Urteil vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - L 1 AL 125/03
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 4.9.2003 - S 11 AL 27/02 - aufgehoben, soweit die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 12.11.2001 bis zum 15.12.2001 verurteilt worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit.
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Der 1967 geborene Kläger war vom 16.8. bis zum 31.12.1999 und ab 13.3.2000 als Kraftfahrer bei der B OHG (B. OHG) beschäftigt. Das vereinbarte monatliche Arbeitsentgelt war in Höhe eines Abschlags von 2000 DM zum 30. eines Monats fällig. Der Restbetrag sollte bis zum 10. des jeweiligen Folgemonats gezahlt werden. Das unbefristete Arbeitsverhältnis kündigte der Kläger am 7.3.2001 zum 21.3.2001. Anschließend war er aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses vom 22.3. bis zum 22.9.2001 bei der Dr. C GmbH und Co. & KG (C. GmbH) als Kraftfahrer tätig.
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Nachdem sich der Kläger am 24.9.2001 arbeitslos gemeldet und die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) beantragt hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 8.11.2001 den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen für die Zeit vom 23.9. bis zum 15.12.2001, das Ruhen des Anspruchs auf Alg während dieses Zeitraums und eine Minderung der Anspruchsdauer um 90 Tage fest. Der Kläger, der erneut vom 12.11. bis zum 20.12.2001 eine Beschäftigung als Kraftfahrer ausgeübt hat, erhob hiergegen Widerspruch, machte verspätete Lohnzahlungen der B. OHG geltend und legte eine Bescheinigung der C. GmbH vom 15.11.2001 vor, wonach bei Abschluss des Arbeitszeitvertrages beabsichtigt gewesen sei, „das befristete Arbeitsverhältnis nach dessen Ablauf in ein festes Arbeitsverhältnis umzuwandeln", die „wirtschaftliche Lage" dies aber nicht erlaubt hätte. Mit Widerspruchsbescheid vom 3.1.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis sei nicht zugesagt worden. Verspätete Lohnzahlungen seien nicht nachgewiesen.
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Das Sozialgericht Koblenz (SG) hat mit Urteil vom 4.9.2003 der Klage stattgegeben, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 23.9. bis zum 15.12.2001 zu gewähren. Die wesentliche Ursache für den Eintritt der Arbeitslosigkeit sei nicht in der Kündigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses, sondern in der Entscheidung der C. GmbH zu erblicken, das befristete Arbeitsverhältnis nicht fortzuführen. Der Kläger habe von der Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses ausgehen können. Diese sei nur an betriebswirtschaftlichen Erwägungen gescheitert.
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Gegen das ihr am 11.9.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1.10.2003 Berufung eingelegt.
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Sie trägt vor, der Kläger habe erkennen müssen, dass mit Ablauf der Befristung Arbeitslosigkeit eintreten werde. Konkrete Aussichten auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses oder eine Festanstellung hätten nicht bestanden. Auf die verspäteten Lohnzahlungen könne sich der Kläger ohne vorherige Abmahnung des Arbeitgebers nicht berufen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 4.9.2003 - S 11 AL 27/02 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, die verspäteten Lohnzahlungen der B. OHG hätten die Kündigung gerechtfertigt. Im Übrigen hätte objektiv eine konkrete Aussicht auf Übernahme in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis bestanden.
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Der Senat hat die Kontoauszüge des Klägers über die Lohnzahlungen der B. OHG für die Zeit ab April 2000 beigezogen. Auf seine Anfrage hat die C. GmbH mit Schreiben vom 5.2.2004 mitgeteilt, dass aufgrund der unsicheren Auftragslage ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen worden sei. Wegen der „Hoffnung auf beständige Auftragseingänge" hätte sie aber mit der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gerechnet. Diese sei dem Kläger „bei entsprechender Eignung und Auftragslage" in Aussicht gestellt worden.
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Zur Ergänzung des Sach- Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als das SG die Beklagte zur Zahlung von Alg für die Zeit vom 12.11. bis zum 15.12.2001 verurteilt hat. Im Übrigen hat das SG der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.1.2002 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der für die Zeit vom 23.9. bis zum 11.11.2001 geltend gemachte Anspruch auf Alg steht ihm zu.
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Hat der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und hat er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, tritt nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung (i.d.F.) des Arbeitsförderungs- Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I S. 594) eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ein. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier nicht erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis rechnen konnte und die Arbeitslosigkeit verschuldet hat. Außerdem braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob zwischen der Lösung des mit der B. OHG begründeten Beschäftigungsverhältnisses und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ein kausaler Zusammenhang besteht. Jedenfalls war die Arbeitsaufgabe durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt.
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Eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 5.11.1998 - B 11 AL 5/98 R, SozR 3-4100 § 119 Nr. 16). Ein wichtiger Grund ist daher immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt ist. Das ist unter anderem der Fall, wenn - wie hier - die Nichtzahlung des Lohnes eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug mit den Lohnzahlungen sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer diese Vertragsverletzung abgemahnt hat (vgl. BAG, Urteil vom 26.7.2001 - 8 AZR 739/00, AP BGB § 628 Nr. 13). Auf den zwischen dem Kläger und der B. OHG vereinbarten Arbeitslohn sollte bis zum 30. eines Monats ein Abschlag in Höhe von 2000 DM gezahlt werden. Der Restbetrag sollte bis zum 10. des jeweiligen Folgemonats erbracht werden. Sowohl der Abschlag als auch die Restvergütung ist dem Kläger jedoch über Monate hinweg erheblich verspätet zugeflossen. Die Abschlagszahlungen für die Monate Juli und August 2000, Oktober bis Dezember 2000 sowie Februar und März 2001 sind auf dem Gehaltskonto des Klägers am 3.8., 4.9., 2.11. und 1.12.2000 sowie am 4.1., 6.3., 14.3. und 10.4.2001 und damit bis zu 14 Tagen nach der vereinbarten Fälligkeit gebucht worden. Die geleisteten Restzahlungen sind dem Konto des Klägers erst am 31.8., 24.9., 21.11. und 19.12.2000 sowie am 24.1. und 23.4.2001 und daher zwischen 9 und 21 Tagen zu spät gutgeschrieben worden. Angesichts dieser Zahlungsrückstände über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten war dem Kläger, der nach seinem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen eine vertragsgemäße Entlohnung bei der B. OHG angemahnt hat, die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar.
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Da sich der Kläger auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III berufen kann, hat der Anspruch auf Alg nicht geruht. Allerdings steht ihm die Sozialleistung nur vom 23.9. bis zum 11.11.2001 zu. Anspruch auf Alg haben nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.d.F. des AFRG nur Arbeitnehmer, die arbeitslos sind; arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigungsverhältnis steht (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 SGB III i.d.F. des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I S. 2970). Daran fehlt es vorliegend für die Zeit vom 12.11. bis zum 15.12.2001. Während dieses Zeitraums hat der Kläger eine Vollzeitbeschäftigung ausgeübt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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Referenzen
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