Urteil vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (16. Senat) - L 16/1 KR 314/13

Tenor

Das  Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 26. April 2013 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 300,-- € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Höhe von 300,-- €.

2

Die Klägerin ist Trägerin des Krankenhauses U. in F.. Dieses behandelte in der Zeit vom 5. August bis 6. August 2010 den 1926 geborenen, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten G.. Die Rechnung der Klägerin vom 23. August 2010 in Höhe von 903,67 € beglich die Beklagte in vollem Umfang am 30. August 2010.

3

Die Beklagte beauftragte den  Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu den Fragen: „Waren während des gesamten Aufenthalts die besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich, ggf bis wann?“ „Hauptdiagnose ICD 10 H25.8L korrekt? DRG C08B korrekt?“, „ambulant zu erbringende OPS, keine PS, Patient kam mit Einweisung s.a. Fall vom 06.05.10 bis 07.05.10)“.

4

Der MDK  zeigte mit Schreiben vom 30. August 2010  eine Prüfung bei der Klägerin an. In dem Schreiben  heißt es:

5

„...hiermit zeigen wir Ihnen zur Fristwahrung an, dass die AOK NDS RB 9 gegenüber den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung Niedersachsen und im Lande Bremen die Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V bei der o. g. Patientin/dem o. g. Patienten eingeleitet hat.

6

Die Erforderlichkeit der Übersendung von Prüfungsunterlagen durch das Krankenhaus an den Medizinischen Dienst ist von den medizinischen Umständen des Einzelfalles abhängig. Wir werden daher in dem hier vorliegenden Einzelfall beurteilen, ob und ggf welche Prüfungsunterlagen wir von Ihnen zwecks zeitnaher Durchführung der Prüfung noch benötigen.

7

Wir bitten Sie daher, von einer unaufgeforderten Übersendung von Prüfungsunterlagen an den Medizinischen Dienst abzusehen.“

8

Mit Eingang der Prüfanzeige nahm die Klägerin die Falldaten auf und betraute die Firma H. mit der weiteren Bearbeitung.

9

Die Klägerin stellte der Beklagten am 24. März 2011  die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c SGB V in Höhe von 300,-- € in Rechnung. Mit Schreiben von 28. September 2011 wies die I.  die Beklagte darauf hin, dass der MDK die Prüfung vor einem Jahr angezeigt, jedoch niemals Unterlagen angefordert habe. Da sie die Unterlagen zum Versand bereitgestellt  und den Fall ein Jahr lang hätte verfolgen müssen, sei ein Aufwand entstanden, der mit der Aufwandspauschale von 300,-- € zu vergüten sei.

10

Am 29. März 2012 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben  und vorgetragen, dass sie die Voraussetzungen für die Erstattung von 300,-- € gemäß § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V erfülle. Die Prüfung des Behandlungsfalles habe nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt, ein Gutachten des MDK sei nie vorgelegt worden.

11

Die Beklagten hat darauf hingewiesen, dass sie einen Datensatz gemäß § 301 SGB V erhalten habe. Aus diesen Daten sei jedoch  hervorgegangen, dass es sich um eine grundsätzlich ambulant zu erbringende Leistung gehandelt habe, der Patient jedoch mit einer Einweisung seines Arztes im Krankenhaus erschienen sei. Sie sei sich daher nicht sicher gewesen, ob die Daten zu einer Prüfung gemäß § 275 Abs 1 SGB V an den MDK zu geben wären oder ob ein direktes Gespräch mit dem Krankenhaus hätte erfolgen sollen. Zu diesem Zweck habe sie zur Fristwahrung eine Mitteilung an den MDK zur möglichen Prüfung per DTA übersandt. Eine tatsächliche Prüfung durch den MDK habe nie stattgefunden. Unterlagen zur Prüfung seien vom MDK niemals angefordert worden.

