Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-1 U 130/00
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. März 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurück-gewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2I.
3Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
4Der Kläger hat gegen die Beklagte keine weiteren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund des Unfallereignisses vom 1. Mai 1997. Ebenso ist sein Feststellungsbegehren unbegründet.
5Auch nach dem Ergebnis des durch den Senat eingeholten Sachverständigengutachtens läßt sich nicht mit der nach § 287 Abs. 1 ZPO im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der bei dem Kläger erstmals am 11. September 1997 diagnostizierte Bandscheibenvorfall C 6/7 auf das Kollisionsereignis zurückzuführen ist. Dies gilt auch für den Fall der unterstellten Richtigkeit des Rechtsmittelvorbringens des Klägers, er sei vor dem Unfallereignis im Bereich der Halswirbelsäule völlig beschwerdefrei gewesen.
6Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 6 UA-12 UA; Bl. 217-223 d.A.). Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abändernde Entscheidung.
7II.
81) Unstreitig hat der Kläger anläßlich der Auffahrkollision vom 1. Mai 1997 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule erlitten. Die streitige Frage, ob diese Verletzung nachfolgend einen lateralen Bandscheibenvorfall in Höhe des Segmentes HWK 6/7 ausgelöst hat, betrifft damit die haftungsausfüllende Kausalität und ist ein Problem der Schadenshöhe. Zum Haftungsgrund gehören das Unfallgeschehen und die erste hierdurch herbeigeführte Verletzung des Anspruchstellers. Folgeverletzungen, Beschwerden und sonstige schädliche Folgen zählen zur Schadenshöhe. Soweit Tatsachen und Kausalverläufe im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität nur die Schadenshöhe berühren, genügt es, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält (§ 287 ZPO). Insoweit tritt also im Vergleich zu der den Haftungsgrund betreffenden Vorschrift des § 286 ZPO eine Beweismaßsenkung ein.
92) Um die Unfallbedingtheit des vom Anspruchsteller geltend gemachen Verletzungs- und Beschwerdebildes zu ermitteln, ist der medizinische Befund so, wie er sich unmittelbar vor dem Unfall darstellte, zu rekonstruieren und mit demjenigen zu vergleichen, der nach dem Unfall gegeben war. Ergibt der Vergleich, dass nachher ein Mehr an Verletzungen oder Beschwerden vorlag, so ist diese Verschlimmerung gegenüber dem Vorzustand eine Folge des Unfalls, denn sie entfällt, wenn man das Schadensereignis wegdenkt. Zumindest ist sie durch den Unfall mitverursacht worden. War der vorherige Zustand - trotz einer schon damals gegebenen Verletzung oder Verschleißerscheinung - überhaupt nicht mit Beschwerden verbunden, war also die Vorschädigung symptomlos, können sogar alle vom Anspruchsteller vorgebrachten und bewiesenen Beeinträchtigungen seines Körpers oder seiner Gesundheit auf den Unfall zurückzuführen sein (Dannert, ZfS 2001, 50, 53, 54).
103) Trotz der zugunsten des Klägers im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität eingreifenden Beweiserleichterung vermag der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der streitige Bandscheibenvorfall seine Ursache in dem Unfallereignis hat. Nach dem Ergebnis der in beiden Instanzen eingeholten Sachverständigengutachten spricht alles für die Annahme, dass der erstmals am 11. September 1997 diagnostizierte Vorfall allein auf eine degenerative Vorschädigung der Halswirbelsäule des Klägers zurückzuführen ist, ohne dass sich insoweit das Kollisionsereignis als kausal oder auch nur als mitursächlich ausgewirkt hat.
11Ein traumatisches Ereignis kann nur dann die Ursache eines später eintretenden Bandscheibenvorfalls im Bereich der Halswirbelsäule darstellen, wenn das Trauma und der Bandscheibenvorfall durch typischen Brückensymptome verbunden sind. Dies setzt eine radikuläre Symptomatik voraus (OLG Hamm Urteil vom 23. August 2000, Aktenzeichen 13 U 186/99, veröffentlicht in Schaden-Praxis 2001, 13 f). Derartige Brückensymptome lassen sich im vorliegenden Fall nicht feststellen.
