Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (5. Senat) - L 5 KN 5/03

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Juni 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die der Klägerin nach dem Fremdrentengesetz (FRG) dem Grunde nach zuerkannte große Witwenrente auszuzahlen hat.

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Die 1924 geborene Klägerin lebte zusammen mit ihrem Ehemann, dem 1918 geborenen und 1995 verstorbenen Versicherten Heinrich L., als deutsche Volkszugehörige in der ehemaligen Sowjetunion/GUS/Russland. Am 27. Oktober 2000 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist laut Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) der Landeshauptstadt Kiel vom 1. Februar 2001 als Spätaussiedlerin i. S. d. § 4 BVFG anerkannt.

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Mit Bescheid vom 23. November 2001 bewilligte ihr die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Regelaltersrente (RAR) aus eigener Versicherung ab 27. Oktober 2000. Dieser Rente lagen Entgeltpunkte (EP) für FRG-Zeiten zu Grunde, die nach § 22 b FRG auf 25 begrenzt angerechnet wurden.

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Am 10. November 2000 stellte die Klägerin einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 14. Juni 2001 entschied die Beklagte, dass ein Anspruch auf große Witwenrente dem Grunde nach bestehe, eine Rente jedoch nicht gezahlt werde, weil anrechenbare Zeiten nach dem FRG auf 25 EP begrenzt seien und diese bereits in der von der BfA gewährten RAR berücksichtigt würden.

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Mit ihrem deswegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend: Sie und ihr Ehemann hätten ein Leben lang gearbeitet. Eine Rente in Höhe von 584,76 € sei dafür zu wenig.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Gemäß § 97 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) habe eine Anrechnung von Einkommen auf Renten wegen Todes zu erfolgen. Die von der BfA gezahlte RAR sei als Einkommen im Sinne von § 18a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) zu berücksichtigen. Auf Grund der durch § 22 b FRG gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzung von Renten aus FRG-Zeiten gelange die große Witwenrente nicht zur Auszahlung.

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Wegen dieses Bescheides hat die Klägerin am 5. April 2002 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Kiel erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.

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Sie hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Witwenrente zu gewähren.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat sich im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide bezogen.

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Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 4. Juni 2003 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen nach ihrem verstorbenen Ehemann zu gewähren, begrenzt auf insgesamt 40 EP aus ihrer eigenen Rente und den Hinterbliebenenleistungen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei den nach § 22 b FRG gezahlten Renten handele es sich grundsätzlich weiterhin um Renten, die wie üblich zu ermitteln seien und die lediglich in der Höhe begrenzt seien. Die Begrenzung auf höchstens 25 EP gelte nach dem Wortlaut des § 22 b FRG nur für die eigenen Renten des Betroffenen, nicht aber für Renten, die auf den Beitragszeiten Dritter beruhten. Nur wenn die Renten nach den FRG eine reine Fürsorgeleistung wären, wäre eine andere Auslegung möglich. Hiergegen spreche jedoch, dass diese Renten - von der Höchstbegrenzung abgesehen - wie ganz normale Renten ermittelt würden. Die Einbeziehung von Hinterbliebenenleistungen in die Regelung über die Begrenzung der Renten auf höchstens 25 EP werde dem Zweck der Hinterbliebenenrente, nämlich einem gesetzlich unterstellten und nicht konkret nachzuweisenden Ausfall der Unterhaltsleistung durch den verstorbenen Versicherten zu kompensieren, nicht gerecht. Die von der Beklagten vorgenommene Begrenzung sei damit nicht gerechtfertigt. Allerdings sei in entsprechender Anwendung des § 22 b Abs. 3 FRG die Höhe der beiden Renten zusammen auf insgesamt 40 EP zu begrenzen. Es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, wenn eine Hinterbliebene insgesamt höhere Rentenleistungen erhalten könne, als sie ihr und ihrem verstorbenen Ehemann zu dessen Lebzeiten hätten zustehen können.

