Urteil vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (7. Senat) - L 7 R 267/15

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 22. September 2015 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis 30. November 2011 streitig.

2

Die am ... April 1951 geborene Klägerin war zunächst ab dem 7. Juli 1972 verheiratet. Diese Ehe wurde mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 22. Oktober 1998 geschieden. In dem genannten Urteil des Sozialgerichts Rostock hieß es unter 2.: „Die Durchführung des Versorgungsausgleiches wird ausgesetzt“. Im Hinblick auf den Versorgungsausgleich wurde in dem Urteil durch das Familiengericht u. a. ausgeführt, die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann hätten in der Ehezeit vom 1. Juli 1972 bis zum 30. April 1997 nach den von ihnen nicht beanstandenden Auskünften der Versorgungsträger, u. a. der Beklagten, Anwartschaften, jeweils bezogen auf das Ende der Ehezeit erworben. Die Durchführung des Versorgungsausgleiches sei aufgrund der unterschiedlichen Anwartschaften vor der Einkommens- und Rentenangleichung unmöglich. Der Versorgungsausgleich sei daher auszusetzen, bis ein einheitlicher Rentenwert zu Grunde gelegt werden könne. Darüber hinaus heißt es: „Vorab ist die Durchführung auf ausdrücklichen Antrag der ausgleichsberechtigten Antragstellerin bei Eintritt deren Rentenfall zulässig“. Damalige Antragstellerin war die Klägerin. In der Versicherungsbiografie der Beklagten ist hierzu u. a. vermerkt, dass am 7. Oktober 1997 eine Auskunft im Hinblick auf einen Versorgungsausgleich an das Familiengericht erfolgt sei. Ebenfalls nochmals am 18. August 1998. Zudem wurde dort u. a. vermerkt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde.

3

Der Klägerin wurde auf ihren Antrag hin seit dem 1. April 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst befristet für die Zeit bis 30. September 2010 und hieran anschließend nochmals befristet bis 30. September 2013 bewilligt.

4

Ausweislich eines Beratungsvermerks über eine persönliche Vorsprache der Klägerin in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in Rostock vom 31. Januar 2011 heißt es, die Klägerin spreche dort vor und habe erklärt, dass der Versorgungsausgleich, der 1998 ausgesetzt worden sei, nicht in der laufenden Erwerbsminderungsrente berücksichtigt worden sei. In Kürze beantrage sie die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichverfahren beim Familiengericht. Insoweit werde um eine weitere Prüfung und Information gebeten. Dieser Vermerk ist von der Klägerin als „gelesen“ am 31. Januar 2011 unterschrieben worden. Die Beklagte teilte daraufhin unter dem 11. Februar 2011 der Klägerin u. a. mit, in der Rentenversicherung würde lediglich die Entscheidung des Familiengerichts umgesetzt werden. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens solle sich die Klägerin an das Familiengericht wenden.

5

Die Klägerin erschien persönlich am 31. Januar 2011 beim Amtsgericht Rostock und bat um Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens, seit dem 1. April 2008 erhalte sie Erwerbsminderungsrente. Das Amtsgericht Rostock teilte unter dem 23. Februar 2011 der Beklagten mit, dass der Versorgungsausgleich mit Urteil vom 22. Oktober 1998 ausgesetzt worden sei. Dies Verfahren sei nunmehr wieder aufzunehmen und nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden Recht zu beurteilen. Hierzu würden neue Auskünfte der Versorgungsträger, u. a. der Beklagten, eingeholt.

6

Mit Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 19. September 2011, der Beklagten am 5. Oktober 2011 zur Kenntnis gegeben, entschied das Amtsgericht Rostock u. a., dass das Anrecht der Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung nach dem Versorgungsausgleichsgesetz durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 8,5533 Entgeltpunkten (Ost) zugunsten des dortigen Antragsgegners, ihr geschiedener Ehemann, auszugleichen sei, während hingegen das Anrecht des dortigen Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Nord durch interne Teilung mit einem Ausgleichwert von 14,1755 Entgeltpunkten (Ost) zugunsten der hiesigen Klägerin auszugleichen sei. Nach Erinnerungen der Beklagten teilte das Amtsgericht Rostock unter dem 17. November 2011 mit, dass seine Entscheidung vom 19. September 2011 seit dem 8. November 2011 rechtskräftig geworden sei.

