Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-10 U 146/00
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Juli 2000 verkündete Ur-teil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.399,32 EUR
(= 10.560,16 DEM) nebst 4 % Zinsen aus 762,02 EUR (= 1.490,38 DEM) seit dem 2.1.1999, aus weiteren 2.286,06 EUR (= 4.471,14 DEM) seit dem 2.4.1999, aus weiteren 2.286,06 EUR (= 4.471,14 DEM) seit dem 2.7.1999 und aus weiteren 65,19 EUR (= 127,50 DEM) seit dem 20.10.1999 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Der Klägerin steht über den erstinstanzlich zuerkannten Schadensersatzanspruch in Höhe von 127,50 DEM hinaus gegen die Beklagte gemäß §§ 535 Satz 2 BGB a.F., 128 HGB ein Mietzinsanspruch in Höhe von 5334,13 EUR (= 10.432,66 DEM) zu.
31.
4Zwischen der Klägerin und der Firma W. H. Unternehmensberatung GbR ist mit Vertrag vom 18.2./23.4.1993 ein Mietvertrag über eine Fernsprechanlage nebst Telefax und Sprechanlage mit einer Laufzeit von 10 Jahren zu einem monatlichen Mietpreis von 1.100 DEM zzgl. jeweils gültiger Mehrwertsteuer zustande gekommen. Durch Erweiterung der Anlage ist die monatliche Mietgebühr ab 28.4.1997 auf 1.250,94 DEM erhöht worden. Gemäß Ziffer 2.4. der Miet-AGB der Klägerin handelte es sich hierbei um einen Nettobetrag, dem die Mehrwertsteuer hinzuzurechnen ist. Der danach geschuldete Brutto-Mietbetrag von 1.451,09 DEM ist in der Folgezeit auf insgesamt monatlich 1.490,38 DEM erhöht worden.
5Der Senat lässt offen, ob die in Ziffer 2.9 der Miet-AGB enthaltene Preisänderungsklausel einer Inhaltskontrolle nach dem AGBG standhält. Nach dem nicht substantiiert bestrittenen und gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu wertenden Vorbringen der Klägerin, wurde der Beklagten die Mieterhöhung auf 1.272,20 DEM netto ab 1.4. mit der ersten Quartalsrechnung 1998 mitgeteilt und hat die Beklagte den angeforderten Erhöhungsbetrag bis einschließlich Februar 1999, d.h. für insgesamt drei Quartale in 1998 und für zwei Monate in 1999 unbeanstandet bezahlt. Hierin liegt den Umständen nach jedenfalls eine einverständliche konkludente Anhebung des Mietzinses, an die die Beklagte gebunden ist. Auf die Wirksamkeit der Preisanpassungsklausel kommt es danach nicht an. Eine weitere Anhebung des Mietzinses um 12,61 DEM beruht auf einer erneuten Anlagenerweiterung.
6Insgesamt kann die Klägerin für den hier streitigen Zeitraum die Zahlung eines Mietrückstandes von 10.432,66 DEM verlangen. Als Gesellschafterin der W. H. Unternehmungsberatungs GbR hat die Beklagte für diese Gesellschaftsschuld gemäß § 128 HGB einzustehen (BGH NJW 2001, 1056 = WuM 2001, 134).
72.
8Zwar kann die Beklagte gemäß § 129 Abs. 1 HGB ihrer Inanspruchnahme grundsätzlich alle Einwendungen entgegenhalten, die auch der Gesellschaft zustehen. Hierzu gehört insbesondere der Einwand der vorzeitigen Vertragsbeendigung. Das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der W. H. Unternehmungsberatungs GbR ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch weder durch die Kündigung der Gesellschaft vom 29.1.1999 erloschen noch hat die Beklagte das Zustandekommen eines Mietaufhebungsvertrages mit Wirkung zum 1.3.1999 bewiesen. Dies beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:
9- Kündigung vom 29.1.1999
Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Kündigung vom 29.1.1999 das Mietverhältnis nicht gemäß § 565 Abs. 4 Nr. 2 BGB a.F. beendet hat, weil der Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfrist die vereinbarte 10-jährige Vertragslaufzeit entgegensteht. Die Auffassung der Kammer, eine 10-jährige Vertragslaufzeit könne auch formularmäßig wirksam vereinbart werden, steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. ZMR 1997, 409).
