Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-6 U 38/98
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuld-ner verurteilt, 3.500 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit 21. Februar 1995 an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte zu 2) wird darüber hinaus verurteilt, weitere 115.754 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit 21. Februar 1995 an den Kläger zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) aus beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.
Im übrigen trägt der Kläger von den Kosten des Rechts-streits in erster Instanz die Gerichtskosten sowie seine eigenen außergerichtlichen Kosten und die außergericht-lichen Kosten des Beklagten zu 2) zu 2/3, der Beklagte zu 2) trägt von den Gerichtskosten sowie seinen eigenen außergerichtlichen Kosten und den außergerichtlichen
Kosten des Klägers 1/3.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte zu 2) die Gerichtskosten sowie ihre ei-genen außergerichtlichen Kosten und die außergerichtli-chen Kosten der jeweils anderen Partei zu 1/2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten zu 2) bleibt nachgelassen, die Zwangsvoll-streckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 153.000 DM abzuwenden, es sei denn, der Kläger leis-tet zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe.
Der Beklagten zu 3) bleibt nachgelassen, die Zwangsvoll-streckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.100 DM abzuwenden, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.700 DM abzuwenden, es sei denn, der Beklagte zu 1) leistet zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe.
Die Vollstreckung der Beklagten zu 3) kann der Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 19.100 DM abwen-den, es sei denn, die Beklagte zu 3) leistet zuvor
Sicherheit in entsprechender Höhe.
Schließlich bleibt dem Kläger nachgelassen, die Zwangs-vollstreckung des Beklagten zu 2) gegen Sicherheitsleis-tung in Höhe von 9.600 DM abzuwenden, es sei denn, der Beklagte zu 2) leistet zuvor Sicherheit in entsprechen-der Höhe.
Die Sicherheitsleistungen können auch durch Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinsti-tuts erbracht werden.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist gemäß Eröffnungsbeschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 1994 Konkursverwalter über das Vermögen der Firma S. GmbH. Der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens datiert vom 20. Dezember 1993. Die Beklagten zu 1) und 2) sind Gesellschafter der Gemeinschuldnerin und waren auch deren Geschäftsführer. Der Beklagte zu 1) hat sein diesbezügliches Amt allerdings am 25. Oktober 1993 aus Altersgründen niedergelegt und seine Anteile an der Gemeinschuldnerin auf den Beklagten zu 2) übertragen. In einer Gesellschafterversammlung vom selben Tage wurde ihm bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Entlastung erteilt.
3Nach erstmals in der Berufungsinstanz bestrittener Darstellung des Klägers bestand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) seit 1981 ein Organschaftsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 2 UStG. Dabei war die Gemeinschuldnerin die Organgesellschaft und die Beklagte zu 3) die Organträgerin, die sämtliche Umsatzsteuererklärungen für die Gemeinschuldnerin abgab. Die Gemeinschuldnerin befaßte sich auf einem von der Beklagten zu 3) gemieteten bzw. gepachteten Grundstück, das diese ihrerseits vom Beklagten zu 1) und seiner Ehefrau, handelnd als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, gemietet hatte, unter Einsatz von Maschinen und Betriebsvorrichtungen, die im Eigentum der Beklagten zu 3) standen, mit der Herstellung und dem Vertrieb von elektrischen Anlagen. Als reine Besitzgesellschaft machte die Beklagte zu 3) so gut wie keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze, sondern ihr wesentliches Einkommen resultierte aus dem Miet- und Pachtvertrag und blieb wegen des praktizierten Organschaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei.
4Zum 31. Januar 1992 wies die Bilanz der Gemeinschuldnerin aufgrund eines negativen Betriebsergebnisses in Höhe von 1.452.161,99 DM einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 85.700,42 DM aus. Im nachfolgenden Geschäftsjahr ergab sich ein Gesamtbilanzverlust von 2.022.054 DM, der zu einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.272.054 DM führte.
