Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht - LVerfG 3/22

Tenor

Die Nichtanerkennungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung der Anerkennung als Partei für die am 8. Mai 2022 stattfindende Wahl zum 20. Landtag von Schleswig-Holstein.

I.

2

Die Beschwerdeführerin wurde am 7. Januar 2022 in Bad Segeberg unter dem Namen freiheitsbewegung gegründet. Bei dieser Versammlung waren vier Gründungsmitglieder anwesend, die alle in Bad Segeberg, drei davon unter der gleichen Adresse, wohnhaft waren. Eine Gründung von Landesverbänden sollte „je nach Nachfrage in der nahen Zukunft“ erfolgen. Vorrangiges Ziel sei es, als Partei an der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai 2022 teilzunehmen.

3

Nach der am Tag der Gründung beschlossenen „Satzung der Partei freiheitsbewegung“ soll sich die Aktivität der Beschwerdeführerin auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstrecken (§ 1 Abs. 1 Satz 3 der Satzung). Jede volljährige Person, die in Deutschland lebt oder mit deutscher Staatsangehörigkeit im Ausland lebt und die „die Grundsätze und die Satzungen“ der Partei anerkenne, könne Mitglied der Partei werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Satzung). Die Mitgliedschaft werde auf Bundesebene erworben, soweit am Hauptwohnsitz eines Antragstellers noch kein Landesverband existiere (§ 3 Abs. 3 Satz 1 der Satzung). Die Satzung ist auch auf der Internetseite der Beschwerdeführerin (http://www.freiheitsbewegung-de.com/Partei/Satzung; Stand: 11. März 2022) veröffentlicht.

4

Auf dieser Homepage finden sich unter der Rubrik „Nächster Termin“ als Hinweis auf künftige Veranstaltungen allein Termine der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai 2022 sowie der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai 2022. Zudem erfolgt dort der folgende Aufruf:

„Für die Zulassung zur Landtagswahl benötigen wir noch 50 Unterstützungs-Unterschriften von Personen, die wählen dürfen und in den Wahlkreisen 03 Flensburg, 26 Segeberg-Ost und 27 Norderstedt wohnen und 500 Unterstützungs-Unterschriften von Personen, die wählen dürfen und seit mindestens 3 Monaten in Schleswig-Holstein wohnen. (…)“

5

Die Beschwerdeführerin zeigte beim Landeswahlleiter am 26. Januar 2022 ihre geplante Teilnahme als politische Vereinigung an der Landtagswahl 2022 an.

6

Der Landeswahlausschuss stellte in seiner Sitzung vom 25. Februar 2022 einstimmig die Nichtanerkennung der Beschwerdeführerin als Partei für die Landtagswahl am 8. Mai 2022 fest. Der Landeswahlleiter teilte der Beschwerdeführerin diese Entscheidung in einer E-Mail vom selben Tag unter Hinweis auf die Möglichkeit der Beschwerde zum Landesverfassungsgericht mit. Beifügt war der die Beschwerdeführerin betreffende Teil der Niederschrift über die Sitzung des Landeswahlausschusses mit der Begründung für diese Entscheidung.

7

Danach seien die sachlichen Voraussetzungen der Beteiligungsanzeige der Vereinigung nicht erfüllt. Die Aktivitäten der Beschwerdeführerin erfüllten nicht die Voraussetzungen, die nach § 2 Abs. 1 des Parteiengesetzes an eine Partei zu stellen seien. Die Beschwerdeführerin weise keine konkrete Struktur auf, die ihr eine Einflussnahme auf die politische Willensbildung des Volkes bzw. eine Wahlkampfführung ermöglichen würde. Sie sei angesichts der geringen Zahl an Mitgliedern, deren Wohnsitz fast ausnahmslos in einem sehr begrenzten räumlichen Umfeld liege, und angesichts des Organisationsgrades, der seit der Gründung keinen Ausbau erfahren habe, außerstande, auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen. Auch das Hervortreten der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit biete bisher keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit ihrer politischen Zielsetzung. Angesichts der geringen Zahl an Mitgliedern sei nicht gewährleistet, dass die Beschwerdeführerin eine politische Vereinigung mit einer nachhaltigen Zielsetzung und einer entsprechenden Lebensdauer sei. Ein hinreichend dauerhafter Bestand der Vereinigung – auch unter Berücksichtigung der erst vor kurzem erfolgten Gründung – sei ebenso wenig zu erwarten wie eine Unabhängigkeit der Vereinigung von einem Mitgliederwechsel.

II.

8

1. Die Beschwerdeführerin hat am 28. Februar 2022 beim Landesverfassungsgericht „Widerspruch gegen die Versagung der Parteianerkennung“ erhoben.

