Urteil vom Landessozialgericht NRW - L 11 KA 195/00
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.09.2000 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 07.07./22.07.1999 wird aufgehoben. Der Kläger wird als Kinder- und Jugenlichenpsychotherapeut mit Vertragsarztsitz in L, L1 Straße 00, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die bedarfunabhängige Zulassung des Klägers als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in L.
3Der im Jahre 0000 geborene Kläger absolvierte das Studium der Sozialpädagogik und ist seit 1990 als Kinder und Jugendlichenpsychotherapeut tätig. Ab diesem Zeitpunkt hat er im Rahmen des Delegationsverfahrens gesetzlich Krankenversicherte behandelt. Bis Ende 1999 war er in L, L2 Weg 000 niedergelassen. Für die Praxisräume entrichtete er eine monatliche Miete von ca. 0.000,- DM. Im J 1999 erhielt er die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.
4Seinen Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung in L, L2 Weg 000, vom 26.12.1998 sandte der Kläger am 28.12.1998 (Montag) als Einschreiben/Rückschein an den Zulassungsausschuss für Ärzte Köln. Der Briefumschlag war wie folgt adressiert: "Sedanstraße 10, 50866 Köln". Die zutreffende Anschrift lautet jedoch: "Sedanstraße 10, 50668 Köln". Am gleichen Tage gab er ebenfalls seinen Antrag auf Erteilung der Approbation als Einschreiben/Rückschein zur Post. Dieses Schreiben ging am 30.12.1998 ein. Der Antrag auf bedarfunabhängige Zulassung des Klägers trägt den Eingangstempel der Beigeladenen zu 5) - Bezirksstelle Köln - vom 06.01.1999.
5Nachdem der Kläger vom Zulassungsausschuss die Mitteilung erhalten hatte, dass sein Antrag erst am 06.01.1999 eingegangen sei, beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Beschluss vom 12.04./20.04.1999 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln die bedarfsunabhängige Zulassung des Klägers mit der Begründung ab, sein Zulassungsantrag sei nicht fristgerecht, nämlich nicht bis zum 31.12.1998, eingegangen.
6Mit seinem Widerspruch vom 10.05.1999 beanstandete der Kläger im wesentlichen, dass der Zulassungsausschuss nicht über seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 27 SGB X entschieden habe. Diesem Antrag sei zu entsprechen gewesen, da einerseits die Post diesen "Zahlendreher bei der Postleitzahl" hätte erkennen müssen. Andererseits sei dieser "Zahlendreher" auch entschuldbar, weil er bei der Stellung des Antrages an einem Virusinfekt erkrankt gewesen sei, der von einer eitrigen Sinubronchitis in eine Bronchopneumonie übergegangen und mit Fieber bis zu 40,5 Grad Celsius verbunden gewesen sei. Dazu legte er ein Attest des praktischen Arztes Dr. N vom 00.00.1999 vor.
7Mit Beschluss vom 07.07./22.07.1999 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unzulässig, da die vom Kläger nicht eingehaltene Frist des § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V für die Antragstellung eine gesetzliche Frist sei; eine Wiedereinsetzung gem. § 27 Abs. 5 SGB X sei unzulässig, wie sich durch Auslegung der gesetzlichen Regelung nach dem Zweck der Fristbestimmung und der hier zugrundeliegenden Interessen ergebe. Der Gesetzgeber habe mit der Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes die Möglichkeit geschaffen, unabhängig von der Bedarfslage solche Psychotherapeuten zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, die ihren Antrag bis zum 31.12.1998 beim Zulassungsausschuss gestellt haben. Dass der Gesetzgeber der strikten Einhaltung der Antragsfrist entscheidende Bedeutung zugemessen habe, ergebe sich zum einen daraus, dass Psychotherapeuten gem. § 101 Abs. 4 Satz 2 SGB V zum 01.01.1999 in die gemeinsame Bedarfsplanung einbezogen wurden und deshalb für nach dem 31.12.1998 gestellte Anträge bis zur Feststellung des Landesausschusses gem. § 95 Abs. 12 SGB V i.V.m. § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Entscheidungssperre bestehe. Selbst wenn man von der Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgehe, komme sie nicht in Betracht, weil die Fristversäumung nicht als unverschuldet anzusehen sei. Gerade wegen der existenziellen Bedeutung sei vom Kläger umsomehr zu erwarten gewesen, dass er für den rechtzeitigen Eingang seines Antrages beim Zulassungsausschuss Sorge trage. Wenn er angesichts der von ihm geschilderten Erkrankung für den notwendigen Schriftverkehr nicht die erforderliche Konzentration aufgebracht habe, sei es umsomehr geboten, sich bei letzterem geeigneter Hilfspersonen zu bedienen.
