Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (5. Senat) - L 5 KR 113/03

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. September 2003 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 994,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für Januar bis November 1996 sowie über die Erhebung von Säumniszuschlägen.

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Der Kläger betreibt eine Forstverwaltung in L. sowie eine Gutsverwaltung. Am 6. Juli 2000 führte das Finanzamt P. eine Lohnsteuer-Außenprüfung beim Kläger durch. Zum damaligen Zeitpunkt beschäftigte dieser in der Forstverwaltung fünf Arbeitnehmer; davon waren drei geringfügig beschäftigt. An den Beigeladenen zu 1), der beim Kläger als Förster angestellt ist, hatte er eine Dienstwohnung mit einer Größe von 100 qm vermietet. Im Prüfbericht des Finanzamtes wurde festgestellt, dass die Überlassung der Wohnung einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstelle. Für die Jahre 1996 bis 2000 wurden entsprechende Beträge als Steuernachzahlung errechnet. In der Folgezeit rechnete der Kläger bzw. die von ihm beauftragte Ehefrau des Beigeladenen zu 1), die beim Kläger geringfügig beschäftigt war, den geldwerten Vorteil bei der laufenden Gehaltsabrechnung des Beigeladenen zu 1) als sozialversicherungspflichtiges Entgelt richtig ab. Hierbei bediente sie sich eines Lohnabrechnungsprogramms der Firma I.

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Die Beklagte führte am 2. Juli 2001 beim Kläger eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch IV. Buch (SGB IV) durch. In der Schlussbesprechung vom gleichen Tage wies sie darauf hin, dass die geldwerten Vorteile für die verbilligte Überlassung der Dienstwohnung sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt seien. Mit Bescheid vom 2. Juli 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung für sämtliche Beschäftigte betrage 19.663,04 DM. Hierin seien Säumniszuschläge in Höhe von 1.045,00 DM enthalten. Die vom zuständigen Finanzamt geforderten Steuernachzahlungen würden auch beitragsrechtliche Konsequenzen auf dem Gebiet der Sozialversicherung nach sich ziehen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die sich aus dem Prüfbericht des Finanzamtes ergebenden beitragsrechtlichen Auswirkungen gekannt habe. Insoweit sei die Nichtabführung der Beiträge von ihm billigend in Kauf genommen worden. Der Kläger legte am 12. Juli 2001 gegen den Bescheid Widerspruch ein und trug vor, dass er keinesfalls vorsätzlich die Beiträge aus dem Jahre 1996 nicht abgeführt habe. Zwar habe die Lohnbuchhaltung ab Juli 2000 in der Gehaltsabrechnung für den Beigeladenen zu 1) den geldwerten Vorteil hinsichtlich der Überlassung der Dienstwohnung korrekt abgerechnet. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass er Beiträge aus dem Jahre 1996 der Beklagten vorsätzlich vorenthalten habe. Außerdem sei er nicht korrekt angehört worden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung vor allem aus, der Kläger habe ab Juli 2000 positive Kenntnis von der Tatsache gehabt, dass der geldwerte Vorteil der verbilligten Dienstwohnung als Einkommensbestandteil zu werten sei und damit auch der Beitragspflicht unterfalle. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Beitragsabführung in der Vergangenheit nicht korrekt abgewickelt worden sei. Auf Seiten des Klägers habe Bösgläubigkeit vorgelegen. Da diese innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten sei, verlängere sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre. Der Kläger habe sämtliche relevanten Umstände auch ohne mit der Lohnabrechnung betrautes Fachpersonal erkennen können. Dies gelte um so mehr, als die Unterbringung von Arbeitskräften unmittelbar auf dem Gut bereits seit Jahrhunderten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft durchaus üblich sei und damit zu den weit verbreiteten Nebenleistungen gehöre.

