Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (9. Senat) - L 9 SO 11/06

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 20. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte einen Aufwendungsersatzanspruch wegen im Jahre 2004 der Klägerin geleisteter Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) gegen die Klägerin hat, weil die Rückkaufswerte dreier kleiner Kapitallebensversicherungen auf den Todesfall, deren Versicherungsnehmer die 1919 geborene Klägerin bzw. ihr 1926 geborener Ehemann sind, und hinsichtlich derer im Rahmen von Bestattungsvorsorgeverträgen ein Beerdigungsinstitut zum Bezugsberechtigten bestimmt ist, als einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen sind.

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Bei diesen Lebensversicherungen handelt es sich um:

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(1.) eine 1969 über Versicherungssummen von jeweils 722,- DM für den Todesfall eines der Ehegatten abgeschlossene Versicherung, deren Versicherungsnehmer der Ehemann der Klägerin ist. Sie hatte zum 1. Juni 2004 einen Rückkaufswert von 1.971,- €,

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(2.) eine 1975 über eine Versicherungssumme von 4000,- DM für den Todesfall der Klägerin abgeschlossene Versicherung, deren Versicherungsnehmerin diese ist. Sie hatte zum 1. Juni 2004 einen Rückkaufswert von 3.285,60 €,

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(3.) eine 1980 über eine Versicherungssumme von 5000,- DM für den Todesfall des Ehemanns abgeschlossene Versicherung, deren Versicherungsnehmer dieser ist. Sie hatte zum 1. Juni 2004 einen Rückkaufswert von 2.655,50 €.

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Am 15. April 2002 schlossen die Eheleute jeweils einen Bestattungsvorsorgevertrag mit dem Bestattungsinstitut Gebr. M., in denen die Versicherungsleistungen aus diesen Versicherungsverträgen "unwiderruflich" folgendermaßen an dieses Unternehmen abgetreten wurden:

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Die Leistungen aus der Versicherung zu (2.) und die Leistung für den Todesfall der Klägerin aus der Versicherung zu (1.) im Bestattungsvorsorgevertrag der Klägerin. Die Leistungen aus der Versicherung zu (3.) und die Leistung für den Todesfall des Ehemanns aus der Versicherung zu (1.) im Bestattungsvorsorgevertrag des Ehemanns.

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Am 15. März 2004 bestimmte die Klägerin in einer von ihrer Tochter S V "i.V." unterschriebenen "Erklärung eines unwiderruflichen Bezugsrechts" das Bestattungsinstitut zum Bezugsberechtigten der Versicherung zu (2.). Am 17. März 2004 bestimmte der Ehemann der Klägerin in von ihm unterschriebenen Erklärungen entsprechendes hinsichtlich der Versicherungen zu (1.) und (3.). Hinsichtlich der beiden letztgenannten Versicherungen bestätigte das Versicherungsunternehmen mit Schreiben vom 6. April 2004 diese Bezugsrechtsbestimmung mit dem Hinweis, das Bezugsrecht könne nur mit Zustimmung des unwiderruflich Begünstigten aufgehoben werden. Eine entsprechende Bestätigung bezüglich der Versicherung zu (2.) befindet sich nicht bei den Akten. In den bei den Verwaltungsakten befindlichen "Auskünften zum Vertragsstand" des Versicherungsunternehmens vom 12. Mai 2004 ist allerdings für alle drei Versicherungen das Bestattungsinstitut als Zessionar bezeichnet.

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Seit dem 19. März 2004 befindet die Klägerin sich in vollstationärer Pflege im Altenhilfezentrum T.. Die Heimkosten beliefen sich im Jahre 2004 auf monatlich 3.269,85 €. Der 1926 geborene Ehemann der Klägerin lebt seither weiterhin in der bisherigen gemeinsamen Wohnung der Eheleute. Laut Betreuerausweis vom 12. Mai 2004 ist ihre Tochter zur Betreuerin der Klägerin bestellt.