8Mit Bescheid vom 31.01.2000 hat der Zulassungsausschuss der Ärzte Köln den Kläger als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (bedarfsabhängig) für F, Mstraße 0, zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Kläger erbringt aufgrund dieser Zulassung Leistungen und rechnet diese mit der Beigeladenen zu 5) ab.
9Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass es sich bei der Frist des § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V entgegen der Annahme und Bewertung des Beklagten nicht um eine Ausschlussfrist handele, bei der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig sei. Ihm sei vielmehr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er einerseits aufgrund der bereits im Widerspruchsverfahren geschilderten und durch das Attest von Dr. N glaubhaft gemachten Viruserkrankung, die mit Fieber bis zu 40,5 Grad Celsius verbunden gewesen sei, bei der Adressierung des Briefumschlages einen Fehler in Form eines "Zahlendrehers" gemacht habe, der nicht als schuldhaft anzusehen sei. Darüber hinaus habe er die Zeugin C, die in seiner Praxis für den Schriftverkehr und die Praxisverwaltung zuständig sei, ausdrücklich beauftragt, das Schreiben mit den Zulassungsunterlagen beim Postamt in P aufzugeben und zuvor noch eingehend Vollständigkeit und Richtigkeit der Anschrift zu kontrollieren. Dazu hat er eine eidesstattliche Versicherung der Zeugin C vom 00.00.1999 vorgelegt.
10Der Kläger hat beantragt,
11den Beschluss des Beklagten vom 07.07.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Kläger als Psychologischen Psychotherapeuten mit Sitz in L, L2 Weg 000 zuzulassen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte hat auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.
15Das Sozialgericht hat den praktischen Arzt Dr. N zu der Erkrankung des Klägers im Dezember 1998 als Zeugen gehört. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Köln 27.09.2000 verwiesen.
16Das Sozialgericht Köln hat mit Urteil vom 27.09.2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Bescheid des Beklagten Bezug genommen. Ergänzend hat es dargelegt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Kläger auch nicht derart erkrankt gewesen sei, dass er sich in einem Zustand befunden habe, der dem eines Geschäftsunfähigen gleichzusetzen wäre.
17Mit der Berufung wiederholt der Kläger nochmals sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass Zulassungsanträge, die bis zum 04.01.1999 Mittags beim Zulassungsausschuss für Ärzte Köln eingegangen seien, noch mit dem Eingangsstempel 31.12.1998 versehen worden seien. Im übrigen sei die Beweiswürdigung des Sozialgericht im angefochtenen Urteil insoweit unzutreffend, als aus den Aussagen des Zeugen Dr. N geschlossen werde, dass er aufgrund seiner fieberhaften Erkrankung mit einem Geschäftsunfähigen in der damaligen Zeit nicht vergleichbar gewesen sei. Dazu legt er eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. N1, ehemaliger Leiter der Abteilung Psychotherapie/Psychosomatik im Zentrum der Psychiatrie des Klinikums der H-Universität G, vom 00.00.2000 vor. Hinsichtlich der ihm für F erteilten Zulassung führt er aus, er möchte primär seiner Tätigkeit als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in L - und nicht in F - nachgehen, da er seit 18 Jahren als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut dort tätig gewesen sei und in einem Netzwerk aus Schulen, Ärzten und sozialen Einrichtungen gearbeitet habe. In F sei er "ein Niemand". Der Aufbau eines so beschriebenen Netzwerke dauere drei bis vier Jahre und sei mühsam.
18Der Kläger beantragt,
19das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.09.2000 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 07./22.07.1999 zu verurteilen, ihn als Kinder- Jugendlichenpsychotherapeut in L, L1 Straße 00, zuzulassen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
23Die Beigeladenen zu 3) und 5) schließen sich dem Antrag des Beklagten an.