5Mit Wertstellung vom 17. Dezember 1993 zahlte die Gemeinschuldnerin durch einen am 10. Dezember 1993 vom Beklagten zu 2) ausgestellten Scheck an Umsatzsteuervorauszahlung für Oktober 1993 119.254 DM an das Finanzamt. Diesen Betrag verlangt der Kläger mit der vorliegenden Klage, die am 19. Januar 1995 eingereicht und nach Zahlung der am 7. Februar 1995 eingeforderten Kosten am 17. Februar 1995 zugestellt worden ist, von den Beklagten zurück.
6Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund des Organschaftsverhältnisses sei nicht die Gemeinschuldnerin, sondern die Beklagte zu 3) zur Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet gewesen. Vor diesem Hintergrund bestehe ein Rückerstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte zu 3). Die Beklagten zu 1) und 2) - so hat der Kläger unter Hinweis auf die finanzielle Situation der Gemeinschuldnerin zum fraglichen Zeitpunkt weiter geltend gemacht - seien im übrigen nach § 64 Abs. 2 GmbHG zur Erstattung verpflichtet.
7Der Kläger hat beantragt,
8die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 119.416,38 DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung (21. Februar 1995) zu zahlen.
9Die Beklagten haben beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt, eine Haftung des Beklagten zu 1) sei schon wegen seiner vorherigen Amtsniederlegung ausgeschlossen. Im übrigen scheitere aber auch eine Haftung der Beklagten zu 2) und 3), denn abgesehen davon, daß aufgrund von § 73 AO auch die Gemeinschuldnerin selbst zur Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet gewesen sei, habe es seit Beginn der Organschaft die ständig praktizierte Vereinbarung zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) gegeben, daß die Gemeinschuldnerin als diejenige, der aus den Lieferungen und Leistungen die Umsatzsteuer tatsächlich zugeflossen sei, diese auch zahle. Da die Gemeinschuldnerin mit ihren Umsätzen auch die darauf anfallende Umsatzsteuer vereinnahmt habe, müsse diese auch für die Umsatzsteuervorauszahlungen verwendet werden, da es ansonsten zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Gemeinschuldnerin zu Lasten der Beklagten zu 3) komme. Vorsorglich hat die Beklagte zu 3) insoweit die Aufrechnung erklärt.
12Außerdem hat die Beklagte zu 3) hilfsweise die Aufrechnung mit weiteren ihr angeblich zustehenden Gegenansprüchen aus Steuererstattungen des Finanzamts an die Gemeinschuldnerin erklärt. Unstreitig hat das Finanzamt der Gemeinschuldnerin am 7. Dezember 1994 70.254,90 DM für Umsatzsteuer 12/93 und später noch 31.117,40 DM für 11/93 überwiesen. Die Beklagte zu 3) hat dazu die Auffassung vertreten, folge man der Rechtsansicht des Klägers, stünden die Beträge ihr, nicht aber der Gemeinschuldnerin zu.
13Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte zu 1) hafte nicht, da er seine Geschäftsführerstellung am 25. Oktober 1993 aufgegeben habe. Eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 2) scheitere daran, daß die Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sei. Die Beklagte zu 3) schließlich sei weder ungerechtfertigt bereichert, noch habe die Gemeinschuldnerin Aufwendungen getätigt, die sie der Beklagten zu 3) gegenüber geltend machen könne. Auch stehe dem Kläger kein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu, da es zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) eine feste Vereinbarung über die Zahlung der Umsatzsteuer gegeben habe.