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Gegen dieses am 28. Juli 2003 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, welche am 27. August 2003 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger regele § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG auch die Begrenzung auf insgesamt 25 EP beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten. Die Gesetzesbegründung stelle darauf ab, dass sich durch § 22 b FRG der Rentenanteil aus Zeiten nach dem FRG für Berechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ab dem 7. Mai 1996 in Deutschland genommen hätten oder noch nähmen, an der Höhe der Eingliederungshilfe, bei Ehepartnern und Berechtigten, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebten, am 1,6fachen der Eingliederungshilfe orientiere. Die Höhe der Eingliederungshilfe, die arbeitslosen Spätaussiedlern sechs Monate lang gewährt werden könne, entspreche in etwa einer Monatsrente aus 25 EP. Für Ehepartner und für in eheähnlicher Gemeinschaft lebende Personen sollten die Renten aus FRG-Zeiten auf zusammen höchstens 40 EP begrenzt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Hinterbliebene anders habe behandeln wollen als andere Alleinstehende. Würde man § 22 b Abs. 1 FRG nur auf die jeweilige Einzelrente anwenden, so könnten Hinterbliebene insgesamt 50 EP als FRG-Zeiten erhalten. Deren FRG-Renten würden damit - nach Berücksichtigung des Rentenartfaktors für die Witwen- bzw. Witwerrenten von 0,6 - den Gesamtrenten von Verheirateten entsprechen. Für eine solche Besserstellung ergebe sich kein sachlich gerechtfertigter Grund. Eine Orientierung an der Höhe der Eingliederungshilfe sei bei Alleinstehenden vielmehr nur dann gewährleistet, wenn die Begrenzung auf 25 EP für alle FRG-Renten gelte. § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG bestimme in diesem Zusammenhang die vorrangige Berücksichtigung der EP aus der Rente mit dem höheren Rentenartfaktor. Die Vorschrift ergebe nur Sinn, wenn sie sich auf das Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten, also Renten unterschiedlicher Art, beziehe. Eine Gleichbehandlung von Hinterbliebenenrentnern mit eigenen Ansprüchen bzw. ohne eigene Ansprüche auf Versichertenrente existiere selbst im allgemeinen Rentenrecht nicht. Durch die Einkommensanrechnung könne auch dort die Versichertenrente zur Minderung der Hinterbliebenenrente bis auf "0" führen. Die vergleichbaren Personengruppen seien nicht an der Art der Rentenansprüche zu messen, sondern an der Stichtagsregelung (Zuzug nach Deutschland bis zum 6. Mai 1996 oder später) und der daraus resultierenden Nichtanwendung oder Anwendung des § 22 b FRG. Im letztgenannten Falle orientierten sich die Rentenleistungen am Bedarf. Dieser werde von der Person bestimmt und sei unabhängig davon, wie viele einzelne Rentenansprüche sie besitze. Es seien folglich keine aus Wortlaut, Sinn und Zweck oder Systematik des SGB VI bzw. FRG herzuleitenden Gründe ersichtlich, die einer Kürzung der FRG-EP in der Hinterbliebenenrente beim Zusammentreffen mit einer Versichertenrente entgegenstünden. Die rückwirkende Änderung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG zum 7. Mai 1996 durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1791) bestätige die Rechtsauffassung der Beklagten. Nach der Amtlichen Begründung handele es sich um eine Klarstellung.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Juni 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf dessen Entscheidungsgründe. Ergänzend trägt sie vor: Es sei höchstrichterlich unmissverständlich klargestellt worden, dass § 22 b FRG auf Grund der besonderen Funktion der Hinterbliebenenrente nicht zur Anwendung komme, wenn eine solche mit einem Recht auf Rente aus eigener Versicherung zusammentreffe. Die Witwe eines "Spätaussiedlers", noch dazu eine deutsche Staatsangehörige, dürfe nicht anders behandelt werden als Witwen anderer Personen. Aus § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG ergebe sich nichts anderes. Hier gehe es nämlich um anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz. Die große Witwenrente der Klägerin beruhe jedoch nicht auf anrechenbaren Zeiten nach diesem Gesetz, sondern auf der Rente des Ehemannes. Es sei daher § 46 SGB VI anzuwenden. Es sei nicht haltbar, dass die Beklagte entgegen einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) das Gesetz immer noch anders interpretiere mit der schlichten Begründung, dass die höchstrichterliche Auffassung als nicht zutreffend erachtet werde. § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG i. d. F. durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz sei nicht anwendbar. Diese Norm sei verfassungswidrig. Der Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente sei bereits bestandskräftig festgestellt worden und dadurch unter den Schutz des Art. 14 Grundgesetz (GG) gefallen. Es handele sich nach wie vor nicht um einen Anspruch aus dem FRG, sondern um einen Versorgungsanspruch. Der Gesetzgeber habe auch nicht die Kompetenz, über die Auslegung einer Norm rückwirkend zu bestimmen. Er habe eine Regelung mit echter Rückwirkung geschaffen, die sich an den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes messen lassen müsse. Den insoweit zu beachtenden Kriterien werde sie nicht gerecht.

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Die die Klägerin betreffenden Gerichts- und Verwaltungsakten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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A. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

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B. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (vgl. § 143 SGG) und bedarf keiner Zulassung, weil sie laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Frist und Form (vgl. §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 1 SGG) sind gewahrt.