24Der Senat hat die den Kläger betreffenden Abrechnungsbescheide der Beigeladenen zu 5) aus den Jahren 1994 bis 2000, die Steuerbescheide des Klägers für die Jahre 1994 bis 1999 sowie eine Aufstellung des Klägers hinsichtlich der Praxiskosten beigezogen. Weiterhin ist eine Auskunft vom Postverteilungszentrum der Deutschen Post AG in Köln zum Verfahren bei einer falschen Adressierung von Postsendungen eingeholt worden. Darüber hinaus hat der Senat die Zeugin C zur Aufgabe des Briefes mit dem Zulassungsantrag beim Postamt vernommen. Dazu wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.03.2002 verwiesen.
25Die Verwaltungsakten des Beklagten, die Akten des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln sowie die Akten des Sozialgerichts Köln - S 19 KA 53/59 ER - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe:
27Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.09.2000 ist zulässig und begründet.
28Der Kläger hat einen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit dem Vertragsarztsitz in L, L1 Straße 00, weil die Voraussetzungen gem. § 95 Abs. 10 SGB V i.V.m. den Vorschriften der Ärzte-ZV erfüllt sind.
29I. Der Senat stellt fest, dass sich aus den beigezogenen Akten - insbesondere den Akten des Zulassungsausschusses für Ärzte Köln - ergibt, dass der Kläger bis zum 31.12.1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 Psychotherapeutengesetz und des Fachkundenachweises nach § 95 c Satz 2 Nr. 3 SGB V erfüllt, die Approbationsurkunde vom 22.02.1999 bis zum 31. März 1999 vorgelegt und in der Zeit vom 00.00.1994 bis zum 00.00.1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen hat. Die Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter ist auch bezüglich Umfang sowie Art und Weise entsprechend den vom Bundessozialgericht im Urteil vom 08.11.2000 - B 6 KA 52/00 ER - aufgestellten Kriterien erfolgt. Die Behandlung erfolgte in eigener Praxis mit einem Umfang von deutlich mehr als durchschnittlich 15 Behandlungsstunden wöchentlich. Dies ergibt sich insbesondere aus den Quartalsabrechnungsbescheiden der Beigeladenen zu 5) und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
30II. Der Kläger hat seinen Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung auch gem. § 95 Abs. 10 Nr. 1 letzter Halbsatz bis zum 31.12.1998 gestellt. Zwar ist dieser Antrag beim Zulassungsausschuss für Ärzte Köln erst am 06.01.1999 eingegangen, jedoch ist dem Kläger gem. § 27 SGB X Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
311. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V ist nicht gem. § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, denn es ergibt sich weder aus § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V noch aus einer anderen Rechtsvorschrift, dass die Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Der Senat kann offen lassen, ob der Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausdrücklich in einer Rechtsvorschrift bestimmt sein muss (Plagemann, NJW 1983, S. 2172, 2175) oder ob es ausreicht, dass es sich um eine materiell rechtliche Ausschlussfrist handelt, was allein durch Auslegung ermittelt werden kann (BSGE 64, 153; von Wulffen in Schroeder-Pritzen/Engelmann/ Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, § 27 Rdnr. 4). Denn § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V enthält keine materiell rechtliche Ausschlussfrist. Zwar hat diese Frist - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - eine grundlegende Bedeutung für die vorzunehmende Bedarfsplanung gem. § 103 SGB V. Jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass § 95 Abs. 10 letzter Satz SGB V hinsichtlich der Entscheidung über die Zulassungsanträge eine weitere Frist bis zum 30.04.1999 nennt. Da erst nach erfolgter und bestandskräftiger Zulassungsentscheidung eine abschließende Bedarfsplanung vorgenommen werden kann, relativiert sich bereits der Einfluss der Frist in § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V für die Bedarfsplanung. Entscheidend für die Annahme, dass § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V keine materiell rechtliche Ausschlussfrist enthält, ist aber, dass bei verfassungskonformer Auslegung ein materiell rechtlicher Ausschluss nicht angenommen werden kann. Denn die Annahme einer Ausschlusswirkung würde zu einer gravierenden Beschränkung der Rechte niedergelassener Psychotherapeuten aus Artikel 12 und 14 GG führen. Diese massiven Grundsrechtsbeeinträchtigungen wären dann auch bei unverschuldeten Fristversäumnissen - etwa wegen einer Erkrankung - irreparabel. Eine derart massive grundrechtsrelevante Beeinträchtigung steht jedoch in keinerlei Verhältnis zum Gewinn an Rechtssicherheit bezüglich der Bedarfsplanung gem. § 103 SGB V. Nach den Erfahrungen des Senates wird auch nur in derart wenigen Ausnahmefällen eine unverschuldete Fristversäumnis von den Psychotherapeuten vorgetragen, dass ein nennenswerter Einfluss dieser Fallgestaltungen auf die Bedarfsplanung nicht ersichtlich ist. Die Abwägung dieser Gesichtspunkte führt dazu, dass der Senat zu dem Ergebnis gelangt, bei verfassungskonformer Auslegung eine Ausschlusswirkung der in § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V genannten Frist zu verneinen. Diese Rechtsfrage ist jedoch grundsätzlich klärungsbedürftig.