7

Hieraufhin informierte die Beklagte die Klägerin zunächst in einer Mitteilung über die Umsetzung des Versorgungsausgleiches und berechnete die der Klägerin gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 neu. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich die persönlichen Entgeltpunkte der Klägerin aufgrund des Versorgungsausgleichs geändert bzw. erhöht hätten. Insofern betrage der Zuschlag 5,6222 Entgeltpunkte (14,175 Entgeltpunkte -8,5533 Entgeltpunkte). Hiermit werde die höhere Rente ab dem 1. Dezember 2011 bewilligt.

8

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und wies darauf hin, dass der Versorgungsausgleich früher ausgesetzt worden sei. Spätestens bei der Rentenantragstellung auf die ihr gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung hätte man sie auf die neuen Regelungen ab September 2009 hinweisen müssen. Sie bitte daher um Berichtigung ihrer Rentenzahlung bereits seit dem 1. April 2008.

9

Die Beklagte teilte der Klägerin zunächst mit, dass ihrer Auffassung nach von einer mangelhaften bzw. unterbliebenen Aufklärung keinesfalls die Rede sein könne. Schon aus dem Urteil des Amtsgerichts Rostock über die Aussetzung des Versorgungsausgleichs vom 22. Oktober 1998 gehe hervor, dass die Klägerin vom Familiengericht Rostock über die erforderliche Antragstellung auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei Beantragung der Rente informiert sei.

10

Die Klägerin teilte u. a. hierzu mit, dass sie dies bedacht habe und im Januar 2011 den Antrag gestellt habe, da sie im April 2011 60 Jahre alt geworden sei und damit mit Abzügen habe in Rente gehen können. Die Beantragung der Rente wegen Erwerbsminderung sei bei der Beklagten in A-Stadt und ebenso die Verlängerung der gewährten Rente dann schließlich im Januar 2010 erfolgt. In beiden Fällen sei sie nicht darauf hingewiesen worden, umgehend den Versorgungsausgleich durchführen zu lassen. Es könne nicht sein, dass sie „verfallen“ seien, nur weil sie nicht wisse, wann es ein Rechenprogramme gebe, dass Ost- und Westrenten berechnen lasse.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass die Anwendung des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs regelmäßig voraussetze, dass ein Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder aufgrund eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber obliegende Pflicht verletze und dadurch dem Versicherten einen Rechtsnachteil (Schaden) zugefügt habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob und inwieweit das Fehlverhalten schuldhaft gewesen sei. Bei dieser Pflichtverletzung, die zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs führe, könne es sich um einen Verstoß gegen die Beratungs-, Auskunfts- und Hinweispflichten (z. B. unrichtige oder unvollständige Beratung) handeln, die in den §§ 14, 15 des 1. Sozialgesetzbuchs (SGB I) sowie in § 115 Abs. 6 SGB VI normiert seien. Bereits mit dem Urteil des Familiengerichts A-Stadt vom 22. Oktober 1998 über die Aussetzung des Verfahrens zum Versorgungsausgleich sei die Klägerin über die erforderliche Antragstellung zur Wiederaufnahme des Verfahrens im Rentenfall informiert worden; von einer mangelhaften bzw. unterbliebenen Aufklärung und Beratung sei daher nicht auszugehen. Durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch solle im Übrigen letztlich nur der Zustand hergestellt werden, der bei pflichtgemäßem Verhalten des Versicherungsträgers eingetreten wäre, der Versicherte könne also im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keinesfalls eine Leistung erhalten, auf die auch bei richtiger Beratung kein Anspruch bestünde. Eine gesetzlich zulässige Amtshandlung sei daher nicht möglich, soweit dabei Veränderungen in der Lebenssituation des Betroffenen unterstellt oder verneint werden müssten. Es könnten rechtserhebliche Tatbestände weder geschaffen noch beseitigt werden. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich sei am 8. November 2011 rechtskräftig geworden. Durch Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne das Datum des Eintritts der Rechtskraft des Versorgungsausgleiches, als rechtserheblicher Tatbestand, nicht auf einen früheren Zeitpunkt verschoben werden.