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Am 23. August 2002 hat der Kläger beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben und vorgetragen: Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er in Bezug auf den geldwerten Vorteil der Überlassung einer Dienstwohnung Beiträge zur Sozialversicherung hätte abführen müssen. Auch sei er davon ausgegangen, dass er die Miete für die Dienstwohnung angemessen beziffert habe. Vorsatz liege nicht vor, auch nicht im Sinne eines Dolus eventualis. Er habe weder den Willen noch das Wissen hierfür gehabt. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass das Sozialversicherungsrecht dem Steuerrecht folge. Er habe sich gedanklich mit der Beitragspflicht überhaupt nicht auseinandergesetzt. Nach dem Gespräch mit dem Lohnsteuerprüfer habe er seine Mitarbeiterinnen Frau J. und Frau M. die Anweisung gegeben, die Hinweise des Lohnsteuerprüfers umzusetzen. Weitere Gedanken habe er sich danach nicht mehr gemacht.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2002 insoweit aufzuheben, als die Nachforderung die Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) für das Jahr 1996 sowie die Säumniszuschläge betreffend die Beitragszahlungen für den Beigeladenen zu 1) betrifft.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat insbesondere vorgetragen, dass der Kläger ab Juli 2000 den geldwerten Vorteil zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt der Sozialversicherungspflicht unterworfen und als Sachbezug in der Lohnabrechnung des Beigeladenen zu 1) deklariert habe, lasse auf einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Beiträge aus dem Jahre 1996 schließen.

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Mit Urteil vom 18. September 2003 hat das Sozialgericht Kiel die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Nachforderung die Sozialversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) für die Monate Januar bis November 1996 sowie die darauf entfallenden Säumniszuschläge betrifft. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 2. Juli 2001 die Beiträge für die Monate Januar bis November 1996 vom Kläger nicht habe zurückfordern können. Denn die vierjährige Verjährungsfrist sei am 31. Dezember 2000 abgelaufen. Die 30-jährige Verjährungsfrist sei nicht anzuwenden, da deren Voraussetzungen nicht gegeben seien. Dem Kläger könne nicht vorgeworfen werden, dass er die Beiträge für die Monate Januar bis November 1996 vorsätzlich vorenthalten habe. Dem Sachverhalt seien keine Umstände zu entnehmen, auf Grund derer geschlossen werden könne, dass der Kläger bereits im Jahre 1996 die Beitragspflicht hinsichtlich des geldwerten Vorteils auf Grund der verbilligten Überlassung der Wohnung an den Beigeladenen zu 1) für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen habe. Die Tatsache, dass die verbilligte Überlassung einer Dienstwohnung eine weit verbreitete Nebenleistung darstelle, bedeute nicht, dass der Kläger die Beitragspflicht gekannt oder für möglich gehalten habe. Auch sei der Kläger nicht innerhalb der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden. Dies könne nicht allein aus dem Umstand gefolgert werden, dass ab Juli 2000 eine korrekte Beitragsabführung erfolgt und die Steuernachzahlung ab Januar 1996 vorgenommen worden sei. Die korrekte Lohnabrechnung ab Juli 2000 bedeute nicht, dass der Kläger auch die Beitragspflicht für den vorangegangenen Zeitraum für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen habe. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers habe dieser nach dem Gespräch mit dem Lohnsteuerprüfer seinen Mitarbeiterinnen Frau J. und Frau M. die Anweisung gegeben, die Hinweise des Lohnsteuerprüfers in steuerlicher Hinsicht umzusetzen. Glaubhaft sei, dass er sich dabei keine Gedanken über die beitragsrechtliche Seite gemacht habe. Auch sei der Kläger nicht vom Steuerprüfer über die Beitragspflicht aufgeklärt worden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er kein Fachpersonal mit der Gehalts- und Lohnabrechnung in der Forstverwaltung betraut habe. Die Mitarbeiterinnen des Klägers seien nicht bereits vor der Betriebsprüfung durch die Beklagte über die Beitragspflicht bezüglich der verbilligt überlassenen Dienstwohnung aufgeklärt worden. Entscheidend sei, dass es sich bei Forstverwaltung des Klägers lediglich um einen kleinen Betrieb mit nur wenig Angestellten handele. Dieser bedürfe keiner Personalabteilung und müsse sich auch nicht ständig mit steuer- und beitragsrechtlichen Fragen befassen. Selbst bei einer weit verbreiteten Nebenleistung habe der Kläger deshalb nicht zwangsläufig von einer daraus folgenden Beitragspflicht ausgehen müssen. Da Bösgläubigkeit auf Seiten des Klägers nicht gegeben sei, könne die Beklagte auch keine Säumniszuschläge für den genannten Zeitraum erheben. Für den Monat Dezember 1996 könne die Beklagte Beiträge sowie Säumniszuschläge vom Kläger fordern, da diese Beitragsnachforderung noch nicht verjährt sei. Denn der Beitrag für Dezember 1996 sei am 15. Januar 1997 fällig geworden, so dass die Verjährungsfrist vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2001 gelaufen sei. Die Beklagte habe für diesen Monat auch zu Recht Säumniszuschläge festgesetzt. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Denn anders als bei der Beurteilung der Verjährungsfristen gelte hier der Verschuldensmaßstab des § 276 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