9

Sie trägt vor, dass die Gründungsmitglieder schon vor der Gründung der Beschwerdeführerin politisch engagiert gewesen und somit alle Mitglieder in der Parteiarbeit erfahren seien. Die Beschwerdeführerin könne daher jederzeit die ihr nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG zugedachten Aufgaben erfüllen. Sie habe am 20. Januar 2022 aus 16 Mitgliedern bestanden, von denen 13 ihren ersten Wohnsitz im Bundesland Schleswig-Holstein und drei im Bundesland Baden-Württemberg hätten. An diesem Tag seien drei Direktkandidaten für die Wahlkreise 03 Flensburg, 26 Segeberg-Ost und 27 Norderstedt sowie elf Kandidaten für die Landesliste gewählt worden.

10

Die vom Landeswahlausschuss für ihre Nichtanerkennung als Partei für die Landtagswahl geltend gemachten Gründe seien insgesamt nicht tragfähig: Der Landeswahlausschuss habe zu den Landtagswahlen 2017 und 2022 unter anderem die Satire-Partei die PARTEI zugelassen, die in ihr Parteiprogramm teilweise absurde Ziele aufgenommen habe. Im Vergleich hierzu könne der Beschwerdeführerin nicht mangelnde Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung vorgeworfen werden. Die Beschwerdeführerin betreibe ihren Wahlkampf zudem mit einer hierfür erforderlichen Struktur. Einige ihrer Mitglieder setzten alle ihnen verfügbare Zeit und eigene Finanzen für den Aufbau der Partei ein. Allein in den vergangenen acht Wochen habe die Beschwerdeführerin 25 unterschiedliche Wahlkampfveranstaltungen durchgeführt und habe im selben Zeitraum einen Bekanntheitsgrad bei etwa 100.000 Personen in Schleswig-Holstein erreicht. Die Vorsitzende der Beschwerdeführerin verfüge über eine 25-jährige Berufserfahrung im Bereich Marketing und dem erfolgreichen Aufbau und der effizienten Gestaltung von Unternehmensprozessen. Darüber hinaus schreibe eine Studentin der Technischen Hochschule Lübeck ihre Projektarbeit über die Neugründung und den Aufbau der Beschwerdeführerin.

11

Eine kleine Anzahl an Mitgliedern und ein begrenztes räumliches Umfeld der Residenzen sprächen nicht gegen die stabile Struktur einer Partei. Anders als in großen Organisationsstrukturen bestehe ein nur geringes Risiko, dass die Partei untergraben werden könne. Die Beschwerdeführerin verfüge jedenfalls über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl von Parteimitgliedern. Es entspreche ihren politischen Zielen, schlanke Organisationsstrukturen im Bereich der öffentlichen Verwaltung, ein sogenanntes „lean government“, zu erreichen. Dementsprechend werde der Abstimmungs- und Verwaltungsaufwand in der Partei so gering wie möglich gehalten. Dazu zähle auch, dass derzeit keine weiteren Mitglieder aufgenommen würden. Durch die klein gehaltene Organisationsstruktur sei die Beschwerdeführerin in der Lage, auf jede Änderung im Außen sehr schnell zu reagieren und deshalb jeder großen Partei-Organisationsstruktur deutlich überlegen.

12

Darüber hinaus verweist die Beschwerdeführerin auf eine mit der Beschwerdeschrift übersandte Aufstellung über „Marketingmaßnahmen“, in der sie die Reichweite ihrer Website mit 1.836 Lesern angibt. Außerdem nimmt sie u. a. auf Meldungen des NDR und des Livetickers der Lübecker Nachrichten vom 25. Februar 2022 über die Nichtzulassung der Partei freiheitsbewegung durch den Landeswahlausschuss Bezug; hieraus ergebe sich eine Reichweite von 63.800 bzw. 19.000 Personen. Daneben beruhe ihr Bekanntheitsgrad im Wesentlichen auf online verbreiteten Meldungen und die Teilnahme an Demonstrationen und sogenannten „Spaziergängen“.

13

2. Der Landeswahlleiter hält den Antrag der Beschwerdeführerin in seiner Stellungnahme vom 3. März 2022 für zulässig, aber nicht begründet. Zur Begründung nimmt er auf die in der Sitzung vom 25. Februar 2022 dargelegten Gründe Bezug. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 PartG lägen hinsichtlich der Beschwerdeführerin auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags in der Antragsschrift nicht vor.

