Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (8. Senat) - L 8 AY 2/15 B

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Prozessbevollmächtigte des nach seinen Angaben im Niger geborenen Klägers legte im August 2012 Widerspruch gegen die Leistungsbewilligung für Juli 2012 und alle noch nicht bestandskräftig gewordenen Bescheide des Beklagten ein. Am 3. Juli 2014 hat er beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage gegen die Bescheide vom 1. März 2011 und 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2014 mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verpflichten, ihm im Zeitraum vom 1. April bis zum 14. November 2011 sowie vom 16. März bis zum 31. Juli 2012 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in gesetzlicher Höhe bewilligen. Gleichzeitig hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt. Nach der Verweisung des Rechtsstreits an das SG D.-R. ist dem Kläger mit Beschluss vom 18. Februar 2015 PKH ohne Ratenzahlungsverpflichtung dem Grunde nach gewährt und sein Prozessbevollmächtigter zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des SG D.-R. ansässigen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung seiner Interessen beigeordnet worden. Dem Beschluss war die Rechtsmittelbelehrung beigefügt, der Beschluss sei für die Beteiligten unanfechtbar.

2

Gegen den ihm am 26. Februar 2015 zugestellten Beschluss hat nur der Kläger am 26. März 2015 Beschwerde beim SG D.-R. eingelegt, die am 8. April 2015 an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden ist. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, er sei durch den angefochtenen Beschluss beschwert, soweit darin die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt sei. Der vorliegende Streitfall weise enge Verknüpfungen mit seiner asyl- und aufenthaltsrechtlichen Lage und den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes auf. Er - der Kläger - sei im Zeitpunkt der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten bereits von dessen Kollegen in der Bürogemeinschaft in seinen aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten vertreten worden. Es habe daher nahe gelegen, seinen Prozessbevollmächtigten in dieser Angelegenheit zu beauftragen, da der notwendige kollegiale Austausch erheblich vereinfacht sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es in dem Gebiet des Flüchtlingssozialrechts schwer sei, spezialisierte Rechtsanwälte zu finden und ihm - dem Kläger - in dem ihm von der Ausländerbehörde zugewiesenen Bereich seiner räumlichen Beschränkung kein Rechtsanwalt bekannt oder empfohlen worden sei, den er mit seiner Vertretung hätte beauftragen können.

3

Der Beschwerdegegner hält die Beschwerde für unbegründet. Er könne keinen Grund für eine Erweiterung der Beiordnung erkennen. Es gebe am Gerichtsort des SG D.-R. zwei Fachanwälte, die der Kläger hätte beauftragen können. Weitere besondere Umstände seien objektiv nicht erkennbar.

II.

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Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 173 Satz 1 SGG eingelegt worden und nicht durch § 172 Abs. 3 Nr. 2 a) SGG in der ab dem 25. Oktober 2013 geltenden Fassung ausgeschlossen. Denn das SG D.-R. hat nicht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, sondern PKH ohne Festsetzung von Raten bewilligt. Die gegen die beschränkte Beiordnung eines Rechtsanwalts durch das SG D.-R. eingelegte Beschwerde ist damit zulässig (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar,11. Auflage 2014, § 73a Rdnr. 12b; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. Juni 2011 - L 8 AY 1/11 B -; Beschluss vom 29. April 2009 - L 5 B 393/08 AS -; Hessisches LSG, Beschluss vom 24. März 2011 - L 1 KR 74/11 B -, LSG B.-B., Beschluss vom 31. März 2010 - L 19 AS 284/10 B PKH -, Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. Februar 2010 - L 8 B 195/09 R PKH -; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - 4 So 75/08 -, alle juris). Fehlt - wie hier - eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung, ist die Beschwerde innerhalb eines Jahres zulässig (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).

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Die Beschwerde ist unbegründet. Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des SG D.-R. ansässigen Rechtsanwalts ist nicht mit der Beschwerde angefochten, soweit sie den Kläger begünstigt. Eine unbeschränkte Beiordnung des Prozessbevollmächtigten, der seine Kanzlei in B. und damit außerhalb des Gerichtsbezirks des SG D.-R. hat, ist nicht möglich.

6

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH entsprechend. Aus der entsprechenden Anwendung wurde bereits für § 121 Abs. 3 ZPO in der bis zum 31. Mai 2007 gültigen Fassung: "Ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen." gefolgert, dass sich für die Sozialgerichtsbarkeit keine Einschränkung dahingehend ergäbe, dass nur ein ortsansässiger Rechtsanwalt beigeordnet werden könne, sondern vielmehr auf den gesamten Gerichtsbezirk des Sozialgerichts abzustellen sei (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. August 2005 - L 2 B 36/05 AL -, juris). Ab dem 1. Juni 2007 lautet § 121 Abs. 3 ZPO nunmehr: "Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen". Dadurch ist klargestellt, dass seit dem 1. Juni 2007 der Bezirk eines SG maßgeblich ist. Eine Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" kommt damit allein wegen des geänderten Wortlauts des § 121 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht.