12

Das SG hat mit Urteil vom 26. April 2013 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 300,-- € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. April 2011 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt,  die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V, die Prüfung sei eingeleitet worden. Wenn die Beklagte einerseits durch Mitteilung über den MDK beabsichtige, die Sechs-Wochen-Frist nach § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V zu wahren, könne sie nicht andererseits davon ausgehen, das Prüfverfahren noch nicht eingeleitet zu haben. Eine Einleitung sei im Wortsinn der Beginn. Eine Abstufung durch einen vorgelagerten Schritt im Sinne einer „Anzeige vor Einleitung“ sei nicht vorgesehen. Nach Auffassung der Kammer sei die Prüfung mit Hilfe des MDK auch durchgeführt. Zwar führe nicht jede Rückfrage beim Krankenhaus zur Abrechnung dazu, dass eine Prüfung im Sinne der Vorschrift vorliege, sondern es müsse sich um eine Prüfung im Sinne des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V handeln. Das ergebe sich im vorliegenden Fall bereits aus der Mitteilung des MDK an die Klägerin, wonach die Beklagte „die Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs 1 Satz 1  Nr 1 SGB V bei dem o. g. Patienten eingeleitet hat“. Das Ziel, die stationäre Behandlungsfähigkeit zu überprüfen, sei damit klar formuliert, so dass sich die Klägerin nachvollziehbar darauf vorbereitet habe, weitere Auskünfte erteilen zu müssen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es liege hier eine gezielte Beauftragung des MDK durch die Beklagte vor. Der Klägerin sei auch nachvollziehbar ein Aufwand entstanden, der sich in der  Beauftragung der I. und im eigenen Verwaltungsaufwand niederschlage. Es sei der Klägerin auch nicht zuzumuten, tatsächlich nichts weiter zu veranlassen und auf die weitere Unterlagenanforderung durch den MDK zu warten. Der Aufwand habe auch nicht im Zusammenhang mit dem üblichen Abrechnungsaufwand und den Obliegenheiten auf Seiten der Klägerin gestanden. Hier lasse sich dem Schreiben des MDK an die Klägerin nichts entnehmen, was die Klägerin hätte veranlassen müssen, zunächst keine Maßnahmen zu ergreifen. Der Hinweis auf eine Anzeige zur Fristwahrung genüge nicht, denn diese sehe das Gesetz nicht vor. Es liefe auch in besonderem Maße der Intension des Gesetzgebers zuwider, über die Aufwandspauschale einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen entgegenzuwirken. Die Krankenkasse würde dann in jedem Fall die Frist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V einhalten und die Folgen des Versäumnisses abwenden können, obwohl im Einzelfall gerade noch kein Anlass für die Prüfung bestanden habe, andererseits jedoch nicht zur Zahlung der Aufwandspauschale verpflichtet werden können. Das schaffe die gegenteiligen Anreize, ungeprüft Anzeigen über den MDK zu versenden. Nicht entscheidend sei, wann die Klägerin genau den Fall intern geschlossen habe, denn nach Auffassung der Kammer sei ein zusätzlicher Aufwand bereits im März 2011 eingetreten. Es liege hier auch keine fehlerhafte Abrechnung der Klägerin vor, mit der sie eine Ursache gesetzt hätte, die ihren Anspruch entfallen ließe. Nicht genügend sei, dass die Beklagte dem nach § 301 SGB V übermittelten Datensatz nicht zweifelsfrei die stationäre Behandlungsnotwendigkeit entnehmen konnte. Die Frage, ob die stationäre Behandlung notwendig gewesen sei, bleibe gerade der Prüfung nach § 275 SGB V vorgehalten. Die Kammer habe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Datensatz nach § 301 SGB V unvollständig gewesen sei. Der Zinsanspruch ergebe sich in entsprechender Anwendung von § 13 Abs 6 und 7 des Niedersächsischen Sicherstellungsvertrages nach § 112 SGB V. Der Zinsbeginn bemesse sich nach der Fälligkeit der Rechnung vom 24. März 2011.

