Entscheidung vom Landessozialgericht für das Saarland - S 23 KR 500/05

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Übersendung der Kündigungsbestätigung an einen Versicherten, der die Mitgliedschaft bei der Beklagten aufgekündigt hat, dadurch zu verzögern, dass dem Versicherten die persönliche Überbringung der Kündigungsbestätigung angeboten und ihm zugleich mitgeteilt wird, man werde sich deshalb in den nächsten Tagen mit ihm in Verbindung setzen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen rechtswidriger Werbermaßnahmen auf Unterlassung in Anspruch.

Die Klägerin ist eine I.K., die auch in Rheinland-Pfalz zugelassen ist. Bei der Beklagten handelt es sich um eine ebenfalls in Rheinland-Pfalz tätige Primärkrankenkasse.

Die Beklagte stellt seit einiger Zeit im Falle der Kündigung eines Mitglieds nicht eine entsprechende Kündigungsbestätigung aus und übersendet sie dem Mitglied, sondern kündigt zunächst schriftlich an, dass sie beabsichtigt diese Kündigungsbestätigung persönlich vorbeizubringen und sie sich deshalb in den nächsten Tagen mit dem Mitglied noch einmal in Verbindung setzen wird.

Wörtlich heißt es in den entsprechenden Schreiben:

"Die Kündigungsbestätigung erhalten Sie von uns persönlich. Da dieses Dokument sehr wichtig ist, bieten wir Ihnen an, diese Kündigungsbestätigung vorbeizubringen. Wir werden uns daher in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen. "

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.09.2005 forderte die Klägerin und eine weitere I.K. - I.K.P. - die Beklagte zur Unterlassung des entsprechenden Verhaltens auf, sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Mit Telefaxschreiben vom 21.09.2005 lehnte die Beklagte die Abgabe der begehrten Unterlassungserklärung mit dem Hinweis ab, dass ihr Vorgehen von der zuständigen Aufsichtsbehörde bisher nicht beanstandet worden sei.

Die Klägerin trägt vor,

der Gesetzgeber habe gesetzlich Versicherten in den §§ 173 ff. SGB V zugestanden, frei zu wählen, bei welcher Krankenkasse sie Mitglied sein möchten. Zum Krankenkassenwechsel sei es erforderlich, bei der zukünftigen Krankenkasse eine Kündigungsbestätigung der vorherigen Krankenkasse vorzulegen. Nach § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V habe diese Krankenkasse dem vorherigen Mitglied unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung ihres Verhaltens im Falle einer Kündigung eines Mitglieds nach § 8 Abs. 1 UWG.

Die Klägerin sei im Verhältnis zur Beklagten Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Sie stehe in Rheinland-Pfalz in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten.

Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.03.1998 in der Fassung vom 20.10.2000".

Die Formen und Grenzen der Werbung der Krankenkassen bestimmten sich nach ihren Aufgaben und ihrem gesetzlichen Auftrag. Inhaltliche und formale Beschränkungen der grundsätzlich zulässigen Werbung ergäben sich aus der Pflicht der Krankenkassen gemäß der §§ 13 bis 15 SGB I zur Aufklärung, Beratung und Information des Versicherten sowie aus dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern, zu denen auch die konkurrierenden Krankenkassen gehörten, zusammenzuarbeiten. Damit korrespondierend bestehe die Pflicht zur Unterlassung von Tätigkeiten, die diesem Ziel zuwider laufen. Die konkurrierenden Krankenkassen hätten sich im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zu bewegen und auf die Belange anderer Krankenversicherungsträger Rücksicht zu nehmen. Dabei seien zur Konkretisierung des rechtmäßigen Wettbewerbsverhaltens der Krankenkassen die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.03.1998 in der Fassung vom 20.10.2000" heranzuziehen. Daraus folge, dass die Krankenkassen in ihrem Wettbewerbsverhalten die allgemeinen Wertmaßstäbe der §§ 1, 3 UWG zu beachten hätten gem. Rn. 4 der Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze. Das Wettbewerbsverhalten der Krankenkassen nicht sittenwidrig sein.

Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V. Danach habe die Beklagte die Kündigungsbestätigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, auszustellen. Unverzüglich bedeute nach der auch im Sozialrecht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB: ohne schuldhaftes Zögern. Ein schuldhaftes Zögern der Beklagten bei der Absendung der Kündigungsbestätigung sei allerdings schon darin zu sehen, dass dem Versicherten angeboten werde, diese persönlich vorbeizubringen. Dies werde in der Regel länger dauern als die üblichen Laufzeiten der Post. Dafür könne nicht die besondere Wichtigkeit der Kündigungsbestätigung für den Versicherten als Rechtfertigung herangezogen werden, weil eine entsprechend sichere Versendung der Kündigungsbestätigung auch auf dem Postwege erfolgen könnte. Ein schuldhaftes Zögern der Beklagten ist weiter darin zu sehen, dass die Übermittlung der Kündigungsbestätigung von einer weiteren Kontaktaufnahme der Beklagten mit dem Versicherten "in den nächsten Tagen" abhängig gemacht werde. Das Verhalten der Beklagten verfolge erkennbar den Zweck, ein "Nachbearbeiten" des Versicherten zu ermöglichen, der seine Kündigung gegenüber der Beklagten bereits ausgesprochen hat. Diese Absicht ergebe sich erkennbar auch aus dem Wortlaut des vorgelegten Schreibens vom 08.08.2005. Dem Versicherten werde nochmals eine Checkliste vorgelegt, mit der er das Angebot der neuen Krankenkasse überprüfen solle, sowie Informationsmaterial, in dem die Vorteile der Beklagten zusammengefasst würden. Nach der gesetzlichen Verpflichtung habe die Beklagte lediglich die Kündigungsbestätigung zu übersenden. Das Verhalten der Beklagten ziele darauf ab, dass sich der Versicherte, der bereits seine Kündigung ausgesprochen habe, nochmals mit dem Angebot der Beklagten auseinandersetzen und im weiteren Kontakt mit der Beklagten seine Kündigung rechtfertigen müsse. Das Verhalten der Beklagten verstoße daher gegen den Sinn und Zweck des vom Gesetzgeber vorgesehenen Wahlrechts der Versicherten, das gerade durch die unverzügliche Übersendung der Kündigungsbestätigung sichergestellt werden solle. § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V verfolge zumindest auch den Zweck, das Marktverhalten der Krankenkasse im Interesse von konkurrierenden Krankenkassen und Versicherten zu regeln.

Eine Wiederholungsgefahr sei gegeben. Sie ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Beklagte die Abgabe, einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert habe.

Die Beklagte könne sich nicht damit rechtfertigen, dass ihr wettbewerbswidriges Verhalten bisher nicht von der zuständigen Aufsichtsbehörde beanstandet worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Übersendung der Kündigungsbestätigung an einen Versicherten, der die Mitgliedschaft bei der Beklagten aufgekündigt hat, dadurch zu verzögern, dass dem Versicherten die persönliche Überbringung der Kündigungsbestätigung angeboten und ihm zugleich mitgeteilt wird, man werde sich deshalb in den nächsten Tagen mit ihm in Verbindung setzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,

aus dem Klagevorbringen der Klägerin ergebe sich kein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten. Ein von der Klägerin behaupteter Verstoß gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden liege insbesondere nicht vor.

Die Klägerin sehe einen Verstoß gegen § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V durch die Beklagte; damit einhergehend unlauteren Wettbewerb durch die Beklagte in Form der Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Das fehlerhafte Rechtsverständnis der Klägerin liege in ihrer Definition des Begriffs "unverzüglich" i.S. des § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V, ihrer Überzeugung, der Beklagten sei jegliches "Nacharbeiten" einer Kündigung untersagt und ihrer Auffassung im Klageschriftsatz, "nach der gesetzlichen Verpflichtung hat die Beklagte lediglich die Kündigungsbestätigung zu übersenden."

Die Klägerin sei also der Auffassung, dass die Verpflichtung, eine Kündigungsbestätigung auszustellen gleichbedeutend sei mit der Verpflichtung zur Übersendung einer Kündigungsbestätigung. Die Auslegung durch die Klägerin sei diesbezüglich unzutreffend, werde von ihr auch nicht begründet und belaste sich aufgrund des eindeutigen Wortlautes dieser gesetzlichen Vorschrift auch nicht begründen.

