Beschluss vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 AL 94/02

Tenor

1.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 07.05.2002 –S 1 AL 338/00 – wird zurückgewiesen.

2.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer 12-wöchigen Sperrzeit sowie eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides.

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Die 1964 geborene, geschiedene Klägerin war vom 01.01.1994 bis zum 01.07.1994 bei der Firma .....GmbH in ... als Montiererin beschäftigt. Nach ihrer Arbeitslosmeldung am 24.08.1994 bezog sie von der Beklagten bis zum 21.02.1995 Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi). Mit Bescheid vom 06.09.1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin wiederum Alhi bis zum 30.06.2000; ab dem 01.07.1999 betrug der wöchentliche Leistungssatz 190,05 DM bei einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 490,-- DM, der Lohnersatzquote 53 von Hundert und der Leistungsgruppe A. Die Beklagte zahlte der Klägerin Leistungen bis zum 31.12.1999 aus.

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Mit Schreiben vom 07.12.1999 schlug die Beklagte der Klägerin eine sofort  in Vollzeit zu besetzende Tätigkeit als Packerin für die Verpackung von Tragetaschen im Schichtdienst bei der Firma .... -......., in .... vor; die Frühschicht sollte von 6.00 bis 14.30 Uhr und die Spätschicht von 14.00 bis 22.00 Uhr dauern. Die Beklagte bat die Klägerin, mit dem Zeugen..... umgehend einen Vorstellungstermin zu vereinbaren und ihr das Ergebnis ihrer Verhandlungen schriftlich, telefonisch oder persönlich mitzuteilen. Das Schreiben enthielt auf der Rückseite eine Rechtsfolgenbelehrung. Dort war unter anderem ausgeführt, dass gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eine Sperrzeit eintrete, falls das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch das Verhalten des Arbeitslosen verhindert werde.

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Am 10.12.1999 teilte die Klägerin schriftlich mit, sich bei der Firma .... zwar an diesem Tag beworben zu haben, allerdings dort nicht eingestellt worden zu sein. Als Grund gab sie an „mangels Fahrzeug, wohl bessere Mitbewerber“. Am 27.12.1999 führte sie ergänzend aus, sie habe sich dort am 08.12.1999 persönlich vorgestellt, aber der Arbeitgeber habe erklärt, „das wäre wohl nicht das Richtige“ für sie. Mit Schreiben vom 08.12.1999 teilte der Geschäftsführer der Firma .... , der Zeuge .... der Beklagten folgendes mit:

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„Frau ....   stellte sich heute bei dem Unterzeichner wie folgt vor:

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das Arbeitsamt hat mich vorbeigeschickt, ich muss mich hier wohl vorstellen, und dann auch noch Schicht, das ist schlecht,

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und überhaupt, das hier liegt ja ziemlich außerhalb.

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Das Verhalten der Frau ....   bedarf keiner weiteren Kommentierung.“

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Diesen Brief hat er unmittelbar nach der Vorsprache der Klägerin in seinem Betrieb verfasst. In dem Rückantwortbogen der Beklagten hatte er ausgeführt, die Klägerin wolle keine Schicht arbeiten und sähe keine Möglichkeit von R ... nach S.... zu kommen.