13

Die Beklagte hat ihre vom 1. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 1. August 2013 zugelassene Berufung damit begründet, dass sie den  MDK zwar mit der Prüfung beauftragt habe, das Prüfungsverfahren allerdings nicht durch den MDK eingeleitet oder durchgeführt worden sei. Insoweit sei auch kein berücksichtigungsfähiger Aufwand entstanden. Aus dem Schreiben des MDK habe sich eindeutig ergeben, dass die Anzeige „zur Fristwahrung“ erfolgt  und dass von einer unaufgeforderten Übersendung von Prüfungsunterlagen an den Medizinischen Dienst abzusehen sei. Wenn die Klägerin trotz dieses eindeutigen Hinweises einen völlig unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand veranlasse, könne das nicht der Beklagten zum Nachteil gereichen. Es sei nicht notwendig, dass die Klägerin vor der Anforderung zur Datenübermittlung nach § 276 Abs 2 Satz 1 SGB V etwas veranlasse.

14

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

15

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 26. April 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

16

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie hält das Urteil für zutreffend. § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V setze lediglich eine Prüfung vor aus. Dass diese formal durch ein MDK-Gutachten abgeschlossen sein müsse, werde nicht gefordert. Für die Klägerin sei auch ein Aufwand entstanden, da mit Eingang der Prüfanzeige die Falldaten aufgenommen worden  seien. Der Fall sei weiter beobachtet und verwaltungsmäßig bearbeitet worden.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der den Versicherten J. betreffende Patientenakte der Klägerin  und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

20

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

21

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise schriftsätzlich einverstanden erklärt haben.

22

Die gem. § 145 Abs 1, 4, 5 SGG zugelassene Berufung der Beklagten ist  begründet.

23

Das Urteil des SG Hildesheim vom 26. April 2013 war aufzuheben.

24

Die  als echte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1 c Satz 3 SGB V nicht verlangen. Die Voraussetzungen des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V sind nicht erfüllt.

25

Nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen.

26

Gem. § 275 Abs 1c SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung nach Abs. 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen. Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,-- € zu entrichten (§ 275 Abs 1 c SGB V in der seit 1. April 2009 geltenden Fassung durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz  vom 17. März 2009, BGBl. I S. 534).

27

§ 275 Abs 1c Satz 3 SGB V ist im vorliegenden Fall anwendbar, es hat sich um ein Prüfverfahren gem. § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)  gehört zu den Grundvoraussetzungen eines Anspruchs eines Krankenhauses auf die Aufwandspauschale, dass überhaupt eine (Auffälligkeits-) Prüfung im Sinne von § 275 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 1 c Satz 1 SGB V durchgeführt worden ist  (BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr. 3 Rn. 12; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr. 5 Rn. 26). Nach der neueren Rechtsprechung des BSG  ist keine Auffälligkeitsprüfung im Sinne von § 275 Abs 1c SGB V die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (§ 301 SGB V). Das Überprüfungsrecht der Krankenkassen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung, es unterliegt einem eigenen Prüfregime (BSG SozR 4-2500 § 301 Nr. 4 Rn. 16 ff.; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr. 3 Rn. 17; BSG, SozR 4-2500 § 301 Nr. 5 Rn. 21; BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R, Rn. 24).

28

Bei der vom MDK  angezeigten Prüfung hat es sich um eine Auffälligkeitsprüfung gemäß § 275 Abs  1 c Satz 1, Abs 1 Satz 1 SGB V gehandelt. Dies ergibt sich bereits aus dem Schreiben des MDK vom 30. August 2010 an die Klägerin,   in dem ausdrücklich auf § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V Bezug genommen wird und  dem sich demgemäß ein  Prüfauftrag zur Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung entnehmen lässt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass  aus den Daten nach § 301 SGB V hervorgegangen sei, dass es sich um eine grundsätzlich ambulant zu erbringende Leistung gehandelt habe. Es ging der Beklagten damit nicht ausschließlich um die Abrechnung der Hauptdiagnose iS einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung.