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Nachdem die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 24. Mai 2004 die Gewährung von Sozialhilfeleistungen abgelehnt hatte, weil die Klägerin und ihr Ehemann, insbesondere bei Berücksichtigung der Rückkaufswerte der Lebensversicherungen, noch über ein vorrangig vor Sozialhilfeleistungen einzusetzendes Vermögen in Höhe von 8.711,33 € zur Deckung des nicht durch Einkommen gedeckten Bedarfs für die Heimpflege in Höhe von monatlich 1.649,36 verfügten, gab die Beklagte dem dagegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 26. August "teilweise" statt. Sie bewilligte nunmehr der Klägerin Sozialhilfe in Höhe von 137,34 € für den März 2004 und 1.649,36 € monatlich ab April 2004. In dem Bescheid ist ausgeführt, dass die Leistungen unter der Einschränkung des § 29 BSHG bewilligt würden, da der Einsatz der kapitalbildenden, in einem Bestattungsvorsorgevertrag angelegten, Lebensversicherungen noch nicht abschließend geklärt sei. Die Klärung erfolge derzeit durch die Rechtsabteilung der Beklagten.

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Mit Bescheid, adressiert an die Betreuerin der Klägerin, vom 13. Oktober 2004 teilte die Beklagte mit, dass der Sachverhalt nunmehr "intern" geklärt sei, sie "die Einschränkung des § 29 BSHG hiermit aufhebe“ und sich ein einzusetzendes Vermögen in Höhe von 7.062,39 ergebe, welches die Klägerin vorrangig zur Deckung der Heimkosten einzusetzen habe. Dieser Betrag sei an sie, die Beklagte, zu überweisen. Sie habe bis einschließlich September einen Betrag in Höhe von 10.033,50 € an Sozialhilfeleistungen gewährt, sodass die Klägerin das einzusetzende Vermögen in voller Höhe einzusetzen habe. Der Klägerin werde anheimgestellt, sich mit dem Bestattungsunternehmen bezüglich des Bestattungsvorsorgevertrages vertragsrechtlich auseinander zusetzen, damit das Vermögen vorrangig zur Deckung der Heimkosten eingesetzt werden könne. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 zurück und bezifferte darin den einzusetzenden Betrag des Vermögens der Klägerin und ihres Ehemanns mit 6.806,39 € .

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Mit der am 30. März 2005 bei dem Verwaltungsgericht Schleswig erhobene Klage, die an das Sozialgericht Schleswig verwiesen worden ist, hat die Klägerin sich gegen den Bescheid vom 13. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005, ihr zugegangen am 1. März 2005, gewandt. Zur Begründung der Klage ist für die Klägerin ausgeführt worden, dass das vorhandene Vermögen der Vorsorge für den Todesfall diene und über den von der Beklagten anerkannten Vermögensschonbetrag von 2.915,00 Euro hinaus zu schonen sei. Insoweit werde auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) vom 11. Dezember 2003 zum Aktenzeichen 5 C 84/02 verwiesen. Danach sei eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall nach § 88 BSHG zu verschonen. Einem Sozialhilfeempfänger, dem nach dem geschlossenen Grabpflegevertrag ein Kündigungsrecht zustehe, könne eine Kündigung nur insoweit abverlangt werden, als eine angemessene Grabpflege erhalten bleibe und ein Teil der vorausgeleisteten Vergütung zurückverlangt werden könne. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten mit dem Bestattungsinstitut Bestattungsvorsorgeverträge geschlossen. Die Bestattungskosten für die Klägerin würden sich auf voraussichtlich 4801,00 Euro, die für ihren Ehemann auf voraussichtlich 4.033,50 Euro belaufen. Selbst wenn man von der Klägerin die Kündigung des - grundsätzlich unkündbaren - Bestattungsvorsorgevertrages verlangen würde, würden einzusetzende bereite Mittel nur dann verbleiben, wenn man der Klägerin entgegen der zitierten Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung keine angemessene Grabpflege- bzw. Bestattungsvorsorge zubillige. Die Beklagte verkenne auch die Wirkungen des § 649 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Bestattungsvorsorgevertrag jederzeit gekündigt werden könne, behalte das Bestattungsinstitut trotz Kündigung den vollen Vergütungsanspruch. Es müsse sich allenfalls etwaige ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Insoweit würden die Klägerin und ihr Ehemann im Kündigungsfall maximal die Hälfte des veranschlagten Betrages zurück erhalten bzw. mindestens den hälftigen Betrag an das Bestattungsinstitut entrichten müssen. Der Klägerin und ihrem Ehemann verblieben im Falle der von der Beklagten verlangten Kündigung der Bestattungsvorsorgeverträge für die eigenen Begräbnisse lediglich noch 4.417,25 Euro. Dieser Betrag Überschreite sicherlich nicht den für eine angemessene Grabpflege/Bestattung anzusetzenden Betrag und sei damit nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Dezember 2003 zu schonen.

