Urteil vom Landessozialgericht NRW - L 11 KA 185/01
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.07.2001 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Richtigstellungen der Quartalsabrechnungen des Klägers im Quartals III/1998; im Berufungsverfahren sind lediglich die Streichungen der EBM-Ziffern 462, 463, 490 noch streitig.
3Der Kläger ist Facharzt für Anästhesielogie und in N zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
4Mit Bescheid vom 24.06.1999 strich die Beklagte die Abrechnung der EBM-Ziffern 462, 463 und 490 EBM und führte zur Begründung aus, die Leistungen nach den EBM-Ziffern 462 und 463 könnten nur von dem anästhesieausführenden Arzt berechnet werden, der die Narkose während der gesamten Dauer geleitet habe. Wenn während der Narkosedauer gleichzeitig eine zweite Narkose nach EBM-Ziffer 462 begonnen werde, so müsse die Ziffer gestrichen werden, da der Anästhesist nur bei einer Narkose anwesend sein könne. Die Streichung der EBM-Ziffer 490 ergebe sich aus der Streichung der EBM-Ziffern 462 und 463.
5Mit seinem Widerspruch trug der Kläger bezüglich dieser Streichungen vor, dass es zutreffend sei, dass er teilweise zwei Anästhesien gleichzeitig betreut habe. Der Begriff der Leitung der Anästhesie setze aber nicht voraus, dass während der gesamten Dauer der Anästhesie der Anästhesist unmittelbar am OP-Tisch zugegen sein müsse. Seine Anwesenheit sei nur erforderlich beim Ein- und Ausleiten der Anästhesie; ansonsten könne die Leistung auch von einer Anästhesie-Schwester erbracht werden. Während der gesamten Zeit der Anästhesie sei er unmittelbar erreichbar gewesen. Es bestehe zwischen den beiden Operationenräumen ein Sichtkontakt und er sei jederzeit in der Lage, beide Anästhesien gleichzeitig zu leiten.
6Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Bescheid vom 29.02.2000 zurück.
7Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und weiter darauf hingewiesen, dass zwischen den beiden Operationssälen ein Glasfenster vorhanden sei, das ihm einen Sichtkontakt ermögliche und ihn in die Lage versetze, zwei Anästhesien gleichzeitig zu leiten. Den zeitlichen Ablauf eines Operationstages hat er am Beispiel des 00.00.1998 erläutert.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2000 zu verurteilen, die abgesetzten bzw. umgewandelten Leistungen nach den EBM Nrn. 5, 691, 720, 462, 463, 490, 64, 65 abzurechnen und zu vergüten.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Hinsichtlich der Berufungsverfahren noch streitigen Ziffern hat sie ausgeführt, dass diese vom Anästhesisten nur abgerechnet werden können, wenn er die Anästhesie während ihrer gesamten Dauer geleitet habe; die Leitung einer Anästhesie setze die kontinuierliche ärztliche Überwachung während der gesamten Anästhesiedauer voraus.
13Mit Urteil vom 11.07.2001 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte verurteilt, die abgesetzten bzw. umgewandelten Leistungen nach den EBM-Nrn. 691, 720, 64, 65 abzurechnen und zu vergüten; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitigen Ziffern hat es zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger in den gestrichenen Leistungsfällen die Anästhesien nicht während der gesamten Dauer geleitet habe. Dies sei dann nicht der Fall, wenn der Kläger nach Einleiten einer Anästhesie im Nachbar-OP-Saal die nächste Anästhesie einleite. In diesem Fall leite der Kläger dann die zweite Anästhesie und die Leitung der ersten Anästhesie gebe er damit auf. Das Einleiten einer Anästhesie erfordere die volle Aufmerksamkeit des Arztes. Er sei dann nicht (mehr) in der Lage, eine andere fortlaufende Anästhesie weiter ärztlich zu leiten. Zwar müsse der Anästhesist nicht unbedingt während der gesamten Dauer der Anästhesie am Operationstisch stehen, sondern könne z. B. unter Umständen ein Telefonat annehmen, es sei aber erforderlich, dass er jederzeit wieder zurückkehren könne und die Leitung übernehmen kann. Wenn er in einem anderen Operationssaal mit der Einleitung einer weiteren Anästhesie befasst sei, sei dies jedoch nicht gegeben.
14Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Abrechnungsfähigkeit der EBM-Ziffern 462, 463 und 490 weiter. Er nimmt Bezug auf seine Ausführungen im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahren und führt nochmals aus, dass die unmittelbare Anwesenheit des Anästhesisten während der gesamten Anästhesiedauer nicht erforderlich sei; dem Anästhesisten obliege ausschließlich die Leitung und damit die kontinuierliche Überwachung der Tätigkeit, die die gesamte Anästhesie-/Narkosedauer umfasse. Die ärztliche Überwachung sei durch eine unmittelbarer Erreichbarkeit des Klägers im Falle einer evtl. Komplikation in der Gestalt gewährleistet, dass er im direkt benachbarten Operationssaal jederzeit verfügbar gewesen sei, um beide Anästhesien gleichzeitig zu überwachen und zu leiten.
15Der Kläger beantragt,
16das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.07.2001 abzuändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 24.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2000 zu verurteilen, auch die abgesetzten Leistungen nach den EBM-Ziffern 462, 463 und 490 abzurechnen und zu vergüten.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
20Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
21Die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG). Die Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet.
24Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffende und ausführliche Begründung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
25Ergänzend weist der Senat - unter Hinweis auf die Erörterungen im Termin am 27.01.2003 - darauf hin, dass die von der Beklagten im Quartal III/1998 vorgenommene Streichung der Leistungen der EBM-Ziffern 462, 463 und 490 rechtmäßig ist. Auch unter den vom Kläger geschilderten örtlichen Gegebenheiten in den beiden nebeneinander liegen Operationssälen kann ein Anästhesist nicht gleichzeitig zwei Anästhesien leiten. Wie das Sozialgericht bereits zutreffend dargelegt hat, ist es zumindest erforderlich, dass der Anästhesist während der gesamten Anästhesiedauer jederzeit uneingeschränkt in der Lage ist, insbesondere beim Eintritt kritischer Situationen die Leitung der Anästhesie zu übernehmen. Dies ist jedoch bei zwei zeitlich parallel verlaufenden Anästhesien nicht der Fall, da im Falle von gleichzeitig auftretenden Komplikationen bei den in den beiden Operationssälen behandelnden Patienten es dem Anästhesisten verwehrt ist, die Leitung beider Anästhesien zu übernehmen und in beiden Fällen die Konfliktsituationen zu beherrschen.
26Im Übrigen handelt es sich bei den streitigen Anästhesieleistungen der EBM-Ziffern 462, 463 und 490 um sogenannte zeitgebundene Leistungen. Auch aus diesem Grunde scheidet eine gleichzeitige Leistungserbringung bei mehreren Patienten aus.
27Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
28Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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