29

Im Übrigen  hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform der Strukturen in der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz -KHSG- vom 10. Dezember 2015, BGBl I 2229) § 275 Abs 1c SGB V um einen Satz vier ergänzt, wonach als Prüfung nach Satz 1 jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen ist, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert. Mit dieser Regelung  wird klargestellt, dass sich die Fristen- und Anzeigeregelungen des Satzes 2 und die Regelungen zur Aufwandspauschale in Satz 3 auf jede Prüfung der Abrechnung einer stationären Behandlung beziehen, mit der eine Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert (vgl. Urteil des erkennenden Senates vom 26. Januar 2016 - L 16/1 KR 66/14). Nach der Gesetzesbegründung  gilt dies sowohl für die vom 1. Senat des BSG angesprochene Auffälligkeitsprüfung als auch für die Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Mit der Voraussetzung, dass es sich um Prüfungen handeln muss, die eine Datenerhebung durch den MDK erfordern, wird auf das vom BSG entwickelte System der dreistufigen Sachverhaltsermittlung Bezug genommen. Dadurch wird in Übereinstimmung mit diesem Ansatz zum Ausdruck gebracht, dass § 275 Abs 1c SGB V für Prüfungen auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung anwendbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn der MDK den Prüfauftrag der Krankenkasse nur mit Angaben und Unterlagen des Krankenhauses erfüllen kann und deshalb eine Prüfung durchführen muss, die Außenwirkung auf das Krankenhaus hat (BT-Drucks. 18/6586 S. 121 zu Artikel 6 Nummer 21 a).

30

Es ist im vorliegenden Fall aber keine  Prüfung iS von § 275 Abs  1 Nr. 1 iVm Abs 1 c Satz 1 SGB V auf der dritten Stufe der Sachverhaltsermittlung mit dem Ziel der Verminderung eines Rechnungsbetrages eingeleitet und durchgeführt worden.

31

Die Durchführung einer die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V auslösenden Prüfung ist nicht schon bei jeglicher Rückfrage der Krankenkasse beim Krankenhaus im Zusammenhang mit dessen Abrechnung anzunehmen. Vielmehr muss es sich um eine Prüfung aus einem der in § 275 Abs 1 Nr 1 iVm  Abs 1c Satz 1 SGB V genannten Anlässe handeln. Es darf sich nicht um eine Stichprobenprüfung nach § 17c Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) handeln. Auch muss die Krankenkasse den MDK gezielt beauftragt haben, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben, mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen, d.h. eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen. Zielsetzung eines die Aufwandspauschale möglicherweise auslösenden Prüfauftrags an den MDK muss die Abklärung sein, ob aus dessen fachkundiger Sicht Gründe vorliegen - etwa im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung - , die die Höhe des Abrechnungsbetrages rechtfertigen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2010 - B 1 KR 1/10 R, Rn. 13).

32

Zwar wollte die  Beklagte unter Einschaltung des MDK u.a. klären, ob in diesem Fall einer grundsätzlich ambulant zu erbringenden Leistung die stationäre Behandlung, die Abrechnung  und damit die Höhe des  Abrechnungsbetrages gerechtfertigt waren und der MDK hat  seinerseits mit Schreiben vom 30. August 2010 Kontakt zu der Klägerin aufgenommen, die Prüfung angezeigt und damit  eine  Prüfung iS von § 275 Abs 1 c Satz 2 SGB V eingeleitet. Die Prüfung ist jedoch nicht durchgeführt worden.

33

Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 26. Januar 2016 - L 16/1 KR 66/14  entschieden, dass eine Prüfung iS des § 275 Abs 1 c SGBV auch dann durchgeführt ist, wenn der MDK die Behandlungsunterlagen vom Krankenhaus anfordert, das Krankenhaus diese auch bereitstellt und an den MDK übersendet,  der MDK aber tatsächlich eine gutachterliche Stellungnahme nicht abgibt.  § 275 Abs 1 c Sätze 1 und 3 SGB V setzt nicht voraus, dass die Prüfung formal durch ein Gutachten des MDK abgeschlossen sein muss, z.B   wenn die Prüfung von der Krankenkasse -wie im o.g. Fall-  wegen  langer Bearbeitungszeiten beim MDK wieder abgesagt worden und die Gründe  dafür, dass die Prüfung formal  nicht beendet wurde, nicht in der Sphäre des Krankenhauses liegen.  Es kann nicht dem Krankenhaus angelastet werden, welche Gründe im Einzelnen die Krankenkasse  veranlasst haben, von einer abschließenden gutachterlichen Stellungnahme durch den MDK abzusehen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht  vor, denn der MDK hat die Durchführung der Prüfung erst angekündigt und gerade noch keine Behandlungsunterlagen vom Krankenhaus angefordert.

