Beschluss vom Oberlandesgericht Oldenburg (1. Strafsenat) - 1 Ws 548/09

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 14. September 2009,

durch den die dem Verurteilten durch Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 18. Juli 2006 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung der verhängten Freiheitsstrafe von 8 Monaten widerrufen worden ist,

aufgehoben.

Die genannte Strafaussetzung zur Bewährung bleibt mit der Maßgabe bestehen, dass die Bewährungszeit um 1 Jahr verlängert wird.

Sie endet nun am 25. Juli 2011.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Verurteilten auferlegt, jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt; in diesem Umfang trägt die Staatskasse im Beschwerdeverfahren entstandene notwendige Auslagen des Verurteilten.

2. Der im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag des Verurteilten, ihm Rechtsanwalt … zum Verteidiger zu bestellen, wird abgelehnt.

Gründe

1

Zu 1.:

2

Der Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 18. Juli 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde zunächst auf 3 Jahre festgesetzt. Mit Beschluss des Landegerichts Oldenburg vom 31. März 2008 wurde die Bewährungszeit um 1 Jahr auf insgesamt 4 Jahre verlängert, da der Verurteilte innerhalb dieser durch das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 23. Januar 2008 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wurde.

3

Nunmehr ist der Verurteilte durch das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst erneut wegen eines in der Bewährungszeit begangenen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die zum Schuldspruch führenden Feststellungen beruhen u. a. auf der vom Tatrichter als glaubhaft angesehene geständigen Einlassung des Verurteilten. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 22. Juli 2009 als unbegründet verworfen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil über die hiergegen vom Angeklagten eingelegte Revision noch nicht entschieden worden ist. Ausweislich der Urteilsgründe hat der Verurteilte die Tat auch in der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht in vollem Umfang durch seinen Verteidiger einräumen lassen und dessen Erklärung ausdrücklich bestätigt.

4

Mit Beschluss vom 14. September 2009 hat das Landgericht daraufhin die dem Verurteilten im Urteil vom 18. Juli 2006 gewährte Strafaussetzung widerrufen.

5

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, in der der Verurteilte sein zur Nachverurteilung führendes Geständnis vor dem Amts- und Landgericht widerruft. Ferner beantragt er, ihm für das Verfahren Rechtsanwalt …, zum Verteidiger zu bestellen sowie die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen.

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Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

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Das Landgericht war an der Widerrufsentscheidung noch deshalb gehindert, weil die zur Begründung hierfür angeführte Nachverurteilung vom 22. Juli 2009 bislang nicht rechtkräftig ist. Grundsätzlich ist ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftaten nur nach deren rechtskräftiger Aburteilung zulässig, weil erst dann die Begehung der neuen Straftat feststeht. Bei Vorliegen eines glaubhaften Geständnisses wird als Ausnahme ein Widerruf gleichfalls für zulässig erachtet, vgl. BVerfG, NJW 2005, 817, Fischer, StGB, 56. Aufl., § 56f Rn. 7 m. w. N. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Verurteilte das Geständnis zwischenzeitlich widerrufen hat und dieses im Verfahren noch Berücksichtigung finden kann, vgl. OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2005, 8,9.

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Vorliegend hat der Verurteilte die Tat zwar sowohl vor dem Amtsgericht als auch in der Berufungsinstanz glaubhaft eingeräumt. Er hat jedoch die Berufung nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, so dass die u. a. aufgrund seines Geständnisses erfolgte Schuldfeststellungen nicht in Rechtskraft erwachsen sind und im Falle einer erfolgreichen Revision ein wegen des Geständniswiderrufs ein nachfolgender Freispruch nicht vollends ausgeschlossen werden kann.

9

Soweit das Landgericht in seiner angefochten Entscheidung den Widerruf auf eine weitere Nachverurteilung, nämlich den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Delmenhorst vom 3. November 2008, gestützt hat, reicht dieses allein nicht aus, führt jedoch zu einer Verlängerung der Bewährungszeit um 1 Jahr.

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Zwar liegen insoweit die Voraussetzungen eines Bewährungswiderrufs wegen neuer Straffälligkeit gemäß § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB vor. Insoweit kommt dem Umstand aber ganz wesentliche Bedeutung zu, dass die letzte geahndete Straftat ein vergleichsweise so geringes Gewicht besitzt, dass das Amtsgericht Delmenhorst gegen den Verurteilten wegen des vom Verurteilten gemeinschaftlich begangenen Diebstahls nur eine geringe Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verhängt hat.

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Angesichts dessen hält der Senat die Vollstreckung der im Urteil vom 18. Juli 2006 verhängten Freiheitsstrafe von 8 Monaten für noch nicht geboten, sondern die angeordnete Verlängerung der Bewährungszeit von 1 Jahr für ausreichend. Diese endet nunmehr am 25. Juli 2011.

12

Für die auch beantragte Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung gemäß § 307 Abs. 2 StPO besteht kein Bedarf, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 449, Rn. 1.

13

Die Kostenentscheidung entspricht § 473 Abs. 4 StPO.

14

Zu 2.:

15

Die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung wegen notwendiger Verteidigung entsprechend § 140 StPO sind nicht gegeben. Die Sach- und Rechtslage der vorliegenden Bewährungssache ist nicht schwierig; auch ist keine Beeinträchtigung der Fähigkeit des Verurteilten ersichtlich, insoweit seine Rechte selbst wahrzunehmen

 


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