322. Der Kläger hat die in § 95 Abs. 10 Nr. 1 SGB V genannte Frist auch unverschuldet nicht eingehalten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger bei der Absendung des Zulassungsantrages am 28.12.1998 an einer Viruserkrankung litt, die mit Fieber bis zu 40,5 Grad Celsius verbunden war. Dadurch befand er sich zwar nicht in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit, jedoch war er krankheitsbedingt in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt, was zu einer fehlerhaften Adressierung in Form eines "Zahlendrehers" bei der Postleitzahl führte.
33Der Senat kann offen lassen, ob bereits aufgrund dieser Erkrankung ein relevantes Verschulden bezüglich der Fristversäumnis ausgeschlossen ist, denn der Kläger hat gerade in Kenntnis seines gesundheitlichen Zustandes alles erforderliche getan, um eine ordnungsgemäße Versendung der Zulassungsunterlagen gerade im Hinblick auf den nahen Fristablauf zu erreichen. Er hat nämlich die Zeugin C beauftragt, die von ihm gefertigten Briefumschläge mit dem Zulassungsantrag einerseits und dem Approbationsantrag andererseits bei ihm abzuholen, hinsichtlich Vollständigkeit und Richtigkeit - auch der Anschriften - zu kontrollieren und bei der Post in P aufzugeben.
34Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger nicht - wie im Protokoll des Beklagten vermerkt - den Brief mit den Zulassungsunterlagen persönlich zur Post in P gebracht hat, sondern ihn der Zeugin C zu diesem Zwecke an seiner Wohnungstür übergeben hat. Denn der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein mit Eingangsstempel des Sozialgerichts Köln vom 00.00.1999 versehenes Schreiben vorgelegt, in dem er anlässlich eines Antrages auf Einstweilige Anordnung gegen den Zulassungsausschuss bereits ausgeführt hat, dass er der Zeugin C die Unterlagen zu diesem Zwecke übergeben hat. Anlässlich dieses Antrages ist auch die dann im Widerspruchsverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Zeugin C vom 00.00.1999 gefertigt worden.
35Der Kläger konnte auch davon ausgehen, dass seine Mitarbeiterin - die Zeugin C - entsprechend seinen Anweisungen die Unterlagen und die Anschriften sorgfältig kontrollieren würde. Denn die Zeugin C, die im Hauptberuf als D tätig ist, erledigte für den Kläger bereits seit längerer Zeit die in seiner psychotherapeutischen Praxis anfallenden Verwaltungsarbeiten zuverlässig. Aus diesem Grunde war es ihr auch möglich, die Richtigkeit der Anschrift des Zulassungsausschusses einschließlich der Postleitzahl zu kontrollieren. Denn sie hatte an ihrem Arbeitsplatz, zu dem sie sich begab, bevor sie die Briefe zur Post brachte, alle Dinge, die sie für den Kläger schrieb, auf einer Diskette abgespeichert. Im übrigen war ihr zum damaligen Zeitpunkt - wie sie ausdrücklich bekundet hat - die Postanschrift der KV zumindest visuell geläufig. Insoweit steht für den Senat fest, dass der Kläger alles objektiv Erforderliche getan hat, um eine ordnungsgemäße Absendung des Briefes mit den Zulassungsunterlagen zu erreichen.
36Dem Kläger kann nicht zugerechnet werden, dass der Zeugin C bei der Kontrolle der Anschrift des Zulassungsausschusses der Fehler in der Postleitzahl nicht aufgefallen ist. Bei der Zeugin C handelte es sich nicht um eine Vertreterin im Sinne des § 27 Abs. 1, Satz 2 SGB X, deren Verschulden dem Vertretenden zuzurechnen ist. Vielmehr handelte es sich bei ihr um eine nicht vertretungsberechtigte Hilfsperson, nämlich eine Botin. Ein Verschulden solcher Hilfspersonen ist dem Kläger nicht zuzurechen (von Wulffen, a.a.O., § 27 Rdnr.7).