12a) Der durch den Senat mit einem fachorthopädischen Ergänzungsgutachten beauftragte Sachverständige Dr. v..... H..... hat in seinem Gutachten vom 25. Februar 2002 nach dem Akteninhalt zutreffend dargelegt, dass der Bandscheibenvorfall C 6/7 erstmals am 11. September 1997 anläßlich einer Kernspintomographie der Halswirbelsäule diagnostiziert worden ist (Bl. 287 d.A.). Wegen dieses Befundes wurde der Kläger dann ausweislich des Berichtes der .....klinik D..... vom 14. Oktober 1997 operiert. Soweit der Kläger die Behauptung aufstellt, bereits im Juli 1997 habe der ihn behandelnde Orthopäde Dr. H..... den Bandscheibenvorfall festgestellt (Bl. 4 d.A.), trifft dieser Vortrag nicht zu, wie der Sachverständige Dr. v..... H..... in seinem Gutachten vom 25. Februar 2002 zutreffend ausgeführt (Bl. 287 oben d.A.). Die durch den Orthopäden Dr. H..... erstellte ärztliche Bescheinigung mit der Diagnose des Bandscheibenvorfalles ist erst unter dem Datum des 2. Oktober 1997 gefertigt und ist damit erst nach der kernspintomographischen Untersuchung der Halswirbelsäule des Klägers verfaßt.
13b) Der Sachverständige v..... H..... hat bereits in seinem durch das Landgericht in Auftrag gegebenen fachorthopädischen Erstgutachten vom 13. Dezember 1999 überzeugend dargelegt, dass das Verhalten des Klägers unmittelbar nach dem Unfall sowie in den darauffolgenden Tagen keine Hinweise auf eine unmittelbar durch den Unfall aufgetretene radikuläre, durch einen Bandscheibenvorfall ausgelöste Symptomatik gibt
14Unstreitig hat der Kläger nach dem Kollisionsereignis die geplante Einkaufsfahrt von D..... nach V..... über eine Distanz von 120 km fortgesetzt (Bl. 8 UA; Bl. 219 d.A.; Bl. 242, 243 d.A.). Der Kläger stellt auch nicht die durch das Landgericht getroffene Feststellung in Abrede, dass sogenannte radikuläre Zeichen, also Kribbelgefühle, Taubheitsgefühle, Lähmungserscheinungen sowie Blockierungen der Halswirbelsäule, unmittelbar nach dem Unfall nicht vorgelegen haben (Bl. 194, 219, 242, 243 d.A.). Der erste Arztbesuch, der sich dem Vorbringen des Klägers entnehmen läßt, fällt auf das Datum des 20. Mai 1997 und betrifft die Praxis der Ärzte Dres. K..... sowie Kr..... (Bl. 4, 157 d.A.).
15c) Anläßlich der ärztlichen Erstbehandlung ist eine verhärtet tastbare Paravertebralmuskulatur der gesamten Halswirbelsäule und des hinteren Schultergürtels mit einer schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule festgestellt worden (Bl. 157 d.A.). Diese Beschwerden waren jedoch nicht die Folge des Bandscheibenvorfalles C 6/7, sondern waren seinerzeit durch das unfallbezogene HWS-Schleudertrauma bedingt. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers setzt nach dem Akteninhalt erstmals mit dem Datum des 3. Juni 1997 ein (Bl. 188 d.A.).
