgestellt worden. Auch aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 26. Februar 2013, in dem auf einen Antrag vom selben Tag Bezug genommen werde, sei er davon ausgegangen, dass der 26. Februar als Antragsdatum und gleichzeitig Beginn seines Arbeitslosengeldanspruches feststünde. Die Behauptung der Beklagten, es handle sich um ein fiktives Datum sei für ihn haarsträubend.

34

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2020 hat der Senat den Kläger persönlich befragt. Der Kläger hat angegeben, er könne sicher ausschließen, den Arbeitslosengeldantrag bereits am 15. Februar 2013 bei der Beklagten abgegeben zu haben, da dies der Geburtstag seiner Tochter sei. Vielmehr habe er den Antrag erst am 18. Februar 2013 im Eingangsbereich der Agentur für Arbeit in Bergen abgegeben. Vor dem hier streitigen Zeitraum habe er den Antrag jeweils am Empfang der Arbeitsagentur in Bergen abgegeben. Regelmäßig habe die jeweilige Mitarbeiterin dann auch schnell über die abgegebenen Unterlagen geschaut und auf seine Nachfrage bestätigt, dass dies so in Ordnung sei. Dies sei auch bei der Abgabe des Antrages im Februar 2013 der Fall gewesen. Nach seiner Erinnerung habe die Mitarbeiterin auch einen Eingangsstempel auf den Antrag gemacht. Seit dem Jahre 2008 bis zur hier streitigen Arbeitslosmeldung sei er durchgehend beschäftigt gewesen. Zuvor seien jedoch Zeiten der Arbeitslosigkeit entstanden, in denen er Erfahrungen mit der Arbeitsagentur Bergen gemacht habe. Bei seinen Eltern, die eine Tankstelle betrieben hätten, habe er als Saisonkraft gearbeitet. Er sei in den früheren Jahren und auch im August 2012 durch Herrn G. von der Agentur für Arbeit in Bergen auf Rügen betreut worden. Einen anderen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit Rügen kenne er nicht.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

37

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

38

Der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 04. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit dem Kläger Arbeitslosengeld erst ab dem 15. März 2013 bewilligt worden ist. Denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach §§ 136 ff SGB III bereits ab dem 26. Februar 2013 zu.

39

Nach § 137 Abs.1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

40

Eine Arbeitslosigkeit des Klägers im Sinne von § 138 SGB III ist ab dem 26. Februar 2013 gegeben. Der Kläger hat auch die Anwartschaftszeit nach § 142 SGB III erfüllt.

41

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob bereits vor dem 25. März 2013 eine persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers nach § 141 SGB III erfolgt ist. Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass der Kläger sich bereits am 18. Februar 2013 bei der Beklagten persönlich arbeitslos gemeldet hat.

42

Nach § 141 Abs. 1 SGB III hat sich die oder der Arbeitslose persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

43

Die Wirkung der Meldung erlischt nach § 141 Abs. 2 SGB III

44

1. bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit,

45

2. mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

46

Die Arbeitslosmeldung ist materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung. Mit der Meldung wird der Beklagten der tatsächliche Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit angezeigt. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Aufgabe der Beklagten zur Vermittlung der Arbeitnehmer in Ausbildung und Arbeit, die nach § 4 Abs. 1 SGB III Vorrang vor den Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit hat. Ohne Kenntnis des Versicherungsfalles wäre der Beklagten die Beachtung dieses Grundsatzes nicht möglich (Gagel/Striebinger, 76. EL Dezember 2019, SGB III § 141 Rn. 19).

47

An die Arbeitslosmeldung dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Formelle Voraussetzung ist grundsätzlich die persönliche Anwesenheit des Arbeitslosen in der zuständigen Agentur für Arbeit. Inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt des Leistungsfalles (Arbeitslosigkeit) zu beziehen. Eine Arbeitslosmeldung liegt schon dann vor, wenn der Arbeitslose in der Agentur für Arbeit erscheint und jedenfalls sinngemäß (unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung) zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos. Darüber hinausgehende Erklärungen sind nicht erforderlich (siehe dazu: BSG, Urteil vom 19. Januar 2005 - B 11a/11 AL 41/04 R).

1)

48

Unstreitig hat sich der Kläger bei der Beklagten persönlich am 23. August 2012 zum 20. November 2012 arbeitslos gemeldet. Die Wirkung dieser Arbeitslosmeldung ist jedoch erloschen, nachdem der Kläger der Beklagten am 14. November 2012 und am 17. Dezember 2012 jeweils mitgeteilt hat, dass sein Arbeitsverhältnis verlängert worden ist. Durch die Tatsachenerklärung, weiter in Arbeit zu sein, wurde die Wirkung der Arbeitslosmeldung beseitigt (vgl. BSG, Urteil vom 07. September 2000 – B 7 AL 2/00 R –, SozR 3-4300 § 122 Nr 1, Rn. 16).

