Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 Wx 184/00
Tenor
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert des Beschwerdegegenstandes: Bis 30.000,- DM.
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Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 wird zurückgewiesen.
2Die Beteiligte zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.
3Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4Wert des Beschwerdegegenstandes: Bis 30.000,- DM.
5G r ü n d e :
6I. Die Beteiligten zu 1 und 3 bis 8 bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ... in Wuppertal..., die Beteiligte zu 2 ist die Verwalterin.
7Die Beteiligten zu 1 haben beantragt,
8der Beteiligten zu 2 aufzugeben, an sie 24.390,10 DM nebst Zinsen zu zahlen sowie festzustellen, dass sie verpflichtet ist, ihnen auch den weiteren Schaden zu erstatten, der ihnen durch den am 06. März 1999 erfolgten Abbau des Gerüstes entstanden ist und entstehen wird.
9Das Amtsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 1999 die Anträge abgelehnt.
10Hiergegen haben die Beteiligten zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt.
11Das Landgericht hat nach erneuter mündlicher Verhandlung am 04. April 2000 den Zahlungsanspruch der Beteiligten zu 1 dem Grunde nach für berechtigt erklärt, die Sache zur Prüfung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs an das Amtsgericht zurückverwiesen und festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 verpflichtet ist, den Beteiligten zu 1 auch den weiteren Schaden zu erstatten, der ihnen durch den am 06. März 1999 erfolgten Abbau des Gerüstes am Hause ... in Wuppertal... entstanden ist und entstehen wird.
12Mit der sofortigen weiteren Beschwerde, um deren Zurückweisung die Beteiligten zu 1 bitten (177; 211-213), verfolgt die Beteiligte zu 2 die Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1 weiter.
13Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
14II. Die gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).
151. Das Landgericht hat ausgeführt, die Beteiligte zu 2 habe schuldhaft den Mitbesitz der Beteiligten zu 1 an dem am Hause ... aufgestellten Gerüst (nebst Baurutsche) und deren Recht, es bestimmungsgemäß zu nutzen, widerrechtlich verletzt, indem sie es hat abbauen lassen. Sie sei daher grundsätzlich verpflichtet, den Beteiligten zu 1 den ihnen hierdurch entstandenen Sachaden zu ersetzen. Das von der Firma E... im Auftrag der Beteiligten zu 1 angebrachte Gerüst habe der Durchführung bzw. der Erleichterung der Aus- und Umbauarbeiten in den damals noch zwei Wohnungen der Beteiligten zu 1, die zwischenzeitlich eine Einheit darstellten, gedient. Zur Ausführung dieser Arbeiten seien die Beteiligten zu 1 jedenfalls bezüglich ihres Sondereigentums berechtigt gewesen. Denn innerhalb seines Sondereigentums dürfe ein Wohnungseigentümer bauliche Maßnahmen vornehmen, sofern davon das Gemeinschaftseigentum nicht beeinträchtigt werde. Überdies seien in der Teilungserklärung bzw. den Aufteilungsplänen die Räumlichkeiten Nr. 10 ausdrücklich als Wohnung bezeichnet. Ihre Ausgestaltung hierzu bedeute demnach keine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, sondern stelle den vorgegebenen Zustand erstmals her. Ob und inwieweit die Beteiligten zu 1 in diesem Zusammenhang möglicherweise zu weitergehenden Eingriffen (etwa Errichtung einer einheitlichen in sich abgeschlossenen Wohnung bzw. Entfernung der Trennwand) befugt seien, stehe vorliegend nicht zur Entscheidung, sei vielmehr u.a. Gegenstand des Verfahrens 93 UR II 19/99 WEG AG Wuppertal. Zur Durchführung dieser – erlaubten – Arbeiten seien die Beteiligten befugt, ein Gerüst nebst Baurutsche am Hause W... anbringen zu lassen und hierzu Teile des Gemeinschaftseigentums (Boden und Wohnfläche) in Anspruch zu nehmen. Denn andernfalls müssten – wie sich im Folgenden gezeigt habe – Baumaterialien einzelnen durch das Treppenhaus nach oben getragen bzw. Bauschutt von dort nach unten geschafft werden, was zeit- und damit kostenaufwendiger sei