14Mit seiner Berufung, die der Kläger, soweit sie den Beklagten zu 1) betraf, noch vor Antragstellung in der mündlichen Verhandlung am 14. Januar 1999 zurückgenommen hat und mit der er seinen ursprünglichen Klageantrag gegen den Beklagten zu 1) ohnehin nur noch in Höhe von 1.501 DM weiterverfolgte, macht der Kläger zunächst geltend, bei der Zahlung an das Finanzamt habe es sich um eine nach § 30 Nr. 1, Fallgruppe 2 KO und nach § 31 Nr. 1 KO anfechtbare Rechtshandlung gehandelt. Deshalb sei die Beklagte zu 3) zur Rückerstattung verpflichtet. Die Jahresfrist nach § 41 KO sei durch die Klageeinreichung am 19. Januar 1995 eingehalten.
15Weiter ist der Kläger der Ansicht, der Beklagte zu 2) hafte aus § 64 Abs. 2 GmbHG auf Schadensersatz. Die Zahlung habe nichts mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu tun, sondern habe lediglich dazu gedient, trotz Konkursreife die Beklagte zu 3) durch die Erfüllung eines ganz gewöhnlichen Aufwandserstattungsanspruchs gegenüber anderen Gläubigern zu begünstigen.
16Ergänzend weist der Kläger darauf hin, daß nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten zumindest in Höhe von 3.500 DM eine Zahlungsverpflichtung bestehe, da die Zahlung der Gemeinschuldnerin insoweit der Tilgung einer eigenen Umsatzsteuerschuld der Beklagten zu 3) aus von ihr selbst getätigten umsatzsteuerpflichtigen Geschäften gedient habe.
17Was die zur Aufrechnung gestellten Erstattungsansprüche anbelangt, weist der Kläger darauf hin, daß die erstatteten Umsatzsteuerguthaben nicht von der Beklagten zu 3), sondern von der Gemeinschuldnerin finanziert worden seien.
18Der Kläger beantragt,
19unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu 3) und den Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 119.254 DM nebst 4 % Zinsen seit 21. Februar 1995 zu zahlen.
20Die Beklagten beantragen,
21die Berufung zurückzuweisen.
22In ihrer Berufungserwiderung bestreiten sie nunmehr das Bestehen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3). Erneut weisen sie im übrigen darauf hin, daß die Gemeinschuldnerin ohnehin Schuldnerin und nicht nur subsidiär Haftende gewesen sei. Weiter verteidigen die Beklagten die Ausführungen des Landgerichts zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Schließlich bemängeln die Beklagten eine ausreichende Darlegung der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin zum fraglichen Zeitpunkt und bestreiten eine Kenntnis des Beklagten zu 2) von den diesbezüglich relevanten Umständen.
23Erneut berufen sich die Beklagten auf die erstinstanzlich erklärten Aufrechnungen.
24In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15. Januar 1999 stellen die Beklagten schließlich eine Überschuldung der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt der Umsatzsteuerzahlung an das Finanzamt in Abrede. Insoweit behaupten sie, trotz einer ausweislich der Bilanzen zum 31. Januar 1992 und 31. Januar 1993 bestehenden Unterkapitalisierung habe eine Überschuldung deshalb nicht vorgelegen, weil die jeweiligen Fehlbeträge durch stille Reserven und wegen ihrer Funktion als eigenkapitalersetzende Darlehen nicht zu berücksichtigende Passivposten kompensiert würden.
25Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache nur gegenüber dem Beklagten zu 2) in vollem Umfang Erfolg. Bezüglich der Beklagten zu 3) ist die Berufung dagegen überwiegend unbegründet.
28I.
29Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 2) ein Anspruch auf Zahlung von 119.254 DM aus § 64 Abs. 2 GmbHG zu. Danach ist ein Geschäftsführer seiner Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden und die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt.