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C. Zu entscheiden ist nur noch darüber, ob die Beklagte die Auszahlung der großen Witwenrente der Klägerin ablehnen darf, weil diese bereits RAR aus eigener Versicherung bezieht, welche der Höhe nach einer Rente mit 25 EP entspricht. Dass der Anspruch der Klägerin aus eigener Versicherungsrente und abgeleiteter Hinterbliebenenrente zumindest auf 40 EP begrenzt ist, ist hingegen nicht mehr streitbefangen, weil die insoweit beschwerte Klägerin gegen das Urteil des SG keine Berufung eingelegt hat.

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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil vom 4. Juni 2003 hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des SG verletzt der Bescheid vom 14. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2002 die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung von Hinterbliebenenrente nicht zusteht.

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Hat die Beklagte – wie hier – einen Anspruch auf große Witwenrente dem Grunde nach bindend festgestellt, so folgt daraus grundsätzlich der Anspruch der Witwe auf Auszahlung der Leistung. Die Beklagte darf diese nur verweigern, wenn ihr hierfür eine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht. Das ist hier der Fall.

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I. Da die Klägerin als Spätaussiedlerin i. S. d. § 4 BVFG anerkannt ist, richtet sich ihr Begehren nach dem FRG (vgl. § 1 Buchst. a FRG).

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Rechtsgrundlage der Entscheidung der Beklagten ist § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG i. d. F. (nachfolgend: n. F.) durch Art. 9 Nr. 2 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes. Diese Vorschrift ist gemäß Art. 15 Abs. 3 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes rückwirkend zum 7. Mai 1996 in Kraft getreten. Sie ersetzt mithin nach dem Willen des Gesetzgebers den zuvor - ebenfalls mit Rückwirkung zum 7. Mai 1996 - durch Art. 3 Nr. 5, Art. 12 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsgesetz – WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1461) eingeführten und durch Art. 12 Nr. 2, Art. 33 Abs. 7 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 – RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I. S. 2998) um Abs. 1 Satz 3 ergänzten ursprünglichen § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG (nachfolgend. a. F.) von Anfang an.

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Nach § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. FRG werden für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrundegelegt. Bei Berücksichtigung dieser Regelung steht der Klägerin, die bereits RAR aus eigener Versicherung bezieht, der 25 EP zugrunde liegen, deshalb kein Anspruch auf Auszahlung von großer Witwenrente zu. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.

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II. Nach Auffassung des Senats ist § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. FRG im vorliegenden Falle auch anzuwenden.

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Allerdings stellt sich die Neufassung der Vorschrift durch Art. 9 Nr. 2 des Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzes und insbesondere ihre rückwirkende Inkraftsetzung durch Art. 15 Abs. 3 des Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzes als eine sog. retroaktive Rückwirkung dar. Ob diese als echte Rückwirkung (vgl. die Rspr. des 1. Senat des BVerfG - BVerfGE 57, 361, 391; 63, 152, 175; 72, 175, 196; 89, 48, 66) oder als Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. die Rspr. des 2. Senats des BVerfG - BVerfGE 63, 343, 353; 72, 302, 321) zu bezeichnen ist, kann dahinstehen. Denn auch unter Zugrundelegung der formaleren Betrachtungsweise (vgl. hierzu im einzelnen Papier in SGb 1994, 105, 107) liegt hier eine retroaktive Rückwirkung vor. Das gilt unabhängig davon, ob § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. FRG als Neuregelung oder – wie in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 15/2149, S. 31 zu Art. 8 Nr. 2) – als Klarstellung hinsichtlich der Anwendung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG verstanden wird. Eine Rechtsnorm entfaltet immer dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem diese Norm rechtlich existent, also gültig wird. Die maßgebliche Grenze stellt bei dieser Betrachtungsweise der Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes dar. Liegt der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs eines Gesetzes vor diesem Zeitpunkt, so handelt es sich um ein rückwirkendes Gesetz. Das ist hier der Fall. Durch Art. 15 Abs. 3 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes wird der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift normativ auf den 7. Mai 1996 festgelegt, also auf einen Zeitpunkt, der vor Verkündung des Gesetzes am 26. Juli 2004 lag.

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Die retroaktive Rückwirkung eines Gesetzes ist nur ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig. Im Falle des § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. FRG ist sie nach Auffassung des Senats ausnahmsweise gerechtfertigt, weil sie die zuvor bestehende Rechtslage nicht ändert (nachfolgend unter 1) und selbst dann, wenn dies der Fall wäre, kein Vertrauensschutz der Klägerin bestünde (nachfolgend unter 2).

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1) Vor Inkrafttreten des § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. FRG richtete sich der streitige Anspruch nach § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG. Diese Vorschrift war im Falle der Klägerin anwendbar, weil diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht vor dem 7. Mai 1996 genommen hat (vgl. Art. 6 § 4b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes i. d. F. durch Art. 4 Nr. 3 WFG).