14

Sie könne für sich nichts daraus herleiten, dass der Landeswahlausschuss die Vereinigung die PARTEI als Partei zur Landtagswahl zugelassen habe. Die von § 2 Abs. 1 PartG vorausgesetzte Ernsthaftigkeit der Zielsetzung einer Vereinigung, die als Partei anerkannt werden wolle, beziehe sich auf die Mitwirkung an der politischen Willensbildung auf parlamentarischer Ebene, nicht jedoch auf die im Parteiprogramm zum Ausdruck kommende politische Zielsetzung. Einem Parteiprogramm komme allenfalls insoweit Bedeutung zu, als daraus Rückschlüsse auf einen solchen Mitwirkungswillen gezogen werden könnten. Eine Inhaltskontrolle von Parteiprogrammen sei weder von § 2 Abs. 1 PartG vorgesehen noch mit der verfassungsrechtlich gebotenen staatsfernen Vorbereitung und Durchführung von Wahlen und der hierzu normierten unabhängigen Stellung der Wahlorgane und deren Verpflichtung zur strikten parteipolitischen Neutralität vereinbar.

15

Ob und inwieweit Mitglieder der freiheitsbewegung vor deren Gründung parteipolitisch aktiv gewesen seien, spiele für die Bewertung des Sachverhaltes keine Rolle. Für die Frage der Parteieigenschaft sei nicht einmal von Bedeutung, ob ihre Mitglieder in der Vergangenheit überhaupt politisch interessiert gewesen seien, so dass es auf frühere „politische Karrieren“ nicht ankomme. Im Fokus der rechtlichen Bewertung stehe ausschließlich die politische Vereinigung, um deren Anerkennung als Partei es gehe.

16

Die von der Beschwerdeführerin aufgelisteten „Marketingmaßnahmen“ gäben keinen Aufschluss über den Umfang ihrer politischen Aktivitäten mit Außenwirkung. Der zahlenmäßig weit überwiegende Teil ihrer angeblichen Außenwirkung liege in der Berichterstattung der Medien nach der Sitzung des Landeswahlausschusses. Hierzu habe die Beschwerdeführerin als bloßes Objekt der Berichterstattung nichts beigetragen. Ihre Teilnahme an Demonstrationen, „Spaziergängen“ u. ä. sei nicht Ausdruck aktiver Gestaltung im Sinne von § 2 Abs. 1 PartG. Soweit sich die Beschwerdeführerin überhaupt aus der Masse solcher Demonstrationen hervorgehoben habe, wozu nichts vorgetragen sei, sei dies nur als Nebeneffekt zu bewerten. Es existierten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin etwa als Mitveranstalterin in Erscheinung getreten wäre. Schließlich gebe auch das im Rahmen eines Studienganges an der Technischen Hochschule Lübeck genehmigte Projekt, das ganz allgemein formuliert sei und keinen zwingenden Bezug zur Etablierung einer bestimmten politischen Vereinigung habe, nichts her.

B.

17

Der als Beschwerde gegen die Nichtanerkennung als Partei für die Landtagswahl am 8. Mai 2022 zu wertende „Widerspruch gegen die Versagung der Parteianerkennung“ der Beschwerdeführerin ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beschwerdeführerin, die nicht mit mindestens einer oder einem für sie in Schleswig-Holstein gewählten Abgeordneten im Bundestag oder im Landtag vertreten ist, ist nicht gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 des Wahlgesetzes für den Landtag von Schleswig-Holstein (Landeswahlgesetz – LWahlG) in der Fassung vom 7. Oktober 1991 (GVOBl. S. 442, ber. 637), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22. April 2021 (GVOBl. S. 430), als vorschlagsberechtigte Partei für die Wahl zum 20. Landtag von Schleswig-Holstein anzuerkennen.

I.

18

Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.

19

Durch diese Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz – PartG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1994 (BGBl. I S. 149), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436), hat der Gesetzgeber den Parteienbegriff des Art. 21 Abs. 1 GG in verfassungsmäßiger Weise konkretisiert. Dieselbe Definition findet auch im Geltungsbereich der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (Landesverfassung – LV) und des Landeswahlgesetzes Anwendung

(vgl. Beschluss vom 15. März 2017 - LVerfG 2/17 -, LVerfGE 28, 458 ff. = SchlHA 2017, 135 ff., Juris Rn. 31 f.; Urteil vom 13. September 2013 - LVerfG 9/12 -, LVerfGE 24, 467 ff. = SchlHA 2013, 396 ff. = NordÖR 2013, 461 ff., Juris Rn. 41, 73).