30Der Beklagte zu 2) war im Dezember 1993 Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin. Mittels Scheck wurde auch eine Zahlung geleistet, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem die Gemeinschuldnerin überschuldet war. Dies ergibt sich zunächst aus dem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten. In ihrer Klageerwiderung vom 7. März 1995 haben sie auf Seite 24-26 (Bl. 119-121 GA) nicht nur selbst für Ende November/Anfang Dezember 1993 eine Krise der Gemeinschuldnerin eingeräumt, sondern auch die eine solche Beurteilung rechtfertigenden Umstände näher dargelegt. Folgerichtig wurde dann ja auch am 20. Dezember 1993 der Konkursantrag gestellt. Soweit in der Berufungsinstanz eine Zahlungsunfähigkeit in Abrede gestellt wird, übersehen die Beklagten, daß für die Anwendung des § 64 Abs. 2 GmbHG bereits eine Überschuldung ausreicht, die die Beklagten nunmehr allerdings erstmals in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15. Januar 1999 ebenfalls in Abrede stellen, indem sie geltend machen, das Zugeständnis einer Krise sei allein durch eine Kreditunwürdigkeit ausgelöst worden. Unabhängig von der Frage, ob diese Interpretation der fraglichen Ausführungen in der Klageerwiderung seitens der Beklagten unter den gegebenen Umständen noch nachvollziehbar erscheint, belegen aus Sicht des Senats jedoch auch schon die Zahlen in den Bilanzen zum 31. Januar 1992 und 31. Januar 1993 die erforderliche Überschuldung der Gemeinschuldnerin. Nach heute herrschender Meinung ist eine Überschuldung dann anzunehmen, wenn sich bei der Gegenüberstellung des Aktivvermögens und der Verbindlichkeiten ergibt, daß die Schulden das Vermögen der Gesellschaft übersteigen (rechnerische Überschuldung), und eine zusätzlich anzustellende Fortbestehensprognose zu dem Schluß kommt, daß die Gesellschaft in absehbarer Zeit zahlungsunfähig wird (BGH NJW 1995, 457 (459)). Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Bilanz der Gemeinschuldnerin zum 31. Januar 1993 wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von 1.272.053,18 DM aus, dokumentiert also, daß die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin deren Aktivvermögen deutlich überstiegen. Entgegen der Ansicht der Beklagten wurde dieser Fehlbetrag im Hinblick auf die Frage der Überschuldung auch nicht etwa durch stille Reserven bzw. den Wegfall auf der Passivseite ausgewiesener Verbindlichkeiten kompensiert, selbst wenn zugunsten der Beklagten von der Richtigkeit der von ihnen insoweit behaupteten Werte ausgegangen wird. Unter Einbeziehung von stillen Reserven in einer Größenordnung von 650.000 DM verbleibt immer noch eine Unterdeckung von rund 600.000 DM. An der also danach verbleibenden Überschuldung ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil den auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen und den stehengelassenen Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen möglicherweise Kapitalersatzfunktion zukam. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, folgt daraus zwar, daß die darin liegenden Kredite im Konkurs wie Eigenkapital zu behandeln sind, doch müssen sie anders als Stammkapital nach weit verbreiteter Auffassung, der sich der Senat anschließt, in einer Überschuldungsbilanz gleichwohl passiviert werden (OLG Hamburg, WM 86, 1110 (1112); Scholz/ Karsten Schmidt, GmbH-Gesetz, 8. Aufl. 1995, § 63 Anm. 27 m.w.Nachw.). Damit soll sichergestellt werden, daß die Frage, ob eine Gesellschafterleistung kapitalersetzend ist oder nicht, im Interesse des Gläubigerschutzes nicht allein der Beurteilung des Geschäftsführers der Gesellschaft unterliegt. Dementsprechend entfällt eine Passivierungspflicht bei kapitalersetzenden Gesellschafterleistungen erst dann, wenn die Gesellschaft und die Gesellschafter bezüglich der Gesellschaftsforderung einen sogenannten Rangrücktritt mit der Wirkung vereinbart haben, daß die Forderung nur aus Jahresüberschüssen, aus Liquiditätsüberschüssen oder aus sonstigem Aktivvermögen der Gesellschaft beglichen werden soll (BGH NJW 1987, 1697 (1698)). Dem Vorbringen der Beklagten läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß Rangrücktrittserklärungen mit dem vorgenannten Inhalt vereinbart worden sind.