16Diese in bezug auf das Unfallereignis vom 1. Mai 1997 verzögerte ärztliche Erstbehandlung in Verbindung mit der verspäteten erstmaligen Krankschreibung des Klägers wäre nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger sogleich am 1. Mai 1997 den fraglichen Bandscheibenvorfall erlitten hätte. Dieser war unstreitig so gravierend, daß er eine Versteifungsoperation erforderlich machte. Erfahrungsgemäß sind mit einem Bandscheibenvorfall erhebliche Schmerzerscheinungen verbunden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Erstgutachten äußert sich ein solcher Vorfall in starken Schmerzen mit Blockierung eines Wirbelsäulenabschnittes sowie typischer Schmerzausstrahlung entsprechend dem durch den Vorfall eingeklemmten Nerv (Bl. 187 d.A.). Wäre es bereits am 1. Mai 1997 zu derartigen Beeinträchtigungen gekommen, hätte sich für den Kläger sogleich die Notwendigkeit eines Arztbesuches ergeben und nicht erst knapp drei Wochen später.
174. a) Zwar bestreitet der Kläger, seine Wirbelsäule sei in dem Bereich des Bandscheibenvorfalls vorgeschädigt gewesen (Bl. 241 d.A.). Ausweislich der "Begutachtung von Operationsmaterial" des Instituts für Neuropathologie der Universität D..... vom 15. Oktober 1997 (Bl. 162 d.A.) wies das dem Kläger am Tag zuvor entfernte Bandscheibengewebe ausgeprägte degenerative Veränderungen auf. Zutreffend erscheint die daraus durch den Sachverständigen in seinem Erstgutachten gezogene Schlußfolgerung, der Bandscheibenvorfall habe keine traumatische Ursache gehabt (Bl. 194 d.A.). Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen hat darüber hinaus die am 9. November 1999 durchgeführte Computertomographie der Lendenwirbelsäule Vorwölbungen und Schädigungen in den Segmenten L 3/4 sowie L 4/5 ergeben. Plausibel ist in diesem Zusammenhang die Feststellung des Sachverständigen, es bestünden erhebliche Hinweise für ein anlagebedingt minderwertiges Bandscheibengewebe, welches zu Verschleißerkrankungen neige (Bl. 190 d.A.). Indiziell wird diese Angabe bestätigt durch den Vortrag des Klägers, es sei kürzlich eine weitere Operation wegen eines in der Türkei erlittenen Bandscheibenvorfalls notwendig geworden (Bl. 241, 242, 244, 245 d.A.).
18b) Ohne jede Fundierung ist jedoch die durch den Kläger angedeutete Möglichkeit, unterstellte degenerative Veränderungen seien auch auf das Unfallereignis zurückzuführen (Bl. 244 d.A.). Die degenerativen Veränderungen, die sich nach den Ausführungen des Sachverständigen in Verbindung mit der Begutachtung des Operationsmaterials ergeben, sind so ausgeprägt, daß sie ihre Ursache schlechthin nicht in einem einmaligen traumatischen Ereignis aus Anlaß eines Verkehrsunfalls haben können. Dagegen spricht auch, daß der Kläger bereits vor dem 1. Mai 1997 nach den von der A..... überreichten Unterlagen wiederholt wegen Wirbelsäulenleiden arbeitsunfähig erkrankt war (Bl. 142, 143, 144, 145 d.A.).
19c) Nachvollziehbar ist deshalb die durch den Sachverständigen in seinem Erstgutachten gezogene Schlußfolgerung, daß der fragliche Bandscheibenvorfall keine traumatische Genese hat, weil es an der Verifizierbarkeit von monoradikulären Nervenwurzelirritations- oder Kompressionssymptomatik unmittelbar nach dem Unfall fehlt (Bl. 193 d.A.). Dies gilt um so mehr mit Rücksicht darauf, dass nach der zutreffenden Darlegung des Sachverständigen in seinem Erstgutachten der Aktenlage nicht eindeutig der Zeitpunkt zu entnehmen ist, wann erstmalig Hinweise für einen cervicalen Bandscheibenvorfall bestanden (Bl. 194 d.A.). Auch das Berufungsvorbringen des Klägers enthält insoweit keine Konkretisierung.
