Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (4. Senat) - L 4 KA 39/05

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der sachlich-rechnerischen Berichtigung einer Honorarabrechnung für das Quartal I/1996 betreffend die Nr. 439 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä).

2

Der Kläger ist als Arzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid des Gemeinsamen Prüfungsausschusses vom 2. September 1996 wurde das Honorar des Klägers wegen unwirtschaftlicher Behandlung bezogen auf die Leistungen nach Nrn. 17, 18, 19, 422, 439 und 452 EBM-Ä gekürzt. Ebenfalls am 2. September 1996 wurde der Honorarbescheid für das Quartal I/1996 an den Kläger abgesandt. Gegen den Bescheid des Gemeinsamen Prüfungsausschusses legte der Kläger Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren ließ sich der Gemeinsame Beschwerdeausschuss die Dokumentation zu den Leistungen nach Nr. 439 EBM-Ä von dem Kläger vorlegen. Mit Bescheid vom 11. Mai 2000 gab der Gemeinsame Beschwerdeausschuss dem Widerspruch des Klägers teilweise statt und reduzierte den Prüfabstrich. Bezüglich der Abrechnung der Leistungen nach Nr. 439 EBM-Ä gab der Gemeinsame Beschwerdeausschuss die Sache zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung an die Beklagte zurück.

3

Mit Bescheid vom 8. Juni 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser den Leistungsinhalt der Nr. 439 EBM-Ä im Quartal I/1996 nicht erfüllt habe, da er die angeforderten Anästhesieprotokolle nicht habe vorlegen können. Für alle Anästhesieleistungen sei neben anderen Voraussetzungen eine fachspezifische Dokumentation erforderlich. Fachspezifisch bedeute, dass bei Blockaden, die einer Überwachung bedürften, ein aufbewahrungspflichtiges Anästhesieprotokoll gefertigt werde. Auch das Anlegen eines intravenösen Zugangs, ein kontinuierliches EKG-Monitoring und die kontinuierliche Pulsoxymetrie seien notwendige Bestandteile der Leistung. Statt der erforderlichen Anästhesieprotokolle habe der Kläger lediglich eine Bezugsdokumentation vorlegen können. Da er die Leistung nach Nr. 439 EBM-Ä nicht vollständig erbracht habe, sei die Leistung nicht berechnungsfähig. Daher sei das Honorar für das Quartal I/1996 um 2.149,01 DM zu reduzieren.

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Zur Begründung des dagegen am 19. Juni 2000 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass der Bescheid des Gemeinsamen Beschwerdeausschusses vom 11. Mai 2000 auch die Prüfung der Nr. 439 EBM-Ä abschließend regele. Die Beklagte dürfe diese Entscheidung nicht durch die Hintertür wieder umstoßen. Nur hilfsweise werde vorgetragen, dass der Bescheid des Gemeinsamen Prüfungsausschusses vom 2. September 1996 bezogen auf die Nr. 439 EBM-Ä einen niedrigeren Kürzungsbetrag als der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2000 vorgesehen habe. Es handele sich daher bei dem Bescheid vom 8. Juni 2000 um eine unzulässige Verböserung im Widerspruchsverfahren.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Nach der Leistungslegende zum Kapitel D EBM-Ä (Präambel) sei für die Berechnung der Leistungen dieses Kapitels - mit Ausnahme der Leistung nach Nr. 419 EBM-Ä - Voraussetzung, dass die notwendigen fachlichen und personellen Bedingungen (z.B. Lagerungs- und Ruhemöglichkeiten, EKG-Monitoring, Ausrüstung zur Reanimation und Schockbehandlungen) erfüllt seien und eine fachspezifische Dokumentation erfolge. Dabei gehe das Erfordernis der fachspezifischen Dokumentation über die normale Befunddokumentation, die gemäß § 57 BMV-Ä regelmäßiger Bestandteil ärztlicher Leistungen sei, hinaus. Zwar verlange das Merkmal der fachspezifischen Dokumentation nicht notwendigerweise, dass die fachspezifischen Dokumentationsbögen des Fachgebiets Anästhesie verwendet würden, denn die Leistungen der Nrn. 418 ff. EBM-Ä könnten auch von Ärzten anderer Fachgruppen wie dem Kläger abgerechnet werden. Maßgeblich sei jedoch, dass auf dem Formblatt, das der Arzt benutze, die notwendigen Parameter festgehalten würden. Dazu gehörten das EKG-Monitoring und die Pulsoxymetrie. Eine derartige Dokumentation habe der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen nicht vollständig und durchgängig geführt. Umfassende Darlegungen dazu und zu den eingesetzten Medikamenten, der Durchführung der Leistung und der Leistungsdauer seien auch bei regulären Befunden erforderlich. Da der Kläger die Leistung nach Nr. 439 EBM-Ä nicht vollständig erbracht habe, sei sie auch nicht berechnungsfähig. Soweit der Kläger geltend mache, dass die Kürzung bezogen auf die Nr. 439 EBM-Ä im Widerspruchsbescheid des Gemeinsamen Beschwerdeausschusses vom 11. Mai 2000 abschließend geregelt sei, sei darauf hinzuweisen, dass auf den Seiten 3 und 4 des Bescheides unter Hinweis auf verschiedene Urteile des BSG ausgeführt worden sei, dass die Prüfinstanzen Abrechnungskorrekturen an die Kassenärztliche Vereinigung zurückgeben könnten, wenn diesen im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeitsprüfung eine überragende Bedeutung zukomme. Das sei vorliegend der Fall.