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Der Senat ist weiterhin der Überzeugung, dass auch die durch § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG angeordnete Begrenzung der anrechenbaren Zeiten nach dem FRG auf 25 EP nicht nur Renten aus eigener Versicherung betraf, sondern ebenso vorzunehmen war, wenn dem Begünstigten neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente zustand (vgl. bereits das Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 - L 5 KN 2/02; ebenso: LSG NW vom 30. Juli 2003 - L 8 RJ 64/03; LSG BW vom 29. Oktober 2003 – L 3 RJ 2485/03; SG Mannheim vom 27. November 2002 - S 9 RJ 2074/02; SG Dortmund vom 24. März 2003 - S 46 (15) RJ 278/02; SG Düsseldorf vom 9. September 2003 - S 15 RJ 275/02; SG Berlin vom 29. März 2004 –S 18 KN 25/03). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. insbesondere: BSGE 88, 288; BSG vom 11. März 204 – B 13 RJ 44/03 R; BSG vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 10/03 R, derzeit allerdings nur als Vorabdokumentation zugänglich), wonach im letztgenannten Falle keine Begrenzung der anrechenbaren Zeiten auf 25 EP stattfand, vermag er sich nicht anzuschließen.

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§ 22 b a. F. FRG lautete:

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"(1) Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zugrunde gelegt. Hierbei sind zuvor die Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,3333 zu multiplizieren. Entgeltpunkte aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen. (2) Die Entgeltpunkte einer Rente mit anrechenbaren Zeiten nach diesem Gesetz werden ermittelt, indem die Summe aller Entgeltpunkte um die Entgeltpunkte vermindert wird, die sich ohne Berücksichtigung von anrechenbaren Zeiten nach diesem Gesetz ergeben. (3) Bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Renten nach den Absätzen 1 und 2 festgestellt worden sind, werden höchstens insgesamt 40 Entgeltpunkte zugrunde gelegt. Diese werden auf die Renten in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die sich nach Anwendung von den Absätzen 1 und 2 jeweils ergebenden Entgeltpunkte zueinander stehen, höchstens jedoch 25 Entgeltpunkte für einen Berechtigten."

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Gemäß § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG waren mithin für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für einen Berechtigten höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde zu legen. Da die Klägerin bereits RAR aus eigenem Recht erhielt, welche der Höhe nach einer Rente mit 25 EP (bei Anwendung eines Rentenartfaktors von 1,0; vgl. § 67 Nr. 1 SGB VI) entsprach, konnte also die daneben bestehende - ausschließlich auf nach dem FRG berechneten EP beruhende - große Witwenrente nicht zur Auszahlung kommen. Anderenfalls wäre der Höchstwert von Leistungen auf der Grundlage von 25 EP überschritten worden.

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Dieses Normverständnis entspricht sowohl dem Wortlaut (nachfolgend unter a), als auch dem Bedeutungszusammenhang (nachfolgend unter b), als auch den Regelungsabsichten, Normvorstellungen und Zwecken des Gesetzgebers (nachfolgend unter c), als auch objektiv-teleologischen Kriterien, insbesondere verfassungskonformer Auslegung (nachfolgend unter d). Es führt auch nicht dazu, dass Hinterbliebene nur Inhaber eines "leeren Rechts auf Witwenrente" sind (nachfolgend unter e).

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a) Der - Ausgangspunkt und Grenzen der Auslegung bestimmende - Wortlaut des § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG stand einer Anwendung der Vorschrift auf Hinterbliebene nicht entgegen. Die gegenteilige Interpretation, wonach der dort verwendete Begriff des „Berechtigten„ Hinterbliebene ausschließt (vgl. BSGE 88, 288; offengelassen in BSG vom 11. März 204 – B 13 RJ 44/03 R), hält der Senat nach wie vor für unzutreffend (vgl. bereits das Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 - L 5 KN 2/02). Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist unter einem Berechtigten ohne weitere Eingrenzung jeder Inhaber eines Rechts zu verstehen. Auf Grund und Ursprung des Rechts kommt es nicht an. Ein hiervon abweichender besonderer gesetzlicher, insbesondere rentenrechtlicher Sprachgebrauch ist nicht ersichtlich: Auch das SGB VI verwendet den Begriff des Berechtigten umfassend für Versicherte und Hinterbliebene (vgl. §§ 110 ff. SGB VI). Dem FRG ist ebenfalls nichts dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber im Rahmen dieses Gesetzes einen engeren Bedeutungsgehalt hat zugrundelegen wollen.

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b) Aus dem Bedeutungszusammenhang zwischen § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG und §§ 14, 14 a und 31 FRG sowie § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG musste vielmehr auf das Gegenteil geschlossen werden.

