Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 4 Ws 222/02
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zu neuer Ent-scheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die 1. Straf-vollstreckungskammer des Landgerichts Kleve zurückverwiesen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Juni 1998, rechtskräftig seit dem 23. Dezember 1998, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Gleichzeitig hat das Landgericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Der Beschwerdeführer, der sich seit dem 01. Oktober 1997 in Untersuchungshaft und seit Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils in sogenannter Organisationshaft befunden hatte, wurde in Vollzug der Maßregelanordnung zunächst seit dem 23. März 1999 in den Rheinischen Kliniken L. untergebracht. Am 21. März 2000 wurde der Beschwerdeführer in die Rheinischen Kliniken B.-H. verlegt. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2000 ordnete die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve erstmals die Fortdauer der Unterbringung an. Auf das Rechtsmittel des Untergebrachten hat der Senat mit Beschluss vom 26. März 2001 - 4 Ws 57/01 - die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 19. Dezember 2000 im wesentlichen wegen fehlender Beiordnung eines Pflichtverteidigers, jedoch auch unter Hinweis auf die Notwendigkeit der mündlichen Anhörung des Verurteilten durch die gesamte Strafvollstreckungskammer aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Nach Einholung eines Gutachtens eines anstaltsfremden Sachverständigen hat die Strafvollsteckungskammer durch Beschluss vom 02. November 2001 erneut die Fortdauer der Unterbringung gemäß § 67 e StGB angeordnet; zuvor war der Untergebrachte allein durch den Berichterstatter als den von der Strafvollstreckungskammer hierzu beauftragter Richter angehört worden.
4Auf das erneute Rechtsmittel des Untergebrachten hat der Senat mit Beschluss vom 14.Januar 2002 - 4 Ws 650/01 - wiederum die Fortdauerentscheidung aufgehoben und das Verfahren zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer mit Blick auf die lediglich durch den Berichterstatter als beauftragten Richter durchgeführte Anhörung des Untergebrachten unter einem wesentlichen Verfahrensfehler leide. Unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung und in Abgrenzung zu der abweichenden Auffassung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 15. März 2001 - 2 Ws 66/01 -, JMBlNW 2001, 216ff) hat der Senat noch einmal klargestellt, dass im Regelfall die Anhörung des Untergebrachten durch den gesamten Spruchkörper zu erfolgen hat und nur in eng umrissenen Ausnahmefällen hiervon abgewichen werden darf. Einen solchen Ausnahmefall hat der Senat verneint; hierbei hat der Senat auch dem - von der Strafvollstreckungskammer herangezogenen - Umstand Rechnung getragen, dass angesichts des Krankheitsbildes nach den eingeholten gutachterlichen Äußerungen die Notwendigkeit der Unterbringung ärztlicherseits für erheblich länger bejaht wurde und insoweit ausgeführt, dass auch in einer solchen Fallkonstellation die Anhörung lediglich durch den Berichterstatter als beauftragten Richter allenfalls dann zulässig sein könnte, wenn die Kammer sich in der nahen Vergangenheit wenigstens einmal einen unmittelbaren Eindruck von dem Untergebrachten verschafft hat.
5Die Strafvollsteckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss erneut die Fortdauer der Unterbringung angeordnet; der Untergebrachte ist zuvor wiederum nur durch den Berichterstatter als beauftragten Richter angehört worden. In den Beschlussgründen hat die Strafvollstreckungskammer die Ansicht vertreten, sie sei im Hinblick auf die Frage der Notwendigkeit der Anhörung durch die gesamte Kammer nicht an die vom Senat in dem Beschluss vom 14. Januar 2002 vertretene Rechtsauffassung gebunden, und hat unter Bezugnahme auf die oben erwähnte Entscheidung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf im einzelnen dargelegt, warum hier - entgegen der Ansicht des Senats - von der Anhörung durch den gesamten Spruchkörper abgesehen werden konnte. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Untergebrachte wiederum mit der sofortigen Beschwerde.
6II.
7Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache - jedenfalls vorläufigen - Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer ist entgegen der von ihr im angefochtenen Beschluss vertretenen Ansicht an die Rechtsauffassung des Senats bezüglich der Notwendigkeit der Anhörung des Untergebrachten durch den gesamten Spruchkörper, die Grundlage für die Aufhebung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 02. November 2001 war, gebunden. Da die Strafvollstreckungskammer die Anhörung dennoch - erneut - lediglich durch den beauftragten Richter durchgeführt hat, leidet die Entscheidung - wiederum - unter einem wesentlichen Verfahrensmangel und ist daher aufzuheben.