205. a) Der Sachverständige Dr. v..... H..... hat bereits in seinem Erstgutachten überzeugend dargelegt, dass die durch den Orthopäden Dr. H..... in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 2. Oktober 1997 gezogene Schlußfolgerung, die im Zusammenhang mit dem Bandscheibenvorfall durch den Kläger geklagten Beschwerden seien eindeutig auf das Unfallgeschehen zurückzuführen, da vorher diese Beschwerden nicht vorhanden gewesen seien (Bl. 21 d.A.), in dieser Allgemeinheit nicht zutrifft (Bl. 195 d.A.). Ganz abgesehen davon, dass zwischen dem Unfallereignis Anfang Mai 1997 und der erstmaligen Diagnose des Bandscheibenvorfalles am 11. September 1997 kein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, bedarf es für die Annahme eines Kausalzusammenhanges der Feststellung typischer Brückensymptome, die sich bereits nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen ließen.
21b) Gleichwohl hat sich der Senat wegen des Berufungsvorbringens des Klägers, er sei bis zum Unfallereignis im Bereich der Halswirbelsäule völlig beschwerdefrei gewesen (Bl. 241 d.A), veranlaßt gesehen, eine ergänzende fachorthopädische Stellungnahme des Sachverständigen v..... H..... einzuholen. Diese betraf die Beweisfrage, ob der in Rede stehende Bandscheibenvorfall ursächlich oder zumindest mitursächlich auf das bei dem Auffahrunfall eingetretene Beschleunigungstrauma zurückzuführen ist (Bl. 264 d.A.). In dem an den Sachverständigen gerichteten Auftragsschreiben vom 20. Juni 2001 ist dieser ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass nach der Rechtsprechung des Senats der medizinische Befund vor dem Unfallereignis zu rekonstruieren und mit demjenigen zu vergleichen ist, der nach dem Unfall gegeben war. Ergibt der Vergleich - so die weitere Weisung des Senats - dass nachträglich ein Mehr an Verletzungen oder Beschwerden vorlag, so soll diese Verschlimmerung gegenüber dem Vorzustand als eine Folge des Unfalls angesehen werden. Waren frühere Verschleißerscheinungen symptomlos, machen sie sich aber nach dem Unfallereignis bemerkbar, so sollten nach der abschließenden Arbeitsanweisung des Senats an den Sachverständigen alle vorgebrachten und bewiesenen Beeinträchtigungen seines Körpers oder seiner Gesundheit als auf den Unfall zurückgehend behandelt werden.
22c) Trotz dieser eindeutigen Vorgaben an den Sachverständigen läßt sich auch nach dem Inhalt des fachorthopädischen Ergänzungsgutachtens vom 25. Februar 2002 kein irgendwie gearteter Kausalzusammenhang zwischen dem Kollisionsereignis und dem streitigen Bandscheibenvorfall feststellen.
23Der Sachverständige weist in seinem Gutachten wiederholt - insoweit in Übereinstimmung mit dem Berufungsvorbringen - darauf hin, dass die vorliegenden Krankenunterlagen nicht erkennen lassen, dass der Kläger vor dem Unfall an einer Erkrankung der Halswirbelsäule gelitten hat, die eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte. Dies ergibt sich nach der Darlegung des Sachverständigen auch aus dem röntgenologischen Erstbefund (Bl. 288 d.A.). Das Vorerkrankungsverzeichnis der A..... R..... läßt nur lendenwirbelsäulenbezogene Krankheitsfälle erkennen (Bl. 141-145 d.A.).