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(aa) In § 31 FRG werden als Berechtigte allgemein Personen bezeichnet, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Das schließt Anspruchsinhaber aus abgeleitetem Recht ein. § 14 regelt ausdrücklich, dass sich "die Rechte und Pflichten der nach diesem Abschnitt Berechtigten grundsätzlich nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften" (d. h. denjenigen des SGB VI und des SGB IV) richten. Das kann - da einerseits gemäß § 1 Buchst. e FRG auch Hinterbliebene zu dem durch das FRG begünstigten Personenkreis zählen, andererseits der III. Abschnitt in der hier maßgeblichen, am 27. Oktober 2000 geltenden Fassung aber keine weiteren Vorschriften zu Hinterbliebenenrenten enthielt – nicht anders verstanden werden, als dass auch Hinterbliebene Berechtigte i. S. d. FRG sein sollen. Anderenfalls würde es an jeglicher Rechtsgrundlage für Leistungen an diese fehlen. Die Richtigkeit der hier vertretenen Auslegung wird schließlich durch den ab 1. Januar 2002 geltenden § 14 a Satz 2 FRG bestätigt, welcher Empfänger von Renten wegen Todes nunmehr sogar ausdrücklich als Berechtigte bezeichnet.

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Sind aber nach alledem im Rahmen der §§ 14, 14 a und 31 FRG auch Hinterbliebene unter den Berechtigtenbegriff zu subsumieren, so verdient diese Auslegung auch im Rahmen des § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG den Vorzug, weil sie die Wahrung der sachlichen Übereinstimmung mit den genannten Vorschriften desselben Gesetzes – hier sogar desselben Abschnitts – ermöglicht, welche grundsätzlich anzustreben ist (vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage 1983, S. 310).

42

Das Normverständnis der Gegenansicht ließe sich deshalb nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anweisung begründen. Eine solche Anweisung besteht jedoch nicht.

43

Sie ist – wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. das Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 - L 5 KN 2/02) - insbesondere nicht in der Verwendung des Begriffs der EP zu sehen. Zwar handelt es sich hierbei grundsätzlich um eine Rechengröße zur Berechnung von Versicherungsleistungen. Jedoch bedarf es ihrer auch zur Berechnung von Hinterbliebenenleistungen. Im Rahmen des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG dient sie überdies lediglich zur Definition des vom Gesetzgeber vorgegebenen – und in rentenrechtlichen Maßstäben ausgedrückten – Bedarfs (vgl. BT-Drucks. 13/8671, S. 121 zu Art. 12). Der Senat geht deshalb auch weiterhin davon aus, dass der Gesetzgeber, hätte er eine Anwendbarkeitsbegrenzung auf Renten aus eigener Versicherung regeln wollen, dies nicht durch den Terminus "EP", sondern durch den Terminus "Versicherter" verdeutlicht hätte (ebenso: LSG NW vom 30. Juli 2003 - L 8 RJ 64/03; LSG BW vom 29. Oktober 2003 - L 3 RJ 2485/03; SG Berlin vom 29. März 2004 - S 18 KN 25/03).

44

Aus der gesetzlichen Formulierung "anrechenbare Zeiten" in § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG folgt nichts anderes. Auch ihr ist nicht zu entnehmen, dass nur eigene Zeiten erfasst werden und abgeleitete Zeiten außer Betracht bleiben sollen. Zwar beruht der Wert der Hinterbliebenenrente nicht auf einer durch eigene Versicherungsleistung erworbenen individuellen Rangstelle, sondern leitet sich entsprechend ihrer Unterhaltsersatzfunktion aus der Rente des Versicherten ab. Auch die Bestimmung der Höhe der Hinterbliebenenrente setzt aber notwendigerweise die Feststellung der "anrechenbaren Zeiten" voraus. Der weitere Wortlaut des § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG ergibt dementsprechend lediglich, dass anrechenbare Zeiten "nach diesem Gesetz", also alle FRG-Zeiten gemeint sind (ebenso: LSG NW, LSG BW, SG Dortmund, SG Düsseldorf, SG Berlin a. a. 0.).

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(bb) Darüber hinaus spricht auch die Existenz des § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG für die Anwendung von § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG auf Hinterbliebenenrenten. Diese Vorschrift bestimmt, dass EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen sind. Dabei stellt sie ausdrücklich auf einen Vergleich der EP nach deren Zuordnung zu einer bestimmten Rente und nicht innerhalb derselben Rente ab. Daher sind knappschaftliche Besonderheiten hinsichtlich der EP mit abweichenden Rentenartfaktoren zu vernachlässigen, zumal bereits über § 22 b Abs. 1 Satz 2 FRG eine Angleichung vorgenommen werden muss. Es kommt also auf einen Vergleich verschiedener Renten an. Insoweit wird aber das Konkurrenzverhältnis von Renten aus eigener Versicherung bereits durch § 14 FRG i. V. m. § 89 Abs. 1 SGB VI geregelt. Klärungsbedürftig ist daher lediglich das Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenleistungen. Vor diesem Hintergrund hätte es der weiteren Kollisionsvorschrift des § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG nicht bedurft, wenn sie nicht auch Hinterbliebenenrenten hätte erfassen sollen. Daraus folgt, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch nebeneinander zu beanspruchende Renten aus eigenem und abgeleitetem Recht nach § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG begrenzt werden sollen (ebenso: LSG BW a. a. 0.; SG Berlin a. a. 0. m. w. N.).