81. Zu Unrecht meint die Strafvollstreckungskammer nicht an die vom Senat in dem Beschluss vom 14. Januar 2002 dargelegten Rechtsauffassung zur Anhörungsproblematik im konkreten Fall gebunden zu sein.
9a) Ob im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht die von diesem zur Begründung seiner Entscheidung dargelegte Rechtsauffassung den Erstrichter bindet und von diesem zwingend zu beachten ist, ist umstritten.
10aa) In seiner Entscheidung vom 26. Februar 1988 (BGHR StPO § 309 Abs. 2 Zurückverweisung 1 = NStE Nr. 1 zu § 309 StPO) hat der 2. Senat des Bundesgerichtshofes zwar die Bindungswirkung eines Zurückverweisungsbeschlusses des Oberlandesgerichtes bejaht. Jedoch hat der Bundesgerichtshof lediglich festgestellt, dass die Zurückverweisung durch das Oberlandesgericht als solche für die Strafvollstreckungskammer bindende Wirkung hat, diese also in der Sache neu zu entscheiden hat, ohne dass es von Bedeutung wäre, ob das Oberlandesgericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine eigene Sachentscheidung hätte treffen können oder eine solche sachdienlich gewesen wäre. Die Frage, ob der Erstrichter auch an die vom Beschwerdegericht vertretene Rechtsauffassung gebunden ist, war für den Bundesgerichtshof somit nicht entscheidungsrelevant (insoweit wurde lediglich im Rahmen eines obiter dictums auf die herrschende Meinung verwiesen).
11bb) Die überwiegende Ansicht in der Literatur (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45 Aufl. 2001, Rdnr.10 zu § 329; LR-Gollwitzer, StPO, 24. Aufl. 1987, Rz . 12 zu § 309; KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl. 1999, Rz. 12 zu § 309; Pfeiffer, StPO, 3. Aufl. 2001, Rz. 4 zu § 309 StPO; Mohrbotter, ZStW 84 (1972), 614, 624; Mayer, NStZ 1987, 25, 26 (Anmerkung zu OLG Kolblenz, NStZ 1987, 24) verneint eine Bindung des Erstrichters an die Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass im Beschwerderecht eine die Bindung des Erstrichters bestimmende gesetzliche Regelung, wie sie für das Revisionsrechts durch § 358 Abs. 1 StPO aufgestellt werde, fehle. Eine entsprechende Anwendung des § 358 Abs. 1 StPO auf die aufhebende und zurückweisende Entscheidung des Beschwerdegerichts verbiete sich hiernach, da dieses im Gegensatz zum Revisionsgericht die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüfen kann und die Sachentscheidung gemäß § 309 Abs. 2 StPO auch der vom Gesetzgeber vorgesehene Regelfall ist (vgl. ausführlich Mohrbotter, a.a.O.). Die Bindung des Erstrichters an die Entscheidung der Rechtsmittelinstanz stelle eine Ausnahme von dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit gemäß Art. 97. Abs. 1 GG dar, die einen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfe. Dies stünde einer Analogie des § 358 Abs. 1 StPO auf das Beschwerderecht entgegen (vgl. Mohrbotter, a.a.O.)
12cc) Die Gegenauffassung (SK-Frisch, StPO, Stand 1998, Rz. 17 u. 27 zu § 309) sieht demgegenüber das Erstgericht bei einer Aufhebung und Zurückverweisung, die das Beschwerdegericht mit der Anweisung verbunden hat, bei der neuen Sachentscheidung Bestimmtes zu beachten oder in bestimmter Hinsicht zu verfahren, an diese Anweisung gebunden (i.E. ebenso Schröder, Festschrift für Nikisch, 1958, 205, 222). Die Bindung ergebe sich aus der verpflichtenden Wirkung einer solchen Anweisung als solche (SK-Frisch, a.a.O.).
13b) Nach Ansicht des Senats entfaltet in entsprechender Anwendung des § 358 Abs. 1 StPO der Aufhebung- und Zurückverweisungsbeschluss für das Erstgericht jedenfalls in den Fallgestaltungen, in denen dem Beschwerdegericht aus zwingenden Sacherwägungen eine eigene abschließende Sachentscheidung verwehrt ist, bindende Wirkung.