11Eine derartige Regelung innerhalb von Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.02.1985 (NJW 1985, 2328) mit eingehender Begründung ausdrücklich gebilligt. Die dabei angestellten Erwägungen sind entgegen der Auffassung von Löwe (NJW 1995, 1226) nach Ansicht des Senats auch weiterhin maßgebend, zumal der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.02.1993 (NJW 1993, 1133) seine vorgenannte Entscheidung zur Begründung herangezogen und dadurch bestätigt hat. Auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist die Wirksamkeit einer formularmäßigen 10-jährigen Vertragsbindung allgemein anerkannt (vgl. zu den Fundstellenangaben des LG noch: KG Berlin, KGR 1997, 170; OLG Celle OLGR 1997, 245 + OLGR 1999, 317; OLG München, OLGR 1997, 169).
12Das Vorbringen der Beklagten rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Es mag dahinstehen, ob Ziffer 3.2. und Ziffer 4 der Miet-AGB einer Inhaltskontrolle standhalten. Jedenfalls führt eine etwa hierin liegende unangemessene Benachteiligung der Beklagten auch bei der gebotenen Gesamtschau nicht zur Unwirksamkeit der vereinbarten 10-jährigen Vertragsdauer. Zu Lasten der Beklagten fällt hier insbesondere ins Gewicht, dass das Verwendungsrisiko nach der Regelung des § 552 Satz 1 BGB ausdrücklich dem Mieter zugewiesen ist. Zum anderen konnte von der W. H. Unternehmungsberatungs GbR gerade im Hinblick auf die von ihr ausgeübte Geschäftstätigkeit erwartet werden, dass sie ihren betrieblichen Bedarf längerfristig abschätzen und dabei vor allem auch absehen konnte, dass die Entwicklung auf dem Gebiete der Telekommunikation rasch und möglicherweise sogar "rasant" fortschreiten werde. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass zu einem Abweichen von dem tragenden Grundsatz unserer Rechtsordnung, dass einmal geschlossene Verträge in aller Regel auch dann zu erfüllen sind, wenn sie als nicht mehr vorteilhaft oder gar lästig empfunden werden. Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang zur Stützung ihrer abweichenden Auffassung auf die Entscheidung BGH NJW 1997, 3022 beruft, ist diese schon deshalb hier nicht ohne weiteres übertragbar, weil es darin - anders als im Streitfall - um die Beurteilung einer 20-jährigen Vertragslaufzeit einer Telekommunikationsanlage in Mehrfamilienhäusern geht. Auch dass es sich um eine gebrauchte Anlage gehandelt haben soll, steht der 10-jährigen Bindung jedenfalls für den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht entgegen. Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten soll die Anlage im Oktober 1998 ca. sechs Jahre alt gewesen sein. Ihr Alter muss daher bei Abschluss des Mietvertrages am 18.2./23.4.1993 ca. 1/2 Jahr betragen haben. Dass die 10-jährige Laufzeit angesichts dieses Alters und selbst, wenn es sich um eine gebrauchte Anlage gehandelt hat, für die Fa. W. H. i.S. des § 9 AGBG eine unangemessene Benachteiligung darstellte, hat die Beklagte nicht plausibel gemacht.
13b) Mietaufhebungsvertrag
14Die Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass zwischen der Klägerin und der W. H. Unternehmungsberatungs GbR ein Mietaufhebungsvertrag zustande gekommen ist.
15Der Mietaufhebungsvertrag kommt wie jeder andere Vertrag durch Angebot und Annahme zustande, §§ 145 ff. BGB. Das Vorbringen der Beklagten rechtfertigt nicht die Annahme, die Klägerin habe ein Angebot der W. H. Unternehmungsberatungs GbR auf Vertragsauflösung angenommen oder ein eigenes Angebot in diesem Sinn abgegeben.