31Aufgrund der Gesamtumstände muß zudem davon ausgegangen werden, daß bezüglich der Gemeinschuldnerin keine günstige Fortsetzungsprognose getroffen werden konnte. Eine solche setzt grundsätzlich die Aufstellung eines Finanz- und Ertragsplanes voraus, aus dem sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, daß mittelfristig nicht mit dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit, sondern damit zu rechnen ist, daß die Gesellschaft in überschaubarer Zukunft ihre fälligen Verpflichtungen erfüllen wird. Nur wenn begründete Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche günstige Fortsetzungsprognose rechtfertigen, kann ein Unternehmen weiter betrieben werden. Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesellschafters, die für eine günstige Prognose erforderlichen Tatsachen zumindest darzulegen. An einem entsprechenden Vortrag der Beklagten fehlt es aber. Mit Rücksicht darauf, daß sie eine durch Überschuldung bedingte Krise der Gemeinschuldnerin nunmehr nachhaltig in Abrede stellen, ist vielmehr zu vermuten, daß es einen Finanz- und Ertragsplan nicht gegeben hat, denn für die Beklagten bestand nach ihrer Sicht der Dinge zu so etwas keinerlei Veranlassung. Nicht außer Betracht bleiben kann auch die Entwicklung im weiteren Verlauf des Jahres 1993. Wenn die Beklagten auch die vom Kläger behaupteten weiteren Verluste, die bis Oktober 1993 entstanden sein sollen, mit Nichtwissen bestritten haben, so läßt sich ihrem eigenen Vorbringen jedoch entnehmen, daß sich die finanzielle Situation der Gemeinschuldnerin durch die Notwendigkeit von Abfindungszahlungen eher verschlechtert als verbessert hat. Vor diesem Hintergrund sind also keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, die für eine positive Entwicklung der Gemeinschuldnerin bis Dezember 1993 sprechen könnten.
32Unter den gegebenen Umständen steht schließlich außer Frage, daß der Beklagte zu 2) bei der Zahlung an das Finanzamt schuldhaft gehandelt hat. Abgesehen davon, daß ein Verschulden des Geschäftsführers im Anwendungsbereich des § 64 Abs. 2 GmbHG ohnehin vermutet wird, so daß der Beklagte zu 2) schon im einzelnen hätte dartun müssen, daß ihn keine fahrlässige Unkenntnis bezüglich der Situation der Gemeinschuldnerin trifft, konnte der Beklagte zu 2) aufgrund der ihm bekannten Zahlen und der Entwicklung der Gemeinschuldnerin die Überschuldungssituation auch gar nicht übersehen. Soweit er geltend macht, er sei sich bei Ausstellung des Schecks am 10. Dezember 1993 weder einer Überschuldung noch einer Zahlungsunfähigkeit bewußt gewesen, vermag der Senat darin nur eine Schutzbehauptung zu sehen, die den erforderlichen Tatsachenvortrag vermissen läßt. Trotz der Übernahmeverhandlungen, bezüglich deren Scheitern der Beklagte zu 2) nicht einmal das konkrete Datum nennt, war der Zusammenbruch der Gemeinschuldnerin zum damaligen Zeitpunkt so greifbar, daß dem Beklagten zu 2) klar sein mußte, daß überhaupt keine Zahlungen mehr erfolgen durften, ohne daß ihn das Risiko einer Haftung traf. Sollte das Schicksal der Gemeinschuldnerin tatsächlich allein von den erkennbar unmittelbar vor dem Abschluß stehenden Übernahmeverhandlungen abhängig gewesen sein - mit welchem Ergebnis auch immer -, hätte der Beklagte zu 2) erst einmal abwarten müssen, ehe er einzelne Gläubiger bediente.