49

Auch wenn eine Arbeitslosmeldung wirksam bleiben kann, wenn entgegen den Erwartungen die Arbeitslosigkeit zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 141 Rn. 28,37; ebenfalls in diesem Sinne: Striebiger in Gagel, SGB II / SGB III, Werkstand: 72. EL, Dezember 2018, § 141 SGB III Rn. 23), gilt dies nur dann, wenn Arbeitslosigkeit tatsächlich eintritt und dies innerhalb der Frist von drei Monaten geschieht (Müller in BeckOK Sozialrecht, 51. Edition, Stand: 1. Dezember 2018, § 141 SGB III Rn. 12, Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 10. April 2019 – L 2 AL 55/18 –, Rn. 23, juris). Denn nach § 141 Abs. 1 S. 2 SGB III ist eine Arbeitslosmeldung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nur möglich, wenn der Eintritt innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

50

Dies war vorliegend nicht der Fall, denn die tatsächliche Arbeitslosigkeit trat erst am 26. Februar 2013 und damit sechs Monate nach der erfolgten Arbeitslosmeldung ein.

51

2)
Die demnach erforderliche erneute persönliche Arbeitslosmeldung des Klägers erfolgte jedoch entgegen der Auffassung der Beklagte nicht erst am 25. März 2013, sondern bereits mit der Abgabe des Arbeitslosengeldantrages am 18. Februar 2013.

52

a)
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Arbeitslosengeldantrag des Klägers bereits vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit im Februar 2013 bei der Beklagten eingegangen ist. Ebenfalls hat die Beklagte eingeräumt, dass die Gesamtumstände für eine Abgabe des Antrags am Empfang sprächen. Soweit sie – erstmals im Berufungsverfahren - darauf hinweist, es könne dennoch nicht bestätigt werden, dass die Abgabe des Antrags durch den Kläger persönlich erfolgt sei, ist dies darauf zurückzuführen, dass die Beklagte es offenbar versäumt hat, einen entsprechenden Vermerk auf dem Antrag bzw. in Verbis einzutragen. Aus der Verwaltungsakte ergeben sich jedenfalls keine Hinweise darauf, dass die Antragsabgabe nicht durch den Kläger, sondern durch einen Dritten erfolgte. Der Senat ist nach Befragung des Klägers und aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Senat in der mündlichen Verhandlung von ihm gewonnen hat, zu der Überzeugung gelangt, dass die Abgabe des Arbeitslosengeldantrages im Februar 2013 durch den Kläger persönlich erfolgt ist. Dieser hat glaubhaft erklärt, dass er den Antrag am 18. Februar 2013 bei einer Mitarbeiterin im Eingangsbereich abgegeben habe. Seine Erklärungen deckten sich mit seinen vorherigen schriftlichen Ausführungen, die zeitnah nach dem streitigen Zeitraum erfolgt sind. Überzeugend hat der Kläger auch geschildert, dass er sämtliche Arbeitslosengeldanträge auch in vorherigen Zeiten der Arbeitslosigkeit immer persönlich am Empfang abgeben hat und demnach sicher ist, dass dies auch diesmal der Fall gewesen ist. Der Umstand, dass die Scan-ID auf dem Arbeitslosengeldantrag nach dem Vortrag der Beklagten auf eine Antragsabgabe bereits am 15. Februar 2013 hinweist, ist für den Beginn des Arbeitslosengelanspruchs am 26. Februar 2013 vorliegend unerheblich und vermag auch die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht zu erschüttern. Denn anhand der Verwaltungsakte ist nicht eindeutig feststellbar, wann der Antrag eingegangen ist. Entgegen der Scan-ID wurde der Antrag ausweislich der Verwaltungsakte nicht bereits am 15. Februar 2013, sondern erst am 21. Februar 2013 gescannt. Auch die in der Verwaltungsakte vermerkte Uhrzeit der Antragsabgabe „0:00 Uhr“ ist offensichtlich nicht zutreffend. Gegen einen Antragseingang bereits am 15. Februar 2013 spricht auch, dass der Antrag ausweislich der dort enthaltenen Angaben erst am 18. Februar durch den Kläger ausgefüllt und unterschrieben wurde. Da der Kläger nachvollziehbar unter Hinweis auf den Geburtstag seiner Tochter ausgeschlossen hat, dass die Antragsabgabe bereits am 15. Februar 2013 erfolgt ist, bestanden für den Senat demnach keine Anhaltspunkte, an den Ausführungen des Klägers zu zweifeln.

53

b)
Mit der Abgabe des Arbeitslosengeldantrages hat der Kläger sich auch persönlich arbeitslos gemeldet.