14aa) Nach § 309 Abs. 2 StPO erlässt das Beschwerdegericht bei Begründetheit des Rechtsmittels die in der Sache erforderliche Entscheidung. Nach herrschender Auffassung ist mit der "in der Sache erforderlichen Entscheidung" die Sachentscheidung an Stelle des Erstrichters gemeint (vgl. Mohrbotter, a.a.O., S. 623; Mayer, a.a.O.; Gollwitzer, a.a.O., Rz. 8; BGHSt 38, 312, 313 = NJW 1992, 2775; OLG Rostock, NStZ-RR 2000, 14). Abweichend hiervon versteht die Mindermeinung (SK- Frisch, a.a.O., Rz. 14) die "Sache" als Rechts- oder Strafsache überhaupt, mit der Folge, dass bereits nach dem Wortlaut des § 309 Abs. 2 SPO eine Aufhebung und Zurückverweisung nicht ausgeschlossen sei, da auch eine solche Entscheidung die für den sachgerechten Fortgang des anhängigen Beschwerdeverfahrens erforderliche Entscheidung sein kann. Ob der abweichenden Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen, da es auch auf der Grundlage des engen Verständnisses der Sache im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO anerkannt ist, dass es Ausnahmen von der Regel der Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht gibt (vgl. BGHSt 38, 312, 313), wobei die Voraussetzungen und Grenzen der Ausnahmefälle umstritten sind (vgl. BGSt 36, 139, 144 m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45 Aufl. 2001, Rdnr. 7ff; Gollwitzer, a.a.O., Rz. 11ff).
15bb) Allgemein anerkannt ist die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, den das Beschwerdegericht selbst nicht beheben kann, z.B. weil nach den jeweils einschlägigen Zuständigkeitsregelungen lediglich das Erstgericht die Legalkompetenz für die Sachentscheidung hat (vgl. SK-Frisch, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.) oder wenn sich die angefochtene Entscheidung nicht als Erkenntnis des dafür vorgesehenen Spruchkörpers darstellt und der Mangel im Beschwerdeverfahren nicht in dem Sinne ausgeglichen werden kann, dass das Beschwerdegericht rechtlich voll an die Stelle des an sich zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers treten kann (vgl. BGHSt 38, 313, 313f; OLG Brandenburg, NStZ 1996, 405, 407; KK-Engelhardt, a.a.O. Rz. 10). Darüber hinaus wird von der obergerichtlichen und teilweise auch höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Durchbrechung des Grundsatzes der eigenen Sachentscheidung z.B. dann anerkannt, wenn dem Beschwerdeführer bei eigener Sachentscheidung eine Instanz verloren ginge (vgl. OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, StV 1995, 539; OLG Hamm, StV 1995, 594, 595; ablehnend OLG Rostock NStZ-RR 2000, 14, 15) und/oder das zugrundeliegende Verfahren unter einem schwerwiegenden Verfahrensfehler leidet (z.B. fehlende Beiordnung eines Verteidigers im Rahmen des Prüfungsverfahrens nach § 67e StGB OLG Karlsruhe, StV 1997, 314,f = StraFo 1997, 125f oder bei unterbliebener mündlicher Anhörung (vgl. BGH NStZ 1995, 610, 611; OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, NStZ 1993, 406f = StV 1993, 646f; 1. Strafsenat, StV 1995, 538; 5. Strafsenat, NStZ 1981, 454; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1998, 77; OLG Koblenz, GA 1985, 235, 237;OLG Karlsruhe, Die Justiz 1975, 477f, 1981, 365), die angefochtene Entscheidung keine Entscheidung zur Sache selbst enthält (vgl. BGHSt 36, 139, 140; OLG Bremen, NJW 1951, 84f) oder eine umfassende Behandlung und Würdigung des Streitstoffes nicht vorgenommen wurde (vgl. OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat StV 1986, 376) bzw. das Erstgericht es bei einer floskelhaften Begründung hat bewenden lassen (OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, StV 1995, 539 = VRS 88 (1995), 426f; kritisch hierzu OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, MDR 1993, 375f).