33Die Zahlung der Umsatzsteuer war auch nicht aufgrund von § 64 Abs. 2 S. 2 GmbHG gerechtfertigt. Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns sind nur solche Zahlungen vereinbar, die die Konkursmasse entweder überhaupt nicht schmälern oder die der Abwendung höherer Schäden etwa aufgrund einer sonst drohenden sofortigen Betriebseinstellung dienen (Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Anm. 16 zu § 64; Hache/Ulmer, GmbH-Gesetz, Anm. 42 zu § 64). Dafür lassen sich dem Vorbringen der Beklagten jedoch keinerlei Anhaltspunkte entnehmen. Unabhängig von der Frage, ob die Gemeinschuldnerin durch die Zahlung eine Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt oder im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses gegenüber der Beklagten zu 3) erfüllt hat, vermag der Senat keine Rechtfertigung dafür zu erkennen, warum Steuerzahlungen ohne weiteres einen höheren Stellenwert einnehmen sollen, als die Befriedigung sonstiger Gläubiger.
34Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, daß die Zahlung an das Finanzamt zu einer Schmälerung der Haftungsmasse der Gemeinschuldnerin geführt hat. Mit Rücksicht darauf, daß es sich bei § 64 Abs. 2 GmbHG nach ganz herrschender Meinung um einen Ersatzanspruch eigener Art zugunsten der Gesellschaftsgläubiger handelt, der dazu dient, von den Geschäftsführern veranlaßte und typischerweise mit Masseschmälerungen verbundene Zahlungen unter erleichterten Voraussetzungen auszugleichen, kommt ein Wegfall der Ersatzverpflichtung wegen fehlender Masseschmälerung nämlich nur dann in Betracht, wenn sich feststellen läßt, daß die konkrete Zahlung auf die Befriedigungsmöglichkeiten der übrigen Gläubiger überhaupt keine Auswirkungen haben konnte, etwa weil der durch die Zahlung befriedigte Gläubiger ohnehin in voller Höhe vor den anderen Gläubigern zu bedienen wäre. In Anbetracht dessen, daß sich die Frage aber regelmäßig erst am Ende der Konkursverfahrens beantworten läßt, also dann, wenn über alle Aktiv- und Passivposten entschieden worden ist, kann sich der Geschäftsführer mit der diesbezüglichen Argumentation folglich nur in Ausnahmefällen erfolgreich gegen seine Inanspruchnahme wehren, und zwar dann, wenn bereits zu einem früheren Zeitpunkt das insoweit erforderliche Ergebnis feststeht. Für diesen Ausnahmefall trägt dann aber auch der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Inanspruchnahme des Geschäftsführers im Einzelfall zu einer Art "Überzahlung" in die Haftungsmasse führen kann, denn stellt sich im Nachhinein heraus, daß mit der Zahlung des Geschäftsführers wegen der Stellung des von diesem befriedigten Gläubigers letztlich doch keine Schmälerung der Masse verbunden war, so hat der Geschäftsführer für seine von ihm veranlaßte Zahlung Ersatz geleistet, ohne daß er dazu tatsächlich verpflichtet war. Der Senat sieht hier nur die Möglichkeit eines nachträglichen Ausgleichs, dessen Notwendigkeit aber für die vorliegend zu entscheidende Frage der Darlegungs- und Beweislast keine Auswirkungen haben kann.
35Eine nahezu gleichgelagerte Problematik stellt sich bei der Frage nach der Berücksichtigung der Quote. Nach ganz herrschender Meinung ist der Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer um den Betrag zu kürzen, den der durch die Zahlung begünstigte Gläubiger als Konkursquote erhalten würde (Baum-bach/Hueck a.a.O., Anm. 19; Hache/Ulmer a.a.O., Anm. 43; Scholz/Karsten Schmidt, GmbH-Gesetz, Anm. 33 zu § 64). Auch hier geht die im frühen Stadium des Konkursverfahrens fehlende Möglichkeit einer verläßlichen Klärung zunächst zu Lasten des grundsätzlich zum Ersatz verpflichteten Geschäftsführers, ohne daß es sich dabei um eine abschließende Entscheidung handeln kann. Letztlich wird durch die Quote genau der Wert bestimmt, um den die Masse trotz der Zahlung im Ergebnis eben doch nicht geschmälert worden ist. Die Probleme sind dementsprechend deckungsgleich.