37Ein schuldhaftes Verhalten besteht auch nicht in der Absendung des Zulassungsantrages erst am 28.12.1998. Denn der Kläger konnte bei richtiger Adressierung und Frankierung des Briefes davon ausgehen, dass der am Montag, den 28.12.1998 als Einschreiben/Rückschein eingelieferte Brief dem Zulassungsausschuss für Ärzte Köln spätestens am 31.12.1998 zugestellt wurde. Eine Postlaufzeit von 3 Werktagen ist für einen inländischen Einschreibebrief ausreichend bemessen. Dass die Annahme des Klägers insoweit richtig war, zeigt sich auch darin, dass der mit gleicher Post aufgegebene Einschreibebrief/Rückschein mit dem Antrag auf Approbationserteilung bereits am 30.12.1998 zugestellt worden ist. Die weitere Verzögerung von einem Tag dadurch, dass der an die Straßenanschrift adressierte Brief auf Wunsch der Beigeladenen zu 5) über das Postfach zugestellt wird, hat der Kläger nicht zu vertreten.
38III.
39Der bedarfsunabhängigen Zulassung des Klägers in L, L1 Straße 00, steht auch nicht entgegen, dass der Kläger innerhalb der Frist gem. § 95 Abs. 10, Nr. 3 SGB V (sogenanntes Zeitfenster) ausschließlich am Vertragsarztsitz "L2 Weg 000" praktiziert hat und über diese Praxisräume seit Anfang 2000 nicht mehr verfügt.
40Zwar führt das Bundessozialgericht im Urteil vom 08. November 2000 - B 6 KA 52/00 R - aus, dass der Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung grundsätzlich nur für die Praxisanschrift und den Praxisort, unter der und an dem der Zulassungsbewerber während des Zeitfensters an der ambulanten Versorgung der Versicherten teilgenommen hat, besteht. In besonders gelagerten Ausnahmefällen, etwa einem Wechsel der Praxisräume nach Juni 1997 in Folge einer Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses, kann jedoch - so das BSG - etwas anderes auch gelten, soweit der Zusammenhang zwischen der im Zeitfenster geschaffenen Praxis und der Fortführung dieser Praxis als zugelassener Psychotherapeut besteht.
41Ein derartiger Zusammenhang liegt hier vor. Der Kläger hat für den Senat nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass zum Bestand einer psychotherapeutischen Praxis - insbesondere einer Praxis als Kinder - und Jugendlichenpsychotherapeut - gehört, dass man im Umfeld als Therapeut bekannt ist und in einem - wie der Kläger es genannt hat - aus Schulen, Ärzten und sozialen Einrichtungen bestehendem Netzwerk gearbeitet hat. Dieses wesentliche Element ist vom Kläger während seiner Tätigkeit in der Praxis am L2 Weg geschaffen worden und besteht auch für die Praxis in L, L1 Straße 00. Die beiden Praxen sind nur unweit von einander entfernt und liegen beide auf der S Seite L. Insoweit sind der Einzugsbereich und das Netzwerk identisch.
42Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er während des bisher rund dreieinhalb Jahre andauernden Zulassungsverfahrens mangels Zulassung im Zulassungsbereich L in F tätig geworden ist. Es kann einem Zulassungsbewerber nicht zugemutet werden, ein gegebenenfalls mehrere Jahre andauerndes Zulassungsverfahren (einschließlich aller Rechtsbehelfsverfahren) mit durchaus unsicherem Ausgang abzuwarten und sich damit aller Möglichkeiten zu begeben, sich in einem lange Zeit noch nicht gesperrten Planungsbereich niederzulassen. Dies steht zumindest solange einer bedarfsunabhängigen Zulassung nicht entgegen, wie es dem Zulassungsbewerber möglich ist, entweder in dieselbe Praxis zurückzukehren oder aber in einer Praxis zu arbeiten, in der die Fortführung der im sogenannten Zeitfenster bestandenen Praxis in wesentlichen Elementen möglich ist.
43Die Kostenentscheidung erfolgt gem. §§ 183 und 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
44Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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