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Gegen die ihr am 8. Dezember 2003 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 19. Dezember 2003 Berufung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, dass der Kläger die Lohn- und Gehaltsabrechnung mit Hilfe eines Lohnabrechnungsprogramms durchgeführt habe. In jedem Lohnabrechnungsprogramm habe der Anwender einen Entgeltartenrahmen festzulegen. In diesem müsse über eine Entgeltartenverschlüsselung bestimmt werden, wie die einzelnen Lohnarten steuer- und sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen seien. Nach der Lohnsteuer-Außenprüfung vom 10. Juli 2000 sei der geldwerte Vorteil für die verbilligte Überlassung der Wohnung bei der laufenden Gehaltsabrechnung auch als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt berücksichtigt worden. Um das Gehalt des Beigeladenen zu 1) für den Monat Juli 2000 korrekt abzurechnen, sei es für die Arbeitnehmerinnen des Klägers zwingend erforderlich gewesen, sich neben der steuerrechtlichen mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Sachbezuges auseinander zu setzen. Durch die richtige Gehaltsabrechnung sei der Nachweis erbracht, dass die Arbeitnehmerinnen positive Kenntnis davon gehabt hätten, dass es sich bei dem Sachbezug auch um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt gehandelt habe. Für den Kläger bzw. seine Mitarbeiterinnen sei ohne Weiteres eine Übereinstimmung zwischen steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Behandlung von Arbeitsentgelt erkennbar gewesen. Dass eine Nachentrichtung von Beiträgen dennoch nicht vorgenommen worden sei, stelle vorsätzliches Handeln bzw. vorsätzliches Unterlassen dar.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. September 2003 aufzuheben und die und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Begründung trägt er vor, er selbst habe keine Lohn- und Gehaltsabrechnung durchgeführt. Seine Mitarbeiterin Frau J. habe das Berechnungsprogramm als solches nicht durchschaut, sondern in einzelnen Schritten die Daten eingegeben, die in die Rubriken hätten eingegeben werden müssen. Weder er selbst noch seine Mitarbeiterin seien in irgendeiner Form bösgläubig gewesen. Auf Anforderung hat der Kläger das Benutzerhandbuch zu dem von ihm im Jahre 2000 verwendeten Lohnabrechnungsprogramm übersandt.

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Hierzu hat die Beklagte wie folgt Stellung genommen: Zu beachten sei, dass dieses Abrechnungsprogramm die Möglichkeit biete, vom Hersteller vorbesetzte Lohnarten oder vom Benutzer selbst eingerichtete Lohnarten zu verwenden. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Verdienstabrechnungen ergebe sich, dass der Kläger die vom Hersteller vorbesetzten Lohnarten nicht genutzt habe. Vielmehr seien ausschließlich vom Kläger selbst eingerichtete Lohnarten verwendet worden. Er hätte alle Eigenschaften einer Lohnart selbst festlegen müssen. Aus der Verdienstabrechnung für den Monat Juni 2000 ergebe sich, dass der Kläger für das Gehalt des Beigeladenen zu 1) die Lohnart 30 mit der Bezeichnung "Gehälter inklusive Sachbezüge" verwendet habe. Eine eigene Lohnart für die Sachbezüge sei somit zu diesem Zeitpunkt vom Kläger noch nicht genutzt worden. Nach der Lohnsteueraußenprüfung sei die Bezeichnung der Lohnart 30 geändert und eine Lohnart 39 mit der Bezeichnung "Sachbezug" selbst eingerichtet worden. Hierdurch sei der Nachweis erbracht, dass der Kläger im Juli 2000 positive Kenntnis von der Tatsache gehabt habe, dass es sich bei dem Sachbezug um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt gehandelt habe.

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Der Kläger hat hierzu erwidert, er habe sich mit den Verdienstabrechnungen nicht beschäftigt und keine Lohnarten selbst eingerichtet. Frau J. sei keine Buchhalterin und sei auch nicht am Computer fachlich ausgebildet worden. Sie habe sich das Programm nicht erarbeitet, es nicht durchdrungen und wohl auch in den einzelnen Schritten nicht verstanden. Sie habe nur so damit gearbeitet, wie sie es gekonnt habe.