36Übertragen auf den vorliegenden Fall, führen die obigen Ausführungen dazu, daß der Beklagte zu 2) mangels konkreter Darlegung einer Ausnahmesituation zunächst in voller Höhe in Anspruch genommen werden kann. Der Haftung des Beklagten zu 2) steht dabei auch nicht entgegen, daß der Kläger nicht zunächst versucht hat, den an das Finanzamt gezahlten Betrag über eine Anfechtung nach § 29 ff. KO von diesem "zurückzu-holen". Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Beklagte zu 2) nämlich aus diesem Umstand gegenüber dem Kläger keine Rechte herleiten (BGH NJW 96, 850 f.).
37- II.
Gegen die Beklagte zu 3) steht dem Kläger lediglich ein Anspruch auf Zahlung von 3.500 DM aus § 812 BGB zu. Ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch scheitert entweder an einem fehlenden Organschaftsverhältnis oder aber an § 41 KO. Lagen die Voraussetzungen für die vom Kläger behauptete umsatzsteuerrechtliche Organschaft nicht vor, hat die Gemeinschuldnerin durch die fragliche Zahlung mit Ausnahme eines anteiligen Betrages von 3.500 DM lediglich eigene Steuerverbindlichkeiten erfüllt, so daß für eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 3) über den genannten Betrag hinaus kein Raum ist. Hinsichtlich der 3.500 DM liegt allerdings eine rechtsgrundlose Leistung an die Beklagte zu 3) vor, denn unstreitig beinhaltete die Zahlung über 119.254 DM 3.500 DM Umsatzsteuern, die aus Umsätzen der Beklagten zu 3) resultierten und deshalb von dieser an das Finanzamt hätten abgeführt werden müssen.
39Bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3), kommt als einzig denkbare Anspruchsgrundlage § 37 Abs. 1 KO in Betracht. Bei bestehender umsatzsteuerlicher Organschaft bewirkte die Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt nicht nur die Erfüllung der Umsatzsteuervorauszahlungsverbindlichkeit der Beklagten zu 3) gegenüber dem Finanzamt, sondern sie diente auch gleichzeitig dazu, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die interne Verteilung der Umsatzsteuerbelastung zu vollziehen, nach der die Gemeinschuldnerin im Innenverhältnis das an Umsatzsteuer tragen sollte, was aus ihren Umsätzen herrührte, während die Beklagte zu 3) nur insoweit mit Umsatzsteuer belastet werden sollte, wie sie auch tatsächlich entsprechende Umsätze getätigt hatte. Aufgrund dieser Handhabung bestand ein Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte zu 3) trotz eigener Zahlungen auf die im Außenverhältnis die Beklagte zu 3) treffenden Steuerverbindlichkeiten regelmäßig nicht, weil die Gemeinschuldnerin die ihr an sich geschuldeten Beträge aufgrund der internen Absprache sofort wieder an die Beklagte zu 3) hätte zurückzahlen müssen. Dementsprechend führte die Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt dazu, daß uno acto die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 3) gegenüber dem Finanzamt, der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin gegen die Beklagte zu 3) und der Ausgleichsanspruch der Beklagten zu 3) gegen die Gemeinschuldnerin ihre Erledigung fanden. Aufgrund des Konkurses der Gemeinschuldnerin eröffnete sich demgemäß für den Kläger die Möglichkeit, aber auch zugleich die Verpflichtung, das Rechtsgeschäft gegenüber der Beklagten zu 3) insoweit anzufechten, als mit der Zahlung an das Finanzamt zugleich auch deren Ausgleichsanspruch gegenüber der Gemeinschuldnerin erfüllt wurde. Unabhängig von