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Dagegen hat sich der Kläger mit der am 27. Februar 2003 vor dem Sozialgericht Kiel erhobenen Klage gewandt. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend geltend gemacht, dass „Festsetzungsverjährung“ eingetreten sei, weil zwischen der Verkündung des Beschlusses und der Absetzung des Prüfbescheides mehr als ein Jahr vergangen sei. Dabei sei auf den Beschluss des Gemeinsamen Prüfungsausschusses vom 2. September 1996 abzustellen. Außerdem gehe die Beklagte zu Unrecht davon aus, dass hier der Abrechnungskorrektur im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeitsprüfung eine überragende Bedeutung zukomme. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die vorgelegten Unterlagen eine ausreichende Dokumentation im Sinne der Leistungslegende zu Nr. 439 EBM-Ä darstellten.

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Der Kläger hat beantragt (sinngemäß),

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den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Sozialgericht hat Ermittlungen zu der Frage angestellt, wann dem Kläger die Honorarabrechnung für das Quartal I/1996 zugegangen ist.

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Mit Urteil vom 24. Mai 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides bezogen. Ergänzend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die zeitliche Grenze für sachlich-rechnerische Berichtigungen von vier Jahren seit Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheides nicht überschritten worden sei. Der Quartalsabrechnungsbescheid sei am 2. September 1996 ergangen. Der mit der Klage angefochtene Bescheid datiere vom 8. Juni 2000. Es sei zwar auffällig, dass die Sitzung des Prüfungsausschusses bereits am 22. Mai 1996 und damit deutlich vor Absendung des Quartalsabrechnungsbescheides an den Kläger stattgefunden habe, so dass die Prüfgremien bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Quartalshonorar gehabt haben müssten. Dies reiche jedoch nicht aus, ein Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheides bereits zu diesem Zeitpunkt zu fingieren. Abzustellen sei allein auf die Bekanntgabe des Bescheides an den Vertragsarzt.

13

Gegen das dem Kläger am 15. Juni 2005 zugestellte Urteil wendet sich dieser mit der am 13. Juli 2005 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt. Ergänzend macht er geltend, dass die Prüfinstanzen Abrechnungskorrekturen an die Kassenärztliche Vereinigung nur unter der Voraussetzung zurückgeben dürften, dass den Abrechnungskorrekturen im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeitsprüfung eine überragende Bedeutung zukomme. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ein Vergleich der konkreten Gebührennummern, die Gegenstand des Bescheides des Prüfungsausschusses gewesen seien, zeige, dass die Reduzierung des Honorars bezogen auf die Nr. 439 EBM-Ä keinesfalls erheblich gewesen sei.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2003 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und macht im Wesentlichen geltend, es sei zwar zutreffend, dass den Prüfinstanzen trotz ihrer originären Zuständigkeit für die Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Annexkompetenz zugestanden werde, die ihnen die Möglichkeit einräume, sachlich-rechnerische Berichtigungen von geringem Umfang selbst durchzuführen. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Prüfinstanzen die sachlich-rechnerische Berichtigung in jedem Fall zwingend durchführen müssten. Die vom Bundessozialgericht festgestellte Annexkompetenz gebe den Prüfinstanzen lediglich ein Recht dazu, verpflichte sie jedoch nicht, Abrechnungskorrekturen selbst durchzuführen.

19

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat ebenso wie die Prozessakte vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist nicht begründet.