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Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes, der seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks hat, ist aber grundsätzlich nur möglich, wenn dadurch weitere Kosten, insbesondere in Form von Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeldern, nicht entstehen. Hier entstehen höhere Kosten, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers vom Sitz seiner Kanzlei in B. zum SG D.-R. reisen muss, um dort einen Termin wahrzunehmen. Denn die Entfernung zwischen der Kanzlei und dem SG beträgt ca. 130 km, während der südöstlichste Ort im Gerichtsbezirk des SG D.-R. ca. 100 km entfernt ist. Allerdings dürfte die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zustehende Verfahrensgebühr wegen dessen Tätigwerden bereits im Verwaltungsverfahren nach Nr. 3103 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nur in abgesenkter Höhe gegenüber einem erstmals im Gerichtsverfahren beigeordneten Bevollmächtigten entstehen.

8

Darüber hinaus ist aber im Rahmen einer bewilligten PKH bei der Beiordnung eines nicht bei dem Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen sogenannten Verkehrsanwalts i.S. von § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 23. Juni 2006 - XII ZB 61/04 -, juris). Gemäß § 121 Abs. 4 ZPO kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Die Beiordnung eines zusätzlichen Anwaltes, eines so genannten Verkehrsanwalts, kann somit geboten sein. Soweit durch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Kosten eines solchen Verkehrsanwalts gespart werden, sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Reisekosten erstattungsfähig (Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. Februar 2010 - L 8 B 195/09 R PKH - juris, m.w.N.).

9

Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Parteien abzustellen (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2006, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 10. Februar 2010, a.a.O.). Hier stammt der Kläger nach seinen Angaben aus dem Niger und ist der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig. Er wendet sich in dem im August 2012 anhängig gewordenen Überprüfungsverfahren gegen die Bewilligung von Leistungen (nur) nach § 1a AsylbLG für Zeiträume ab dem 1. April 2011.

10

Aus dem Akteninhalt ist nicht ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte vor Verfahrensbeginn über detaillierte Kenntnisse der persönlichen Lebensumstände des Klägers verfügt hat. Soweit er darauf abstellt, dass der mit ihm in Bürogemeinschaft tätige Rechtsanwalt ihn in seinen aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten vertreten hat, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Kenntnisse hierüber musste sich der Prozessbevollmächtigte mit einem vergleichbaren Aufwand verschaffen, als ob er aus einer anderen Kanzlei die Unterlagen angefordert hätte. Die einfachere Handhabung des Aktenaustauschs dürfte bei der Einarbeitung in den Sachverhalt den geringsten Aufwand bedeuten und nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Für den Senat sind auch darüber hinaus keine besonderen Umstände des Einzelfalls erkennbar, aus denen sich ergibt, dass es für den Kläger nicht zumutbar gewesen wäre, sich ausschließlich von einem im Gerichtsbezirk des SG D.-R. ansässigen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Es wäre insoweit auch nicht erforderlich, dass der Kläger neben der Betreuung durch seinen Prozessbevollmächtigten einen weiteren Rechtsanwalt im Gerichtsbezirk des SG D.-R. beauftragen würde, der die Prozessvertretung vor dem SG D.-R. wahrnähme. Denn auch im Gerichtsbezirk des SG D.-R. sind Rechtsanwälte tätig, die die sachgerechte Vertretung des Klägers hätten übernehmen können. Die durch die Einschaltung eines Verkehrsanwalts entstehenden zusätzlichen Kosten könnte der Kläger nicht geltend machen.

11

Eine unbeschränkte Beiordnung, wie sie der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt hat, kann nicht ausgesprochen werden, da sie der im Rahmen der PKH am Notwendigen orientierten Rechtsvertretung und den Anforderungen an eine Kostenminimierung entgegenstehen würde. Derjenige, der auf Kosten der Landeskasse durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, soll nicht besser gestellt werden als eine nicht bedürftige Person, die diese Vertretung aus eigenen Mitteln bestreiten und die kostengünstigste und sparsamste Variante auswählen muss.

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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren für den Kläger kostenfrei ist (§ 183 Satz 1 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten nicht stattfindet (§ 73a SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

13

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).


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