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Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und ergänzend ausgeführt, das vorgenannte Urteil des BVerwG beziehe sich auf einen besonders gelagerten Einzelfall. Die Bestattungsvorsorgeverträge seien durchaus nach § 649 Abs. 2 BGB kündbar. Hierzu hat sie auf ein Urteil des AG Lübeck vom 25. November 2003, Az.: 30 C 3088/03, verwiesen und weiter ausgeführt, da wegen des Rechts des Bestattungsunternehmers, den Reinertrag der vereinbarten Vergütung zu verlangen, in der Regel nicht die Rückzahlung des gesamten Betrages verlangt werden könne, werde deshalb zu gegebener Zeit eine Reduzierung ihrer, der Beklagten, Aufwendungsersatzforderung im Rahmen eines Zweitbescheides notwendig sein. Derzeit sei noch nicht bekannt, ob dies der Fall sein werde bzw. wie hoch der Reinertrag anzusetzen sei.

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Mit Urteil vom 20. Februar 2003 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen dieses Urteils ist im Wesentlichen ausgeführt, der Einsatz der Mittel, die in den Bestattungsvorsorgeverträgen gebunden seien, würde für die Klägerin eine nicht hinzunehmende Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG bzw. § 90 Abs. 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) bedeuten. Unter Hinweis auf die genannte Entscheidung des BVerwG hat das Sozialgericht weiter ausgeführt, es schließe sich der von der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtssprechung überwiegend vertretenen Auffassung an, wonach Vermögen und bereite Mittel, die für die Bestattungs- und Grabpflegekosten bestimmt seien, vom sozialhilferechtlichen Einsatz verschont sein könnten. Die Ansprüche der Klägerin aus den Bestattungsvorsorgeverträgen seien demnach als Schonvermögen anzusehen.

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Gegen dieses der Beklagten am 9. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Mai 2006 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Zu ihrer Begründung macht die Beklagte weiterhin geltend, im Falle der Klägerin spreche nichts dafür, einen Härtefall i. S. des § 90 Abs. 3 SGB XII bzw. § 88 Abs. 3 BSHG für den Einsatz der Rückkaufswerte der Versicherungen, für welche die Bezugsberechtigungen im Rahmen der Bestattungsvorsorgeverträge der Klägerin und ihres Ehemanns an das Bestattungsunternehmen abgetreten seien bzw. dieses zum Bezugsberechtigten bestimmt sei, anzunehmen. Es sei insbesondere auch, anders als im vom BVerwG mit dem genannten Urteil entschiedenen Fall, nicht etwa davon auszugehen, dass die Bestattungskosten im Todesfall vom Sozialhilfeträger zu übernehmen seien. Vielmehr hätte die Klägerin 4 Kinder, die neben dem Ehemann im Falle ihres, der Klägerin, Todes, zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtet seien. Eine Mittellosigkeit der Kinder sei ihr, der Beklagten, nicht bekannt.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 20. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Hinsichtlich einer eventuellen Einstandspflicht der Kinder sei - eine ggf. erfolgende Erbausschlagung unterstellt – zu berücksichtigen, dass diese nur dann nach § 1615 Abs. 2 BGB zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichtet wären, wenn sie als Unterhaltspflichtige nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien hierzu herangezogen werden könnten.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis letztlich zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 als rechtswidrig aufgehoben.

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Der Bescheid vom 13. Oktober 2004 erweckt bereits Bedenken hinsichtlich seiner hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit, § 33 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X). Zum einen wird darin die Überweisung eines Betrages von 7.062,39 € an die Stadtkasse der Beklagten gefordert, zum anderen wird der Klägerin am Ende des Bescheides anheim gestellt, sich mit dem Bestattungsunternehmen, Fa. M., bezüglich des Bestattungsvorsorgevertrages vertragsrechtlich auseinander zusetzen, damit das Vermögen vorrangig zur Deckung der Heimkosten eingesetzt werden könne. Dies lässt zumindest nicht eindeutig erkennen, ob es sich bei dem Bescheid um einen Leistungsbescheid, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldforderung geltend gemacht wird, handelt, deren umgehende Zahlung wirklich gefordert wird, oder nicht vielmehr nur um eine Art Grundbescheid, in dem nur die Vermögensanrechnung mitgeteilt wird.