Des Weiteren sei natürlich ein Nachbearbeiten einer Kündigung dem Grunde nach zulässig. Es sei im Wettbewerbsrecht unbestritten und auch durch die Sozialgerichte bestätigt (vgl. LSG-Beschluss vom 03.05.2005, Au: L 1 ER 11/05 KR), dass die Abwerbung von Kunden grundsätzlich erlaubt ist. Ebenso gelte dies für die "Nachbearbeitung" von Kündigungen. Auch hier dürfe das gekündigte Unternehmen Anstrengungen unternehmen, um mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Hierzu gehöre natürlich auch die Übersendung von weiterem Informationsmaterial.

Letztlich - und von entscheidender Bedeutung - ergebe sich ein Gesetzesverstoß schon aus der Formulierung der beanstandeten Vorschrift nicht. Ausdrücklich spreche § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V davon, dass die Kündigungsbestätigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, auszustellen sei. Hier gebe der Gesetzgeber sogar den Zeitrahmen vor, innerhalb dessen von einer unverzüglichen Ausstellung auszugehen sei. Er sehe einen Zeitrahmen von zwei Wochen als Vorgabe an.

Ein Vergleich zur Regelung in § 175 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestätige diese Auffassung. Hiernach habe die gewählte Krankenkasse nach Ausübung des Wahlrechts unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Hier verzichte der Gesetzgeber ausdrücklich auf eine klarstellende zeitliche Vorgabe, so dass (lediglich) in diesem Fall auf die geltende Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB (ohne schuldhaftes Zögern) abgestellt werden könne.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Das angerufene Sozialgericht ist sachlich und örtlich zuständig.

Der Rechtsweg zum Sozialgericht ist bei Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Innungskrankenkassen über Maßnahmen zur Werbung von Mitgliedern eröffnet.

Das angerufene Sozialgericht ist auch gemäß § 57 SGG örtlich zuständig.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, da das beanstandete Verhalten der Beklagten wettbewerbswidrig ist und auch Wiederholungsgefahr besteht.

Die Rechtswidrigkeit des Handelns der Antragsgegnerin ergibt sich zwar nicht direkt aus dem UWG, da dieses nicht unmittelbar auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesetzlichen Krankenkassen anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.9.2001, Az.: B 3 KR 3/01).

Beschränkungen ergeben sich jedoch hinsichtlich von Form und Inhalt von Maßnahmen der Mitgliederwerbung aus der Pflicht zur Aufklärung, Beratung und Information der Versicherten (§§ 13 – 15 SGB I) sowie aus dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammenzuarbeiten (§ 15 Abs. 3 SGB I; § 86 SGB X). Wie bei jeder Handlungspflicht korrespondiert damit eine Pflicht zur Unterlassung von Tätigkeiten, die dem Handlungsziel zuwider laufen. Wird deshalb bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet, kann sich daraus ein Anspruch des beeinträchtigten Trägers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben (BSG, Urteil vom 31.3.1998, Az.: B 1 KR 9/95 R).

Dabei sind die „gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.3.1998“ in der Fassung vom 20.10.2000 zu beachten. Diese sind zwar keine Rechtsnormen, sondern Verwaltungsvorschriften zur Auslegung des einschlägigen Sozialrechts, aber unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (vgl. hierzu Koenig, Engelmann, Hentschel, „Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Werbemaßnahmen Gesetzlicher Krankenkassen“, WRP 2003, 831, 834).

Durch das streitgegenständliche beanstandete Verhalten der Beklagten hat diese gegen die oben genannten Grundsätze bereits dadurch verstoßen, dass sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt.