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Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2000  für die Zeit vom 09.12.1999 bis 01.03.2000 eine Sperrzeit fest, weil die Klägerin das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses mit der ......GmbH vereitelt habe, hob die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs 3 SGB III für die Zeit vom 09.12.1999 bis 31.12.1999 auf und begehrte Erstattung der während dieser Zeit zu Unrecht bezogenen Leistungen in Höhe von 635,49 DM. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Widerspruch und bestritt den ihr gemachten Vorwurf. Ergänzend führte sie aus, dass sie die Stelle auf jeden Fall habe annehmen wollen und sie dies ihrem Gesprächspartner auch unmissverständlich mitgeteilt habe. Sie habe hierbei auch mitgeteilt, dass sie keine Einwände gegen einen Schichtdienst habe und die schlechte Bahnverbindung von R.... nach S.... unerheblich sei, weil ihr Mann sie nach der Spätschicht abholen würde. Außerdem wies sie darauf hin, dass sie bei dem Vorstellungsgespräch einen „teuren Mantel“ getragen habe und ihre „Fingernägel lang und rot lackiert“ gewesen seien und sie vermute, dass dies für den Zeugen A... nicht zum Erscheinungsbild einer Warenpackerin im Schichtdienst gepasst habe. Demgegenüber verwies Herr A... auf eine ergänzende Anfrage der Beklagten auf seine schriftliche Stellungnahme vom 08.12.1999 und betonte noch einmal, es sei die von der Klägerin beim Gespräch zum Ausdruck gebrachte Einstellung, die seiner Ansicht nach nicht zum Bild einer ernsthaft Arbeit suchenden Bewerberin gepasst habe.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.2000 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter erneuter Bezugnahme auf § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III als unbegründet zurück.

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Am 28.08.2000 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) Klage erhoben.

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Das SG hat der Klägerin Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist gemäß § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gewährt und nach Anhörung der Klägerin sowie der Vernehmung ihres Ehemannes und des Zeugen A.... mit Urteil vom 07.05.2002 die Klage abgewiesen.

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Gegen das ihr am 14.05.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.06.2002 Berufung eingelegt.

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Sie trägt vor:

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Es sei richtig, dass sie sowohl die  körperlichen als auch psychischen Voraussetzungen und die erforderlichen Fachkenntnisse zur Ausübung der ihr angebotenen Tätigkeit als Warenpackerin mitbringe. Allerdings bestreite sie mit Nachdruck, die Rücknahme des Arbeitsplatzangebotes durch den Zeugen A..... bewusst und willentlich provoziert zu haben. Vielmehr habe sie sich bei dem Vorstellungsgespräch ernsthaft bemüht, die ihr angebotene Arbeitsstelle auch zu bekommen. Das SG gehe bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt aus und gelange deshalb auch zu einem unrichtigen Ergebnis. Ihr könne nicht, wie dies das SG gemacht habe, angelastet werden, dass sie zu dem Bewerbungsgespräch keine Bewerbungsunterlagen mitgebracht habe. Sie sei hierzu aufgrund ihres beruflichen Werdeganges gar nicht in der Lage gewesen. Auch die sonstigen Darlegungen des SG überzeugten nicht. Insbesondere werde die offensichtliche Antipathie, mit der ihr der Zeuge A... beim Vorstellungsgespräch begegnet sei, übersehen. Er habe sich ersichtlich durch ihre rot lackierten Fingernägel und den von ihr getragenen Pelzmantel provoziert gefühlt. Dies allein sei der Grund dafür gewesen, dass sie die Arbeitsstelle nicht bekommen habe. Es sei zwar richtig, dass sie, um das Gespräch mit dem Zeugen A... zu beginnen, auf das Arbeitsangebot des Arbeitsamtes Bezug genommen habe, aber es sei doch üblich, dem potentiellen Arbeitgeber mitzuteilen, auf welche Art und Weise man auf das Arbeitsangebot aufmerksam geworden sei. Warum der Zeuge A.... dies missverstanden habe, verstehe sie nicht. Offensichtlich habe er ihr gegenüber Vorbehalte gehabt. Ihren Vortrag könne jedenfalls ihr geschiedener Ehemann bezeugen. Dessen Aussage habe das SG bei seiner Entscheidung nicht angemessen berücksichtigt.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 07.05.2002 – S 1 AL 338/00 – und den Bescheid der Beklagten vom 07.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09.06.2000 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sie sich auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der die Klägerin betreffenden Leistungsakte der Beklagten (Stammnummer 109152) Bezug genommen. Er ist Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat hat über die Berufung der Klägerin nach dem ihm eingeräumten Ermessen gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG durch Beschluss entschieden, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu durch Hinweis der Berichterstatterin des Senats vom 19.08.2002 gehört worden. Gesichtspunkte, von der angekündigten Verfahrensform abzuweichen, haben sich nicht ergeben.

