Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 10 U 64/00
Tenor
1
T a t b e s t a n d :
2In der Zeit von März 1997 bis Mitte 1999 war die Klägerin aufgrund einer mit dem Erblasser getroffenen mündlichen Vereinbarung Mieterin einer Wohnung im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss des Hauses S. 23 in N.. Die Mieträume waren durch eine Geschosstreppe miteinander verbunden, deren Stufen ausweislich eines in dem Verfahren 7 OH 13/99 AG Neuss von dem Sachverständigen v. H. unter dem 23.3.1999 erstatteten Gutachtens eine unterschiedliche Auftrittsbreite hatten und die im Bereich der 7. Stufe lediglich über eine Kopfhöhe von 1,54 m verfügte, so dass eine erhöhte Sturzgefahr bestand.
3Am 10.1.1999 kam die Klägerin auf der vorstehend beschriebenen Treppe zu Fall, als sie sich vom 1. Obergeschoss zum Erdgeschoss begeben wollte. Bei dem Sturz zog sie sich ihrem Vorbringen nach erhebliche Verletzungen zu. Sie erlitt insbesondere einen Mehrfragmentbruch des linken Oberarmknochenkopfes, der stationäre Behandlungen in der Zeit vom 14.1. bis zum 25.1. und vom 30.3. bis zum 10.4.1999 erforderlich machte.
4Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz ihres materiellen unfallbedingten Schadens in Höhe von 5.743,92 DM und auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 75.000 DM in Anspruch genommen. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden aufgrund des Unfalls vom 10.1.1999 zu ersetzen.
5Die Beklagten haben eine Schadensersatzverpflichtung zu ihren Lasten nach Grund und Höhe in Abrede gestellt und Klageabweisung beantragt.
6Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
7Aus dem Mietvertrag resultierende Ansprüche der Klägerin auf der Grundlage des § 538 BGB seien ausgeschlossen, weil sie Kenntnis von der Beschaffenheit der Treppe gehabt habe, so dass § 539 BGB zur Anwendung komme. Aufgrund der ständigen Benutzung über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren sei ihr die unterschiedliche Stufenbreite allenfalls infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben. Gleichwohl habe sie den gefahrenträchtigen Zustand zu keiner Zeit bemängelt, sondern den Mietgebrauch vorbehaltlos fortgesetzt. Aus dem gleichen Grunde müsse sie sich ein derart umfassendes Mitverschulden zurechnen lassen, dass auch eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung nicht in Betracht komme.
8Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klagebegehren unter Erhöhung des Zahlungsanspruchs nach Maßgabe einer Haftungsquote von 75 % weiterverfolgt. Sie beantragt,
9unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
101.
11die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 11.172,43 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. August 1999 zu zahlen;
122.
13die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Senats gestellt wird, mindestens jedoch 56.250 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 10. November 1999 zu zahlen;
143.
15festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr 75 % ihres materiellen und immateriellen Schadens zu ersetzen, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherungsträger übergegangen ist.
16Die Beklagten beantragen,
17die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
18Auch sie wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz, dem das Landgericht zu Recht gefolgt sei.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und die bei den Akten befindlichen schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.
20Die Akten 7 OH 13/99 AG Neuss lagen vor und waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22I.
23Die zulässige Berufung der Klägerin ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keine für sie günstigere Entscheidung.
24Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch zu, so dass weder ihren Zahlungsanträgen noch ihrem Feststellungsbegehren stattgegeben werden kann. Das Landgericht hat mit durchweg zutreffenden Erwägungen zu Recht angenommen, dass sowohl einer vertraglichen Haftung im Hinblick auf die Regelung des § 539 BGB als auch deliktischen Ansprüchen aus dem Gesichtspunkt mitwirkenden Verschuldens gemäß § 254 BGB die Tatsache entgegensteht, dass die Klägerin die streitgegenständliche Treppe im Unfallzeitpunkt seit fast zwei Jahren täglich mehrmals benutzte, so dass ihr deren bauordnungswidriger Zustand, wie ihn der Sachverständige v. H. festgestellt hat, allenfalls infolge grober Fahrlässigkeit verborgen geblieben sein kann. Gleichwohl hat sie den Gebrauch vorbehaltlos fortgesetzt und nicht einmal in der ihr von der Hausverwaltung aus Anlass des Todes des ursprünglichen Vermieters mit Schreiben vom 10.3.1998 übersandten Mängelliste (Bl. 64/65 d.A.) einen diesbezüglichen Vermerk eingetragen, so dass eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten nach § 538 BGB nur unter den zweifelsfrei nicht vorliegenden Voraussetzungen der §§ 460, 464 BGB in Betracht käme. Aus dem gleichen Grunde müsste ein etwaiges Verschulden der Beklagten im Rahmen der ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Mietobjekts gegenüber dem weit überwiegenden Eigenverschulden der Klägerin zurücktreten (so in vergleichbaren Fällen auch OLG Koblenz VersR 1987, 125 = NJWE-MietR 1996, 13, OLG Hamm VersR 1978, 64 sowie 1997, 2000 und LG Hamburg ZMR 1999, 404 = DWW 1999, 150 = NZM 1999, 663 = WM 1999, 364; vgl. auch OLG Hamm NJW-RR 2000, 695 = MDR 2158, das selbst dann ein Mitverschulden von immerhin 1/3 zu Lasten des Geschädigten angenommen hat, der innerhalb einer Gaststätte auf einer Treppe zu Fall gekommen war, die er (lediglich) "zumindest ein weiteres Mal benutzt hatte").
25Insgesamt ist das Landgericht demnach zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die Klägerin die Folgen ihres bedauerlichen Unfalls nicht den Beklagten anlasten kann.
26II.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
28Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
29Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer der Klägerin werden auf jeweils 11.172,43 DM + 56.250 DM + 7.500 DM = 74.922,43 DM festgesetzt.
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