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Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide der Beklagten sind die Vorschriften im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. in dem Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) über die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä vom 19. Dezember 1994 bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä in der ab 1. Juli 1994 geltenden Fassung) sowie § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach diesen Vorschriften der Bundesmantelverträge (vgl. jetzt § 106 Abs. 1 und 2 SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) obliegt es der Kassenärztlichen Vereinigung, die vom Vertragsarzt vorgelegten Honorarabrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit richtig zu stellen. Die Befugnis zur Richtigstellung besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Rechtsgrundlage der genannten bundesmantelvertraglichen Bestimmungen ist § 82 Abs. 1 SGB V. Die Bestimmungen im Bundesmantelvertrag über die Korrektur von Honorarbescheiden stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen für BSGE und SozR).

22

Die Voraussetzungen zur Durchführung einer sachlich-rechnerischen Berichtigung haben hier vorgelegen. Die Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal I/1996 war insofern fehlerhaft, als der Bescheid eine Vergütung für die Erbringung von Leistungen nach Nr. 439 EBM-Ä enthielt, obwohl der Kläger diese Leistung im genannten Quartal in keinem der abgerechneten Fälle vollständig erbracht hat. Dem Kläger stand deshalb kein Honorar für die geltend gemachten Leistungen nach Nr. 439 EBM-Ä zu.

23

Nach § 87 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V bestimmt der einheitliche Bewertungsmaßstab u.a. den Inhalt der abrechenbaren Leistungen. Das bedeutet, dass Leistungspositionen nur dann berechnungsfähig sind, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist. Dies wird auch in den allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä (A I. Teil A 1. Satz 1) bestätigt. Nach der Präambel zum Kapitel D des EBM-Ä (Anästhesien/Narkosen), dem auch die Nr. 439 EBM-Ä zugeordnet ist, ist Voraussetzung für die Berechnung der Leistungen dieses Kapitels, dass die notwendigen sachlichen und personellen Bedingungen (z.B. EKG-Monitoring, Ausrüstung zur Reanimation und Schockbehandlung, Lagerungs- und Ruhemöglichkeiten für die Überwachungszeit) erfüllt sind und dass eine fachspezifische Dokumentation erfolgt. Was unter einer fachspezifischen Dokumentation zu verstehen ist, wird im EBM-Ä nicht definiert. Der Senat geht jedoch ebenso wie der früher zuständige 6. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (vgl. Urteil vom 27. Juni 2000 - L 6 KA 19/99 -, veröffentlicht in juris) davon aus, dass das in der Präambel zum Kapitel D geregelte Erfordernis einer fachspezifischen Dokumentation über eine normale Befunddokumentation, die gemäß § 57 BMV-Ä regelmäßiger Bestandteil der ärztlichen Leistungen ist, hinausgehen muss. Andernfalls hätte es der besonderen Hervorhebung in der Präambel zu Kapitel D EBM-Ä nicht bedurft (so bereits Urteil des Senats vom 28. Juni 2005 - L 4 KA 12/05 -, veröffentlicht in juris). Zwar setzt eine fachspezifische Dokumentation nicht die Verwendung eines bestimmten Dokumentationsbogens voraus. Erforderlich ist aber jedenfalls eine umfassende Darlegung der eingesetzten Medikamente, der Durchführung der Leistung, der Leistungsdauer und der erhobenen, auch der regulären Befunde. Das vorgeschriebene EKG-Monitoring und die Ergebnisse der Pulsoxymetrie müsste festgehalten werden. Auch die Dauer der Überwachungszeit muss nachvollziehbar sein (ebenso: Wetzel/Liebold, Handkommentar zum EBM, 9 D-1). Eine diesen Anforderungen entsprechende Dokumentation hat der Kläger im Zusammenhang mit der Erbringung von Leistungen nach Nr. 439 EBM-Ä nicht erstellt. Etwas anderes ist von ihm auch nicht substantiiert behauptet worden.

24

Der Zulässigkeit der Aufhebung des Honorarbescheides für das Quartal I/1996 und der Reduzierung des Honorars stehen keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung auf bundesmantelvertraglicher Grundlage aus Gründen des Vertrauensschutzes in bestimmten Fallkonstellationen begrenzt, obwohl die Regelung des § 45 SGB X aus den o. g. Gründen nicht anwendbar ist (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005, a. a. O.). Vorliegend käme allein Vertrauensschutz unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass seit Erlass des Quartalsabrechnungsbescheides bis zur Vornahme der sachlich-rechnerischen Richtigstellung eine Frist von vier Jahren abgelaufen sein könnte. Indes hat die Beklagte gegenüber dem Sozialgericht nachvollziehbar dargelegt, dass der Honorarbescheid für das Quartal I/1996 erst unter dem Datum des 2. September 1996 erstellt worden ist. Die Tatsache, dass sich der Gemeinsame Prüfungsausschuss bereits in seiner Sitzung am 22. Mai 1996 mit der Frage der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung durch den Kläger befassen konnte, steht dem aus Sicht des Senats nicht entgegen. Voraussetzung für den Erlass der Honorarabrechnung ist, dass auch der Punktwert feststeht. Dagegen setzt die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung nur Daten zur Zahl der abgerechneten Leistungen voraus. Die Höhe der Kürzungen ist dem entsprechend im Bescheid des Prüfungsausschusses vom 2. September 1996 noch nicht endgültig angegeben worden, sondern nur fiktiv unter Annahme eines Punktwerts von 10 Pfennig. Da der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2000 vor Ablauf von vier Jahren nach Erlass der Honorarabrechnung für das Quartal I/1996 erlassen worden ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Lauf der Frist von vier Jahren durch die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung gehemmt werden kann und ob die Frist von vier Jahren taggenau oder bezogen auf den Schluss des jeweiligen Kalenderjahres zu berechnen ist (vgl. dazu das o. g. Urteil des Senats vom 28. Juni 2005).