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Die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte sowie das IBM Benutzerhandbuch liegen vor. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, in der der Kläger gehört worden ist.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere unter Beachtung der Frist- und Formvorschriften der §§ 143, 151 SGG eingelegt worden.

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Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, da das Sozialgericht der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben hat. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 2. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2002 Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Januar bis Dezember 1996 nachgefordert.

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Für versicherungspflichtige Beschäftigte richtet sich die Beitragszahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 162 Nr. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung bis 1997 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz und in der Pflegeversicherung gemäß § 57 Abs. 1 SGB XI i. V. m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V nach dem Arbeitsentgelt. Hierzu zählen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Bei dem geldwerten Vorteil, den der Beigeladene zu 1) auf Grund der verbilligten Überlassung der Wohnung gehabt hat, handelt es sich um Arbeitsentgelt im Sinne der genannten Vorschrift, denn zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählen auch Sachbezüge, z. B. der Mietwert einer Wohnung (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, § 14 SGB IV Rz. 50).

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Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist nicht davon auszugehen, dass die Beitragsansprüche der Beklagten für die Monate Januar bis November 1996 verjährt sind. Bei der Verjährung von Beitragsforderungen unterscheidet § 25 Abs. 1 SGB IV zwischen einer kurzen 4-jährigen und einer langen 30-jährigen Verjährungsfrist. Nach Satz 1 des § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Zu Recht hat das Sozialgericht zwar darauf hingewiesen, dass die 4-jährige Verjährungsfrist für die Beiträge von Januar bis November 1996 am 31. Dezember 2000 abgelaufen war. Allerdings ist für die Geltung der kurzen Verjährungsfrist entscheidend, dass der Arbeitgeber bis zu ihrem Ablauf gutgläubig geblieben ist. War er zwar bei Fälligkeit der Beträge gutgläubig, ist er aber vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden, so gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (vgl. hierzu insbesondere Urteile des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. März 2000, Az.: B 12 KR 14/99 R und Az.: B 12 KR 15/99 R, Urteil vom 21. Juni 1990, Az.: 12 RK 13/89, Urteil vom 26. Januar 2005, Az: B 12 KR 3/04 R sowie auch Urteil des erkennenden Senats vom 28. November 2000, Az: L 1 KR 4/00). Das ist hier anzunehmen.

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Für Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Für die Geltung der langen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat. Er muss seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen haben. Fahrlässigkeit - auch in den Erscheinungsformen der bewussten oder der groben Fahrlässigkeit - genügt nicht. Vorsatz liegt in der Regel nahe, wenn Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht. Zum Vorsatz gehört, dass es der Arbeitgeber zumindest für möglich hält, dass bestimmte Zuwendungen an die Arbeitnehmer dem Grunde nach beitragspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen und, sofern noch nicht geschehen, Beiträge und die Umlage zu zahlen sind. Die genaue Beitragshöhe braucht nicht vom Vorsatz umfasst zu sein. Nach diesen Grundsätzen geht der Senat vom bedingten Vorsatz des Klägers im Jahre 2000 und damit noch innerhalb des kurzen Verjährungszeitraums aus.

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Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger bzw. die Ehefrau des Beigeladenen zu 1) unter Zuhilfenahme des IBM-Personalabrechnungsprogramms ausschließlich selbst eingerichtete Lohnarten bei der Lohnabrechnung genutzt haben. Nach der Lohnsteuer-Außenprüfung wurde das Gehalt des Beigeladenen zu 1) im Jahre 2000 nicht mehr nur über die Lohnart 30 abgerechnet. Vielmehr ist im Juli 2000 die neue Lohnart 39 mit der Bezeichnung "Sachbezug" eingerichtet worden (Bl. 18 der Verwaltungsakte). Unzweifelhaft wurde somit bei der laufenden Gehaltsabrechnung der geldwerte Vorteil für die Überlassung der Wohnung als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt korrekt berücksichtigt. Bei der Neueinrichtung der Lohnart musste die Mitarbeiterin des Klägers entscheiden, wie diese Lohnart steuer- und sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen war. Sie hatte im Juli 2000 positive Kenntnis von der Tatsache, dass es sich bei dem Sachbezug um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt handelte. Diese Kenntnis muss sich auch auf die Vergangenheit erstreckt haben, denn es wäre nicht schlüssig, dass die Mitarbeiterin für Juli 2000 korrekt abgerechnet hatte, für die Vergangenheit aber keine Beitragspflicht für möglich gehalten haben soll. Es erscheint nicht überzeugend, dass sie das Abrechnungsprogramm überhaupt nicht durchschaut haben soll. Dagegen spricht, dass sie Lohnarten selbst eingerichtet und eigenständig genutzt hat. Der Kläger muss sich die positive Kenntnis der Ehefrau des Beigeladenen zu 1) von der Beitragspflichtigkeit des geldwerten Vorteils zurechnen lassen (vgl. hierzu Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Februar 2004, Az.: 8 AZR 112/03, Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2004, Az.: V ZR 120/03 und auch Sozialgericht Aachen, Urteil vom 10. Oktober 2003, Az.: S 8 RA 26/03). Der Rechtsgedanke des § 166 Abs. 1 BGB und die hierzu entwickelten Grundsätze sind wohl im Rahmen der Vorsatzprüfung nach 25 Abs. 1 SGB V analog heranzuziehen. Über diese Frage braucht der Senat jedoch nicht abschließend zu entscheiden.