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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2000 ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei hat die Beklagte eine 12-wöchige Sperrzeit festgestellt und von der Klägerin die Erstattung der von ihr in der Zeit vom 09.12.1999 bis 31.12.1999 bezogenen Alhi in Höhe von 635,49 DM verfügt.

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In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hat das SG die für den streitigen Bescheid als Rechtsgrundlage in Betracht zu ziehenden verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Vorschriften zutreffend genannt und dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in soweit gemäß §153 Abs. 2 SGG auf diese Urteilsgründe verwiesen. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin sowie der vom Senat durchgeführten eigenen Überprüfungen des gesamten Sachverhaltes sind die angegriffene sozialgerichtliche Entscheidung und die streitigen Bescheide der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.

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Ergänzend weist der Senat noch auf folgendes hin:

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Richtige Klageart ist vorliegend die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG. Würde der  Bescheid vom 07.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2000 aufgehoben werden, stünde der Klägerin Alhi nach dem Bewilligungsbescheid vom 06.09.1999 bis zum 30.06.2000 zu. In diesem Fall wäre sie nicht zur Erstattung der von ihr in der Zeit vom 09.12.2000 bis 31.12.2000 bezogenen Alhi in Höhe von 635,49 DM verpflichtet.

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Die Klägerin hat das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma W.... in S.... auch vereitelt. Das Vereiteln des Zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses ist eine Form der konkludenten Ablehnung eines Arbeitsangebotes. Aus dem Verhalten des Arbeitslosen muss der Schluss gezogen werden können, dass er die Arbeit nicht annehmen will. Dem objektiven Verhalten muss dabei der subjektive Tatbestand entsprechen, das vereitelnde Verhalten muss mit "Wissen und Wollen" geschehen (Eckert, GK-AFG, Rdnr. 33 zu § 19, Gagel, AFG-Kommentar, Anm. 231 zu § 119). Erforderlich ist, dass dem gesamten Verhalten des Arbeitslosen der eindeutige Wille entnommen werden kann, dass er nicht bereit ist, die angebotene Arbeit anzunehmen. Die Verhängung einer Sperrzeit ist zwar dann nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitslose dem Arbeitgeber gegenüber lediglich unbefangen seine Wünsche, etwa Gehalts- oder Urlaubsvorstellungen, äußert oder wenn er ihn auf nahe liegende Umstände aufmerksam macht, etwa auf gesundheitliche Beeinträchtigungen, die Auswirkungen auf die angebotene Arbeit haben können. Dies gilt jedoch nicht, wenn er durch eine übertriebene Schilderung seiner schlechten Eigenschaften oder durch eine spontane, unberechtigte negative Bewertung der Arbeitsbedingungen und der Erreichbarkeit  der potentiellen Arbeitsstätte den Arbeitgeber dazu veranlasst, ihn nicht einzustellen.

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Hiervon ist vorliegend auszugehen.

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Dem Verhalten der Klägerin bei dem Vorstellungsgespräch am 08.12.1999 war objektiv und subjektiv zu entnehmen, dass sie insbesondere wegen der Arbeitszeiten und der Entfernung und Lage der Betriebsstätte zu ihrem Wohnort nicht bereit war, die angebotene Arbeit anzunehmen.