25

Soweit der Kläger geltend macht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei, weil er nicht innerhalb eines Jahres nach der Beschlussfassung des Prüfungsausschusses zugestellt worden sei, verkennt der Kläger, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist, zu dem der Bescheid des Gemeinsamen Prüfungsausschusses vom 27. September 1996 und der Bescheid des Gemeinsamen Beschwerdeausschusses vom 11. Mai 2000 ergangen sind. Vielmehr handelt es sich vorliegend um die Durchführung einer sachlich-rechnerischen Berichtigung. Für diese haben die Beschlüsse der Prüfgremien keine unmittelbare Bedeutung. Zuständig für die Durchführung der sachlich-rechnerischen Berichtigung sind nicht die Prüfgremien, sondern die Beklagte. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 21. April 1993 - 14a RKa 11/92 - BSGE 72, 214 = SozR 3-1300 § 35 Nr. 3) überholt ist und dass der Bescheid eines Beschwerdeausschusses bereits nicht mit Gründen versehen und aufzuheben ist, wenn er nicht innerhalb von fünf Monaten nach der Beschlussfassung zur Zustellung gegeben worden ist (BSG, Urteil vom 28. April 1999 - B 6 KA 79/97 R - SozR 3-1300 § 35 Nr. 8).

26

Da die Beklagte nicht die Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt hat, für die die Prüfgremien zuständig sind, sondern mit der Durchführung der sachlich-rechnerischen Berichtigung ein eigenständiges davon zu unterscheidendes Verwaltungsverfahren durchgeführt hat, ist auch die Auffassung des Klägers unzutreffend, nach der eine „Verböserung“ im Widerspruchsverfahren stattgefunden hätte.

27

Ferner macht der Kläger zu Unrecht geltend, dass mit dem Bescheid des Gemeinsamen Beschwerdeausschusses vom 11. Mai 2000 eine abschließende Regelung getroffen worden sei. Tatsächlich wird im Tenor des Bescheides des Gemeinsamen Prüfungsausschusses vom 11. Mai 2000 ausdrücklich formuliert: „Die Abrechnung bezüglich der Position 439 wird zur sachlich-rechnerischen Berichtigung an die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein zurückgegeben.“ Die Gründe dafür werden auf Seiten 3, 4 des Bescheides unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erläutert. Außerdem wird ausdrücklich angekündigt, dass die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein die weiteren Maßnahmen veranlassen werde. Die Beklagte hat ihre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung damit auch nicht durch Überprüfung und vorbehaltlose Bestätigung der Honorarabrechnung verbraucht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005, a.a.O., Rz 18).

28

Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der sachlich-rechnerischen Berichtigung im Vergleich zu der zuvor durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung überragende Bedeutung zukommt, kommt es nicht an. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, kommt es auf die Bedeutung der sachlich-rechnerischen Berichtigung im Verhältnis zu einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nur an, wenn die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Prüfgremien zu beurteilen ist, die auch Entscheidungen zur sachlich-rechnerischen Berichtigung umfasst. Eine Einschränkung des Rechts der Prüfgremien, Abrechnungen zur Berichtigung an die Kassenärztliche Vereinigung zurückzugeben, folgt daraus nicht. Im Übrigen ist jedenfalls sehr zweifelhaft, ob die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung das Recht gehabt hätten, die Leistung nach einer Gebührennummer in ihre Entscheidung einzubeziehen, obwohl alle Leistungen nach dieser Gebührennummer nicht vollständig erbracht worden und deshalb nicht zu vergüten sind. Das kann jedoch im Hinblick auf die tatsächlich erfolgte Abgabe an die Beklagte zur Durchführung der sachlich-rechnerischen Berichtigung dahingestellt bleiben.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154, Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

30

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


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