20

Entscheidend ist demnach, ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einer Vereinigung den Schluss zulässt, dass diese die erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt. Wegen der den Parteien um der Offenheit des politischen Prozesses willen verfassungsrechtlich verbürgten Gründungsfreiheit ist bei politischen Vereinigungen, die am Beginn ihres Wirkens als Parteien stehen, zu berücksichtigen, dass der Aufbau einer Organisation, die sie zur Wahrnehmung ihrer Funktionen befähigt, eine gewisse Zeit erfordert. Parteien müssen aber auch in der Gründungsphase mindestens ansatzweise in der Lage sein, die ihnen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zugedachten Aufgaben zu erfüllen. Während es in der Phase des Beginns mehr auf den sich in der Gründung als Partei artikulierenden Willen zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung ankommen mag, muss sich mit fortschreitender Dauer des Bestehens der politischen Vereinigung die Ernsthaftigkeit einer solchen Zielsetzung auch anhand objektiver Kriterien, die ihre Fähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben einer Partei erkennen lassen, bestätigen. Allein der Wille „Partei“ zu sein, ist nicht ausreichend. Durch die bei der Zulassung zur Wahl zu stellenden Anforderungen soll gewährleistet werden, dass sich nur ernsthafte politische Vereinigungen und keine Zufallsbildungen von kurzer Lebensdauer um Wählerinnen und Wähler bewerben

(vgl. Beschluss vom 15. März 2017 - LVerfG 2/17 - a. a. O. Juris Rn. 34 ff.; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 22. Juli 2021 - 2 BvC 7/21 -, Rn. 20 m. w. N.).

II.

21

Gemessen an diesen Maßstäben erfüllt die Beschwerdeführerin nach einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse gegenwärtig nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Partei. Selbst unter Berücksichtigung der besonderen Situation von Parteien in der Gründungsphase kann von der Ernsthaftigkeit einer Zielsetzung, auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen und an der Vertretung des Volkes im Schleswig-Holsteinischen Landtag mitzuwirken, gegenwärtig nicht ausgegangen werden. Angesichts der Zahl ihrer Mitglieder (hierzu 1.) sowie ihres Organisationsgrades (hierzu 2.) ist sie derzeit außerstande, auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen. Auch ihr Hervortreten in der Öffentlichkeit (hierzu 3.) bietet bisher keine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit einer solchen Zielsetzung.

22

1. Die Mitgliederzahl fließt als ein regelmäßig mit großem Gewicht versehener Faktor in die erforderliche Gesamtbeurteilung der Ernsthaftigkeit einer Zielsetzung, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, ein. Bei einer Partei in der Gründungsphase, wie es bei der Beschwerdeführerin der Fall ist, muss insoweit zumindest verlangt werden, dass sie von einem Mitgliederwechsel unabhängig ist.

23

Bei nur 16 Mitgliedern, von denen lediglich 13 ihren Wohnsitz in Schleswig-Holstein, und von diesen wiederum allein zehn ihren Wohnsitz am Sitz der Beschwerdeführerin in Bad Segeberg (vgl. § 8 Abs. 2 ihrer Satzung) haben, liegt es auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin schon beim Austritt einzelner Mitglieder in ihrem Bestand gefährdet wäre. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin ausdrücklich keine Erweiterung ihres Mitgliederbestandes anstrebt, sondern im Gegenteil vorträgt, „dass derzeit keine weiteren Mitglieder aufgenommen werden, [da] dies lediglich den Verwaltungsaufwand erhöhen und damit einem effizienten Einsatz der derzeitigen Ressourcen und [ihren] eigenen Aussagen im Politikprogramm widersprechen“ würde. Diese Haltung verstößt zudem gegen § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG, wonach allgemeine, auch befristete Aufnahmesperren in eine Partei nicht zulässig sind.

24

2. Die Beschwerdeführerin verfügt außerdem nicht über eine ausreichend umfängliche und gefestigte Organisation. Selbst wenn man berücksichtigt, dass an einen Organisationsausbau seit ihrer Gründung am 7. Januar 2022 angesichts der kurzen Zeit keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden können, lässt ihre gegenwärtige Struktur nicht erwarten, dass sie eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit bietet, auf die politische Willensbildung Einfluss zu nehmen und einen aussichtsreichen Wahlkampf zu führen, um an der Vertretung des Volkes im Landtag mitzuwirken. Nach ihrer Gründungssatzung strebt die Beschwerdeführerin neben ihrem dort festgeschriebenen Status als Bundespartei die Gründung von Landesverbänden an. In deutlichem Widerspruch hierzu steht, dass sie derzeit lediglich über 13 Mitglieder in Schleswig-Holstein und drei Mitglieder in Baden-Württemberg verfügt und gegenwärtig keine weiteren Mitglieder aufnimmt.