12

Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass das Betreiben eines Scheidungsfolgeverfahrens nicht Sache des Rentenversicherungsträgers sei. Für die Geltendmachung privatrechtlicher bzw. zivilprozessualer Rechte trage allein die Klägerin selbst Verantwortung; eine weitergehende Beratungspflicht der Beklagten sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erkennbar.

13

Mit ihrer am 22. März 2012 vor dem Sozialgericht (SG) Rostock erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung höherer Rente wegen Erwerbsminderung bereits vor dem 1. Dezember 2011 weiterverfolgt. In Ergänzung ihres Vortrags aus dem Widerspruchsverfahren hat sie vorgetragen, das Urteil des Familiengerichts Rostock sei der Beklagten Ende Oktober 1998 zugegangen. Da die Beklagte somit Kenntnis davon gehabt habe, das ein Versorgungsausgleich ausgesetzt gewesen sei, nachdem sie ausgleichsberechtigt sein werde, hätte sie nach Beantragung der Erwerbsminderungsrente durch sie und Prüfung ihres Versicherungsverlaufes ohne Weiteres erkennen können und müssen, dass der Versorgungsausgleich durchzuführen sein werde. Zudem habe die Beklagte gegen ihre Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI verstoßen. Sie selbst habe um eine höhere Rente zu erlangen, einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs stellen müssen. Der hier nicht erfolgte Hinweis an sie im Zusammenhang mit dem Erwerbsminderungsrentenantrag sei kausal für den seinerzeit nicht gestellten Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleiches gewesen.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 1. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. April 2008 bis 30. November 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 19. September 2011 zu gewähren.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt.

19

Durch Urteil vom 22. September 2015 hat das SG Rostock die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig, die Klägerin habe für die Zeit vom 1. April 2008 bis 30. November 2011 keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches entsprechend der Entscheidung des Beschlusses des Amtsgerichts Rostock vom 19. September 2011. Soweit die Beklagte in diesem streitbefangenen Zeitraum der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte aufgrund des Versorgungsausgleiches gewährt habe, sei dies nicht zu beanstanden. Nach § 101 Abs. 3 Satz 1 SGB VI werde die Rente, wenn nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt werde, der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt sei. Der Versorgungsausgleich sei durchgeführt worden, wenn die Rechtskraft der zugrunde liegenden Entscheidung eingetreten sei. Dies sei hier am 8. November 2011 der Fall gewesen. Dem habe die Beklagte zutreffend Rechnung getragen.

20

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Berufung der Klägerin auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. Vielmehr habe die Beklagte davon ausgehen können, dass die Klägerin durch das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 22. Oktober 1998 zutreffend ausreichend darüber informiert worden sei, dass die Durchführung des Versorgungsausgleiches zu ihren Gunsten ausfallen würde und die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei Eintritt des Rentenfalles zweckmäßig sein könnte. Dies ergebe sich aus den Gründen des Urteils selbst, wonach die Durchführung des Versorgungsausgleichs auszusetzen sei bis ein einheitlicher Rentenwert zugrunde gelegt werden könne. Vorab sei auch die Durchführung auf ausdrücklichen Antrag der ausgleichsberechtigten Antragstellerin bei Eintritt deren Rentenfall zulässig gewesen. Es habe für die Beklagte keinen Anlass bestanden, die Klägerin ohne ein ausdrückliches Beratungs- oder Auskunftsbegehren (erneut) auf Umstände hinzuweisen, die der Klägerin anhand des Urteils des Amtsgerichts aktenkundig bereits bekannt gewesen seien. Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn für die Beklagte Umstände erkennbar gewesen seien, die den Schluss darauf zuließen, dass die Klägerin das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 22. Oktober 1998 falsch verstanden oder zwischenzeitlich vergessen habe. Hierfür sei jedoch nichts vorgetragen worden; allein aus der fehlenden Durchführung des Versorgungsausgleiches im zeitlichen Zusammenhang mit der Beantragung der Erwerbsminderungsrente habe die Beklagte derartige Schlüsse jedenfalls nicht ziehen können. Es seien durchaus andere Gründe für den Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs vorstellbar, etwa eine anderweitige Einigung der früheren Eheleute. Die Klägerin gehe auch ausweislich ihrer Klagebegründung selbst davon aus, dass aus diesem Urteil ohne Weiteres zu entnehmen sei, dass der Versorgungsausgleich ausgesetzt gewesen sei, dass sie ausgleichsberechtigt sein würde und dass sich daraus ohne weiteres Erkennen ließe, dass der Versorgungsausgleich durchzuführen sein werde. Dieser Argumentation stimme auch die Kammer ausdrücklich zu. Sie könne allerdings nicht nachvollziehen, warum die Klägerin, die doch ebenfalls Kenntnis des Urteils des Amtsgerichts gehabt habe, diese „ohne Weiteres“ möglichen Schlussfolgerungen nicht gezogen habe. Es läge daher nahe, dass sie die Durchführung des Versorgungsausgleiches allein deshalb nicht rechtzeitig beantragt habe, weil sie sich nicht mit der gebotenen Gründlichkeit um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert habe. Dies könne jedenfalls nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

