Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (1. Senat) - L 1 B 89/08 SK
Tenor
Der Beschwerdeführer ist mit insgesamt 788,10 EUR zu vergüten.
Gründe
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Der Beschwerdeführer beanstandet die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als medizinischer Sachverständiger. Der Beschwerdeführer wurde in den Verfahren A., F., A., D., Y. und de B. mit der Erstellung neurologisch-psychiatrischer Gutachten beauftragt. Seine Kostenrechnung vom 18. März 2007 über 1.023,00 EUR sowie 100,00 EUR für die detaillierte Rechnungslegung akzeptierte die Kostenbeamtin des Sozialgerichts nicht, weil die Gutachten unverwertbar seien (Schreiben vom 7. Mai 2007). Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin richterliche Festsetzung, die durch Beschluss vom 9. Januar 2008 erfolgte und die Vergütung auf insgesamt 183,10 EUR festsetzte. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 12. März 2008 Beschwerde, die er nicht weiter begründete.
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Auf den Inhalt der beigezogenen Streitakten sowie auf die Akte S 11 AR 35/07 SK - L 1 B 89/08 SK und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze wird verwiesen.
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Die Beschwerde ist nach § 4 Abs. 3 bis 5 JVEG zulässig. Sie ist teilweise begründet.
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Unstreitig stehen dem Beschwerdeführer für die Streitverfahren A. und F. 31,10 EUR und 52,00 EUR als Vergütung zu. Im Übrigen ist entscheidend, ob die Gutachten unverwertbar sind und ob der Sachverständige die Unverwertbarkeit schuldhaft verursacht hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht v. 6. Oktober 2006 - 15 WF 244/06; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 8 JVEG Rz. 8 m.z.N.). Unverwertbarkeit liegt vor, wenn das Gutachten für die Beantwortung der Beweisfragen in keiner Weise eine Grundlage bilden kann oder wenn die Schlussfolgerungen des Sachverständigen auch von einem bemühten Auftraggeber nicht zu verstehen sind. Die Unverständlichkeit kann sich aus Stil und Sprache der Darstellung, aber auch aus dem Fehlen wesentlicher Gutachtenteile ergeben. Was zu den wesentlichen Gutachtenteilen gehört, hängt vom Einzelfall und von der Aufgabenstellung ab. Wesentliche Gutachtenteile können bei sozialmedizinischen Fragestellungen u. a. sein: Die Auseinandersetzung mit der Aktenlage, die Anamnese, die Biographie, die Beschwerdeschilderungen, die Darstellung der Befunderhebung auf klinischem oder labortechnischem Gebiet, die Diagnose, die Prognose, ggf. Therapieempfehlungen, die Erörterung von Kausalzusammenhängen, die Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur und Vorgutachten, die Beantwortung sozialmedizinischer Fragen. Je nach Aufgabenstellung können Teile dieser Aufzählung entfallen oder sind umfangreicher als andere zu bearbeiten. Keinesfalls führen sprachliche Unklarheiten, methodische Unsicherheiten oder ausräumbare Mängel zur Unverwertbarkeit, sonst wäre § 411 Abs. 3 ZPO überflüssig.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die vom Beschwerdeführer erstatteten Gutachten wie folgt zu beurteilen, wobei hiermit ausdrücklich keine Bewertung der inhaltlichen Qualität erfolgt:
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1. Streitverfahren A.:
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Der Beschwerdeführer sollte in diesem Verfahren Stellung dazu nehmen, ob sich die bereits anerkannten Behinderungen der Klägerin seit Februar 2005 verschlechtert hätten. In seinen Ausführungen ist zunächst die Aktenlage wiedergegeben. Es folgen eine eigene und eine biografische Anamnese sowie ein körperlicher, ein neurologischer und ein seelischer Untersuchungsbefund, wobei eine Dolmetscherin übersetzt hat. Die Diagnose lautete: „Depression im Klimakterium und beginnendes Postklimakterium.“ Zum GdB ist angegeben, dass dieser zwischen 40 und 50 v. H. liege.
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Mit diesen Ausführungen auf 15 Seiten liegen alle wesentlichen Teile eines Gutachtens vor. Zwar ist der GdB-Vorschlag ungenau. Es ist aber ersichtlich, dass der Beschwerdeführer ihn nicht höher als bisher einschätzte. Insofern hätte das Problem der wesentlichen Verschlimmerung seit Februar 2005 durch eine richterliche Nachfrage geklärt werden können. Die Kriterien der Unverwertbarkeit sind nicht erfüllt.
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2. Streitverfahren de B.:
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In diesem Verfahren ging es darum, die Behinderungen des Klägers festzustellen. Nach einer kurzen Schilderung der Aktenlage befasst sich der Teil „Gutachten“ mit Schilderungen der vom Kläger angegebenen Beschwerden. Es schließt sich eine biografische Anamnese an; darauf folgen eine Allgemeinuntersuchung und eine neurologische Untersuchung mit Befundangaben. Der psychische Befund endet mit der Diagnose eines „vital-depressiven Syndroms (am ehesten F 32.9) mit Panikerkrankung“. Zum GdB wollte sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung äußern. Er machte insofern seine Beurteilung davon abhängig, dass ihm die Richterin nicht aktenkundige Auskünfte über eine konsequente Behandlung geben würde.