16Sieht man in der unwirksamen Kündigung vom 29.1.1999 gemäß § 140 BGB zugleich ein Angebot auf Abschluss eines Mietaufhebungsvertrages, so fehlt es jedenfalls an einer Annahmeerklärung der Klägerin. Diese kann entgegen der Annahme der Beklagten nicht allein darin gesehen werden, dass der Zeuge B. sich am 05.02.1999 telefonisch bei der W. H. Unternehmungsberatungs GbR gemeldet und die Abholung für den 8.2.1999 angekündigt hat. Der Aussage des erstinstanzlich vernommenen Zeugen B. ist nicht zu entnehmen, dass mit der Abholung der Telefonanlage eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses verbunden sein sollte. Als redliche Vertragspartnerin durfte die W. H. Unternehmungsberatungs GbR angesichts der eindeutigen vertraglichen Laufzeitregelung und des ihr bekannten Hinweises aus dem Angebot der Klägerin auf eine auf sie im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung zukommende erhebliche Restmietforderung nicht ohne weitergehende - hier nicht vorliegende - Anhaltspunkte davon ausgehen, die Klägerin habe ihren Rechtsstandpunkt ohne die im Angebot vom 13.10.1998 erbetene persönliche Rücksprache aufgegeben.
17Hieran ändert auch nichts das zwischen dem Zeugen B. und der ihrer erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nach der Darstellung der Beklagten am 8.02.1999 geführte Telefonat. Selbst wenn der Zeuge sich dahingehend geäußert haben sollte, wenn eine Geschäftsbeziehung nicht mehr erwünscht sei und nicht mehr bestehe, so bestünde kein Grund mehr für ein Entgegenkommen der Klägerin, so lässt dies nicht erkennen, dass der Zeuge mit diesen Worten ein Angebot der W. H. Unternehmungsberatungs GbR auf vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages annehmen oder gar ein eigenes Angebot in diesem Sinn abgeben wollte.
18Selbst wenn aber in dieser Äußerung des Zeugen ein Angebot zu sehen sein sollte, so handelt es sich jedenfalls um ein Angebot unter Anwesenden, dass gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2 BGB sofort hätte angenommen werden müssen. Davon, dass Rechtsanwältin S. in diesem Sinn eine Annahme erklärt hat, geht selbst die Beklagte nicht aus.
19Weitere Anknüpfungspunkte für eine einverständliche Vertragsaufhebung sind dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen. Diese geht vielmehr in ihrer Berufungserwiderung selbst davon aus, dass es in den weiteren Telefonaten keine vertragsrelevanten Erklärungen mehr gegeben habe. Da die Klägerin im Übrigen die Kündigung der W. H. Unternehmungsberatungs GbR mit Schreiben vom 23.2.1999 zurückgewiesen und deutlich gemacht hat, dass eine Abholung der Anlage kein Einverständnis mit der ausgesprochenen Kündigung sei, kommt der Abholung der Anlagen am 1.3.1999 angesichts des der W. H. Unternehmungsberatungs GbR bekannten entgegenstehenden Willens der Klägerin keine vertragsrelevante Bedeutung mehr zu. Soweit das Schreiben der Klägerin an die Rechtsanwälte Dr. E. pp. adressiert war, muss sich die W. H. Unternehmungsberatungs GbR deren Kenntnis gemäß § 166 BGB zurechnen lassen.
203.
21Die W. H. Unternehmungsberatungs GbR wurde jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht von der Mietzinspflicht befreit, weil ihr die Fernsprechanlage nach Abholung durch die Klägerin nicht mehr zur Verfügung stand. Gemäß § 552 Satz 1 BGB wird der Mieter von der Entrichtung des Mietzinses nicht dadurch befreit, dass er durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung des ihm zustehenden Gebrauchsrechts gehindert ist. Ein solcher persönlicher Grund liegt hier in der freiwilligen Aufgabe der Gebrauchsmöglichkeit durch Rückgabe der Telefonanlage an die Klägerin. Es hätte der W. H. Unternehmungsberatungs GbR oblegen, der Abholung der Telefonanlage zu widersprechen und die Klägerin aufzufordern, ihr diese weiterhin zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen (in diesem Sinn auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.6.1996, 9 U 9/96 für die vergleichbare Rechtslage im Fall des § 542 BGB).
22Soweit sich die Klägerin nach § 552 Satz 2 BGB den Wert der ersparten Aufwendungen sowie derjenigen Vorteile anrechen lassen muss, welche sie durch eine anderweitige Verwendung des Gebrauchs erlangt hat, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (Blank/Börstinghaus, Miete, § 552 BGB, RdNr. 20) hierzu nichts vorgetragen.
234.
24Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 2, 288 BGB i.V.m. Ziffer I des schriftlichen Mietvertrages.
25II.
26Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
27Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
28Beschwer der Beklagten: unter 20.000 EUR
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