16Ob dieser - in der Literatur kritisierten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.; Gollwitzer, a.a.O.; Mohrbotter, a.a.O.; Mayer, a.a.O.; trotz unterschiedlichen Ansatzes im Ergebnis zustimmend SK-Frisch, a.a.O., Rz. 25) - die Ausnahmefälle für eine Aufhebung und Zurückverweisung ausdehnenden Rechtsprechung in ihrer Allgemeinheit zugestimmt werden kann, kann dahingestellt bleiben. Ein Abweichen von der Regel des § 309 Abs. 2 StPO ist jedenfalls in Fällen schwerwiegender Verfahrensfehler gerechtfertigt, wenn das Beschwerdegericht im Einzelfall den Verfahrensverstoß in der gebotenen Weise nicht beheben und damit das Erstgericht ersetzen kann (vgl. OLG Braunschweig, NStZ 1996, 406, 407). Lässt der Verfahrensfehler eine eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht zu, muss der - damit allein möglichen - Aufhebung und Zurückverweisung in entsprechender Anwendung des § 358 Abs. 1 StPO bindende Wirkung zukommen. Der gegen eine Analogie des § 358 Abs. 1 StPO auf das Beschwerdeverfahren erhobene Einwand der eigenen Entscheidungskompetenz (vgl. Mohrbotter, a.a.O.) trägt in diesen Fällen nicht.
17Um einen derartigen, von dem Beschwerdegericht nicht sachgerecht auszugleichenden Verfahrensfehler handelt es sich, wenn im Unterbringungsverfahren gemäß §§ 67 Abs. 2, 67 e StGB die Strafvollstreckungskammer die nach §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 1 Satz 2 StPO notwendige mündliche Anhörung nicht oder - wie hier - nicht in der gebotenen Zusammensetzung durchgeführt hat. Dafür, dass die ordnungsgemäße mündliche Anhörung des Untergebrachten nicht im Beschwerdeverfahren vom Beschwerdegericht nachgeholt werden kann, spricht zunächst einmal, dass die Regelung des § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO ausschließlich für den ersten Rechtszug gilt (vgl. OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, StV 1993, 646, 647 = NStZ 1993, 406, 407; m.w.N.; OLG Brandenburg, NStZ 1996, 406, 407; OLG Hamm, NJW 1975, 701; KK-Fischer, a.a.O., Rz. 37 zu § 454). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 308 Abs. 2 StPO dem Beschwerdegericht die Befugnis einräumt, zur Sachaufklärung Ermittlungen vorzunehmen, wozu teilweise die mündliche Anhörung eines Verfahrensbeteiligten - als Ausnahme vom durch § 309 Abs. 1 StPO bestimmten Prinzip des schriftlichen Beschwerdeverfahrens - gezählt wird (vgl. OLG Rostock, NStZ- RR 2000, 14, 15; Rautenberg in Heidelberger Kommentar, StPO, 3. Aufl. 2001, Rz. 1 zu § 309). Denn das grundsätzlich ausgeschlossene Mündlichkeitsprinzip kann im Beschwerdeverfahren allenfalls insoweit durchbrochen werden, als es um eine im Einzelfall wegen besonderer Umstände oder Eigenheiten in der Person des Beschwerdeführers indizierte mündliche Erläuterung des Beschwerdebegehrens selbst geht oder auf den besonderen Eindruck von seiner Persönlichkeit im Hinblick auf das spezielle Beschwerdevorbringen entscheidend ankommt. Zweck, Zielrichtung und Charakter der gesetzlich geregelten Anhörung im Rahmen des § 454 StPO unterscheiden sich indessen wesentlich von solchen Ausnahmesituationen im Rahmen der Begründung und Erläuterung eines Beschwerdebegehrens (vgl. OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat, NStZ 1993, 406, 407 = StV 1993, 646, 647; ebenso OLG Brandenburg, NStZ 1996, 406, 407).