25

Ohne Relevanz ist außerdem, dass einem Mitglied der Beschwerdeführerin nach deren Angaben ein Projektstudium an der Technischen Hochschule Lübeck bewilligt wurde, welches die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse unter anderem bezüglich der Neugründung einer Partei und des Aufbaus einer Homepage zum Gegenstand habe. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, dass die Ergebnisse eines solchen Projektstudiums überhaupt, insbesondere aber noch vor der bevorstehenden Landtagswahl, veröffentlicht werden sollen. Das Projekt kann daher derzeit nicht zur Stärkung der Struktur der Beschwerdeführerin beitragen.

26

3. Darüber hinaus ist die Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit bisher nahezu nicht hervorgetreten. Sie verfügt über eine Internetseite mit einer Reichweite von 1.836 Lesern und hat nach eigenen Angaben an zwei Online-Umfragen zur Steigerung ihres Bekanntheitsgrades teilgenommen, womit sie eine zusätzliche Reichweite von 1.227 Personen erlangt haben will. Die weiteren von ihr dargelegten Maßnahmen, um einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu werden, beziehen sich, sofern sie eine relevante Reichweite aufweisen, auf die Teilnahme an öffentlichen Demonstrationen bzw. „Spaziergängen“, die naturgemäß nur einen engen räumlichen Aufmerksamkeitsgrad nach sich ziehen. Dass die Beschwerdeführerin solche Demonstrationen überhaupt aktiv mitgestaltet hätte, etwa indem sie als deren Mitveranstalterin in Erscheinung getreten wäre, hat sie nicht vorgetragen. Auf ihrer Homepage (Stand: 11. März 2022) gibt die Beschwerdeführerin in der Rubrik „Termine“ keine Wahlkampfveranstaltungen oder sonstigen Termine, die der Steigerung ihres Bekanntheitsgrades dienten, sondern lediglich die Daten der Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an, was für eine völlige Inaktivität spricht.

27

Daneben ist es unerheblich, dass am 25. Februar 2022 im Liveticker der Lübecker Nachrichten und in einer Meldung des NDR über die Entscheidung des Landeswahlausschusses über die Nichtanerkennung der Beschwerdeführerin als Partei berichtet worden ist und diese Meldung nach Angaben der Beschwerdeführerin 63.800 (NDR) bzw. 19.000 Personen (Lübecker Nachrichten) erreicht haben soll. Damit ist die Beschwerdeführerin nicht selbst aktiv in die Öffentlichkeit getreten. Außerdem hat sie nicht dargelegt, dass die Bekanntgabe der Entscheidung des Landeswahlausschusses über ihre Nichtanerkennung als Partei am 25. Februar 2022 ihre Bekanntheit als politische Vereinigung in besonderer Weise gesteigert hätte, etwa indem sie einen hierdurch bedingten Mitgliederzuwachs, eine Zunahme an Unterstützerunterschriften für Wahlvorschläge oder eine sonstige Zuwendung von ihr bislang unbekannten Wahlberechtigten verzeichnet hätte.

28

Gegen eine für eine Partei wesentliche Außenwirkung spricht zudem, dass die Beschwerdeführerin derzeit offenbar nicht dazu in der Lage ist, Wahlvorschläge für die Wahl zum Schleswig-Holsteinischen Landtag am 8. Mai 2022 einzureichen. Wahlvorschläge für die Wahlkreise (Kreiswahlvorschläge) müssen gemäß § 26 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 LWahlG von mindestens 100 Wahlberechtigten, solche für den Verhältnisausgleich (Landeslisten) gemäß § 26 Abs. 4 Satz 4 Nr. 2 LWahlG von mindestens 1.000 Wahlberechtigten persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Sie müssen nach § 25 LWahlG spätestens am 55. Tag vor der Wahl schriftlich eingereicht werden. Obwohl für die anstehende Landtagswahl gemäß § 35a Abs. 8 LWahlG geringere Anforderungen an die Zahl der erforderlichen Unterschriften von Unterstützern gestellt werden, verdeutlicht der Aufruf auf der Homepage der Beschwerdeführerin, dass sie auch von der Erreichung dieses Ziels hinsichtlich aller Wahlvorschläge offenbar noch entfernt ist.

C.

29

Das Landesverfassungsgericht hat von der Durchführung einer mündlichen Anhörung abgesehen, da von ihr keine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten ist (§ 52 Abs. 2 LVerfGG).

30

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Ein Antrag auf Erstattung von Auslagen wurde nicht gestellt (§ 33 Abs. 4 LVerfGG).

31

Der Beschluss ist einstimmig ergangen.


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