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Überdies ist der Bescheid insofern unklar bzw. inhaltlich schwerlich verständlich, als darin unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 26. August 2004 ausgeführt ist, die Bewilligung der Sozialhilfe sei darin „unter der Einschränkung des § 29 BSHG erfolgt“, da der Einsatz des Vermögens noch der Klärung bedurft habe. Diese interne Klärung sei nunmehr abgeschlossen, „so dass ich die Einschränkung des § 29 BSHG hiermit aufhebe“. Im Bescheid vom 26. August 2004 ist insofern ausgeführt, die Leistungen würden „unter der Einschränkung des § 29 BSHG bewilligt“, da der Einsatz der kapitalbildenden, in einem Bestattungsvorsorgevertrag angelegten, Lebensversicherungen noch nicht abschließend geklärt sei. Die Klärung erfolge derzeit durch die Rechtsabteilung der Beklagten, da Urteile von Verwaltungsgerichten vorlägen, die widersprüchlich seien. Alsdann folgt dort der Satz: „Diese Einschränkung hat zur Folge, dass in Höhe des einzusetzenden Vermögens Aufwendungsersatz gefordert werden kann.“

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Die Rechtsfolge einer „Aufhebung dieser Einschränkung“ wäre aber gewesen, dass damit die Sozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslage ohne sie gewährt worden wäre, nämlich nicht mehr als erweiterte Hilfe i.S. des § 29 S. 1 BSHG, sog. „unechte“ Sozialhilfe, sondern als „echte“, nicht mehr mit dem Aufwendungsersatzanspruch nach § 29 S. 2 BSHG belastete

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Hilfe in besonderen Lebenslagen. Eine spätere Verwaltungsentscheidung nach dem Bescheid vom 26. August 2004 mit dem isolierten Verfügungssatz, die Einschränkung des § 29 BSHG wird hiermit aufgehoben, hätte sich nur so verstehen lassen.

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Letztlich kann die Frage der hinreichenden Bestimmtheit des

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Bescheides vom 13. Oktober 2004 allerdings dahingestellt bleiben. Dieser ist - auch in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 - jedenfalls noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig, auch wenn davon ausgegangen würde, dass durch ihn mit hinreichender Bestimmtheit ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 29 S. 1 BSHG geltend gemacht worden ist. Denn dieser Aufwendungsersatzanspruch setzt zunächst einmal voraus, dass die erweiterte Sozialhilfe rechtmäßig gewährt worden ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein begründeter Fall i.S. des § 29 S.1 BSHG vorliegt. Erst dann ist dem Sozialhilfeträger das Ermessen zur Gewährung erweiterter Hilfe eröffnet. Als Begründung für die Gewährung erweiterter Hilfe ist im Bescheid vom 26. August 2001 angegeben, dass wegen „widersprüchlicher“ (gemeint offensichtlich: unterschiedlicher, divergierender) „Urteile von Verwaltungsgerichten“ derzeit eine Klärung durch die Rechtsabteilung der Beklagten erfolge. D.h.: die Beklagte war sich seinerzeit, trotz der in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen ihr gänzlich bekannten Vermögensverhältnisse der Klägerin und deren Ehemannes noch nicht in rechtlicher Hinsicht klar geworden, wie sie diese zu beurteilen hatte, weil sie noch ein internes Klärungsbedürfnis sah, ob allgemein Mittel, die zur Bestattungsvorsorge bestimmt sind, aus Härtefallgründen i.S. des § 88 Abs. 3 BSHG nicht dem nach § 88 Abs. 1 BSHG einzusetzendem verwertbaren Vermögen zuzurechnen sind. Ein derartiges nur der internen Behördensphäre des Sozialhilfeträgers zuzuordnendes Klärungsbedürfnis lässt sich nicht als begründeter Fall i.S. des § 29 S. 1 BSHG einordnen. Sinn und Zweck dieser Ausnahmeregelung gegenüber § 28 Abs. 1 BSHG ist nicht, der Behörde Zeit zur Bildung einer aus ihrer Sicht hinreichend gesicherten Rechtsauffassung einzuräumen. Dem steht namentlich auch entgegen, dass die Gewährung erweiterter Hilfe nach § 29 BSHG keineswegs eine nur den Hilfesuchenden bzw. den weiteren Personenkreis des § 28 Abs. 1 BSHG begünstigende Regelung ist, sondern das Risiko einer

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eventuell unrichtigen Beurteilung, dessen, ob einzusetzendes Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, auf den Personenkreis des § 28 Abs. 1 verlagert, indem es ggf. den Aufwendungsersatzanspruch nach § 29 S. 2 BSHG, der nicht von der Erfüllung der Voraussetzungen für die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 des Sozialgesetzbuchs, 10. Buch (SGB X) abhängig ist, begründet.