als der Transport des Bauschutts mit Hilfe einer Rutsche. Mit Rücksicht hierauf hätten die übrigen Miteigentümer die zeitlich begrenzte Aufstellung eines Gerüstes hinzunehmen. So habe auch das Amtsgericht Wuppertal – 93 UR II 19/99 – die Anbringung eines Gerüstes gestattet, soweit Bauarbeiten ausgeführt werden sollen, die ”Teile ihres Sondereigentums betreffen”. Daran ändere nichts, dass den Beteiligten zu 1 von den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft weder die Durchführung der Arbeiten noch die Aufstellung eines Gerüsts konkret gestattet worden sei. Denn die Beteiligten zu 1 hätten den Beginn der Baumaßnahmen – wenn auch ohne Nennung eines konkreten Baubeginns – mit an die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft gerichteten Schreiben vom 18. Februar 1999 angekündigt. Angesichts der Art und des Umfanges der im Dachgeschoss durchzuführenden Arbeiten hätten die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft auch mit der Errichtung eines Gerüstes oder einer ähnlichen Vorrichtung rechnen müssen. Ein Versuch der Beteiligten zu 1, sich die Errichtung dieses Gerüstes ausdrücklich genehmigen zu lassen, würde wegen der gespannten Verhältnisse zwischen ihnen und den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft ohnehin erfolglos geblieben sein. An dem ihnen von der Gerüstbaufirma zur bestimmungsgemäßen Nutzung überlassenen Gerüst hätten die Beteiligten zu 1 jedenfalls Mitbesitz erlangt. Diesen habe die Beteiligte zu 2 rechtswidrig dadurch verletzt, dass sie das Gerüst drei Tage nach seiner Aufstellung wieder habe abbauen lassen. Ob die Beteiligte zu 2 als Verwalterin und/oder aufgrund eines entsprechenden Eigentümerbeschlusses befugt gewesen wäre, das Gerüst entfernen zu lassen, könne dahinstehen. Denn zur fraglichen Zeit sei sie nicht mehr Verwalterin gewesen und habe ein entsprechender Beschluss der Gemeinschaft nicht vorgelegen. Die einstweilige Verfügung des AG Wuppertal – 35 C 119/99 - vom 03. März 1999 habe nach ihrem eindeutigen Wortlaut weder die übrigen Eigentümer, geschweige denn die Beteiligte zu 2, der in diesem Zusammenhang Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, berechtigt, das Gerüst zu entfernen, denn der Firma E... sei lediglich untersagt worden, Gerüstbauarbeiten durchzuführen. Hiernach sei die Verpflichtung der Beteiligten zu 2, den Beteiligten zu 1 den ihnen durch die Entfernung des Gerüstes entstandenen Schaden zu ersetzen, festzustellen. Die Höhe des Schadens hänge im Wesentlichen davon ab, zu welchen Baumaßnahmen und Veränderungen die Beteiligten zu 1 im Einzelnen berechtigt gewesen seien und welche letztlich Bestand haben werden, Fragen, die in dem insoweit vorgreiflichen Verfahren 93 UR II 19/99 WEG AG Wuppertal zu klären seien.
162. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in den wesentlichen Punkten stand.
17Ohne Beanstandung ist das Landgericht zu der Beurteilung gelangt, dass die Beteiligte zu 2 durch den widerrechtlichen Abbau des Gerüstes den (Mit-)Besitz der Beteiligten zu 1 an demselben verletzt hat und ihnen deshalb schadensersatzverpflichtet ist, § 823 Abs. 1 BGB.
18a) Die Widerrechtlichkeit der Besitzverletzung ergibt sich aus Folgendem:
19aa) Die Beteiligte zu 2 war nicht Verwalterin und - selbst wenn sie es gewesen wäre - weder im Wege der Notmaßnahme (§ 27 Abs. 1 Ziffer 3 WEG) noch durch einen Beschluss der Eigentümerversammlung oder auf sonstige Weise durch sämtliche Eigentümer mit Ausnahme der Beteiligten zu 1 zur Beseitigung des Gerüstes ermächtigt. Dass auch die einstweilige Verfügung ihr nicht das Recht gab, das Gerüst abbauen zu lassen, hat das Landgericht ebenfalls rechtlich einwandfrei ausgeführt. Denn die einstweilige Verfügung trifft eine einstweilige Regelung, für die kein Raum mehr ist, wenn die Entwicklung, die verhindert werden sollte – hier der Gerüstaufbau - bereits abgeschlossen ist. Für die Befugnis, ein bereits erstelltes Gerüst abbauen zu lassen, ergab sich auch aus dem Wortlaut der einstweiligen Verfügung kein Anhalt.