46

c) Auch bei Berücksichtigung der Regelungsabsichten, Normvorstellungen und Zwecke des Gesetzgebers (sog. historisch-teleologische Auslegung) waren Hinterbliebene als Berechtigte i. S. d. § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG anzusehen.

47

(aa) Das ergibt sich bereits aus der insoweit vorrangig zu berücksichtigenden Gesetzesbegründung zu § 22 b a. F. FRG. Diese definiert zwar nicht den Begriff des Berechtigten. Sie enthält jedoch sonstige Absichtserklärungen, aus denen sich Folgerungen für die Begriffsausdeutung ziehen lassen.

48

Danach hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Vorschrift einen Systemwechsel hinsichtlich der Gewährung von FRG-Leistungen vornehmen wollen: Bis zum 6. Mai 1996 waren Spätaussiedler so behandelt worden, als ob sie während ihrer Erwerbstätigkeit im Aussiedlungsgebiet nach den Bestimmungen des SGB VI beitragsrelevant versichert gewesen und anschließend beitragslos in das deutsche Rentenversicherungssystem integriert worden wären. Deshalb wurde der Wert ihres subjektiven Rechts auf Rente insbesondere nach den im Erwerbsleben erreichten Arbeitsverdiensten und der sich auf dieser Grundlage ergebenden Rangstelle bestimmt. Dieses sogenannte Eingliederungsprinzip beruhte auf dem Gesichtspunkt der Solidarität der bundesdeutschen Versicherten mit Arbeitnehmern, die infolge der Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs ihre soziale Sicherung in den Herkunftsgebieten verloren hatten. Mit Wirkung vom 7. Mai 1996 hat der Gesetzgeber hingegen die Beibehaltung des damit einhergehenden hohen Rentenniveaus nicht länger als gerechtfertigt angesehen und deshalb die FRG-Leistungen selbst für Berechtigte aus eigenem Recht nicht mehr als Leistungen aus einer (fingierten) Rentenversicherung, sondern als Fürsorgeleistungen konzipiert, die sich hinsichtlich der Leistungshöhe an der Eingliederungshilfe auf dem Niveau einer bloßen Grundsicherung orientierten. Lediglich hinsichtlich der Berechnung des Leistungsbetrages wurde auf die rechtstechnische Fiktion einer Rentenversicherung zurückgegriffen (vgl. BT-Drucks. 13/4814, S. 7 zu A. Fremdrentenrecht, S. 8 zu B. Art. 2 Nr. 3; BSGE 88, 288).

49

Dieser gewollte und bezweckte Systemwechsel wäre gegenüber den Hinterbliebenen (abgesehen von § 22 Abs. 4 FRG) rechtspraktisch nicht vollzogen worden, wenn § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG so ausgelegt würde, dass er für Leistungen an Hinterbliebene keine Geltung beanspruchte. In diesem Falle wären die - nach den über § 14 FRG geltenden allgemeinen Bestimmungen des SGB VI der Berechnung der Hinterbliebenenrente zu Grunde zu legenden - EP überhaupt nicht zu begrenzen gewesen. Witwen hätten eine höhere Zahl an EP und (aufgrund des Rentenartfaktors von 0,6 für große Witwenrente) zumindest eine gleich hohe Leistung erhalten wie zu Lebzeiten ihrer Ehegatten. Eine solche Konsequenz hätte in klarem Widerspruch zu der gesetzgeberisch vollzogenen Hinwendung zum Fürsorgeprinzip gestanden (ebenso: SG Berlin a. a. O.). Sie wäre insbesondere auch mit der ausdrücklich angeordneten Orientierung an der Eingliederungshilfe nicht zu vereinbaren gewesen, welche – abgesehen davon, dass sie der Höhe nach durch die Bedürftigkeit des Aussiedlers begrenzt ist (vgl. Radüge, in Hauck/Noftz, SGB III, K § 418 Rz 14) - ebenfalls nicht an Witwen gewährt wird.

50

Im Rahmen der historisch-teleologischen Auslegung vorzuziehen ist aber diejenige Interpretation, die – im Rahmen des Wortsinns und in Übereinstimmung mit dem Bedeutungszusammenhang des Gesetzes - den Regelungsabsichten und Normvorstellungen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck am ehesten entspricht (vgl. Larenz, a. a. O., S. 318, 329). Eine Addition von EP aus eigenem und aus abgeleitetem Recht war nach alledem durch § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG nur zugelassen, solange die für einen Alleinstehenden höchstens zugrundezulegende Anzahl von 25 EP noch nicht erreicht war.