18In besonderem Maße gilt dies für die mündliche Anhörung des Untergebrachten gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 1 Satz 3 StPO im Rahmen der Prüfung der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67e StGB. Die Strafvollstreckungskammer hat gemäß § 67 e Abs. 1 Satz 2 Abs. 2 StGB jedes Jahr (im Falle der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt alle sechs Monate und bei der Sicherungsverwahrung alle zwei Jahre) die Voraussetzungen der Unterbringung bzw. für eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung auf Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB zu prüfen. Auch auf der Grundlage des im Rahmen der mündlichen Anhörung gewonnenen Eindrucks vom Untergebrachten hat die Strafvollstreckungskammer festzustellen, ob der Aufenthalt und die Behandlung in dem psychiatrischen Krankenhaus zu einer derartigen Besserung - bestenfalls Heilung - der der Unterbringung zugrundeliegenden geistigen bzw. psychischen Disposition des Untergebrachten geführt hat, dass eine günstige Sozial- und Kriminalprognose gestellt werden kann, die ein Absehen von der weiteren Vollstreckung der Maßregel rechtfertigt. Eine solche Besserung tritt oftmals erst im Verlauf einer langjährigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - die im übrigen im Gegensatz zu der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keiner Höchstfrist unterliegt (vgl. § 67 d Abs. 1 StGB) - als Ergebnis eines schwierigen und wechselvollen Behandlungsprozesses ein. Das regelmäßig stattfindende Überprüfungsverfahren einschließlich der mündlichen Anhörung des Untergebrachten versetzt die Strafvollstreckungskammer in die Lage, die Entwicklung des Untergebrachten und dessen Fortschritte oder sonstige Veränderungen kontinuierlich mitzuverfolgen und gegebenenfalls auf die Ausgestaltung der Unterbringung einzuwirken. Bei der so definierten Bedeutung der Anhörung(en) im Kontext einer mehrjährigen Unterbringung kann eine Anhörung durch das Beschwerdegericht nicht eine unterlassene oder nicht ordnungsgemäße Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer ersetzen.
19Da nach alledem der der Strafvollstreckungskammer - hier - unterlaufene Verfahrensfehler nicht von dem Beschwerdegericht in hinreichender Weise ausgeglichen werden kann, ihr damit die Kompetenz zur eigenen Sachentscheidung gemäß § 309 Abs. 2 StPO ausnahmsweise fehlt, liegt eine Verfahrensgestaltung vor, wie sie regelmäßig im Revisionsverfahren anzutreffen ist und die die Grundlage für die Bindungswirkung gemäß § 358 Abs. 1 StPO darstellt, so dass eine analoge Anwendung dieser Vorschrift gerechtfertigt ist.
20Die hieraus folgende Bindung der Strafvollstreckungskammer an die vom Senat in seinem Beschluss vom 14. Januar 2002 geäußerte und der Aufhebung und Zurückverweisung zugrundeliegenden Rechtsauffassung stellt auch keinen Eingriff in die grundgesetzlich durch Art. 97 Abs. 1 GG geschützte richterliche Unabhängigkeit dar, weil Art. 97 Abs. 1 GG nur das Verhältnis der Richter zu den Trägern nichtrichterlicher Gewalt bindet und gesetzliche Regelungen, die den Richter an die Entscheidungen eines anderen Gerichts binden, die sachliche Unabhängigkeit des Richters daher nicht verletzen (vgl. BVerfGE 12, 67 = NJW 1961, 385 = MDR 1961, 385; im Grundsatz bestätigt durch BVerfG, NJW 1996, 2149ff = DRiZ 1996, 372ff = DVBl 1996, 1123; a.A. Mohrbotter, a.a.O., S. 614).
212. Die Strafvollstreckungskammer ist demnach verpflichtet, der vom Senat in dem Beschluss vom 14. Januar 2002 ausgesprochenen Weisung, den Untergebrachten durch die gesamte Kammer anzuhören, zu folgen. Die Ausführungen der Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss, mit denen sie ihre Auffassung begründet, es läge hier ein die Anhörung lediglich durch den Berichterstatter als beauftragten Richter rechtfertigender Ausnahmetatbestand vor, geben dem Senat keine Veranlassung, zu einer abweichenden Einschätzung. Auf die von der Strafvollstreckungskammer herangezogene Entscheidung des 2. Strafsenats des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 15. März 2001 - 2 Ws 66/01 -, JMBlNW 2001, 216ff) ist der Senat bereits mit dem - der Strafvollstreckungskammer bekannten - Beschluss vom 25. Juli 2001 - 4 Ws 322/01 - (NStZ-RR 2002, 191) eingegangen.
22III.
23Die Sache musste wegen des erneuten Verfahrensfehlers aus den oben dargestellten Gründen an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Sachbehandlung (einschließlich der Anhörung durch die gesamte Kammer) und Entscheidung zurückverwiesen werden.
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