246) Somit ist davon auszugehen, dass die degenerativen Veränderungen, die für den im September 1997 diagnostizierten Bandscheibenvorfall ursächlich waren, zwar schon bei dem Kollisionsereignis am 1. Mai 1997 existierten - allerdings in Form einer symptomlosen Vorerkrankung -. Der Senat hat deshalb keinen Anlaß, durch Vernehmung des Dr. H..... entsprechend dem im Verhandlungstermin gestellten Beweisantrag des Klägers Beweis über das Thema zu erheben, er habe erst nach dem Unfall über Beschwerden geklagt. Die Vorerkrankung hat nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme durch den Unfall keine Aktivierung in dem Sinne erfahren, dass sie in einem ursächlichen Zusammenhang damit zu dem in Rede stehenden Bandscheibenvorfall geführt hat. Gegen eine solche Feststellung spricht - wie der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten noch einmal hervorgehoben hat - die Tatsache, dass der Kläger unmittelbar nach dem Unfall sich noch in der Lage gesehen hat, eine ca. 120 km lange Autofahrt durchzuführen (Bl. 288, 289 d.A.). Darüber hinaus war nach der überzeugenden Schlußfolgerung des Sachverständigen der Beschleunigungseffekt auf die Halswirbelsäule auch nicht geeignet, einen Schaden der Bandscheibe C 6/7 mit Latenz hervorzurufen (Bl. 289 d.A.). Mit einer solchen Schädigung ist schon die Tatsache unvereinbar, dass eine am 20. Mai 1997 durch Dr. Sch.....-R..... durchgeführte Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule keinerlei Hinweise auf einen Prolaps oder auch nur auf eine Protusio ergeben hat. Vielmehr ist in dem Bericht des Arztes vom 11. Juni 1997 nur eine Distorsion der Halswirbelsäule mit anhaltender schmerzhafter muskulärer Verspannung und einer vegetativen Begleitsymptomatik diagnostiziert (Bl. 155 d.A.). Selbst eine noch am 12. Juni 1997 in der Praxis Dr. H..... durchgeführte Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule hat keine Auffälligkeiten ergeben, die auf einen Bandscheibenvorfall hindeuten (Bl. 175 unten d.A.). Der Senat hat deshalb keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Feststellung des Sachverständigen Dr. v..... H..... zu zweifeln, dass die medizinischen Unterlagen weder für die Zeit unmittelbar nach dem Unfallereignis noch für einen Zeitraum von ca. 6 Wochen danach keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz eines Bandscheibenvorfalles liefern (Bl. 288 unten d.A.).
257. Angesichts dieser Sachlage ist es trotz der Beweiserleichterung des § 287 ZPO nicht möglich, einen Kausalzusammenhang oder auch nur eine Mitursächlichkeit zwischen dem Unfallereignis und dem Prolaps im Bereichen HWK 6/7 festzustellen. Dies gilt um so mehr mit Rücksicht darauf, dass sich weder dem Vorbringen des Klägers noch den ärztlichen Unterlagen entnehmen läßt, wann erstmalig Hinweise auf einen cervicalen Bandscheibenvorfall feststellbar waren. Fest steht lediglich, dass diese Beeinträchtigung erstmals am 11. September 1997 bei der kernspintomographischen Untersuchung der Halswirbelsäule diagnostiziert wurde. Der zeitliche Abstand von fast 4 1/2 Monaten zu dem Unfallereignis kann mangels des Vorliegens typischer Brückensymptome jedenfalls nicht für die Annahme eines irgendwie gearteten Kausalzusammenhanges herangezogen werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände kommt es somit nicht mehr entscheidend darauf an, dass der Sachverständige in seinem Nachtragsgutachten vom 25. Februar 2002 seine bereits im Erstgutachten geäußerte Auffassung wiederholt hat, dass das Schadensereignis vom 1. September 1997 vom technischen Ablauf des Kollisionsgeschehens her ohnehin nicht geeignet gewesen sei, den durch den Kläger behaupteten Vorfallschaden hervozurufen (Bl. 288 d.A.).
268. Der Vollständigkeit halber sei schließlich auch noch erwähnt, dass die durch den Sachverständigen Dr. v..... H..... gezogenen Schlußfolgerungen in Übereinstimmung mit dem durch die Beklagte in Auftrag gegebenen fachärztlichen Gutachten des Sachverständigen Dr. L..... vom 30. April 1998 stehen. Denn darin wird der Bandscheibenvorfall allein auf die festgestellten degenerativen Veränderungen ohne mitwirkende Beteiligung des Unfallereignisses zurückgeführt (Bl. 113-116 d.A.). Es entspricht schließlich auch den Erfahrungen des Senats aus einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle, dass ein Degenerationsprozeß der Bandscheiben über viele Jahre symptomlos ablaufen und das Beschwerdebild jederzeit einsetzen kann, ohne dass es dazu einer äußeren Einwirkung bedarf. Der Senat hat unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Anlaß, die Richtigkeit der gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen v..... H..... in Zweifel zu ziehen.