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(bb) Angesichts dieses bereits aus originären Erkenntnisquellen gewonnenen Ergebnisses hat der Senat keine Bedenken, zur Ermittlung der Regelungsabsichten und Normvorstellungen des Gesetzgebers sowie des Zwecks des § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG auch die Gesetzesbegründung zu § 22 b n. F. FRG (vgl. BT-Drucks. 15/2149, S. 31 zu Art. 8 Nr. 2) ergänzend heranzuziehen. Diese bestätigt unmissverständlich die hier vertretene Auslegung. Sie stellt klar, dass nach dem Willen des Gesetzgebers (und entgegen BSGE 88, 288 sowie BSG vom 11. März 2004 - B 13 RJ 44/03 R) auch ein Hinterbliebener als Berechtigter anzusehen und der Höchstwert für alle seine Renten auf 25 EP begrenzt sein sollte, so dass auch alleinstehenden Berechtigten mit mehreren Renten eine Rentensumme höchstens in Höhe der Eingliederungshilfe zustand.

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d) Zu demselben Resultat führt schließlich die Auslegung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG anhand des objektiv-teleologischen Kriteriums der Gerechtigkeit. Die hierdurch postulierte Gleichbehandlung des Gleichartigen erfordert die Vermeidung von Wertungswidersprüchen in den Grenzen des Möglichen. Daher ist im Falle mehrerer nach Wortsinn und Kontext möglicher Auslegungen diejenige zu bevorzugen, durch die ein Wertungswiderspruch innerhalb der Rechtsordnung vermieden wird (vgl. Larenz, a. a. O., S. 321, 330).

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Wäre die Begrenzung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG auf 25 EP nicht vorzunehmen gewesen, wenn ein Begünstigter neben einem Recht aus eigener Versicherung ein abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente hatte, so hätte sich eine Kürzung der Gesamtleistung allenfalls aus den allgemeinen Einkommensanrechnungsvorschriften für die Gewährung von Renten wegen Todes ergeben können. Nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI ist jedoch nur Einkommen anzurechnen, das monatlich das 26,4-fache des aktuellen Rentenwertes übersteigt. Damit wäre eine eigene, nach § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG in Höhe von 25 EP gewährte RAR stets anrechnungsfrei geblieben, und der Berechtigte hätte daneben Hinterbliebenenrente in voller Höhe ohne Begrenzung der berücksichtigungsfähigen EP beziehen können. Dies hätte zu einer sachlich nicht gerechtfertigten und deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung zwischen Witwen und lebenden Verheirateten mit beiderseitiger FRG-Berechtigung geführt. Letztere erhalten nämlich aufgrund der Überlegung, dass durch das Zusammenleben Kosten der Haushaltsführung erspart werden (ebenso LSG NW a. a. 0.), gemäß § 22 b Abs. 3 FRG nur einen Zahlbetrag, welcher den Wert einer aus 40 EP ermittelten Rente (das 1,6fache der Eingliederungshilfe) nicht überschreitet. Mit dieser Reduzierung des Leistungsniveaus bereits für lebende Ehepaare wäre es unvereinbar gewesen, wenn der Tod des einen zur Zugrundelegung zusätzlicher EP bei dem Längerlebenden geführt hätte. Die darin liegende Ungleichbehandlung ließ sich auch nicht beseitigen, indem 25 EP aus eigenem Recht sowie zusätzlich 25 EP aus abgeleitetem Recht zugrundegelegt und auf einen Gesamtzahlbetrag begrenzt wurden, der einer Rente auf Grund von 40 einfachen EP mit einem Rentenartfaktor von 1,0 genau entsprach (vgl. BSG vom 11. März 204 – B 13 RJ 44/03 R). Denn auch bei dieser Lösung wurde der überlebende Ehegatte hinsichtlich der von ihm bezogenen Gesamtaltersversorgung immer noch genauso behandelt wie ein lebendes Ehepaar mit maximalen FRG-Renten. Diese Gleichbehandlung sieht der Senat wegen des ungleichen Sachverhaltes als unzulässige Benachteiligung der gelebten Ehe bzw. als ungerechtfertigte Bevorzugung des Hinterbliebenen an (ebenso: SG Berlin a. a. 0.).