21

Gegen das ihr am 4. November 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Dezember 2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern eingelegt. Nur weil theoretisch auch die Möglichkeit einer anderweitigen Einigung zwischen den ehemaligen Eheleuten bestanden habe könnte, was rein hypothetisch sei, befreie dies gerade nicht die Beklagte von der Aufklärungs- und Beratungspflicht darüber, dass sie eine höhere Rente wegen Erwerbsminderung erhalten würde, wenn sie doch nur den familienrechtlichen Versorgungsausgleich durchführen lasse. Da sie dies nicht getan habe, habe sich der Beklagten geradezu aufdrängen müssen, dass sie dies versäumt/vergessen gehabt habe. Es habe eine Hinweispflicht bestanden. Im Übrigen sei die Rechtsprechung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch und gerade im Zusammenhang mit der nicht rechtzeitigen Antragstellung über die Gewährung einer Altersrente entwickelt worden. Wenn allein schon der Umstand, dass viele Möglichkeiten bestünden, aus dem heraus der Versicherte einen Rentenantrag nicht stelle, dies eine Beratungspflicht des Leistungserbringers beseitigen würde, wären insoweit nie stattgebende Urteile ergangen. Sie sei so zu behandeln, als hätte sie den Versorgungsausgleich zumindest im zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente gestellt. Es könne letztlich keinen Unterschied machen, ob das untätige Tun des Berechtigten in dem Unterlassen des Stellens eines ihm begünstigenden Rentenantrages bestehe, oder, wie hier, im Unterlassen der zeitgleichen Beantragung zur Durchführung des familienrechtlichen Versorgungsausgleiches bestehe. Insofern könne also nichts anderes gelten als in Fällen der (noch nicht beantragten) Regelaltersrente. Ergänzend trägt die Klägerin noch vor, sie habe das Scheidungsurteil nie „vergessen“, dass bei Renteneintritt der Versorgungsausgleich wieder aufgenommen werden müsste. Bei der Rentenbeantragung sei sie krank gewesen und habe sich um ihre pflegebedürftige Mutter kümmern müssen. Medizinische Fragen hätten ebenso wie ihre Existenzangst damals im Vordergrund gestanden. Zur Stützung hat sie weitere Unterlagen betr. ihre Antragstellung bei der Beklagten auf Rente wegen Erwerbsminderung zu den Akten gereicht. Insoweit wird auf Blatt 67 bis 73 der Gerichtsakten Bezug genommen.

22

Die Klägerin beantragt ausweislich der Akten,

23

das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 22. September 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 1. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012 zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 1. Februar 2008 bis 30. November 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 19. September 2011 zu gewähren.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten L 7 R 267/15 – S 14 R 210/12 (SG Rostock) sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt im Übrigen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

29

Der Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das SG Rostock in dem angefochtenen Urteil vom 22. September 2015 entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Rente wegen Erwerbsminderung für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. April 2008 bis 30. November 2011 hat. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die angefochtene Entscheidung und macht sie – nach Überprüfung – zum Gegenstand seiner eigenen Rechtsfindung (vgl. § 153 Abs. 2).