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Auch diese Darlegungen sind nicht völlig unverwertbar, sondern schildern die körperliche und psychische Verfassung des Klägers. Außerdem wird aufgezeigt, wie mithilfe des Gerichts in der mündlichen Verhandlung der GdB bestimmt werden könnte.
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3. Streitverfahren D.:
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Hier sollte die Verschlimmerung der bereits anerkannten Behinderungen seit Februar 2005 festgestellt werden. Hierzu liegen ein Hauptgutachten vom 17. Januar und eine ergänzende Stellungnahme vom 31. Januar 2007 vor. Das Hauptgutachten enthält die Wiedergabe des Akteninhalts, danach schließen sich eigene Erhebungen und Beschwerdeschilderungen des Klägers an. Hier findet sich die Angabe des Klägers, der GdB sei bisher auf 30 festgesetzt. Auf die biografische Anamnese folgen eine Allgemeinuntersuchung sowie eine neurologische Untersuchung mit den erhobenen Befunden. Es schließt sich der seelische Befund an. Als Diagnose ist eine „larvierte Depression (in etwa identisch mit ICD 32.0) mit morgendlichen Antriebsstörungen“ geschildert. Der Kläger lehne eine Behandlung ab.
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Auch wenn man in diesem Verfahren die Stellungnahmen vom 17. und 31. Januar 2007 zusammen betrachtet, bleiben doch die Beweisfragen unbeantwortet. Es finden sich auf insgesamt acht Seiten keine Feststellungen dazu, ob eine Verschlimmerung vorliegt und wieso. Insbesondere ist nicht ausgeführt, welcher Unterschied in den Befunden von Februar 2005 und denen vom Januar 2007 besteht und wie der jetzige GdB einzuschätzen ist. Das Gericht hat deshalb die ergänzende Stellungnahme vom 31. Januar 2007 (1,5 Textseiten) eingeholt. Aber auch sie führte nicht zu einer Beantwortung der Beweisfragen. Deshalb hat der Beschwerdeführer die Unverwertbarkeit zu vertreten. Es war ihm Gelegenheit gegeben, die Unklarheiten in der Stellungnahme vom 17. Januar nachträglich auszuräumen. Diese Leistung hat er nicht erbracht.
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4. Streitverfahren Y.:
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Hier ging es um die Feststellung der Behinderungen seit Juni 2004. Der Beschwerdeführer gibt in seinen Darlegungen von 6,5 Seiten an, dass er die Akten gelesen habe. Die Zusammenfassung des Akteninhalts ist jedoch nicht wiedergegeben. Die Stellungnahme beginnt mit der Schilderung der Beschwerden der Klägerin. Es folgen eine eigen- und eine biografische Anamnese. Danach schließen sich die Allgemeinbefunde und die Befunde einer neurologischen Untersuchung an. Der seelische Befund endet mit einer Diagnose. Sie lautet: „reaktive behandelbare Depression“. Obwohl nicht danach gefragt, wird hier von einer Verschlechterung der Befunde gegenüber Juli 2004 berichtet, diese sei aber nicht messbar. Der GdB bleibe deswegen bei 30. Die Frage nach der erheblichen Beeinträchtigung im Straßenverkehr ist nicht beantwortet. Wenn auch in diesem Verfahren eine Beweisfrage nicht beantwortet worden ist, sind doch Befunde geschildert, die auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung auch zu einem Ergebnis über die Gehfähigkeit der Klägerin hätten führen können. Das Gutachten ist nicht völlig unverwertbar.
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Nach alledem ist der Beschwerdeführer auch für die Gutachten A., de B. und Y. zu entschädigen. Die Höhe der verlangten Entschädigung ist im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Nur für das Gutachten A. ist ein Abzug von 10,00 EUR für die verauslagte Taxifahrt der Klägerin zu machen. Fahrkosten einer Klägerin muss diese direkt beim Gericht geltend machen. Das JVEG sieht die beantragte Auslagenerstattung auch unter dem Gesichtspunkt der besonderen Aufwendungen im Sinne des § 12 ZVEG nicht vor. Das gilt auch für die Kosten der detaillierten Rechnung. Auch insofern enthält das JVEG keine Entschädigungs- oder Ersatzvorschriften.
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Somit ist der Beschwerdeführer wie folgt zu vergüten: F. (31,10 EUR), A. (52,00 EUR), A. (255,00 EUR), de B. (250,00 EUR), Y. (200,00 EUR) - insgesamt also 788,10 EUR.
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Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Abs. 8).
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Referenzen
- JVEG § 8 Grundsatz der Vergütung 1x
- 1 B 89/08 1x (nicht zugeordnet)
- JVEG § 4 Gerichtliche Festsetzung und Beschwerde 1x
- 11 AR 35/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 12 ZVEG 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht (5. Senat für Familiensachen) - 15 WF 244/06 1x
- SGG § 177 1x
- ZPO § 411 Schriftliches Gutachten 1x