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Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung hätte sich ferner zwischen verwitweten und alleinstehenden FRG-Berechtigten ergeben. Der Gesetzgeber hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er Alleinstehende entsprechend dem Gedanken der Bedarfsdeckung nur mit Leistungen auf der Grundlage von maximal 25 EP ausstatten wollte. Vor diesem Hintergrund konnte der Umstand, dass ein Hinterbliebener früher (außerhalb des Bundesgebietes) einmal verheiratet war, keinen sachlich rechtfertigenden Gesichtspunkt für einen höheren Existenzsicherungsbedarf darstellen. Vielmehr musste , wenn FRG-Berechtigte lediglich noch eine am Bedürftigkeitsprinzip orientierte Leistung erhalten sollten und dieser Bedarf bei Alleinstehenden mit 25 Entgeltpunkten gedeckt ist, dies auch für nach dem Tod des Ehegatten ebenfalls alleinstehende Hinterbliebene der Fall sein (ebenso: LSG NW, SG Dortmund, SG Düsseldorf, SG Berlin a. a. 0.).

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e) Die Auslegung des Senats führt auch nicht dazu, dass Hinterbliebene bei einer Begrenzung ihrer Leistungen auf insgesamt 25 Entgeltpunkte nach § 22b Abs.1 FRG letztlich nur Inhaber eines "leeren Rechts auf Witwenrente" sind (so aber BSGE 88, 288). Zum einen hat der überlebende Ehegatte immer dann ein Recht auf Leistungserhöhung, wenn für die ihm zustehende Rente aus eigener Versicherung weniger als 25 Entgeltpunkte ermittelt werden. Zum anderen vernachlässigt diese Ansicht, dass § 22 b FRG – wie oben dargelegt - gerade keine Hinterbliebenenrente im Sinne des § 46 SGB VI, sondern eine bedarfsorientierte Fürsorgeleistung für Spätaussiedler vorsieht (ebenso LSG NW a.a.O.).

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2) Selbst wenn aber entgegen der Auffassung des Senats angenommen wird, dass § 22 b Abs. 1 Satz 1 a. F. FRG auf Hinterbliebene keine Anwendung fand, so ist die retroaktive Rückwirkung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der früheren Rechtslage ist – sollte es bestanden haben - nicht schutzwürdig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greift der Vertrauensschutz des Bürgers vor belastenden rückwirkenden Gesetzen auch im Falle der echten Rückwirkung bzw. der Rückbewirkung von Rechtsfolgen unter anderem dann nicht ein, wenn das bisherige Recht unklar und verworren und/oder in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsgemäßheit bestanden (vgl. BVerfGE 13, 261, 271 f.; 18, 429, 439; 30, 367, 387 ff.; 72, 200, 258 ff.; 88, 384, 404). Entweder das eine oder das andere war hier aus den oben dargestellten Gründen der Fall. Der Gesetzgeber war deshalb berechtigt, diese unklare und verfassungsrechtlich zweifelhafte Rechtslage auch rückwirkend zu beseitigen.

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Die durch § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. geschaffene einfachgesetzliche Rechtslage ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar.

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Ein den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzender Eingriff schon deshalb nicht vor, weil die von der Klägerin begehrte Auszahlung ihrer großen Witwenrente nicht der Eigentumsgarantie unterliegt. Es handelt sich vielmehr – wie ausgeführt – um eine bedarfsorientierten Sozialleistung mit Fürsorgecharakter, welcher allein aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, von ihrer Konzeption her überwiegend auf staatlicher Gewährung und nicht auf adäquaten eigenen Vorleistungen beruht und der Klägerin wegen ihrer Bedarfsabhängigkeit auch nicht privatnützig zugeordnet ist.

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Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gewährt als solches keinen Anspruch auf eine bestimmte soziale Regelung oder einen Mindestbetrag. Der sich hieraus ergebenden Verpflichtung des Staates, ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, wird - abgesehen davon, dass insoweit dem einzelnen keine subjektiven Rechte auf eine bestimmte soziale Regelung eingeräumt sind (vgl. BVerfGE 55, 115; BVerfGE 82, 60) - bereits durch die Gewährung von Sozialhilfe hinreichend Rechnung getragen (vgl. BSG 7. 2. 2002 - B 7 AL 42/01 R). Von daher kann in § 22 b Abs. 1 Satz 1 n. F. FRG auch kein Verstoß gegen die über Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit gesehen werden, da die Freiheitsrechte der Klägerin nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden. Ihr Recht, gegebenenfalls ergänzende Sozialhilfe zu beantragen, wird nicht verkürzt. Die Verschiebung der Lasten zwischen verschiedenen Leistungssystemen als solche gehört aber wiederum zu den Gestaltungsfreiheiten des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 20 GG.

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Dass sich die Klägerin schließlich auch nicht auf Art. 3 GG berufen kann, sondern diese Norm im Gegenteil das vom Senat gefundene Ergebnis stützt, ist bereits ausgeführt.

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D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

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E. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Frage, ob die retroaktive Rückwirkung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG verfassungsrechtlich unbedenklich ist, grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst.


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