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Denn auch der Kläger selbst hat nicht nur fahrlässig bzw. grob fahrlässig gehandelt, sondern ist noch während des Laufes der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden, indem er mit bedingtem Vorsatz die Nichtabführung der Beiträge für das Jahr 1996 unterlassen hat. Sein Vortrag, er habe sich überhaupt keine Gedanken über die beitragsrechtliche Seite des geldwerten Vorteils gemacht und sei davon ausgegangen, dass das Computerprogramm auch die richtigen Berechnungen vornehmen werde, überzeugt nicht. Denn nach der Lohnsteuerprüfung wurden für die Vergangenheit mit Hilfe des Computerprogramms gar keine Berechnungen vorgenommen, so dass er sich hierauf nicht verlassen haben kann. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zudem angegeben, dass ihm nach der Lohnsteuer-Außenprüfung klar gewesen sei, dass die verbilligte Überlassung der Dienstwohnung einen geldwerten, für die Steuer und die Sozialversicherungsbeiträge relevanten Vorteil darstellte. Dass sich dieses Wissen nur auf die Gegenwart und Zukunft und nicht auf die Vergangenheit erstreckt haben soll, ist für den Senat nicht nachvollziehbar und deshalb nicht glaubhaft. Bedingtem Vorsatz auf Seiten des Klägers steht auch nicht entgegen, dass die Beitragspflicht für das Jahr 1996 nicht ausdrücklich Thema in den Gesprächen gewesen ist, die er mit seinem Steuerberater oder seinen Mitarbeitern geführt hat. Denn die positive Kenntnis von der gegenwärtigen (bezogen auf den Zeitraum nach der Lohnsteuer-Außenprüfung) sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des geldwerten Vorteils impliziert nach Auffassung des Senats ein Für-Möglich– Halten der Beitragspflicht für die Vergangenheit.

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Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist es nicht entscheidungserheblich, dass es sich bei der Forstverwaltung des Klägers um einen kleinen Betrieb mit nur wenig Angestellten handelt und kein Fachpersonal mit der Lohnabrechnung betraut war. Dieser Umstand könnte bei wenig verbreiteten Nebenleistungen eine Rolle spielen. Bei der verbilligten Überlassung einer Wohnung im landwirtschaftlichen Bereich handelt es sich aber gerade um eine weit verbreitete Nebenleistung. Bei diesen kann auch bei Arbeitgebern mit wenigen Beschäftigten davon ausgegangen werden, dass sie eine Beitragspflicht für den geldwerten Vorteil für möglich halten (vgl. hierzu insb. BSG vom 30. März 2000, Az.: B 12 KR 14/99 R).

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Zu Recht hat die Beklagte für die Beitragsnachforderung Säumniszuschläge festgesetzt. Nach § 24 Abs. 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v. H. des rückständigen, auf 50,00 € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Für die Frage, ob verschuldet oder unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist in Ermangelung anderer Maßstäbe auf die zur Prüfung des Vorsatzes entwickelten Kriterien zurückzugreifen (vgl. BSG vom 26. Januar 2005 a.a.O.). Bedingter Vorsatz des Klägers ist somit auch hinsichtlich der Zahlungspflicht anzunehmen.

30

Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Säumniszuschläge der Höhe nach falsch berechnet haben könnte.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ist nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung bis zum 30. Juni 2004 (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 GKG in der seit 1. Juli 2004 geltenden Fassung) in Verbindung mit § 197a SGG erfolgt.

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Es liegen keine Gründe vor, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen.


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