Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (13. Zivilsenat) - 13 W 32/09

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin wird der Streitwertbeschluss der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 16. März 2009 abgeändert.

Der Gegenstandswert für das Verfahren auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 1 ZPO gemäß Antrag vom 6. März 2009 wird auf bis zu 19.000 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin hat beantragt, gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen ein tituliertes Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld festzusetzen. Zwischenzeitlich hat die Gläubigerin den Antrag wieder zurückgenommen. Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin hat das Landgericht den Gegenstandswert für das Verfahren auf 7.500 € festgesetzt. Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

2

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG i. V. m. § 32 Abs. 2 RVG aus eigenem Recht statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts hat in der Sache Erfolg.

3

Im erstinstanzlichen Verfahren betreffend die Festsetzung von Ordnungsgeld nach § 890 Abs. 1 ZPO fällt keine wertabhängige Gerichtsgebühr an, sondern eine Festgebühr von 15 € (GKG KV Nr. 2111). An einer speziellen Vorschrift bezüglich der Festsetzung des Streitwertes fehlt es demgemäß. Gemäß § 33 Abs. 1 RVG ist daher der Gegenstandswert durch Beschluss selbstständig festzusetzen. Dieser Wert der anwaltlichen Tätigkeit bestimmt sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 6. Aufl., § 890 Rdn. 21; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rdn. 16 „Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung“). Maßgeblich ist danach der Wert, den die zu erwirkende Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Dieser Wert muss geschätzt werden. Er richtet sich entgegen der Auffassung des Landgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss vom 3. April 2009 nicht nach der Höhe des beantragten oder festgesetzten bzw. festzusetzenden Zwangsgeldes (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19. April 2007 - 2 W 39/07, OLGR Celle 2007, 876, zitiert nach juris, Tz. 13; OLG Köln, Beschluss vom 24. März 2005 - 25 WF 45/05, OLGR Köln 2005, 259, zitiert nach juris, Tz. 5 - jeweils zu § 888 ZPO - ; LAG Hamm, Beschluss vom 5. Oktober 2007 - 10 Ta 245/07, zitiert nach juris, Tz. 28; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., § 25 Rdn. 13; AnwK-RVG/Wolf, 3. Aufl., § 25 Rdn. 18; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., 49. Kap. Rdn. 40; Harte/Henning/Retzer, UWG, § 12 Rdn. 885; anders offenbar OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. September 2003 - 25 W 54/03, OLGR Frankfurt 2004, 121, zitiert nach juris, Tz. 8).

4

Wie das Interesse des Gläubigers an der Vornahme der Duldung oder Unterlassung. zu bewerten ist, ist streitig. Während nach der einen Auffassung das Interesse des Gläubigers in der Regel dem der Hauptsache entspricht (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., § 25 Rdn. 13; AnwK-RVG/Wolf, a. a. O., § 25 Rdn. 17; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rdn. 115; zu § 888 ZPO: OLG Köln, Beschluss vom 24. März 2005 - 25 WF 45/05, OLGR Köln 2005, 259, zitiert nach juris, Tz. 6 sowie OLG Celle, Beschluss vom 13. August 2007 - 2 W 71/07, OLGR Celle 2008, 91), soll nach anderer Ansicht im Regelfall nur ein Bruchteil des Wertes der Hauptsache anzusetzen sein, wobei überwiegend eine Spanne von 1/5 bis 1/3 vertreten wird (vgl. Ahrens/Berneke, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 40 Rdn. 62; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. November 1991 - 4 W 72/91, WRP 1992, 198 (1/5 - 1/3); Hanseatisches OLG Hamburg, Beschlüsse vom 30. Juni 1993 - 3 W 110/93, WRP 1994, 42 (1/5) und 11. Mai 1982 - 3 W 53/82, WRP 1982, 592 (1/5); OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Dezember 1981 - 2 W 48/81, WRP 1982, 432, 433 (1/10 aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles); einen Überblick über die OLG-Rspr. bietet Harte/Henning/Retzer, a. a. O., § 12 Rdn. 887 f.). Nach wiederum anderer Auffassung soll sich jede schematische Betrachtung verbieten. Maßgeblich sollen vielmehr allein die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sein, insbesondere die Schwere des Verstoßes, die Gefahr weiterer Wiederholungen sowie der Grad des Verschuldens des Schuldners (vgl. Teplitzky, a. a. O.; Zöller/Herget, a. a. O., § 3 Rdn. 16 „Ordnungs- und Zwangsmittelfestsetzung“; Schuschke/Walker/Sturhahn, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 890 Rdn. 60).