30

Der (ergänzende) Berufungsvortrag der Klägerin rechtfertigt keine andere Entscheidung. Soweit sie im Berufungsverfahren vorträgt, dass sie zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten auf die Gewährung einer Rentenerwerbsminderung krank gewesen sei und andere „Dinge“ bei der Beantragung im Vordergrund gestanden hätten, kann dies letztlich dahingestellt bleiben. Solche Umstände begründen ebenfalls nicht das Eingreifen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Hierbei hat das SG Rostock bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass insoweit ein möglicherweise vorhandenes „Vergessen“ der Klägerin bezüglich der eindeutigen Entscheidung des Amtsgerichtes Rostock bzw. auch ein möglicherweise vorhandener Irrtum im Hinblick auf die Schlussfolgerung, dass es sich bei einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht um einen „Rentenfall“ im Sinne des vorgenannten Urteils des AG Rostock handelt, zu keiner „Verletzung“ einer Hinweis- bzw. Beratungspflicht der Beklagten führt. Es handelt sich bei der von der Klägerin im Berufungsverfahren geschilderten Geschehen letztlich um Umstände, die für die Beklagte insoweit überhaupt nicht erkennbar gewesen waren bzw. die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Beklagte habe davon ausgehen müssen, dass die Klägerin etwa das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 22. Oktober 1998 vergessen bzw. falsch verstanden hat. Dies mag für die Klägerin selbst eine Begründung dafür sein, dass sie insoweit an den Versorgungsausgleich nicht (damals) gedacht hat. Sie begründen jedoch kein vorwerfbares „Unterlassen“ der Beklagten bezüglich eines Hinweises.

31

In diesem Zusammenhang ist ergänzend noch darauf hinzuweisen, dass entgegen der Auffassung der Klägerin auch eine Hinweispflicht gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI seitens der Beklagten nicht bestanden hat. Gemäß § 115 Abs. 6 Satz 1 aaO sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen.

32

Der Grund für eine solche Hinweispflicht liegt nicht in der konkreten Kenntnis der Umstände durch den Rentenversicherungsträger aus konkretem Anlass, sondern in der Möglichkeit, auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten für den Versicherten in typischen Fallkonstellationen aufgrund der bei ihnen gespeicherten Daten hinzuweisen. Daraus ergibt sich für den Versicherungsträger – hier die Deutsche Rentenversicherung Bund – aufgrund von § 115 Abs. 6 SGB VI nur dann eine Hinweispflicht bzw. kann eine solche bestehen, wenn ohne entsprechenden Hinweis die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch erfüllt wären. Dem Rentenversicherungsträger muss ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sein, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzung für eine Leistung erfüllt, die von solchen Personen in der Regel in Anspruch genommen wird sowie, dass die Berechtigten z. B. einen Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen (vgl. Kater im Kasseler Kommentar, § 115 SGB VI Rz. 24).

33

Für die Beklagte war jedenfalls nach den maßgeblichen vorhandenen Daten nicht ohne weiteres erkennbar, dass hier ein Versorgungsausgleich durchgeführt bzw. „ausgesetzt“ gewesen ist. Vielmehr waren diesen Daten etwa bei Rentenantragstellung der Klägerin lediglich zu entnehmen, dass Auskünfte bezüglich eines Versorgungsausgleiches erteilt wurden bzw. dieser nicht durchgeführt worden ist. Allein das Vorhandensein des Urteils des Amtsgerichts A-Stadt ist im Sinne der eingangs genannten Vorschrift etwa nicht gleichzusetzen mit dem Vorhandensein entsprechender Informationen in den Datensätzen bzw. im Datenbestand der Beklagten. Es liegt darüber hinaus auch kein geeigneter Fall eines typischen Sachverhaltes vor, der eine, zum Beispiel mit Mitteln der elektronischen Datenverarbeitung, abgrenzbare Gruppe von Versicherten betraf. Denn nur sofern der Versicherungsträger ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennen kann, dass die Angehörigen etwa dieser Gruppe die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, einen Antrag jedoch aus Unwissenheit nicht stellen, ist ein entsprechender Hinweis gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI überhaupt geboten (vgl. juris Praxiskommentar, § 150 SGB VI Rz. 88).

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

35

Gründe für eine Revisionszulassung (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) waren für den Senat nicht ersichtlich.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen