Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht - LVerfG 1/18

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

A.

1

Das Verfahren betrifft die Zulässigkeit der Volksinitiative „Für die Durchsetzung des Bürgerwillens bei der Regionalplanung Wind“. Die Volksinitiative begehrt, in § 5 des Gesetzes über die Landesplanung (Landesplanungsgesetz – LaPlaG) in der Fassung vom 27. Januar 2017, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. November 2020 (GVOBl S. 808), folgenden Absatz 3a (§ 3a LaPlaG-E) einzufügen:

Zur Sicherung einer Energieversorgung aus regenerativen Energien (§ 2 Absatz 2 Nr. 4 des Raumordnungsgesetzes) ist auch die Akzeptanz der Windenergienutzung zu erhalten. Im Rahmen der Abwägung nach § 7 Absatz 2 Satz 1 des Raumordnungsgesetzes ist bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen das Gebiet kommunaler Gebietskörperschaften nicht zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung von Windenergie vorzusehen, soweit sie sich dagegen ausgesprochen haben (§ 27, § 16g der Gemeindeordnung), und solange der Vorgabe des substanziellen Raumgebens anderweitig entsprochen werden kann. Kommunale Entscheidungen nach Satz 2 sind zu begründen und der Planungsbehörde mitzuteilen.

I.

2

1. Das Landesplanungsgesetz regelt für die Raumordnung in Schleswig-Holstein Ergänzungen zum und Abweichungen vom Raumordnungsgesetz (ROG) in der Fassung vom 22. Dezember 2008 (BGBl I S.2986), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2694). Sein § 2 lautet:

(1) Aufgabe der Raumordnung ist es, den Gesamtraum des Landes Schleswig-Holstein und seine Teilräume nach Maßgabe der Leitvorstellungen und der Grundsätze der §§ 1 und 2 ROG zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern. Dabei muss insbesondere dafür Sorge getragen werden, dass

1. durch Raumordnungspläne die unterschiedlichen Anforderungen an den Raum aufeinander abgestimmt und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden räumlichen Nutzungskonflikte ausgeglichen werden und hierdurch zugleich Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Raumnutzungen getroffen wird,

2. die raumwirksamen Planungen der Ministerien (Fachplanungen des Landes), der Gemeinden, Gemeindeverbände, Kreise und aller anderen Planungsträger entsprechend den Erfordernissen der Raumordnung abgestimmt werden,

3. durch regionale und überregionale Zusammenarbeit sowie das Setzen von Entwicklungsimpulsen die Potenziale und Synergieeffekte einer zukunftsorientierten Gestaltung des Landes Schleswig-Holstein einschließlich ihrer Landesgrenzen überschreitenden Bezüge aufgegriffen und gestärkt werden; hierdurch soll auch die nachhaltige Raumentwicklung Schleswig-Holsteins verbessert werden, die gleichzeitig zur Wettbewerbsfähigkeit des Landes beiträgt.

(2) Der Gesamtraum schließt auch den Untergrund im Landesgebiet von Schleswig-Holstein ein. Untergrund im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen unterirdischen Bereiche, denen aufgrund ihrer Tieflage für oberflächige Nutzungen, insbesondere solche baulicher Art, in der Regel keine Bedeutung zukommt.

3

Allgemeine Vorschriften über Raumordnungspläne trifft für Schleswig-Holstein § 5 LaPlaG. Dieser lautet in seiner aktuell geltenden Fassung:

(1) Raumordnungspläne sind der Landesentwicklungsplan als landesweiter Raumordnungsplan und die Regionalpläne für die Planungsräume. Planungsträger für die Raumordnungspläne ist die Landesplanungsbehörde. Das Verfahren zur Aufstellung der Raumordnungspläne richtet sich nach den Absätzen 4 bis 11 und den §§ 7 bis 10 und 13 ROG. Die Raumordnungspläne legen die anzustrebende räumliche Entwicklung für einen Zeitraum von regelmäßig fünfzehn Jahren fest (Planungszeitraum). Sie sind bei Bedarf der Entwicklung anzupassen und insoweit gemäß § 6 Absatz 1 zu ändern. § 6 bleibt unberührt.

(2) In den Raumordnungsplänen ist sicherzustellen, dass den räumlichen Erfordernissen der Verteidigung, des Zivilschutzes und der Konversion nicht mehr benötigter ehemaliger militärischer Liegenschaften Rechnung getragen wird.

(3) Die raumrelevanten Inhalte der regionalen und überregionalen Landschaftsplanung sowie die räumlichen Erfordernisse des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel sind bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen zu berücksichtigen. Im Untergrund können in den Raumordnungsplänen einzelne unterirdische Teilräume bestimmten öffentlichen Zwecken gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks gegenüber bestimmten Veränderungen geschützt werden. Ein derartiger Zweck kann auch in der Erhaltung bestimmter Beschaffenheiten des Untergrundes, insbesondere besonderer geologischer oder geomorphologischer Formationen, bestehen.

[…]

(10) Der Landesentwicklungsplan wird von der Landesregierung mit Zustimmung des Landtags als Rechtsverordnung beschlossen. Vor dem Beschluss der Landesregierung ist der Landesplanungsrat zu beteiligen. Die Veröffentlichung des Landesentwicklungsplans erfolgt im Internet und durch Bereithaltung bei der Landesplanungsbehörde; hierauf ist in der Rechtsverordnung im Gesetz- und Verordnungsblatt hinzuweisen. Die Unterlagen nach § 10 Absatz 2 ROG werden bei der Landesplanungsbehörde zur Einsichtnahme bereitgehalten und von der Landesplanungsbehörde im Internet bereitgestellt. Der Hinweis nach § 10 Absatz 2 Satz 2 ROG muss auch die Angabe der Internetadresse enthalten.

[…]

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2. Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen, sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2939), als privilegierte Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine ausreichende Erschließung gesichert ist. Öffentliche Belange stehen einem solchen Vorhaben nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Dieser Planvorbehalt ermöglicht es den Planungsträgern, durch positive Festlegung von bestimmten Konzentrationsflächen den übrigen Planungsraum von im Außenbereich privilegierten Vorhaben frei zu halten.

5

Das Land Schleswig-Holstein hat 2012 Teilfortschreibungen der Regionalpläne für die (damaligen) Planungsräume I bis V vorgenommen. Ziel dieser Teilfortschreibung war es einerseits, zu den aufgrund früherer Planung bereits bestehenden Windeignungsflächen weitere Windeignungsflächen hinzuzufügen, so dass insgesamt ca. 1,5% der Landesfläche als Windeignungsflächen ausgewiesen würden. Andererseits sollte die Windenergienutzung auf diese Eignungsflächen konzentriert werden

(Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein 2010 vom 6. Juli 2010 <ABl S. 719>, Textteil, 3.5.2 Windenergie).

6

Mit Urteilen vom 20. Januar 2015 hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht die Teilfortschreibungen des Regionalplans 2012 für die Planungsräume I bzw. III zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung für unwirksam erklärt. Dabei hat es unter anderem ausgeführt, dass die Abwägung an einem erheblichen Fehler leide, weil die Landesplanungsbehörde potentielle Eignungsflächen allein deswegen ausgeklammert habe, weil es einen entgegenstehenden Gemeindewillen gebe

(OVG Schleswig-Holstein, Urteile vom 20. Januar 2015 - 1 KN 6/13 -, NordÖR 2015, 498 ff., Juris Rn. 68 ff., - 1 KN 7/13 -, NuR 2015, 412 ff., Juris Rn. 68 ff., - 1 KN 17/13 -, Juris Rn. 46, - 1 KN 18/13 -, Juris Rn. 53, - 1 KN 25/13 -, Juris Rn. 56 ff., - 1 KN 36/13 -, Juris Rn. 62 ff. - 1 KN 70/​13 -, Juris Rn. 59 ff. - 1 KN 72/13 -, Juris Rn. 61 ff., - 1 KN 73/13 -, Juris Rn. 61 ff.).

7

3. Die Landesplanungsbehörde hat daraufhin Verfahren zur (neuen) Teilaufstellung der Regionalpläne betreffend Windenergie eingeleitet. Am 30. Oktober 2020 ist die Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplans zum Thema Windenergie an Land in Kraft getreten

(Landesverordnung über die Änderung der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplans Schleswig-Holstein 2010 Kapitel 3.5.2 <Windenergie an Land> GVOBl S. 739).

Sie ersetzt das bisherige Kapitel 3.5.2 (Windenergie) im Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein 2010. Am 29. Dezember 2020 hat die Landesregierung die Teilaufstellung der Regionalpläne für die neuen Planungsräume I bis III endgültig beschlossen

(Landesverordnung für den Regionalplan für den Planungsraum I in Schleswig-Holstein, Kapitel 5.8 <Windenergie an Land> <Regionalplan I-Teilaufstellung-VO>, GVOBl S. 1082, Landesverordnung für den Regionalplan für den Planungsraum II in Schleswig-Holstein, Kapitel 5.8 <Windenergie an Land> <Regionalplan I-Teilaufstellung-VO>, GVOBl S. 1082, Landesverordnung für den Regionalplan für den Planungsraum III in Schleswig-Holstein, Kapitel 5.8 <Windenergie an Land> <Regionalplan I-Teilaufstellung-VO>, GVOBl S. 1083).

In den Plänen werden 344 Vorranggebiete Windenergie mit rund 32.000 Hektar ausgewiesen; das entspricht rund zwei Prozent der Landesfläche. Die Pläne sind seit dem 31. Dezember 2020 in Kraft.

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4. Die Landesverfassung (LV) sieht seit 1990 plebiszitäre Elemente, insbesondere die Möglichkeit einer Volksinitiative vor. Art. 48 LV (Initiativen aus dem Volk) lautet:

(1) Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, den Landtag im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeit mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen. Einer Initiative kann auch ein mit Gründen versehener Gesetzentwurf zugrunde liegen; er darf den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates nicht widersprechen. Die Initiativen müssen von mindestens 20.000 Stimmberechtigten unterzeichnet sein. Ihre Vertreterinnen und Vertreter haben das Recht auf Anhörung.

(2) Initiativen über den Haushalt des Landes, über Dienst- und Versorgungsbezüge sowie über öffentliche Abgaben sind unzulässig.

(3) Über die Zulässigkeit der Initiative entscheidet der Landtag.

(4) Das Nähere regelt ein Gesetz.

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Ergänzend zu diesen Regelungen in der Landesverfassung wurde gemäß Art. 48 Abs. 4 LV das Gesetz über Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz – VAbstG) vom 5. April 2004 (GVOBl S. 108), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2021 (GVOBl S.  430), erlassen. Dessen Abschnitt II – Volksinitiativen – lautet auszugsweise:

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§ 6 Antragsvoraussetzungen

(1) Der Antrag auf Behandlung der Volksinitiative im Landtag ist schriftlich an die Landtagspräsidentin oder den Landtagspräsidenten zu richten.

(2) Der Antrag muss enthalten

1. a) den vollständigen Wortlaut des Gegenstandes der politischen Willensbildung, mit dem sich der Landtag befassen soll oder

b) einen ausgearbeiteten und mit Gründen versehenen Gesetzentwurf,

2. die persönliche und handschriftliche Unterschrift von mindestens 20 000 Stimmberechtigten, die bei Eingang des Antrages nicht älter als ein Jahr sein darf,

3. die Namen von drei Vertreterinnen und Vertretern der Volksinitiative, die gemeinsam berechtigt sind, namens der Unterzeichnenden verbindliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen (Vertrauenspersonen). Für die Vertrauenspersonen sind drei Stellvertreterinnen oder Stellvertreter zu benennen.

(2a) Trifft der Landtag eine Feststellung nach § 35a Absatz 1 Satz 1 des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 442, ber. S. 637), [zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften], ist die Frist nach Absatz 2 Nummer 2 auf Antrag der Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative um bis zu drei Monate zu verlängern. Die Frist nach Absatz 2 Nummer 2 ist auf Antrag der Vertreterinnen und Vertreter der Volksinitiative jeweils um bis zu drei weitere Monate zu verlängern, solange der Landtag keine Feststellung nach § 35a Absatz 9 Satz 1 des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 442, ber. S. 637), [zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften], getroffen hat. Über den Antrag entscheidet die Präsidentin oder der Präsident des Landtages. Die Entscheidung ist im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Schleswig-Holstein zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 4 gelten auch für Volksinitiativen, die vor einer Feststellung des Landtages nach § 35a Absatz 1 Satz 1 des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig- Holstein in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 442, ber. S. 637), [zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften], mit dem Sammeln von Unterschriften begonnen haben und bisher ihre Volksinitiative noch nicht beim Landtag eingereicht haben.

(3) Unleserliche, unvollständige oder fehlerhafte Eintragungen, die die Identität der Person nicht zweifelsfrei erkennen lassen, sind ungültig. Dies gilt ferner für Eintragungen, die einen Zusatz oder Vorbehalt enthalten. Doppel- oder Mehrfacheintragungen gelten als eine Eintragung.

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§ 8 Entscheidung über die Zulässigkeit

(1) Die Volksinitiative ist unzulässig, wenn sie

1. den Anforderungen des Artikels 48 Absatz 1 und 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein oder

2. den Antragsvoraussetzungen nach § 6 nicht entspricht oder

3. innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Antragstellung ein Volksbegehren über eine inhaltlich gleiche Vorlage erfolglos durchgeführt worden ist.

(2) Die Prüfung der im Absatz 1 genannten Voraussetzungen obliegt dem Landtag, der sich dabei der Amtshilfe des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration bedienen kann. Die Meldebehörden bescheinigen die Stimmberechtigungsnachweise kostenfrei.

(3) Der Landtag entscheidet innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrages über die Zulässigkeit der Volksinitiative. Die Entscheidung ist zu begründen, wenn der Antrag auf Behandlung der Vorlage abgelehnt wird. Sie ist den Vertrauenspersonen zuzustellen und bekannt zu machen.

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§ 9 Rechtsmittel

(1) Hält der Landtag die Volksinitiative nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 für unzulässig, können die Vertrauenspersonen gegen die ablehnende Entscheidung binnen eines Monats nach Zustellung des Landtagsbeschlusses das Landesverfassungsgericht anrufen.

(2) Hält der Landtag die Volksinitiative nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 für unzulässig, ist für die Vertrauenspersonen der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

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5. Der Siebente Abschnitt des Dritten Teils des Landesverfassungsgerichtsgesetzes (LVerfGG) vom 10. Januar 2008, zuletzt geändert durch Landesverordnung vom 16. Januar 2019 (GVOBl S. 30), – Verfahren in den Fällen des § 3 Nr. 6 (Streitigkeiten über die Durchführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden) – regelt:

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§ 53 Zulässigkeit des Antrags

(1) Hält der Landtag gemäß Artikel 48 Absatz 3 der Landesverfassung die Volksinitiative für unzulässig, können die Vertrauenspersonen gegen die ablehnende Entscheidung das Landesverfassungsgericht anrufen. Dies gilt nicht in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Volksabstimmungsgesetzes. Der Antrag ist binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Landtagsbeschlusses zu stellen; er ist innerhalb der genannten Frist zu begründen.

(2) Bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des beanstandeten oder des zustande gekommenen Volksbegehrens mit Artikel 48 Absatz 1 Satz 1 und 2 und Absatz 2 der Landesverfassung, haben die Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Landtages das Recht, die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zu beantragen. Der Antrag ist binnen einer Frist von einem Monat nach der Entscheidung des Landtages nach § 12 Abs. 2 des Volksabstimmungsgesetzes oder nach der Bekanntmachung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 des Volksabstimmungsgesetzes zu stellen; er ist innerhalb der genannten Frist zu begründen.

(3) Gegen den Beschluss des Landtages über die Einsprüche sowie über die Gültigkeit der Abstimmung bei einem Volksentscheid können jede abstimmungsberechtigte Person, deren Einspruch vom Landtag verworfen worden ist, und die Landesabstimmungsleiterin oder der Landesabstimmungsleiter Beschwerde erheben. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung des Landtages zu erheben; die Beschwerde ist innerhalb der genannten Frist zu begründen.

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§ 54 Verfahren

(1) Das Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht richtet sich ergänzend nach den Vorschriften des Volksabstimmungsgesetzes und, soweit die Abstimmungsprüfung betroffen ist (§ 53 Absatz 3), zusätzlich nach den Vorschriften des fünften Abschnitts des Landeswahlgesetzes.

(2) Das Landesverfassungsgericht gibt dem Landtag und der Landesregierung Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist. In den Fällen des § 53 Absatz 1 und 2 können Landtag und Landesregierung in jeder Lage des Verfahrens diesem beitreten.

(3) In den Verfahren nach § 53 Absatz 2 gibt das Landesverfassungsgericht auch den Vertrauenspersonen der Volksinitiative Gelegenheit zur Äußerung und lädt sie zur mündlichen Verhandlung.

(4) In den Verfahren nach § 53 Absatz 3 kann das Landesverfassungsgericht von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn von ihr keine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten ist.

II.

16

Am 4. Dezember 2017 übergab die Antragstellerin an den Landtag Listen mit Unterschriften und einem Gesetzentwurf (Landtags-Umdruck 19/772), dessen Gegenstand ein Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes durch Ergänzung dessen § 5 um einen neuen Absatz 3a ist. Die zugehörige Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die Akzeptanz der Windenergienutzung nur in einem Teil der Gemeinden des Landes gegeben sei. Ziel des Gesetzentwurfes sei es, den Bau von Windkraftanlagen im Einklang mit dem Willen der betroffenen Kommunen und ihrer Einwohner auszugestalten.

17

Der Wissenschaftliche Dienst des Landtages bewertete die Volksinitiative am 26. März 2018 als nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VAbstG in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 LV unzulässig (Landtags-Umdruck 19/782, S. 3 bis 9). Zwar habe das Land Schleswig-Holstein aufgrund der Abweichungskompetenz des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GG die Gesetzgebungszuständigkeit für die Regelung, die ihrem Inhalt nach eine Abweichung von § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG darstelle. Der Gesetzentwurf sei jedoch nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar. Ergebnisse von schlichten Mehrheitsentscheidungen einer Gemeindevertretung oder eines Bürgerentscheids stellten als solche keine Belange im Sinne des Abwägungsgebots dar. Vielmehr könnten Belange nur nachvollziehbare private oder öffentliche Interessen sein. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner besonderen Ausprägung als Abwägungsgebot versage es zudem dem Gesetzgeber, eine abstrakt-generelle Vorrangregel für einen einzelnen Belang zu schaffen, ohne dass generalisierbar und nachweisbar eine durchgängig gewichtig zu veranschlagende Gefährdungslage für bestimmte Belange bestehe. Auch liege ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das nach Art. 14 GG geschützte Eigentum vor.

18

Am 12. April 2018 teilte das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags mit, dass 19.678 Unterstützungsunterschriften von den zuständigen Meldebehörden als zulässig bescheinigt worden seien und die Antragstellerin daher nicht das erforderliche Quorum erreicht habe.

19

Der Innen- und Rechtsausschusses gab am 19. April 2018 folgende Beschlussempfehlung ab (Landtags-Drucksache 19/666):

Die Volksinitiative „Für die Durchsetzung des Bürgerwillens bei der Regionalplanung Wind“ ist gemäß Artikel 48 Absatz 1 Satz 3 Landesverfassung, § 8 Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 6 Absatz 2 Nummer 2 Volksabstimmungsgesetz unzulässig, da sie das hiernach erforderliche Quorum von 20.000 Unterschriften nicht erreicht hat.

Die Volksinitiative ist zudem gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1 Volksabstimmungsgesetz in Verbindung mit Artikel 48 Absatz 1 Satz 2, 2. Halbsatz Landesverfassung unzulässig, weil der ihr zugrunde liegende Gesetzentwurf dem Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz widerspricht. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als Abwägungsgebot unter anderem, dass Planungsentscheidungen nach Maßgabe einer Abwägung jeweils aller betroffenen privaten und öffentlichen Belange zu treffen sind. Hiergegen verstößt der Gesetzentwurf der Volksinitiative, indem er fordert, raumordnerische Entscheidungen über die Festlegung von Flächen für Windkraftanlagen nach Maßgabe ablehnender kommunaler Entscheidungen zu treffen. Derartige kommunale Entscheidungen sind bereits keine Belange im Sinne des Abwägungsgebots; dieses untersagt dem Gesetzgeber zudem, abstrakte Vorrangregeln zugunsten einzelner Belange ohne Ausnahmevorbehalt zu treffen.

Schließlich ist der Gesetzentwurf nicht mit der Eigentumsgarantie nach Artikel 14 Grundgesetz vereinbar. Eingriffe in die Eigentumsgarantie sind verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn die betroffenen Eigentümerinteressen mit anderen öffentlichen und privaten Belangen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Dem entspricht der Gesetzentwurf der Volksinitiative nicht, da er Eingriffe in das Grundeigentum ohne eine derartige Abwägung allein nach Maßgabe einer ablehnenden kommunalen Entscheidung eröffnet.

20

Dieser Empfehlung stimmte der Schleswig-Holsteinische Landtag am 25. April 2018 einstimmig zu (PlPr 19/28, S. 1929).

III.

21

Gegen die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 25. April 2018, die einer der Vertrauenspersonen der Antragstellerin am 9. Mai 2018 zugestellt und am 28. Mai 2018 im Amtsblatt für Schleswig-Holstein (ABl für Schleswig-Holstein S. 450) bekannt gegeben worden ist, hat die Antragstellerin am 11. Juni 2018 das Landesverfassungsgericht sowie – wegen der Frage der Erreichung des Quorums – das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht angerufen.

22

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2018 hat das Landesverfassungsgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, das unter dem Aktenzeichen 6 A 174/18 geführt wurde, ausgesetzt.

23

Nachdem eine erneute Überprüfung der eingereichten Unterstützerunterschriften im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergab, dass 20.204 zulässige Unterstützerunterschriften eingereicht worden waren, unterbreitete der Innen- und Rechtsausschuss dem Landtag am 26. Oktober 2020 folgende Beschlussempfehlung (Landtags-Drucksache 19/2481 <neu>):

1. Der Landtagsbeschluss vom 25. April 2018 wird aufgehoben, soweit festgestellt wurde, dass das erforderliche Quorum von 20.000 Unterschriften nicht erreicht wurde.

2. Der Schleswig-Holsteinische Landtag stellt fest, dass die Volksinitiative „Für die Durchsetzung des Bürgerwillens bei der Regionalplanung Wind“ das erforderliche Quorum von 20.000 Unterstützerunterschriften erreicht hat.

3. Der Schleswig-Holsteinische Landtag stellt fest, dass der Beschluss des Landtags vom 25. April 2018 im Übrigen unverändert bleibt.

24

Am 30. Oktober 2020 stimmte der Schleswig-Holsteinische Landtag der Beschlussempfehlung einstimmig zu (PlPr 19/98, S. 7567 i. V. m. Landtags-Drucksache 19/2519 <neu>, S. 6).

25

Nachdem das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht auf die Erledigungserklärungen der Beteiligten hin das Verfahren 6 A 174/18 mit Beschluss vom 11. November 2020 eingestellt hat, hat das Landesverfassungsgericht das Verfahren fortgesetzt.

IV.

26

Die Antragstellerin macht geltend, die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtags, die Volksinitiative entspreche nicht den Anforderungen des Art. 48 Abs. 1 und 2 LV, sei rechtswidrig und verletzte sie in ihren Rechten aus der Landesverfassung.

27

Das Land Schleswig-Holstein habe die Gesetzgebungskompetenz. Es handele sich um eine Regelung des Raumordnungsrechts.

28

Die Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs stelle sich im Rahmen der hier vorzunehmenden Zulässigkeitsprüfung nicht. Die Landesverfassung sehe keine vollständige Präventivkontrolle von Volksbegehren am Maßstab der gesamten Verfassung vor, sondern mache die Zulässigkeit einer Volksinitiative nur davon abhängig, dass diese den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaats nicht widerspreche. Ein solcher Verstoß liege nur vor, wenn der Gegenstand einer Volksinitiative in eklatanter Weise tragende Prinzipien und Wertentscheidungen der Verfassung verletze. Dies liege hier nicht vor. Einzelne Grundrechte zählten nicht zu den Grundsätzen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates. Auch die Einzelheiten des von den Verwaltungsgerichten entwickelten planungsrechtlichen Abwägungsgebotes seien von diesem Prüfungsmaßstab nicht erfasst.

29

Volksinitiativen seien in Schleswig-Holstein keiner vorgängigen umfassenden Prüfung auf die Gesetzmäßigkeit unterworfen, sondern es verbleibe – wie bei Parlamentsgesetzen – bei der nachgelagerten gerichtlichen Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit durch die Verfassungsgerichtsbarkeit in den dafür vorgesehenen Verfahren.

30

Das Landesverfassungsgericht habe mit Urteil vom 6. Dezember 2019 - LVerfG 2/18 - (NordÖR 2019, 183 ff. = NVwZ 2020, 228 ff. = SchlHA 2019, 206 ff. = ZfWassR 2020, 68 ff. = ZUR 2020, 170 ff. = BeckRS 2019, 30748) ausgeführt, dass es in der Zuständigkeit des Landtages liege zu prüfen, ob sich der Gegenstand einer Volksinitiative im Rahmen der Entscheidungszuständigkeit des Landtages halte. Daraus folge, dass inzident auch die Verbandskompetenz des Landes Schleswig-Holstein zu prüfen sei. Gleichwohl sei in materieller Hinsicht für Gesetzentwürfe von Volksinitiativen lediglich die Wahrung der Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaats zu prüfen. Allein Initiativen, die nicht einmal demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen genügten, sollten bereits vom Verfahren der Volksgesetzgebung ausgenommen bleiben. Dass es im Übrigen bei der nachgeordneten gerichtlichen Kontrolle verbleibe, sei auch im Sinne der Initiatoren und Unterstützer von Volksinitiativen. Wie dem parlamentarischen Gesetzgeber sei auch dem Volksgesetzgeber in aller Regel daran gelegen, seinen Gesetzentwurf schnellstmöglich in Kraft zu setzen – auch wenn, wie bei jedem Gesetz, mit dem nachgelagerten Rechtsschutz ein gewisses Risiko verbunden sei. Die vorliegenden Gerichtsverfahren zeigten exemplarisch, dass zwischenzeitlich Fakten bezüglich der Windenergieplanung geschaffen würden, die dem mit der Volksinitiative erstrebten Ziel entgegenliefen. Der mündige Bürger verstehe durchaus, dass im Zulassungsverfahren nur eine auf die Zulassungserfordernisse beschränkte Kontrolle stattfinde, nachgelagert aber alle üblichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Parlamentsgesetze eröffnet blieben.

31

Darüber hinaus entspreche der Gesetzentwurf auch den Anforderungen der Verfassung. Soweit der Wissenschaftliche Dienst davon ausgehe, dass eine Verbindlichkeit kommunaler Entscheidungen für die Windenergieplanung vorbehaltlich ausreichender Ersatzflächen das Abwägungsgebot und die Eigentumsfreiheit verletze, werde in der Begründung des Gesetzentwurfs im Einzelnen erläutert, dass dies mit der Landesverfassung vereinbar sei. Auf diese Argumentation gehe der Wissenschaftliche Dienst nicht ein.

32

Übergeordnetes Ziel der Landesplanung sei es zuletzt gewesen, der Windkraft mit Hilfe von Regionalplänen in substanzieller Weise Raum zu schaffen. Mit 1,5% der Landesfläche erfolge dies in weitaus stärkerem Maße, als es die Gerichte in anderen Bundesländern für ausreichend anerkannt hätten. Im Fall eines Überangebotes an geeigneten Flächen sei es daher gerechtfertigt, Gebiete wegen entgegenstehenden Gemeindewillens nicht für die Windenergienutzung vorzusehen. Wenn es der Rechtsrahmen ermögliche, einen sehr viel geringeren Teil der Landesfläche als 1,5% für die Windenergienutzung vorzusehen oder nach § 249 Abs. 3 Satz 3 BauGB weitreichende Abstandsflächen festzulegen, so sei es erst recht ein zulässiges Planungskonzept, der Windenergienutzung insgesamt deutlich mehr Raum zu geben, dabei jedoch dem entgegenstehenden Willen einzelner Kommunen Rechnung zu tragen. Das übergeordnete Ziel, der Energiewende zum Erfolg zu verhelfen und damit die nachhaltige Energieversorgung des Landes zu sichern, rechtfertige und erfordere es, auch fachlich gut geeignete Flächen zur Windenergienutzung zu verwerfen, wo eine solche Nutzung vor Ort abgelehnt werde. Die damit verbundene Beschränkung von Eigentumsrechten und die daraus folgende Ungleichbehandlung der Eigentümer von Grundstücken in Gemeinden mit und ohne Zustimmung zur Windenergie seien sachlich gerechtfertigt. Würde die Windenergienutzung ohne Rücksichtnahme auf den regional unterschiedlichen Bürgerwillen entwickelt, drohte der Widerstand gegen die Energiewende insgesamt so groß zu werden, dass sie beeinträchtigt oder gar zum Stillstand gebracht werden könnte.

33

Den gesamten Außenbereich einzelner Gemeinden zur Ausschlussfläche zu erklären, sei auch kein Indiz für eine unzulässige Verhinderungsplanung. Vielmehr diene die damit erreichte Sicherung der Akzeptanz dem Ziel der Windenergieentwicklung letztlich besser als eine Auswahl von Flächen ohne Rücksicht auf den Bürgerwillen.

34

Den Anforderungen an ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht werde und für die Windenergienutzung im Plangebiet in substanzieller Weise Raum schaffe, könne auch unter Ausklammerung nicht akzeptierter Gebiete genügt werden. Die Ausklammerung nicht akzeptierter Gebiete stelle eine tragfähige Abwägungsentscheidung dar, die auf gesetzgeberischer Ebene getroffen werden solle, um die Akzeptanz der Energiewende zu erhalten und damit eine umweltverträgliche Energieversorgung sicherzustellen.

35

Die Vereinbarkeit des Gesetzes mit den Art. 14, 20 GG ergebe sich bereits daraus, dass die Privilegierung von Windkraftanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB neueren Datums sei und auf die Nutzung von Flächen im Außenbereich für Windkraftanlagen zuvor – im Einklang mit dem Grundgesetz – kein Anspruch bestanden habe. Kein Eigentümer habe einen Anspruch darauf, sein Eigentum gerade der gewinnbringendsten Nutzung zuzuführen. Besonderen Härtefällen werde dadurch Rechnung getragen, dass die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nur im Regelfall zur Anwendung kommen solle.

36

Wie bei den vom Plangeber festgelegten weichen Tabukriterien stehe das vorrangige Auswahlkriterium der kommunalen Akzeptanz unter dem Vorbehalt, dass im Ergebnis der Windenergienutzung substanziell Raum verschafft werden könne. Sollten auch nach erneuter Betrachtung und Bewertung der weichen Tabukriterien nicht ausreichend kommunal akzeptierte Flächen für die Windenergienutzung zur Verfügung stehen, seien in raumplanerischer Abwägung diejenigen Flächen zu ermitteln, in denen der kommunale Wille zurücktreten müsse.

37

Gemeinden könnten sich mithilfe von Bau- und Flächennutzungsplänen auch nach aktueller Rechtslage verbindlich gegen Windparks entscheiden, soweit der Windenergienutzung substanzieller Raum verbleibe, beispielsweise durch Ausweisung einer kleinen Vorrangfläche. Warum der Gesetzgeber einer kommunalen Grundsatzentscheidung gegen Windenergie dagegen auf Landesebene keine Rechnung tragen sollen dürfe, sei unerfindlich. Es sei anerkannt, dass der Gesetzgeber abstrakt-generelle Nutzungsverbote selbst als Tabukriterien verbindlich festschreiben dürfe, z. B. Naturschutzgebiete. Der Schutz der öffentlichen Akzeptanz der Windenergienutzung und das Interesse an einer nachhaltigen Energieversorgung seien ebenso verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigungsgründe für ein Nutzungsverbot wie die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof am 9. Mai 2016 (- Vf. 14-VII-14, Vf. 3-VIII-15, Vf. 4-VIII-15 -, VerfGE BY 69, 125 ff.) entschieden habe, dürfe der Gesetzgeber sogar eine 10H-Regelung einführen, welche die Windenergienutzung in Schleswig-Holstein weitgehend unmöglich machen würde. In Bayern gelte aufgrund einer 10H-Regelung praktisch ein Windenergieentwicklungsverbot. Jedoch könnten die Kommunen in eigenen Plänen von der 10H-Regelung abweichen. Letztlich gelte in Bayern also unangefochten, was auch Ziel der Antragstellerin sei, nämlich, dass die Gemeinden verbindlich über die Planung von Windparks auf ihrem Gebiet entscheiden könnten. Der Gesetzentwurf der Volksinitiative sei zudem noch windenergiefreundlicher, weil er nur ein „Opt-Out“ statt eines Zustimmungserfordernisses vorsehe.

38

Dass die Raumordnungsplanung Gegenstand einer demokratischen Ja-/Nein-Entscheidung sein könne, belege § 5 Abs. 9 LPlaG (jetzt § 5 Abs. 10 LPlaG). Die dort vorgesehene demokratische Planzustimmung (oder -ablehnung) könne auch Gegenstand eines Volksentscheids sein.

39

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass die Volksinitiative den Anforderungen des Art. 48 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein entspricht.

VI.

40

Das Landesverfassungsgericht hat dem Landtag und der Landesregierung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

41

Der Landtag ist dem Verfahren beigetreten.

42

Er macht geltend, es fehle bereits an einer Gesetzgebungskompetenz des Landes Schleswig-Holstein für die beabsichtigte Regelung. Es handele sich trotz der äußeren Einkleidung nicht um für die Länder im Grundsatz abweichungsoffenes Raumordnungsrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 und Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GG, sondern um Bodenrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 Alt. 2 GG. Denn der vorgeschlagene § 5 Abs. 3a LaPlaG-E ziele darauf ab, über den Umweg der Festlegung entsprechender Raumordnungsziele die Entscheidung des § 35 BauGB zu korrigieren, nach der Vorhaben zur Nutzung der Windenergie im Außenbereich privilegiert sind und eine Gemeinde auch im Wege der Bauleitplanung keinen generellen Ausschluss der Windkraftnutzung im Außenbereich anordnen könne. Selbst wenn man § 5 Abs. 3a LaPlaG-E als materielles Raumordnungsrecht deute, werde durch die Norm die Einpassung der Pläne ineinander modifiziert. Dies unterfalle nicht dem Abweichungsrecht des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GG, sondern einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache. Auch wenn man dies ebenfalls anders sähe, stünde der Ausübung einer etwaigen Landeskompetenz der Grundsatz der Bundestreue entgegen.

43

Der Gesetzentwurf verstoße ferner gegen das rechtsstaatliche Abwägungsgebot. Dieses sei nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 LV als Teil der Grundsätze des Rechtsstaats Prüfungsmaßstab. Durch die Regelung finde ein Abwägungsausfall statt. Im Falle eines entsprechenden Votums einer Gemeinde würden die für eine Windkraftnutzung sprechenden öffentlichen und privaten Belange weder ermittelt noch bewertet noch in irgendeiner Weise abgewogen.

44

Zudem verstoße § 5 Abs. 3a LaPlaG-E wegen der Betroffenheit von Eigentumsbelangen auch gegen das eigentumsrechtliche Abwägungsgebot und damit gegen Art. 14 GG. Insofern erfasse der Prüfungsmaßstab des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LV die Gesamtheit der verfassungsmäßigen Ordnung von Bund und Ländern.

45

Schließlich liege auch ein eigenständiger Verfassungsverstoß durch eine irreführende Darstellung der Rechtslage vor. Die Behauptung, das Land könne die in § 35 BauGB normierte Pflicht, der Windkraft auf dem Gebiet jeder Gemeinde Raum zu geben, faktisch aushebeln, sei falsch. Dadurch verstoße die Volksinitiative gegen das Demokratieprinzip sowie das Rechtsstaatsprinzip. Die Anwendung von § 35 Abs. 3 Satz 3 Alt. 2 BauGB setze ein vollständig abgewogenes Ziel voraus, das durch das Gesetzesvorhaben jedoch gerade verhindert werde.

B.

46

Der Antrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.)

I.

47

Der auf Feststellung gerichtete Antrag der Volksinitiative ist zulässig.

48

Antragstellerin ist die Volksinitiative selbst, die in den gerichtlichen Verfahren durch ihre Vertrauenspersonen lediglich vertreten wird, § 6 Abs. 2 Nr. 3 VAbstG

(Urteil vom 6. Dezember 2019 - LVerfG 2/18 -, NordÖR 2019, 183 ff. = NVwZ 2020, 228 ff. = SchlHA 2019, 206 ff. = ZfWassR 2020, 68 ff. = ZUR 2020, 170 ff. = BeckRS 2019, 30748, Juris Rn. 55; Beschluss vom 29. Oktober 2018 - LVerfG 1/18 -, NordÖR 2018, 529 ff. = SchlHA 2018, 466 ff. = BeckRS 2018, 27258, Juris Rn. 4; dies voraussetzend: BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 2000 - 2 BvK 3/98 -, BVerfGE 102, 176 ff., Juris Rn. 67).

49

Der Antrag ist als Feststellungsantrag statthaft

(Urteil vom 6. Dezember 2019 - LVerfG 2/18 -, a. a. O., Juris Rn. 56).

II.

50

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Gesetzentwurf der Volksinitiative zu § 5 Abs. 3a LaPlaG-E verstößt gegen Art. 48 Abs. 1 Satz 2 LV.

51

Der Prüfungsumfang im vorliegenden Verfahren umfasst die Anforderungen des Art. 48 Abs. 1 und 2 LV (hierzu 1). Bezüglich der Gesetzgebungskompetenz des Landes Schleswig-Holstein bestehen keine Bedenken (hierzu 2). In Bezug auf die materielle Verfassungsmäßigkeit verstößt der vorliegende Gesetzentwurf der Volksinitiative jedoch gegen das Rechtsstaatsgebot und damit gegen Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs.2 LV (hierzu 3).

52

1. Prüfungsumfang im vorliegenden Verfahren ist Art. 48 Abs. 1 und 2 LV. Dabei ist das Landesverfassungsgericht nicht auf eine Kontrolle der Gründe beschränkt, die der Landtag in seiner Entscheidung über die Unzulässigkeit der Volksinitiative benennt

(Urteil vom 6. Dezember 2019 - LVerfG 2/18 -, a. a. O., Juris Rn. 58).

53

2. Das Land Schleswig-Holstein hat die Gesetzgebungskompetenz für die von der Volksinitiative begehrte Regelung des § 5 Abs. 3a LaPlaG-E.

54

Die Entscheidungszuständigkeit des Landtages im Sinne von Art. 48 Abs. 3, Abs. 1 LV und damit auch der Prüfungsmaßstab des Landesverfassungsgerichts in Verfahren in den Fällen des § 3 Nr. 7 LVerfGG – Streitigkeiten über die Durchführungen von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden (vgl. zu dieser Bezeichnung für Verfahren der vorliegenden Art die amtliche Überschrift des Siebenten Abschnitts des Dritten Teils des Landesverfassungsgerichtsgesetzes, §§ 53 f. LVerfGG) – bezüglich der vorgelegten Gesetzentwürfe umfasst auch die Überprüfung der Verbandskompetenz des Landes Schleswig-Holstein

(Urteil vom 6. Dezember 2019 - LVerfG 2/18 -, a. a. O., Juris Rn. 63 ff.).

55

Es handelt sich beim von der Antragstellerin begehrten § 5 Abs. 3a LaPlaG-E um eine Regelung betreffend die Raumordnung. Diese fällt zwar in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG. Die Länder haben jedoch nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GG eine Abweichungskompetenz.

56

Soweit der Entwurf seiner Zielsetzung nach eine Wirkung bezüglich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Windkraftanlagen anstrebt, was nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG als Bodenrecht in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ohne eine Abweichungskompetenz der Länder fiele, führt allein diese Reflexwirkung vor dem Hintergrund des konkreten Inhalts der Regelung nicht zu einer anderweitigen Zuordnung.

57

Der erklärte Zweck der Regelung besteht zwar darin, den Gemeinden abweichend von § 35 BauGB die Möglichkeit einzuräumen, Windkraft auf ihrem Gemeindegebiet zu untersagen. Es handelt sich gleichwohl nicht um eine bodenrechtliche Regelung. Zur Materie „Bodenrecht“ gehören nur solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar als Gegenstand rechtlicher Ordnung betreffen, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln. Dies schließt Pläne ein, wenn diese verbindliche Kraft für den einzelnen Grundstückseigentümer haben, also bestimmen, in welcher Weise der Eigentümer sein Grundstück nutzen darf, insbesondere, ob er überhaupt bauen darf und in welcher Weise, oder letztgenannte Pläne in der dafür zuständigen Ortsstufe vorbereiten. Von dieser – gemeindebezogenen – städtebaulichen Planung zu unterscheiden ist die Raumordnung oder Landesplanung als zusammenfassende, übergeordnete Planung und Ordnung des Raumes, die überörtliche Planung ist, vielfältige Fachplanungen zusammenfasst, aufeinander abstimmt und unmittelbar nur verwaltungsintern wirkt

(BVerfG, Gutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 -, BVerfGE 3, 407 ff.,  Juris Rn. 75 ff.; Beschluss vom 8. November 1972 ​- 1 BvL 15/​68 -, 1 BvL 26/69 - BVerfGE 34, 139 ff., Juris Rn. 15).

58

Vorliegend macht die von der Antragstellerin begehrte Regelung des § 5 Abs. 3a LaPlaG-E ausschließlich Vorgaben für die Raumordnung und hätte im Fall eines negativen kommunalen Votums keine unmittelbare Auswirkung auf die Zulässigkeit der Bebauung. Vielmehr könnte sich eine etwaige Unzulässigkeit der Bebauung nur aus § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Verbindung mit einer anderweitigen Festlegung von Eignungsgebieten, § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ROG, oder Vorranggebieten mit der Wirkung von Eignungsgebieten, § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 ROG, im Raumordnungsplan ergeben. Voraussetzung dafür wäre, dass ein entsprechender Plan den bundesrechtlichen Anforderungen an die Konzentrationszonenplanung entspräche. Zwar öffnet sich das Bauplanungsrecht mit der Regelung in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für – weitere – raumordnungsrechtliche Regelungen und damit auch für die Raumordnungsplanung des Landes

(vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 29. März 2017 - 1 LB 2/15 -, ZNER 2017, 406 ff., Juris Rn. 55).

Dieses einfach-gesetzliche Zusammenspiel von Bauplanungs- und Raumordnungsrecht hat jedoch keine Auswirkungen auf die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes für die Raumordnung

(vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26. Februar 2020 ​- 5 LB 6/19 -, NordÖR 2020, 305 ff., Juris Rn. 56)

und die Zuordnung des § 5 Abs. 3a LaPlaG-E zu derselben.

59

Art. 72 Abs. 3 Nr. 4 GG schränkt die Abweichungskompetenz der Länder auch nicht auf eine solche jenseits eines abweichungsfesten Kerns ein, sondern benennt Regelungen über die Raumordnung ohne weitere Qualifikationen oder Einschränkungen. Auch aus der Natur der Sache ergibt sich keine solche Beschränkung der Abweichungskompetenz. Zwar kommt dem Bund kraft Natur der Sache die Zuständigkeit für die gesetzliche Regelung der Raumplanung für den Gesamtstaat zu

(vgl. BVerfG, Gutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 -, BVerfGE 3, 407 ff., Juris Rn. 87).

Raumordnung im Sinne der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist jedoch nur die Planung im Bereich eines Landes, während die Bundeskompetenz kraft Natur der Sache die Raumplanung in ihren über die Länder hinausgreifenden Zusammenhängen betrifft

(vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Oktober 1962 – 2 BvF 2/60 -, BVerfGE 15, 1 ff., Juris Rn. 59; Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz - Kommentar, 94. EL Januar 2021, Art. 72 Rn. 221 m. w. N.)

Vorliegend strebt die Antragstellerin mit der begehrten Regelung jedoch keine Wirkung hinsichtlich der über das Land Schleswig-Holstein hinausgehenden Zusammenhänge an. Vielmehr ist diese begrenzt auf die Schleswig-Holsteinische Landesplanung und unterfällt damit der Kompetenzzuschreibung des Art. 72 Abs. 3 Nr. 4 GG.

60

Auch aus der Bundestreue ergibt sich keine Einschränkung der Landeskompetenz. Zwar folgt aus der von der Antragstellerin begehrten Regelung des § 5 Abs. 3a LaPlaG-E mittelbar eine Wirkung im Bereich des Bodenrechts, für das keine Abweichungskompetenz besteht. Soweit diese Wirkung einträte, beruhte dies jedoch allein auf einer Öffnung des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts für raumordnungsrechtliche Regelungen in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Die Verknüpfung mit der Raumordnung und die daraus folgende mögliche Wirkung raumordnungsrechtlicher Regelungen auf Landesebene auf das Bauplanungsrecht sind also im Bundesrecht angelegt.

61

3. In Bezug auf die materielle Verfassungsmäßigkeit verstößt der vorliegende Gesetzentwurf der Volksinitiative jedoch gegen das Rechtsstaatsgebot und damit gegen Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs.2 LV.

62

Soweit nach Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LV der Gesetzentwurf einer Volksinitiative nicht gegen die Grundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaats verstoßen darf, bedeutet das nicht, dass nur qualifizierte Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot zu berücksichtigen wären und zu einer Unvereinbarkeit mit Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LV führen würden. Diese Norm kennt keinen abgestuften Prüfungsmaßstab (hierzu a). Insbesondere umfasst das Rechtsstaatsgebot auch das Gebot gerechter Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange (hierzu b). Vorliegend verstößt der Gesetzentwurf gegen das Abwägungsgebot (hierzu c). Inwiefern auch eine fehlerhafte Begründung des Entwurfs zur Unzulässigkeit der Volksinitiative führt und hier vorliegt sowie ob eine vollumfängliche Prüfung auf Grundrechtsverstöße vorzunehmen ist und solche vorliegen, kann daher offenbleiben (hierzu d).

63

a) Ein Gesetzentwurf einer Volksinitiative darf nach Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LV nicht gegen die Verfassungsgrundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaates in seinen verschiedenen Ausprägungen verstoßen. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Grundsätze des Rechtstaats bedeutet nicht, dass nur qualifizierte Verstöße gegen das Rechtsstaatsgebot zu einer Unvereinbarkeit mit Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LV führen können. Für einen solchen eingeschränkten Prüfungsmaßstab fehlt die normative Grundlage.

64

Vielmehr betreffen die sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Anforderungen stets die Grundsätze des Rechtsstaats. Dies folgt daraus, dass das Rechtsstaatsprinzip keine in allen Einzelheiten eindeutig bestimmten Gebote oder Verbote von Verfassungsrang enthält. Vielmehr handelt es sich um einen Verfassungsgrundsatz, der der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten bedarf, wobei allerdings fundamentale Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben müssen

(BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 1957 - 1 BvL 23/52 -, BVerfGE 7, 89 ff., Juris Rn. 16).

Auch einzelne Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebots sind daher auf die Rechtsstaatlichkeit als fundamentalen Verfassungsgrundsatz zurückzuführen und müssen mit diesem in Einklang stehen

(vgl. in dem Sinne auch BVerwG, Beschluss vom 4. September 2014 - 4 B 29.14 -, Juris Rn. 5).

65

Auch aus einer systematischen und teleologischen Auslegung der Art. 48 und 49 LV ergibt sich, dass der Prüfungsmaßstab bezüglich der Zulässigkeit einer Volksinitiative alle sich aus den Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips ergebenden Anforderungen umfasst.

66

Eine Volksinitiative zielt darauf ab, den Landtag mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung zu befassen, Art. 48 Abs. 1 Satz 1 LV. Stimmt der Landtag dem Gesetzentwurf oder der Vorlage nach Art. 48 LV nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten zu, so sind die Vertreterinnen und Vertreter berechtigt, die Durchführung eines Volksbegehrens zu beantragen, Art. 49 Abs. 1 Satz 1 LV.

67

Wenn ein Gesetzentwurf einer Volksinitiative gegen das Rechtsstaatsgebot verstößt, ist es – unabhängig von politischen Erwägungen zum Inhalt des Gesetzentwurfs – dem Landtag von Verfassungs wegen verwehrt, die Zulässigkeit der Volksinitiative festzustellen. Es widerspräche dem Anliegen der Regelungen der Volksgesetzgebung, wenn ein weiteres Verfahren in Form eines Volksbegehrens und gegebenenfalls ein Volksentscheid durchgeführt werden könnte, obwohl die volksinitiierte Regelung gegen höherrangiges Recht in Gestalt der Verfassungsgrundsätze des demokratischen und sozialen Rechtsstaats verstößt.

68

Die Landesverfassung beschränkt die Kontrolle von Gesetzesentwürfen, die im Wege der Volksinitiative vorgelegt werden (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 LV), gerade nicht allein auf die nachträgliche verfassungsgerichtliche Überprüfung, sondern sieht bei Volksinitiativen ausdrücklich eine Präventivkontrolle des Landtages vor. Nach Art. 48 Abs. 3 LV entscheidet der Landtag über die Zulässigkeit der Initiative. Der Umstand, dass die Verfassung ausdrücklich zwischen einer Entscheidung des Landtages über die Zulässigkeit der Initiative nach Art. 48 Abs. 3 LV und der politischen Entscheidung des Landtages, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, nach Art. 49 Abs. 1 LV unterscheidet, zeigt, dass die Landesverfassung selbst von einer Präventivkontrolle durch den Landtag – mit entsprechender Rechtsschutzmöglichkeit vor dem Landesverfassungsgericht – ausgeht. Andernfalls wäre die Regelung in Art. 48 Abs. 3 LV überflüssig und der Landtag hätte unmittelbar zu entscheiden, ob er dem Gesetzentwurf zustimmt oder nicht

(vgl. zu diesen Erwägungen bereits Urteil vom 6. Dezember 2019 - LVerfG 2/18 -, NordÖR 2019, 183 ff. = NVwZ 2020, 228 ff. = SchlHA 2019, 206 ff. = ZfWassR 2020, 68 ff. = ZUR 2020, 170 ff. = BeckRS 2019, 30748, Juris Rn. 69 ff.).

69

Für einen im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung durch den Landtag geltenden abgeschwächten Maßstab gegenüber einer späteren Prüfung gibt es keine normative Grundlage. Insbesondere dient das auf eine positive Zulässigkeitsprüfung folgende Verfahren zur Behandlung des Gesetzentwurfs einer Volksinitiative im Landtag nach § 10 VAbstG nicht der Erarbeitung einer verfassungsmäßigen vom ursprünglichen Entwurf abweichenden Fassung eines Gesetzentwurfs. Die nachfolgende Korrektur eines durch eine Volkinitiative eingebrachten Entwurfs, der gegen die in Art. 48 Abs. 1 LV aufgeführten Verfassungsgrundsätze verstößt, um diesen so auszugestalten, dass er mit diesen im Einklang steht, ist im Verfahren nicht vorgesehen. Der Landtag kann dem Gesetzentwurf grundsätzlich nur in unveränderter Form zustimmen; eine Ausnahme gilt nur, wenn die Vertrauenspersonen sich mit einer Änderung einverstanden erklären, § 10 Abs. 2 VAbstG.

70

b) Das Rechtsstaatsgebot im Sinne von Art. 48 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 LV umfasst das Gebot gerechter Abwägung der von einer öffentlichen Planung berührten öffentlichen und privaten Belange.

71

Im Bereich der öffentlichen Planung hat das Rechtsstaatsgebot eine Ausprägung im Gebot gerechter Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gefunden. Bei einer Planung geht es stets um einen Ausgleich mehr oder weniger zahlreicher, in ihrem Verhältnis zueinander komplexer Interessen. Diese sind überdies meist so miteinander verschränkt, dass dem einen Interesse nichts zugestanden werden kann, ohne dadurch zahlreiche andere Interessen zu berühren. Daher muss sich der Schutz privater Interessen wie insbesondere des Privateigentums sowie geschützter öffentlicher Interessen wie beispielsweise der gemeindlichen Selbstverwaltung bei der Aufstellung von Plänen nach Regeln vollziehen, die dem Wesen der Planung angemessen sind. Zu diesen Regeln gehört in erster Linie das Gebot gerechter Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange mit dem Ziel, ein inhaltlich abgewogenes Ergebnis zu erreichen. Dieses Abwägungsgebot ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, beispielsweise für die Raumordnungsplanung aus § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG. Es gilt aber unabhängig davon auch als ein aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung folgendes allgemeines Verfassungsgebot. Die Abwägung ist das zentrale Gebot rechtsstaatlicher Planung und bildet den Kern des Planungsaktes

(stRspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 30. April 1969 - IV C 6.68 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 12, Juris Rn. 17; vom 10. Februar 1978 - IV C 25.75 -, BVerwGE 55, 220 ff., Juris Rn. 24; vom 7. Juli 1978 - IV C 79.76 -, Juris Rn. 59; BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 1996 - 2 BvF 2/93 -, BVerfGE 95, 1 ff., Juris Rn. 68, 81; Battis in: Battis/​Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch – Kommentar, 14. Auflage 2019, § 1 Rn. 87; Söfker/Runkel in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch – Kommentar, Band 1, 141. Ergänzungslieferung, Februar 2021, Rn. 179-180).

72

Es fehlt an einer solchen gerechten Abwägung als Ausdruck einer rechtsstaatlichen Planung, wenn keinerlei Abwägung erfolgt. Das Gleiche gilt, wenn in die Abwägung nicht eingestellt wurde, was in sie hätte eingestellt werden müssen, die Bedeutung der Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen den beachtlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht

(stRspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1972 - IV C 14.71 -, BVerwGE 41, 67 ff., Juris Rn. 15).

73

c) Die von der Antragstellerin begehrte Neuregelung im Landesplanungsgesetz sieht einen gesetzlich bestimmten Verzicht auf eine Abwägung und damit den normierten Ausfall der rechtsstaatlich gebotenen Abwägung vor. Dieser Abwägungsausfall steht nicht im Einklang mit dem Verfassungsgrundsatz der Rechtsstaatlichkeit und wird auch nicht dadurch aufgewogen, dass der Gemeindewille nur dann zu einer Verhinderung der Windenergienutzung auf Gemeindeflächen führt, wenn der Vorgabe des substanziellen Raumgebens anderweitig entsprochen werden kann.

74

§ 5 Abs. 3a LaPlaG-E zielt der Sache nach darauf ab, allein durch gemeindliche Willensbekundungen Tabuzonen zu schaffen, ohne dass der Planungsträger – die Landesplanungsbehörde – diesbezüglich noch eine eigene Entscheidung treffen kann. Ein negatives Votum der Gemeinde soll nach dem Gesetzesentwurf der Antragstellerin verhindern, dass überhaupt noch in einen Abwägungsprozess seitens der Landesplanungsbehörde eingetreten wird, obwohl dieser Abwägungsprozess nicht nur rechtsstaatlich geboten, sondern Kern des durch die Landesplanung vorzunehmenden Planungsakts ist. Das von § 5 Abs. 3a LaPlaG-E vorgesehene Verfahren widerstreitet einem rechtsstaatlich ausgestalteten Konzentrationsflächenkonzept (hierzu aa). Es darf auch nicht vom Landesgesetzgeber etabliert werden (hierzu bb). Die gemeindliche Entscheidung vermag die rechtsstaatlich gebotene Abwägung auf Landesebene nicht zu ersetzen (hierzu cc) und führte zudem abwägungsfremde Belange ein, indem sie eine Verhinderungsplanung eröffnete (hierzu dd). Daran ändern weder das behauptete Ziel der Akzeptanz der Energiewende noch die Regelungsmöglichkeit aus § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB etwas (hierzu ee).

75

aa) Die Ausarbeitung eines Konzepts der Konzentrationsflächenplanung vollzieht sich abschnittsweise. In einem ersten Arbeitsschritt sind die sogenannten harten und weichen Tabuzonen zu ermitteln. Dabei handelt es sich bei harten Tabuzonen um Flächen, deren Nutzung für die Errichtung von Windkraftanlagen an rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen scheitert. Weiche Tabuzonen sind dementgegen Flächen, die der Plangeber ausschließen will. Die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen verbleibenden sogenannten Potenzialflächen sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen. Konkret bedeutet dies, dass die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraumes als Konzentrationszone sprechen, mit dem Anliegen abzuwägen sind, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird. Erkennt der Plangeber als Ergebnis seiner Untersuchung, dass er für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum schafft, muss er die weichen Tabuzonen einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen

(vgl. für die örtliche Bauleitplanung BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 CN 1.11 -, BVerwGE 145, 231 ff., Juris Rn. 12 f. sowie für die Regionalplanung Urteil vom 11. April 2013 - 4 CN 2.12 -, NVwZ 2013, 1017 ff., Juris Rn. 6).

76

Weiche Tabuzonen stellen daher keine eigenständige Kategorie im System des Planungsrechts dar. Auch wenn sie bereits im ersten Arbeitsschritt ausgeschieden werden, sind sie weiterhin der Ebene der Abwägung zuzuordnen. Sie sind disponibel, weil raumordnerische Gesichtspunkte nicht von vornherein vorrangig sind. Der Plangeber muss eine Entscheidung für weiche Tabuzonen rechtfertigen. Er muss aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d. h. kenntlich machen, dass er – anders als bei harten Tabukriterien – seinen Bewertungsspielraum wahrnimmt, und die Gründe für seine Wertung offenlegen. Andernfalls scheitert die Planung schon daran, dass der Plangeber die weichen Tabukriterien nicht nachweisbar auf der Stufe der Abwägung in die Planung eingestellt hat

(vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 CN 1.11 -, a. a. O., Juris Rn. 12 f.).

77

Dem Wortlaut und der Intention der Norm nach sollen mit dem von der Antragstellerin begehrten § 5 Abs. 3a LaPlaG-E für den Fall eines die Windkraft ablehnenden gemeindlichen Votums Tabuzonen eigener Art geschaffen werden, ohne dass diesbezüglich eine Abwägung durch den Plangeber stattfindet. Die Antragstellerin bezeichnet diese als gesetzlich vorgegebene nachrangige harte Tabuzonen.

78

Eine Abwägung ist jedoch nur entbehrlich, wenn unabhängig von der Planung eine Nutzung für Zwecke der Windkraft bereits an rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen scheitert. Diese – außerhalb der Planung liegenden – Hindernisse rechtfertigen es, dass die betroffenen Flächen vom Plangeber als harte Tabuzonen ohne einen weiteren Abwägungsprozess ausgeschieden werden, weil bereits kein Raum mehr für eine Abwägung besteht.

79

Es gibt vorliegend keine Tabuzone, die die Nutzung von Flächen für Windenergie allein auf Grundlage des Gemeindewillens ausschließt, und eine solche kann auch durch die begehrte Regelung nicht geschaffen werden. Die für harte Tabuzonen geltenden Voraussetzungen der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit liegen bei den von einem negativen gemeindlichen Votum betroffenen Flächen nicht vor. Die Errichtung von Windkraftanlagen scheitert an den betroffenen Standorten unabhängig von einer Konzentrationszonenplanung gerade nicht an rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen. Der von der Antragstellerin begehrte § 5 Abs. 3a LaPlaG-E geht dem Wortlaut und auch der Intention nach nicht davon aus, dass die Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Gebiet der entsprechenden Gemeinden bereits aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen generell nicht in Betracht kommt. Vielmehr zielt die Regelung darauf ab, dass der Plangeber auch fachlich gut geeignete Flächen verwirft, wenn im Rahmen der Landesplanung ein entsprechendes gemeindliches Votum vorliegt, es sei denn, dass dann der Vorgabe des substanziellen Raumgebens nicht entsprochen werden kann.

80

Bei einer bloßen Mehrheitsentscheidung einer Kommune, die Nutzung von Gemeindeflächen für die Windenergie abzulehnen, fehlt es bereits an tatsächlichen Gründen, die ein generelles Ausscheiden von Windkraftanlagen rechtfertigen könnte und damit an der Begründung einer harten Tabuzone.

81

Gleiches gilt auch für rechtliche Gründe. Es fehlt an einer bestehenden Rechtsnorm, die besagt, dass bei einem Negativvotum einer Gemeinde eine Bebauung im Gemeindegebiet mit einer Windkraftanlage unzulässig ist.

82

bb) Eine entsprechende Norm wird auch nicht durch den beabsichtigten § 5 Abs. 3a LaPlaG geschaffen. Die Norm trifft lediglich eine Regelung zum Vorgehen bei der Landesplanung. Andernfalls würde dem Schleswig-Holsteinischen Landesgesetzgeber wie unter a) ausgeführt auch in Form der Volksgesetzgebung bereits die Kompetenz für die Norm fehlen, weil es sich dabei um Bodenrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG handeln würde, welches in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers fällt.

83

Der von der Antragstellerin begehrte § 5 Abs. 3a LaPlaG-E begründet auch keine weiche Tabuzone. Denn die Festlegung einer sogenannten weichen Tabuzone setzte zum einen voraus, dass diese durch raumordnerische Belange gerechtfertigt ist und zum anderen, dass eine Abwägung zwischen diesen gegen eine Windkraftnutzung sprechenden raumordnerischen Belangen und den sonstigen, für eine Nutzung zu Zwecken der Windkraft sprechenden, Belangen stattgefunden hat. Beides sieht die Regelung jedoch gerade nicht vor.

84

Weiche Tabuzonen können auf einer Vielzahl von auf raumordnerischen Belangen beruhenden Erwägungen gründen, denen der Plangeber im Rahmen eines Abwägungsvorgangs Vorrang gegenüber der Nutzungsmöglichkeit für Windkraft einräumt. Vorliegend will die Antragstellerin dementgegen Tabuzonen besonderer Art schaffen, ohne dass eine solche Abwägung stattfindet. Denn durch den von der Antragstellerin begehrten § 5 Abs. 3a LaPlaG-E sollen Flächen allein aufgrund einer Mehrheitsentscheidung einer Gemeinde als Flächen eingeordnet werden, die der Windkraftnutzung zwar nicht generell – der Ausschluss gilt nicht, wenn der Vorgabe des substanziellen Raumgebens nicht anderweitig entsprochen werden kann –, jedoch grundsätzlich entzogen sind. Eine Abwägung der Landesplanungsbehörde soll diesbezüglich ausdrücklich nicht stattfinden. Es werden weder die für oder – neben dem Gemeindewillen – gegen eine Windkraftkraftnutzung sprechenden öffentlichen und privaten Belange ermittelt noch diese bewertet noch abgewogen. Insofern liegt bereits ein Abwägungsausfall vor.

85

Der Umstand, dass dieser Abwägungsausfall gesetzlich vorgesehen sein soll, rechtfertigt diesen nicht. Wie ausgeführt ergibt sich das Abwägungsgebot, das unter anderem verlangt, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet, nicht nur aus § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG, sondern auch unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebot. Damit kann die Anforderung nicht durch ein Landesgesetz außer Kraft gesetzt werden.

86

Soweit die Antragstellerin auf § 5 Abs. 9 LaPlaG a. F. (nunmehr § 5 Abs. 10 LaPlaG) verweist, folgt daraus nichts anderes. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass eine Raumordnungsplanung aufgrund einer Ja-/​Nein-Entscheidung erfolgen kann. Zwar ist nach dieser Norm der Landesentwicklungsplan als landesweiter Raumordnungsplan als Rechtsverordnung mit Zustimmung des Landtags zu beschließen. Insofern ist jedoch die für die Planung erforderliche Abwägung auf der Seite der Landesregierung vorzunehmen. Die Zustimmung des Landtages bezieht sich auf den gesamten – abgewogenen – Plan. Es erfolgt gerade keine bloße Ja-/​Nein-Entscheidung zu einzelnen Elementen der Festlegung.

87

cc) Dem Abwägungsausfall auf Landesebene kann auch nicht dadurch entgegengetreten werden, dass auf gemeindlicher Ebene eine Abwägung stattfindet.

88

Eine Abwägung auf Gemeindeebene ist nach dem Gesetzentwurf bereits nicht vorgesehen. Vielmehr sieht die von der Antragstellerin begehrte Regelung des § 5 Abs. 3a LaPlaG-E auf Ebene der Gemeinden bloße Mehrheitsentscheidungen der Gemeindevertretungen (§ 27 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein <Gemeindeordnung - GO ->) bzw. entsprechende Bürgerentscheide (§ 16g GO) vor. Im Rahmen eines Bürgerentscheids wäre eine Abwägung bereits aufgrund der Verfahrensform nicht möglich, wie auch der Ausschluss des Bürgerentscheids bei Entscheidungen im Rahmen der Bauleitplanung mit Ausnahme des Aufstellungsbeschlusses sowie dessen Änderung, Ergänzung oder Aufhebung in § 16g Abs. 2 Nr. 6 GO zeigt.

89

Zudem setzt das Abwägungsgebot voraus, dass der jeweils zuständige Planungsträger die Abwägung für den gesamten Planungsraum vornimmt. Planungsträger für die überörtliche Planung ist die Landesplanungsbehörde, die die Planung für das gesamte Landesgebiet bzw. im Fall der Teilpläne für die jeweiligen Teilräume vornimmt. Allein diese ist für die Bewertung und Abwägung zuständig. Zwar hat die Landesplanungsbehörde in ihre Abwägung die unterschiedlichen, auch von den Gemeinden mitgeteilten Belange in Form der Gegebenheiten und Erfordernisse der einzelnen Gemeinden, die auch eigene – positive – planerische Erwägungen umfassen können, einzustellen. Die Abwägung selbst ist aber allein aus der übergeordneten Sicht der Landesplanung vorzunehmen und darf sich nicht ausschlaggebend nach den Singularinteressen der einzelnen Gemeinden richten. Andernfalls würde die Funktion der Landesplanung konterkariert und das Rangverhältnis zwischen Regionalplanung und gemeindlicher Planung (vgl. § 1 Abs. 4 BauGB) verkehrt

(vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 20. Dezember 2001 - 1 MA 3579/01 -, NVwZ-RR 2002, 332 f., Juris Rn. 5; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. Januar 2015 - 1 KN 6/13 -, NordÖR 2015, 498 ff., Juris Rn. 71).

90

dd) Im Übrigen führte der von der Antragstellerin begehrte § 5 Abs. 3a LaPlaG-E sachfremde Belange ein, die bereits dem Grunde nach nicht geeignet wären, Tabuzonen auf Grundlage einer Gemeindeentscheidung zu rechtfertigen. Weder kommunale Mehrheitsentscheidungen noch die Akzeptanz der Windkraftnutzung sind relevante Belange der Raumordnung. Dies sind allein solche, die für das jeweilige Ziel von Bedeutung sind. Nur Belange, die die Raumordnung prägen können, entsprechen diesen Anforderungen. Aufgabe der Raumordnung ist es, den Gesamtraum des Landes Schleswig-Holstein und seine Teilräume nach Maßgabe der Leitvorstellungen und der Grundsätze der §§ 1 und 2 ROG zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern, § 2 Abs. 1 LaPlaG. Dabei muss insbesondere dafür Sorge getragen werden, dass durch Raumordnungspläne die unterschiedlichen Anforderungen an den Raum aufeinander abgestimmt und die auf der jeweiligen Planungsebene auftretenden räumlichen Nutzungskonflikte ausgeglichen werden. Zugleich ist Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Raumnutzungen zu treffen, damit zunächst die raumwirksamen Planungen aller Planungsträger entsprechend den Erfordernissen der Raumordnung abgestimmt werden. Ferner sollen durch regionale und überregionale Zusammenarbeit sowie das Setzen von Entwicklungsimpulsen die Potenziale und Synergieeffekte einer zukunftsorientierten Gestaltung des Landes Schleswig-Holstein einschließlich ihrer Landesgrenzen überschreitenden Bezüge aufgegriffen und gestärkt werden.

91

Der durch eine Mehrheitsentscheidung dokumentierte Wille einer Gemeinde, die Windkraftnutzung auf ihrem Gemeindegebiet auszuschließen, ist nicht geeignet, diese über das einzelne Gemeindegebiet gerade hinausgehenden Ziele der Raumordnung auf Landesebene zu prägen und stellt somit auch keinen relevanten Belang dar.

92

Zwar können gemeindliche Planungserwägungen in die Abwägung einzustellende Belange darstellen. Dies setzt jedoch voraus, dass es sich um auf sachlichen Gründen beruhende Planungsentscheidungen, mithin um zulässige – positive – Planungsvorstellungen handelt

(vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Februar 2003 - 1 A 11406/01 -, NVwZ-RR 2003, 619 ff., Juris Rn. 105; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. Januar 2015 - 1 KN 6/13 -, NordÖR 2015, 498 ff., Juris Rn. 70).

Wenn sich eine Gemeinde allerdings gegen die Windkraft ausspricht, handelt es sich um eine unzulässige Negativplanung.

93

Eine Verhinderungs- oder Negativplanung liegt immer dann vor, wenn eine Planung für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht erforderlich ist. Denn dann wäre die getroffene Festsetzung nur vorgeschobenes Mittel, um damit eine eigentlich erstrebte Negativwirkung – das Verbot einer anderen als der festgesetzten Bebauung – zu erzielen. Diese verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 GG und ist unzulässig

(stRspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2000 - 1 BvR 151/99 -, NVwZ 2011, 424 ff., Juris Rn. 6, BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1972 ​- IV C 8.70 -, BVerwGE 40, 258 ff., Juris Rn. 29).

94

Eine gemeindliche Planung, die allein darauf abzielte, die Windkraftnutzung im gesamten Gemeindegebiet entgegen dem mit der Privilegierung im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB dokumentierten Willen des zuständigen Bundesgesetzgebers zu verhindern, wäre als Verhinderungsplanung unzulässig. Soweit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB den Gemeinden die Möglichkeit gibt, ihrerseits im Rahmen der Flächennutzungsplanung eine Konzentrationszonenplanung für die Windkraftnutzung in ihrem Gebiet vorzunehmen, ergibt sich daraus nur die Möglichkeit einer Steuerung, aber nicht einer vollständigen Verhinderung der Windkraftnutzung.

95

Ein entsprechender Wille einer Gemeinde, der gegenüber der Landesplanungsbehörde erklärt wird, ist gleichermaßen ungeeignet, die gänzliche Verhinderung der Windkraftnutzung auf bestimmten Flächen zu erreichen. Zwar liegt es in der Natur einer Konzentrationszonenplanung, dass diese aufgrund der Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB negative Auswirkungen für die Zulässigkeit entsprechender Vorhaben an anderen Standorten hat. Dies ist in diesen Fällen aber dadurch gerechtfertigt, dass es Ziel und Ergebnis der gemeindlichen Planung ist, dass die privilegierten Vorhaben an geeigneten Standorten im Außenbereich gerade eine Chance  erhalten, indem ihnen dort andere Belange nicht entgegengehalten werden können, § 7 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. Satz 3 bzw. Satz 2 Nr. 3 ROG. Dies unterscheidet sich von einer kommunalen Verhinderungsplanung, mit der bestimmte Vorhaben wie die Windkraftnutzung nach der Vorstellung der Antragsstellerin für das Gemeindegebiet vollständig ausgeschlossen werden sollen.

96

ee) Auch mit Blick auf das vorgetragene Ziel, der Energiewende zum Erfolg zu verhelfen und damit die nachhaltige Energieversorgung des Landes zu sichern, gilt nichts anderes. Soweit die Antragstellerin geltend macht, gerade dieses Ziel rechtfertige und erfordere es, auch fachlich gut geeignete Flächen zur Windenergienutzung zu verwerfen, wo eine solche Nutzung vor Ort abgelehnt werde, weil andernfalls der Widerstand gegen die Energiewende so groß zu werden drohe, dass sie beeinträchtigt oder gar zum Stillstand gebracht werden könne, ist dies hinzunehmen. Eine Verhinderungsplanung bleibt aus oben genannten Gründen unzulässig.

97

Die Auffassung der Antragstellerin, dass die Regelung durch eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung gerechtfertigt werde, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Die Entscheidung, Windkraftnutzung als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich einzuordnen, § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, ist nach der Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland dem Bundesgesetzgeber zugewiesen, Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Sie gilt einheitlich für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik. Eine Abweichung davon fällt nicht in den Kompetenzbereich einzelner Gemeinden und lässt sich auch nicht mit dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht und einer Stärkung desselben begründen.

98

Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 9. Mai 2016 stützt die Rechtsansicht der Antragstellerin nicht. Gegenständlich war in dem Verfahren unter anderem, ob der Bayerische Landesgesetzgeber seine ihm in § 249 Abs. 3 Satz 1 BauGB übertragene Gesetzgebungsbefugnis, nach der die Länder durch Landesgesetze bestimmen können, dass § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung findet, wenn sie bestimmte Mindestabstände zu den im Landesgesetz bezeichneten zulässigen baulichen Nutzungen zu Wohnzwecken einhalten, überschritten habe. Der Bayerische Landesgesetzgeber hatte einen Mindestabstand von 10H – dem Zehnfachen der Anlagenhöhe – festgelegt. Insofern ist bereits die Nutzung einer bundesrechtlich gewährleisteten Öffnungsklausel nicht mit der vorliegenden Fallkonstellation vergleichbar. Zudem hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass der einzuhaltende Abstand nicht dazu führe, dass der bundesrechtliche Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB in Bayern faktisch ausgehebelt werde. Im Übrigen hat er darauf verwiesen, dass sich für den Landesgesetzgeber aus der bundesrechtlichen Öffnungsklausel nicht die Verpflichtung ergebe, die in Betracht kommenden Außenbereichsflächen in Bayern wie ein Planungsträger im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auf ihre Eignung für Windenergienutzung zu bewerten und nach einer Abwägung als Planergebnis den Mindestabstand so festzulegen, dass der Windenergie substanziell Raum verschafft werde

(VerfGH Bayern, Entscheidung vom 9. Mai 2016 - Vf. 14-VII-14, Vf. 3-VIII-15, Vf. 4-VIII-15 -, VerfGE BY 69, 125 ff., Juris Rn. 134).

99

d) Da der vorliegende Gesetzesentwurf bereits gegen das Rechtsstaatsgebot verstößt, kann offenbleiben, ob sich möglicherweise auch aus einer fehlerhaften Begründung des Gesetzesentwurfs eine Unzulässigkeit ergeben könnte. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Gesetzentwurf einer Volksinitiative vollumfänglich auf seine Verfassungskonformität im Sinne der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht einschließlich der Grundrechte zu prüfen ist. Eine verfassungsgerichtliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Begründung des Gesetzesentwurfs fehlerhaft ist, weil die Rechtsfolgen desselben unrichtig oder irreführend dargestellt worden seien, sowie ob mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf ggf. eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG einhergeht, ist daher nicht erforderlich.

III.

100

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Kosten werden nicht erstattet. Die Antragstellerin hat die Erstattung der Kosten beantragt. Auf Antrag kann das Landesverfassungsgericht die volle oder teilweise Erstattung der Kosten anordnen (§ 33 Abs. 4 LVerfGG). Gründe für eine solche Anordnung – etwa aus Billigkeit – bestehen nicht. Über die Vollstreckung ist nicht zu entscheiden (§ 34 LVerfGG).

101

Das Urteil ist einstimmig ergangen.


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