20bb) Die Beteiligte zu 2 kann auch nicht für sich in Anspruch nehmen, mit der von ihr veranlassten Beseitigung des Gerüstes lediglich auf eine im Aufbau des Gerüstes liegende verbotene Eigenmacht der Beteiligten zu 2 reagiert, also Abwehrrechte für die Gemeinschaft wahrgenommen zu haben. Denn selbst wenn der Aufbau des Gerüstes rechtswidrig gewesen sein sollte, so handelt es sich hierbei nicht um eine Besitzentziehung, sondern lediglich um eine Besitzstörung, da kein Anhalt dafür besteht, dass zum Ausbau einer Dachwohnung die gesamte Fassade mit einem Gerüst versehen worden ist. Dies wäre nicht nur ungewöhnlich, sondern auch unwirtschaftlich, weil teuer und mit keinem besonderen Nutzen verbunden. Im übrigen spricht auch die Rechnung der Firma E... vom 08.03.99 ausdrücklich (”...Gerüststellung an einem Teilstück Ihres Objektes...”) und vom Preis her (brutto 1.844,40 DM) dafür, dass nur ein Teilstück der Fassade eingerüstet worden ist.
21Ein Besitzschutz unter Mitbesitzern wegen einer Störung des Mitbesitzes findet aber nicht statt, § 866 BGB; BGHZ 29, 377; Palandt-Bassenge BGB 59. Auflage 2000 § 866 Rdz. 8). Im übrigen kommen Abwehransprüche aus verbotener Eigenmacht (§§ 865, 858, 861 Abs. 1 BGB gegen einen anderen Eigentümer nur in Betracht, wenn dem Antragsteller ein Sondernutzungsrecht an der betreffenden Fläche zusteht, welches ihn zum alleinigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums unter Ausschluss der anderen Wohnungseigentümer berechtigt (BayObLG , Beschluss vom 30.04.1990 – BReg. 1b Z 20/89 - ). Dies ist hinsichtlich der Fassade im Verhältnis der Beteiligten zu 2 bzw. den übrigen Miteigentümern einerseits und den Beteiligten zu 1 andererseits nicht der Fall.
22Überdies hätte eine Besitzkehr auch nur sofort (§ 859 Abs. 2 BGB), das heißt, so schnell wie nach objektiven Maßstäben möglich (Palandt-Bassenge § 859 Rdz. 4) geschehen müssen. Die Entfernung des Gerüstes hätte vorliegend demnach – wenn überhaupt - ohne besondere Gründe, nicht erst am 6. März 1999 erfolgen dürfen. Nach alledem war die von der Beteiligten zu 2 veranlasste Beseitigung des Gerüstes als Besitzschutzmaßnahme widerrechtlich.
23b) Soweit die Beteiligte zu 2 ihre Kompetenz und ihre rechtlichen Möglichkeiten unrichtig eingeschätzt haben sollte, führt dies zu der vom der Kammer rechtsfehlerfrei getroffenen Beurteilung, dass der Beteiligten zu 2 insoweit Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
24c) Die Beteiligte zu 2 ist demnach verpflichtet, den Beteiligten zu 1 den ihnen durch den widerrechtlichen Gerüstabbau erlittenen, der Höhe nach noch klärungsbedürftigen Vermögensschaden zu ersetzen.
25Gemäß § 249 Satz 1 BGB hätte die Beteiligte zu 2 grundsätzlich Naturalrestitution zu leisten, also das Gerüst wieder aufbauen zu lassen. Da die Voraussetzung des § 249 Satz 2 BGB, also die Beschädigung einer Sache nicht vorliegt, bedarf der Schadensersatzanspruch in Geld grundsätzlich einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, § 250 Satz 1 BGB. Hier haben die Beteiligten zu 1 am Dienstag, dem 9. März 1999 vorab per Fax die Beteiligten aufgefordert, den alten Zustand durch Remontage des Gerüstes mit Rutsche umgehend wieder herzustellen und für den Fall, dass diese Verpflichtung nicht noch in dieser Woche erfüllt werde, gerichtliche Schritte angekündigt. Hiernach war klar, dass die Beteiligten zu 1 sich nach Ablauf der Woche mit der Wiederherstellung nicht begnügen würden. Da die Beteiligten zu 2 einerseits raschen Ersatz für das Gerüst benötigten, andererseits ein solcher von der Beteiligten zu 2 – jedenfalls sofern derselbe nicht innerhalb der Woche erfolgen würde - nicht zu erwarten war und schließlich die Gefahr bestand, dass die Beteiligte zu 2 ein von den Beteiligten zu 1 wieder errichtetes Gerüst erneut werde abbauen lassen, kam nach Lage der Dinge nur Geldersatz in Betracht. Der Anspruch richtet sich auf den durch die Vereitelung der Nutzung des Gerüstes nebst Rutsche den Beteiligten zu 1 entstandenen und auch in Zukunft entstehenden (Feststellungsantrag) Vermögensschaden.
26Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 war hiernach zurückzuweisen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Von dem Grundsatz, dass die Beteiligten in Wohnungseigentumssachen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 47 Satz 2 WEG), abzuweichen, bestand keine Veranlassung.
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