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Im Tatsächlichen geht der Senat davon aus, dass sich die Klägerin beim Vorstellungsgespräch mit dem Zeugen A.... in dem von diesem in seinem unmittelbar nach dem Gespräch mit der Klägerin verfassten Schreiben vom 08.12.1999 geschilderten Sinn geäußert hat. Davon ist der Senat überzeugt aufgrund der schriftlichen Äußerung des Arbeitgebers und aufgrund der Zeugenaussage des Herrn A.... in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 07.05.2002. Der Arbeitgeber hat in seiner ersten schriftlichen Äußerung gegenüber dem Arbeitsamt angegeben, die Klägerin wolle keinen Schichtdienst verrichten und sehe darüber hinaus keine Möglichkeit, die Arbeitsstätte in Sinzig zu erreichen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Arbeitgeber diese Begründung wählen sollte, wenn die Klägerin ihm gegenüber nicht in der von ihm geschilderten Art und Weise aufgetreten wäre. Von daher hat die zwar knappe, aber eindeutige erste schriftliche Äußerung des Arbeitgebers einen hohen Überzeugungswert. Der Zeuge A.... hat sich bei seiner Vernehmung zwar nicht mehr an die Klägerin, wohl aber an den damaligen Vorfall erinnern können. Er hat für den Senat vor dem SG überzeugend bestätigt, dass er sich über die Klägerin geärgert hatte, weil sie ihm den Eindruck vermittelt hatte, dass sie tatsächlich keine Arbeit suche und er auch nur deshalb den Rückantwortbogen ausgefüllt habe. Ob der Eindruck des Zeugen A.... auch aufgrund des von der Klägerin selbst geschilderten äußeren Erscheinungsbildes verstärkt wurde, bedarf keiner näheren Erörterung. Ausreichend ist insoweit, dass der Zeuge A.... die Überzeugung aufgrund der Äußerungen der Klägerin gewonnen hat. Die zögerlichen und negativen Äußerungen sprachen aus seiner und der  Sicht eines objektiven Betrachters nicht für einen ernsthaften Arbeitswunsch. Ob die Auffassung des SG, die Klägerin habe zudem zu dem Vorstellungstermin keine Bewerbungsunterlagen mitgebracht, zutreffend ist, bedarf keiner Erörterung. Nach Ansicht des Senats ist dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungsrelevant.

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Der erneuten Vernehmung des geschiedenen Ehemannes der Klägerin bedurfte es nicht. Seine vor dem SG getätigte Aussage kann als wahr unterstellt werden, allerdings kommt ihr ein geringerer Beweiswert zu als der Aussage des Zeugen .... Der geschiedene Ehemann war bei dem streitentscheidenden Gespräch zwischen der Klägerin und dem Zeugen A.... nicht anwesend und ist lediglich ein Zeuge vom „Hörensagen“. Bei seiner Vernehmung vor dem SG hat er seine eigene Schlussfolgerung, er habe den Eindruck gehabt, dass die Klägerin an der angebotenen Tätigkeit interessiert gewesen sei, wiedergegeben. Dies ist eine Vermutung, die indes in einem evidenten Widerspruch zu dem persönlichen Eindruck, den der Zeuge A.... anlässlich des mit der Klägerin geführten Gesprächs gewonnen hatte, steht. Soweit der geschiedene Ehemann vor dem SG weiter darauf hingewiesen hat, die Klägerin sei „sehr gedrückt und traurig“ von dem Gespräch mit dem Zeugen A.... wiedergekommen, so kann der Senat auch dies als wahr unterstellen. Dieser subjektive Eindruck besagt aber nicht, dass sich die Klägerin nicht in der vom Zeugen A.... geschilderten, streitentscheidenden und von ihm entsprechend interpretierten Art und Weise geäußert hat, zumal die vom Ehemann bemerkte Traurigkeit und Bedrücktheit der Klägerin vielfältige Ursachen haben kann. Ebenso als wahr unterstellen kann der Senat die weiteren Angaben des geschiedenen Ehemannes, wonach die Klägerin auf Arbeitssuche gewesen sei und sich über das konkrete Arbeitsangebot gefreut habe.  Dies mag  ebenfalls zutreffen, widerlegt indes nicht die vom Zeugen A.... aufgrund des Gesprächs gezogene Schlussfolgerung.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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