der Frage, ob die diesbezüglichen Voraussetzungen der §§ 30, 31 KO vorliegen oder nicht, scheitert eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 3) aber daran, daß der Konkursverwalter die Anfechtungsfrist des § 41 KO nicht eingehalten hat. Zwar ist die Klage noch innerhalb der Jahresfrist erhoben worden, doch hat der Konkursverwalter darin weder die Anfechtung erklärt noch solche Tatsachen vorgetragen, die als Grundlage seines Anfechtungsrechts herangezogen werden können. Entsprechendes hat der Konkursverwalter erstmals und damit verspätet in der Berufungsbegründung vom 12. Mai 1998 nachgeholt. Trotz der insoweit eher weitgehenden Rechtsprechung vermag der Senat der Klageschrift keinerlei Anhaltspunkte für den Willen zur Anfechtung zu entnehmen. Dies gilt um so mehr, als nach dem damaligen Kenntnisstand des Konkursverwalters, dem die interne Absprache zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) über die Tragung der Umsatzsteuer offensichtlich nicht bekannt war, diesbezügliche Rechtshandlungen der Gemeinschuldnerin anzufechten. Ohne interne Absprache hätte es sich bei bestehender umsatzsteuerrechtlicher Organschaft bei der Zahlung der Gemeinschuldnerin in der Tat um eine Zahlung auf fremde Schuld gehandelt, die mangels Rechtsgrundes ohne weiteres von der Beklagten zu 3) im Wege des Bereicherungsausgleichs hätte verlangt werden können. Einer irgendwie gearteten Anfechtung hätte es dabei nicht bedurft. Deren Notwendigkeit ergab sich erst, nachdem die Beklagte zu 3) in ihrer Klageerwiderung auf die eigene Verpflichtung der Gemeinschuldnerin zur Tragung des auf ihre Umsätze entfallenden Umsatzsteueranteils hingewiesen hatte.
40- III.
Die Zahlungsansprüche des Klägers sind auch nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten zu 3) erloschen. Fehlte es an der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, standen die Umsatzsteuererstattungen der Gemeinschuldnerin, nicht aber der Beklagten zu 3) zu. Eine Ausnahme könnte nur insoweit gelten, als in die Erstattungen auch Umsätze der Beklagten zu 3) eingeflossen sind, doch dazu fehlt jedes nachvollziehbare Vorbringen der Beklagten zu 3).
42Fehlt es an der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, stünden die Erstattungen zwar im Verhältnis zum Finanzamt tatsächlich der Beklagten zu 3) zu, doch dürfte die Beklagte zu 3) diese aufgrund der zwischen ihr und der Gemeinschuldnerin getroffenen Vereinbarung nur insoweit behalten, falls sie nicht über die Vorsteuerabzugsberechtigung aus den Umsätzen der Gemeinschuldnerin resultieren. Da die Beklagte zu 3) selbst vorträgt, sie habe so gut wie keine Eigenumsätze, ist davon auszugehen, daß sie alles an die Gemeinschuldnerin abführen müßte. Aufrechenbare Beträge stehen der Beklagten zu 3) demnach nicht zu. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Beklagte zu 3) im einzelnen dargetan hätte, daß und gegebenenfalls in welchem Umfang die Rückerstattungen auch auf ihre Umsätze entfallende Vorsteuerabzugsbeträge enthielten.
43Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
45Der Wert der Beschwer des Beklagten zu 2) und des Klägers beträgt mehr als 60.000 DM.
46Der Wert der Beschwer der Beklagten zu 3) beläuft auf 7.000 DM.
47Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO liegen nicht vor.
48Der Streitwert wird auf 122.754 DM festgesetzt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.