34

Anlass zur Schaffung des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V war der Umstand, dass einzelne Krankenkassen die Prüfungsmöglichkeit nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V „in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise“ zur Einzelfallsteuerung nutzten; bei einzelnen Krankenkassen hatten sich Prüfquoten bis zu  45 Prozent aller Krankenhausfälle ergeben. Dies führte insbesondere bei nicht zeitnahen Prüfungen zu „unnötiger Bürokratie“ nämlich zu einer teilweise erheblichen Belastung der Abläufe in den Krankenhäusern mit zusätzlichem personellen und finanziellem Aufwand sowie zu in der Regel hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen mit Unsicherheiten bei Erlösausgleichen und Jahresabschlüssen. Um vor diesem Hintergrund einer „ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen entgegen zu wirken“ ist die Aufwandspauschale in Höhe von 100,-- Euro (seit 2009: 300,-- Euro) eingeführt worden. Mit dieser Pauschale sollte unter dem Blickwinkel eines angestrebten Bürokratieabbaus Anreize gesetzt werden, Einzelfallprüfungen „zukünftig zielorientierter und zügiger“ einzusetzen“ (BT-Drucks. 16/3100, S. 171 zu Nr. 185 - § 275 - zu Buchst. a).

35

Zwar ist der Einwand der Klägerin berechtigt, die Krankenkasse könne -auch durch unberechtigte Einschaltung des MDK- dann in jedem Fall die Frist des § 275 Abs 1 c Satz 2 SGB V einhalten,  aber im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen des § 275 Abs 1 c Satz 1 SGB V noch nicht erfüllt. Eine  Prüfung ist nicht durchgeführt, sondern  nur angekündigt worden. „Durchführen“ bedeutet, „etwas in allen Einzelheiten verwirklichen“, „bis zu Ende führen“, „vollenden“, aber auch „ausführen“, „damit beschäftigt sein“, „vornehmen“ (Duden, Deutsches Universalwörterbuch 8. Auf. 2015). Die Prüfung ist hier aber weder vollendet noch überhaupt ausgeführt worden.   Der MDK hat der Klägerin eine Prüfung nur „zur Fristwahrung“ angezeigt und  angekündigt, dass er in dem vorliegenden Fall erst beurteilen werde,  ob und welche „Prüfungsunterlagen zwecks zeitnaher Durchführung der Prüfung noch benötigt“ werden und ausdrücklich gebeten, von einer unaufgeforderten Übersendung von Prüfungsunterlagen abzusehen.

36

Es liegen im vorliegenden Fall auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte eine  ungezielte Einleitung von  Begutachtungen vornimmt, denn es handelte sich bei der Augenoperation des Versicherten J.  um eine grundsätzlich ambulant zu erbringende Leistung, die  stationär durchgeführt wurde, so dass die Beklagte einen konkreter Prüfungsanlass iS von § 275 Abs  1 Nr 1 SGB V annehmen durfte.  Nach der Rechtsprechung des BSG darf  die Krankenkasse in derartigen Fällen vom Krankenhaus eine Begründung verlangen, weshalb ausnahmsweise eine stationäre Aufnahme medizinisch notwendig war.  Das Krankenhaus muss in Fällen, in denen regelhaft eine ambulante Behandlung ausreichend ist, Angaben zu Begleiterkrankungen oder sonstigen Gründen machen, die Anlass für die stationäre Versorgung des Versicherten gaben, um die Anspruchsvoraussetzungen der „Erforderlichkeit“ der Krankenhausbehandlung zu belegen. Ohne solche Angaben, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich ist, fehlen  Informationen über den „Grund der Aufnahme“ und damit eine der zentrale Angaben, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung benötigt  (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 3 KR 14/11 R Rdnr. 34; Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 27/13 R Rdnr. 21; Urteil vom 21. April 2015 - B 1 KR 10/15 Rdnr. 11; Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 Rdnr. 36 ff).

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG IVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

38

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs 1,   § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und  3 Gerichtskostengesetz.

39

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).

 


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