279. a) Im Ergebnis hat der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Ersatz weiterer materieller und immaterieller Schäden, den er allein mit der Behauptung begründet, als weitere Unfallfolge sei neben der Distorsion der Halswirbelsäule der Bandscheibenvorfall in Höhe des Segmentes HWK 6/7 eingetreten. Nach den zutreffenden und durch den Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist der Distorsionsschaden bereits durch vorprozessuale Schmerzensgeldzahlungen der Beklagten ausgeglichen und damit nicht Gegenstand der Klage (Bl. 10 UA; Bl. 221 oben d.A.).
28b) Über den ihm durch das Landgericht bereits zuerkannten Lohnausfallschaden für den Monat Juni 1997 hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz hinsichtlich der mit seinem Rechtsmittel verfolgten weiteren Ausfallzeiten. Nach dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. v..... H..... haben sich die unfallbedingten Verletzungen für den Kläger nur bis zum 20. Juni 1997 in Form von Schmerzen sowie von Muskelhartspann im Bereich der gezerrten Halswirbelsäule geäußert. Über dieses Enddatum hinaus läßt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine unfallbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers feststellen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der dem Kläger durch den Bescheid des Versorgungsamtes D..... vom 14. November 1997 attestierte Behinderungsgrad von 30 Prozent seine Ursache in dem Unfallgeschehen hatte.
2910. Erfolglos ist schließlich das Rechtsmittel des Klägers auch insoweit, als er seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag hinsichtlich ihm zukünftig entstehender materieller Schäden weiterverfolgt.
30a) Wird die Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens aus einer bereits eingetretenen Rechtsgutverletzung beantragt, so reicht für das Feststellungsinteresse die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus, die nur verneint werden darf, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW 2001, 1431).
31b) Der Sachverständige Dr. v..... H..... hat in seinem Erstgutachten vom 13. Dezember 1999 zu Ziffer 4 zu der Frage Stellung genommen, ob die unfallbedingten Einschränkungen andauern (Bl. 170, 196 d.A.). Diese Fragestellung hat er eindeutig verneint. Die endgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule hat er auf die Versteifungsoperation der Segmente C 6/C 7 zurückgeführt und in nachvollziehbarer Weise als unfallunabhängig dargestellt (Bl. 196 d.A.).
32c) Seit dem Unfallgeschehen sind zwischenzeitlich mehr als 5 Jahre vergangen. Der Senat weiß aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle, dass jedenfalls nach einem solch langen Zeitraum ein Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule des Schweregrades 1 oder 2 nach Erdmann folgenlos ausgeheilt ist. Für die Annahme, dass bei dem Kläger ausnahmsweise noch auf den Unfall zurückzuführende Folgebeeinträchtigungen der Halswirbelsäule vorliegen oder daß mit solchen Beeinträchtigungen noch zu rechnen ist, hat die in beiden Instanzen durchgeführte Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben. Die durch den Kläger geklagten fortdauernden Beschwerden haben keine traumatische Ursache, sondern erklären sich aus degenerativen Verschleißerscheinungen seiner Halswirbelsäule.
33d) Nach Lage der Dinge besteht somit aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund, noch mit dem Eintritt eines Zukunftsschadens zu rechnen, der eine unfallbezogene Ursache hat. Damit fehlt es bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung des Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 2 ZPO für die Zukunftsschäden betreffende Feststellungsklage.
34III.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
36Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
37Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 35.601,92 DM (10.601,92 DM + 5.000,- DM + 20.000,- DM).
38Dieser Betrag macht auch die Beschwer des Klägers aus, die somit unter 20.000 EUR liegt.
39Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlaß, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. nicht gegeben sind.
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Referenzen
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