5

Der Senat hält die Auffassung für zutreffend, wonach im Regelfall von einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache auszugehen ist, sich dieser Bruchteilswert nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles allerdings erhöhen oder erniedrigen kann. Liegen derartige besondere Umstände nicht vor, erachtet der Senat ein Drittel des Wertes der Hauptsache als angemessen.

6

Soweit nach der oben dargestellten, teilweise vertretenen Auffassung sich jede schematische Betrachtung verbieten soll und maßgeblich vielmehr allein die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sein sollen, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Bei dieser Auffassung bleibt nach Einschätzung des Senats unklar, wie der Gegenstandswert im Einzelfall tatsächlich berechnet werden soll (so wohl selbst Zöller/Herget, a. a. O.). Die diesbezüglich aufgeführten Bewertungskriterien lassen eher vermuten, dass unter deren Zugrundelegung im Ergebnis doch eine Orientierung an der Höhe des beantragten oder festgesetzten bzw. festzusetzenden Zwangsgeldes erfolgen würde, was jedoch, wie oben ausgeführt, fast allgemein - und insbesondere auch von den Vertretern dieser Auffassung - abgelehnt wird.

7

Auch soweit nach der weiteren Auffassung der Wert des Erfüllungsinteresses dem der Hauptsache entsprechen soll, folgt der Senat dem für den Anwendungsbereich des § 890 Abs. 1 ZPO nicht. Im Fall des § 888 Abs. 1 ZPO geht es dem Gläubiger mit dem Zwangsgeldantrag darum, zu erreichen, dass der Schuldner die titulierte Handlung vornimmt. Dies rechtfertigt es, das Interesse des Gläubigers an der Festsetzung des Zwangsgeldes mit seinem Erfüllungsinteresse gleichzusetzen. Im Anwendungsbereich des § 890 Abs. 1 ZPO zielt der Zwangsgeldantrag des Gläubigers zwar ebenfalls darauf ab, den Schuldner zur Erfüllung des Titels anzuhalten, nämlich sich zukünftig an das titulierte Unterlassungsgebot zu halten. Der Unterlassungsanspruch unterscheidet sich aber von dem auf ein positives Tun gerichteten Anspruch dadurch, dass er nicht durch einen einmaligen Akt endgültig erfüllt werden kann, sondern auf einen Dauerzustand zielt, während dessen die verbotene Handlung nicht vorgenommen wird. Dementsprechend kann hier das konkrete Vollstreckungsverfahren niemals dazu führen, dass der Anspruch endgültig erfüllt ist. Indem ein in der Vergangenheit liegender Verstoß geahndet wird, kann nur - ohne Erfolgsgarantie - darauf hingewirkt werden, dass ein solcher Verstoß in Zukunft unterbleibt. Dementsprechend kann auch der Streitwert für das konkrete Vollstreckungsverfahren regelmäßig nur einen Bruchteil des Hauptsachestreitwerts ausmachen. Diesen veranschlagt der Senat im Regelfall mit einem Drittel des Wertes der Hauptsache.

8

Das Landgericht hat den Wert für das einstweilige Verfügungsverfahren auf 50.000 € festgesetzt. Dies erscheint dem Senat als sachgerecht. Im vorliegenden - durchschnittlich gelagerten - Fall ist demgemäß der Wert für das erstinstanzliche Verfahren nach § 890 Abs. 1 ZPO auf bis zu 19.000 € festzusetzen.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

 


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