54

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass der Antrag auf Arbeitslosengeld mit der persönlichen Arbeitslosmeldung nach § 323 Abs. 1 S. 2 SGB III idF. vom 20. Dezember 2011 als gestellt gilt, wenn keine andere Erklärung abgegeben wird. Umgekehrt kann in dem persönlich gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld aber auch eine persönliche Arbeitslosmeldung gesehen werden, sofern dem keine besonderen Umstände entgegenstehen (BSG, Urteil vom 19. März 1986 – 7 RAr 48/84 –, BSGE 60, 43-50, SozR 4100 § 105 Nr 2, Rn. 20). Denn ein Antrag umfasst ohne Rücksicht auf seine Formulierung im Allgemeinen das Begehren, alle Leistungen geltend zu machen, die dem Antragsteller zustehen. Voraussetzung dafür, in dem Arbeitslosengeldantrag auch eine persönliche Arbeitslosmeldung sehen zu können, ist es jedoch, dass über den Erklärungsinhalt hinaus auch alle übrigen Bedingungen erfüllt sind, die das Gesetz an die Wirksamkeit der jeweiligen Handlung stellt – dies sind das persönliche Erscheinen und die Erklärung der Arbeitslosigkeit beim zuständigen Arbeitsamt oder einer dementsprechenden Dienststelle der Beklagten (vgl dazu BSGE 49, 114, 116 = SozR 4100 § 100 Nr 5).

55

Vorliegend ist in der Abgabe des Arbeitslosengeldantrages auch eine persönliche Arbeitslosmeldung zu sehen, da keine besonderen Umstände gegeben sind, die dem entgegenstehen würden. Inhaltlich hat sich die Meldung nur auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu beziehen. Eine Arbeitslosmeldung liegt daher schon dann vor, wenn der Arbeitslose in der Agentur für Arbeit erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos (BeckOK SozR/Müller, 56. Ed. 1.3.2020, SGB III § 141 Rn. 9). Der Kläger hat mit der Antragsabgabe konkludent zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeitslosigkeit am 26. Februar 2013 eintreten wird. Die Abgabe des Arbeitslosengeldantrages erfolgte hier zwar zu einem Zeitpunkt, als die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten war und aus dem Arbeitslosengeldantrag ergab sich als Datum noch der 20. November 2012, aber aus den Gesamtumständen war für die Beklagte dennoch der 26. Februar 2013 als Beginn der Arbeitslosigkeit erkennbar. Denn der Kläger hatte bereits am 17. Dezember telefonisch mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt befristet ist. Mit der Abgabe des Arbeitslosengeldantrages kurz vor Befristungsende war für die Beklagte ersichtlich, dass der Kläger nunmehr - anders als bei den anderen Vertragsverlängerungen – mit dem Eintritt der Arbeitslosigkeit rechnete. Offenbar ging die Beklagte ebenfalls bereits am 26. Februar 2013 davon aus, dass alle Voraussetzungen für den Arbeitslosengeldanspruch vorliegen, denn mit Schreiben von diesem Tag forderte sie unter Bezugnahme auf einen Antrag vom 26. Februar 2013 weitere Unterlagen an, was unnötig gewesen wäre, wenn es schon an der persönlich Arbeitslosmeldung gemangelt hätte. Da der Kläger bereits seit August 2012 durchgehend arbeitsuchend gemeldet war, konnte die Beklagte zudem bereits seit diesem Zeitpunkt Vermittlungsbemühungen unternehmen, sodass der Zweck der Arbeitslosmeldung ebenfalls erreicht war.

56

Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts war jedoch neu zu fassen, da das Sozialgericht - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – ein Aufhebungs – und Verpflichtungsurteil erlassen hat, obwohl eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs. 1 S.1, Abs. 4 SGG richtige Klageart ist und auch erhoben wurde. Denn Gegenstand des Klagebegehrens ist eine Leistung, auf die beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. In diesem Fall darf - bei einer für die klagende Partei positiven Entscheidung - nur ein kombiniertes Aufhebungs- und Leistungsurteil (§ 54 Abs 4 SGG), nicht aber ein Aufhebungs- und Verpflichtungsurteil ergehen (BSG, Urteil vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 3/87). Der Senat konnte den Tenor abändern, ohne dass dem das Verbot der reformatio in peius (Verschlechterungsverbot) entgegensteht. (siehe BSG, Urteil vom 17. Mai 1988 – 10 RKg 3/87). Denn das Sozialgericht hat hier den Inhalt des zu erlassenden Bescheides bereits vorgegeben, womit das Verpflichtungsurteil im Ergebnis einem Leistungsurteil gleichkommt und die Beklagte durch ein Leistungsurteil somit nicht schlechter gestellt wird.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

58

Gründe für eine Revisionszulassung bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.

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