Gemäß § 175 Abs.4 S.3 SGB V hat die Krankenkasse, deren Mitglied gekündigt, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Dadurch, dass die Beklagte die zwingend vorgeschriebene Kündigungsbestätigung nicht übersendet, sondern anbietet, diese bei dem Mitglieder „vorbeizubringen“ und sich zu diesem Zwecke in den nächsten Tagen mit diesem in Verbindung zu setzen, erfüllt sie die genannte Verpflichtung nicht. Dabei verkennt die Beklagte in kaum nachvollziehbarer Weise den Begriff „unverzüglich“ in der genannten Vorschrift. Gemäß der Legaldefinition des § 121 BGB bedeutet dieser „ ohne schuldhaftes Zögern“. Dies bedeutet, dass die Beklagte verpflichtet ist, sofort nach Überprüfung der vorgenommenen Kündigung durch das Mitglied diesem die Kündigungsbestätigung zukommen zu lassen. Dieser Verpflichtung kommt die Beklagten nicht nach, wenn sie die Mitglieder zuerst anschreibt und in diesem Schreiben erst einmal anbietet, die Kündigungsbestätigung persönlich vorbeizubringen. Ein Zögern im o. g. Sinne tritt – ohne dass dies weiterer Erläuterung bedarf – allein dadurch ein, dass in diesem Anschreiben nicht, wie es technisch möglich wäre, die Kündigungsbestätigung enthalten ist, sondern lediglich das oben genannte Anbieten der Beklagten. Dadurch dass das Mitglied durch ein solches Vorgehen der Beklagten gezwungen ist, sich mit der Beklagten als Antwort auf das Anschreiben zuerst noch einmal mit dieser in Verbindung zu setzen und danach erst – je nach Antwort des Mitglieds – die Kündigungsbestätigung entweder übersandt oder persönlich vorbeigebracht wird, entsteht eine nicht unerhebliche Verzögerung, die in jedem Fall schuldhaft im Sinne der genannten Vorschrift ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Vorschrift des §175 Abs.4 S.3 SGB V auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Krankenkassen stets zwei Wochen für die Übermittlung der Kündigungsbestätigung Zeit haben. Denn die in der Vorschrift genannte Zweiwochenfrist stellt eine absoluten Fristbeschränkungen dar, wie sich aus der Formulierung „ spätestens“ unschwer ergibt. Dies bedeutet, das unabhängig von einem etwa unverschuldeten Zögern spätestens nach Ablauf der Zweiwochenfrist die Kündigungsbestätigung dem Mitglied zur Verfügung stehen muss.

Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Gesetz nicht vorschreibt, in welcher Art und Weise die Kündigungsbestätigung dem Mitglied übermittelt wird. Keineswegs darf die Übermittlung jedoch davon abhängig gemacht werden, dass das kündigenden Mitglied den persönlichen Besuch eines Mitarbeiters der Krankenkasse auf sich nehmen muss. Allein das Ansinnen der Beklagten, die Kündigungsbestätigung persönlich vorbeibringen zu wollen ist in der Regel für das Mitglied nicht zumutbar. Dabei ist es durchaus zulässig, bei der Kündigung eines Mitgliedes durch weitere Informationen zu versuchen, die Kündigung noch abzuwenden. Dies darf jedoch nicht mit der Übermittlung der Kündigungsbestätigung in der Art und Weise verknüpft werden, wie dies die Beklagte vorliegend tut. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Mitglied in der Regel dringend auf die Kündigungsbestätigung angewiesen ist, da gemäß § 175 Abs.2 S.2 SGB V eine Mitgliedsbescheinigung bei einer anderen Krankenkasse nur nach Vorlage der Kündigungsbestätigung ausgestellt werden darf, wenn, wie dies häufig der Fall ist, innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden hat. Durch das Verhalten der Beklagten wird das Mitglied somit in der freien Ausübung eines Wahlrechts in unzulässiger Weise eingeschränkt. Um zeitnah eine Kündigungsbestätigung seitens der Beklagten zu erhalten sind Mitglieder, wie dies die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21. Februar 2006 an Hand eines Versicherten, der dies auch an Eides statt versichert hat, dargestellt hat, darauf angewiesen, sich die Kündigungsbestätigung bei der Beklagten abzuholen. Dies widerspricht nicht nur, wie oben dargelegt, dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift, sondern auch dem Sinn und Zweck dieser Regelung.

Die Beklagte hat ihr Vorgehen offensichtlich allein deshalb so angelegt, um ein „Nachbearbeiten “ durch persönliche Kontaktaufnahme mit dem Versicherten zu erreichen. Dies folgt erkennbar aus dem Wortlaut des von der Beklagten verwandten Schreibens. Dort wird dem Versicherten nochmals eine Checkliste vorgelegt, mit er das Angebot der neuen Krankenkasse überprüfen soll, sowie Informationsmaterial, in dem die Vorteile der Beklagten zusammengefasst werden. Zwar ist dies für sich allein zulässig, nicht jedoch dann, wenn es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übermittlung der Kündigungsbestätigung geschieht. Es ist davon auszugehen, dass ein Mitglied, das die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nicht mehr wünscht und sich für eine andere Krankenkasse entschieden hat, keinen Hausbesuch eines Mitarbeiters der gekündigten Krankenkasse wünscht, da er dann sein Verhalten rechtfertigen muss. Solche Hausbesuche haben daher in der Regel einen belästigenden Charakter und verstoßen somit gegen die gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung.

Als mit der Beklagten im Wettbewerb stehende Krankenversicherung hat die Klägerin somit einen Anspruch auf Unterlassung des streitgegenständlichen Verhaltens.

Denn die Beklagte hat nicht nur der Vergangenheit sich in dem oben genannten Sinne wettbewerbswidrig verhalten, es besteht auch für die Zukunft Wiederholungsgefahr. Dies folgt nicht nur daraus, dass die Beklagten die von der Klägerin begehrte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, sondern auch daraus, dass die Beklagte in dem vorliegenden Rechtsstreit die Meinung vertritt, sich wettbewerbskonform zu verhalten.

Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Das angerufene Sozialgericht ist sachlich und örtlich zuständig.

Der Rechtsweg zum Sozialgericht ist bei Streitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen und Innungskrankenkassen über Maßnahmen zur Werbung von Mitgliedern eröffnet.

Das angerufene Sozialgericht ist auch gemäß § 57 SGG örtlich zuständig.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, da das beanstandete Verhalten der Beklagten wettbewerbswidrig ist und auch Wiederholungsgefahr besteht.

Die Rechtswidrigkeit des Handelns der Antragsgegnerin ergibt sich zwar nicht direkt aus dem UWG, da dieses nicht unmittelbar auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesetzlichen Krankenkassen anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.9.2001, Az.: B 3 KR 3/01).

Beschränkungen ergeben sich jedoch hinsichtlich von Form und Inhalt von Maßnahmen der Mitgliederwerbung aus der Pflicht zur Aufklärung, Beratung und Information der Versicherten (§§ 13 – 15 SGB I) sowie aus dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammenzuarbeiten (§ 15 Abs. 3 SGB I; § 86 SGB X). Wie bei jeder Handlungspflicht korrespondiert damit eine Pflicht zur Unterlassung von Tätigkeiten, die dem Handlungsziel zuwider laufen. Wird deshalb bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet, kann sich daraus ein Anspruch des beeinträchtigten Trägers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben (BSG, Urteil vom 31.3.1998, Az.: B 1 KR 9/95 R).

Dabei sind die „gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.3.1998“ in der Fassung vom 20.10.2000 zu beachten. Diese sind zwar keine Rechtsnormen, sondern Verwaltungsvorschriften zur Auslegung des einschlägigen Sozialrechts, aber unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (vgl. hierzu Koenig, Engelmann, Hentschel, „Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Werbemaßnahmen Gesetzlicher Krankenkassen“, WRP 2003, 831, 834).

Durch das streitgegenständliche beanstandete Verhalten der Beklagten hat diese gegen die oben genannten Grundsätze bereits dadurch verstoßen, dass sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt.

Gemäß § 175 Abs.4 S.3 SGB V hat die Krankenkasse, deren Mitglied gekündigt, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Dadurch, dass die Beklagte die zwingend vorgeschriebene Kündigungsbestätigung nicht übersendet, sondern anbietet, diese bei dem Mitglieder „vorbeizubringen“ und sich zu diesem Zwecke in den nächsten Tagen mit diesem in Verbindung zu setzen, erfüllt sie die genannte Verpflichtung nicht. Dabei verkennt die Beklagte in kaum nachvollziehbarer Weise den Begriff „unverzüglich“ in der genannten Vorschrift. Gemäß der Legaldefinition des § 121 BGB bedeutet dieser „ ohne schuldhaftes Zögern“. Dies bedeutet, dass die Beklagte verpflichtet ist, sofort nach Überprüfung der vorgenommenen Kündigung durch das Mitglied diesem die Kündigungsbestätigung zukommen zu lassen. Dieser Verpflichtung kommt die Beklagten nicht nach, wenn sie die Mitglieder zuerst anschreibt und in diesem Schreiben erst einmal anbietet, die Kündigungsbestätigung persönlich vorbeizubringen. Ein Zögern im o. g. Sinne tritt – ohne dass dies weiterer Erläuterung bedarf – allein dadurch ein, dass in diesem Anschreiben nicht, wie es technisch möglich wäre, die Kündigungsbestätigung enthalten ist, sondern lediglich das oben genannte Anbieten der Beklagten. Dadurch dass das Mitglied durch ein solches Vorgehen der Beklagten gezwungen ist, sich mit der Beklagten als Antwort auf das Anschreiben zuerst noch einmal mit dieser in Verbindung zu setzen und danach erst – je nach Antwort des Mitglieds – die Kündigungsbestätigung entweder übersandt oder persönlich vorbeigebracht wird, entsteht eine nicht unerhebliche Verzögerung, die in jedem Fall schuldhaft im Sinne der genannten Vorschrift ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Vorschrift des §175 Abs.4 S.3 SGB V auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Krankenkassen stets zwei Wochen für die Übermittlung der Kündigungsbestätigung Zeit haben. Denn die in der Vorschrift genannte Zweiwochenfrist stellt eine absoluten Fristbeschränkungen dar, wie sich aus der Formulierung „ spätestens“ unschwer ergibt. Dies bedeutet, das unabhängig von einem etwa unverschuldeten Zögern spätestens nach Ablauf der Zweiwochenfrist die Kündigungsbestätigung dem Mitglied zur Verfügung stehen muss.

Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Gesetz nicht vorschreibt, in welcher Art und Weise die Kündigungsbestätigung dem Mitglied übermittelt wird. Keineswegs darf die Übermittlung jedoch davon abhängig gemacht werden, dass das kündigenden Mitglied den persönlichen Besuch eines Mitarbeiters der Krankenkasse auf sich nehmen muss. Allein das Ansinnen der Beklagten, die Kündigungsbestätigung persönlich vorbeibringen zu wollen ist in der Regel für das Mitglied nicht zumutbar. Dabei ist es durchaus zulässig, bei der Kündigung eines Mitgliedes durch weitere Informationen zu versuchen, die Kündigung noch abzuwenden. Dies darf jedoch nicht mit der Übermittlung der Kündigungsbestätigung in der Art und Weise verknüpft werden, wie dies die Beklagte vorliegend tut. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Mitglied in der Regel dringend auf die Kündigungsbestätigung angewiesen ist, da gemäß § 175 Abs.2 S.2 SGB V eine Mitgliedsbescheinigung bei einer anderen Krankenkasse nur nach Vorlage der Kündigungsbestätigung ausgestellt werden darf, wenn, wie dies häufig der Fall ist, innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden hat. Durch das Verhalten der Beklagten wird das Mitglied somit in der freien Ausübung eines Wahlrechts in unzulässiger Weise eingeschränkt. Um zeitnah eine Kündigungsbestätigung seitens der Beklagten zu erhalten sind Mitglieder, wie dies die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21. Februar 2006 an Hand eines Versicherten, der dies auch an Eides statt versichert hat, dargestellt hat, darauf angewiesen, sich die Kündigungsbestätigung bei der Beklagten abzuholen. Dies widerspricht nicht nur, wie oben dargelegt, dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift, sondern auch dem Sinn und Zweck dieser Regelung.

Die Beklagte hat ihr Vorgehen offensichtlich allein deshalb so angelegt, um ein „Nachbearbeiten “ durch persönliche Kontaktaufnahme mit dem Versicherten zu erreichen. Dies folgt erkennbar aus dem Wortlaut des von der Beklagten verwandten Schreibens. Dort wird dem Versicherten nochmals eine Checkliste vorgelegt, mit er das Angebot der neuen Krankenkasse überprüfen soll, sowie Informationsmaterial, in dem die Vorteile der Beklagten zusammengefasst werden. Zwar ist dies für sich allein zulässig, nicht jedoch dann, wenn es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übermittlung der Kündigungsbestätigung geschieht. Es ist davon auszugehen, dass ein Mitglied, das die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nicht mehr wünscht und sich für eine andere Krankenkasse entschieden hat, keinen Hausbesuch eines Mitarbeiters der gekündigten Krankenkasse wünscht, da er dann sein Verhalten rechtfertigen muss. Solche Hausbesuche haben daher in der Regel einen belästigenden Charakter und verstoßen somit gegen die gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung.

Als mit der Beklagten im Wettbewerb stehende Krankenversicherung hat die Klägerin somit einen Anspruch auf Unterlassung des streitgegenständlichen Verhaltens.

Denn die Beklagte hat nicht nur der Vergangenheit sich in dem oben genannten Sinne wettbewerbswidrig verhalten, es besteht auch für die Zukunft Wiederholungsgefahr. Dies folgt nicht nur daraus, dass die Beklagten die von der Klägerin begehrte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, sondern auch daraus, dass die Beklagte in dem vorliegenden Rechtsstreit die Meinung vertritt, sich wettbewerbskonform zu verhalten.

Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.

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