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Ein begründeter Fall i.S. des § 29 S. 1 BSHG ergibt sich hier auch nicht etwa aus anderen Gründen, auf welche sich die Beklagte nicht in ihrem Bescheid vom 26. August 2001 bezogen hat, und zwar selbst dann nicht, wenn man davon ausginge, dass solche anderen Gründe Berücksichtigung finden könnten, obwohl sie der Beklagten bei der nach dieser Vorschrift zu treffenden Ermessensentscheidung nicht bewusst waren bzw. sich dies nicht unmittelbar aus der getroffenen Bewilligungsentscheidung ergibt. Als derartiger andere Grund für die auf § 29 S. 1 BSHG gestützte Entscheidung vom 26. August 2001 könnte hier nämlich allenfalls in Erwägung zu ziehen sein, dass die Beklagte wegen der Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen der Klägerin und ihres Ehemanns an das Bestattungsinstitut, diese nicht dem bereiten Vermögen, den bereiten Mitteln, der Klägerin und ihres Ehemanns zugeordnet hätte, und dieser rechtlichen Beurteilung auch zu folgen wäre. Das ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil dann, wenn irgendwelche Vermögenswerte nicht bereite Mittel sind, nicht etwa Sozialhilfeleistungen nach § 29 S. 1 BSHG also im Wege der erweiterten, „unechten“ Sozialhilfe zu gewähren sind, sondern im Wege der „echten“ Sozialhilfe nach § 28 BSHG. Es bedarf mithin unter diesem Aspekt auch keines näheren Eingehens darauf, dass hinsichtlich der Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungsverträgen zwischen den Zeitpunkten der Bescheide vom 26. August 2001 und 13. Oktober 2004 bzw. des Zeitpunkts des Widerspruchsbescheides sich keinerlei Veränderungen der Verhältnisse ergeben haben.

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Ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 29 S. 2 BSHG besteht mithin jedenfalls deshalb nicht, weil die Beklagte nicht rechtmäßig Leistungen nach § 29 Abs. 1 BSHG erbracht hat. Für anderweitige Ersatz- oder Erstattungsansprüche auf die sich die in dem Bescheid 13. Oktober 2004 enthaltene Zahlungsauforderung stützen lassen könnte, insbesondere einen solchen nach §§ 45, 50 Abs. 1 SGB X, fehlt es an allen Voraussetzungen.

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Es bedarf deshalb auch nicht des weiteren Eingehens darauf, dass die Beklagte mit der Anheimstellung in dem an die Betreuerin der Klägerin adressierten Bescheid, „sich bezüglich des Bestattungsvorsorgevertrages“ mit dem Bestattungsinstitut auseinander zusetzen, etwas verlangt hat, was dieser hinsichtlich der Abtretungen der Ansprüche aus den Lebensversicherungen deren Versicherungsnehmer der Ehemann der Klägerin ist, rechtlich nicht möglich ist.

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Für den Senat besteht, weil der von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch bereits aus diesen Gründen nicht gegeben ist, keine Veranlassung sich in dieser Entscheidung damit näher zu befassen, ob, wie das Sozialgericht gemeint hat, § 88 Abs. 3 BSHG bzw. § 90 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs, 12. Buch (SGB XII), durch welches das BSHG mit Wirkung vom 1.Januar 2005 abgelöst worden ist, dem entgegensteht, die der Bestattungsvorsorge gewidmeten Ansprüche aus den Lebensversicherungen der Klägerin und ihres Ehemanns, als einzusetzendes Vermögen im Rahmen der Sozialhilfegewährung nach §§ 28 Abs. 1, 88 Abs. 1 BSHG bzw. § 19 Abs. 3 , 90 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen. Differenzierende Ausführungen dazu finden sich in seinen Urteilen vom selben Terminstag mit den Aktenzeichen: L 9 SO 3/06 und L 9 SO 19/06 (veröffentlicht in der juristischen Datenbank „juris“ und auch kostenfrei zugänglich unter www.sozialgerichtsbarkeit.de < Schleswig-Holsteinisches LSG>).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.

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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.


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